image

ROLAND KADAN

Da David und sei Pantscherl

Altes Testament
auf Wienerisch

image

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Printed in Austria

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

1. Auflage 2017

© 2017 by Braumüller GmbH

Servitengasse 5, A-1090 Wien

www.braumueller.at

Fotos auf den Seiten 22, 60 und 88: Archiv des Autors;

Seiten 22 und 88: Katholische Bibel, Das ist die ganze Heilige Schrift alten und neuen Testaments, gedruckt bey Johann Joseph Fleischmann, Nürnberg 1763

ISBN der Printausgabe: 978-3-99100-217-8

ISBN E-Book: 978-3-99100-218-5

Vorwort

Die Fußstapfen, in die ich mit dieser Übersetzung ins Wienerische trete, sind denkbar groß: Wolfgang Teuschls „Da Jesus und seine Hawara“ erschien bereits 1971 und ist nach anfänglichem Skandalgeschrei längst zum Klassiker geworden. Da sein Werk ausschließlich Evangelientexte, also Abschnitte aus dem Neuen Testament enthält, war es längst an der Zeit, die Kraft des wienerischen Idioms auch an Texten aus der Hebräischen Bibel deutlich werden zu lassen.

Dort finden sich jene Geschichten, die untrennbar zu unserem Kontinent gehören und denen man daher auch auf Schritt und Tritt begegnet: Adam und Eva, Samson und Delila, Jona und der Walfisch. Man begegnet ihnen in Rom (Michelangelos Moses in San Pietro in Vincoli) und in Wien (Bruegels „Turmbau zu Babel“ im Kunsthistorischen Museum), in Filmen („Der Prinz von Ägypten“, der sog. Exodus) und in der Musik (die Titelgeschichte um David in Leonard Cohens „Hallelujah“). Und in einer Zeit, in der Dialekte generell von der TV-Einheitssprache bedroht sind, steigt gleichzeitig, wie auch die verschiedenen Asterix-Versionen belegen, das Interesse am Dialekt. Kein Wunder, hat er doch viel mehr Nuancen als die Hochsprache und verfügt über eine Intensität und Authentizität, die jener abgehen. Die Liebe zum Dialekt meiner Heimatstadt wurde mir als echtem Wiener (mit Wiener Eltern und tschechischem Nachnamen) quasi in die Wiege gelegt; sie wurde dann von Arik Brauer, aber auch von Josef Weinheber weiter entfacht (ja, ich weiß, dass es kühn ist, beide in einem Atemzug zu nennen, um nicht zu sagen: eine Chuzpe), gefestigt wurde sie vor allem vom unsterblichen Helmut Qualtinger. Und dass ich nun schon fast ein Vierteljahrhundert im Heimatbezirk H. C. Artmanns wohne, ist mir Ehre und Verpflichtung.

Die Schreibweise des Wienerischen kann klarerweise nicht standardisiert sein, und so bitte ich um Verzeihung, wenn ein und dasselbe Wort möglicherweise in verschiedenen Schreibweisen vorkommen sollte: Der Dialekt als gesprochene Sprache weist die gleichen Unregelmäßigkeiten auf wie die persönliche Handschrift. Nun: Ich habe auf den Apostroph möglichst verzichtet und oft auch einzelne Buchstaben gesetzt, wodurch sich das Schriftbild einer Lautschrift annähert („auf da r Ead“). Aber man kann es damit auch übertreiben: Mir erscheint z.B. das bei Teuschl vorkommende „xogt“ zu gesucht originell, weswegen ich „gsågt“ schreibe.

Was den Auslaut betrifft, beließ ich es zwar z.B. bei „Messer“ oder auch bei Eigennamen wie „Ägypter“, verwendete aber durchgehend „unta“ und „hinta“, ebenso „Wåssa“ und „Låga“ (u.a. weil die Wörter durch das å schon etwas Lautschriftliches hatten). Denn die Verwendung diakritischer Zeichen erscheint mir, auch wenn dadurch manche die Lesbarkeit beeinträchtigt sehen mögen, absolut unverzichtbar, sowohl des å („Guadn Dåg!“) als auch des nasalierten ã (das „u“ in der Transkription „leiwaund“ kann ich nicht wirklich nachvollziehen, ich bevorzuge „leiwãnd“). Zwar kann die Mundart in ihrer Musikalität nie zu hundert Prozent genau aufgezeichnet werden (genauso wenig wie dies die Notenschrift bei der Musik vermag), aber die Unterschiede zwischen offenen, geschlossenen und leicht nasalierten Vokalen sind meines Erachtens zu groß, um sie unter den Tisch fallen zu lassen, und jene Schauspieler, die vorgeben, Wienerisch zu sprechen und dabei doch nur Vokale foltern, sind mir ein abschreckendes Beispiel.

Als Grundlage meiner Übertragung benützte ich parallel die revidierte Lutherübersetzung von 1984 und die von Frank Crüsemann, Jürgen Ebach und anderen herausgegebene „Bibel in gerechter Sprache“ (2006), suchte in einzelnen Fällen aber auch Rat in der Vulgata (Biblia sacra iuxta vulgatam versionem, 3. Aufl. 1985). Man mag gegen die Übersetzung des Gottesnamens JHWH mit „Scheff“ einwenden, dass mit „Scheff“ in Wien auch am Würstelstand jeder, der nicht gerade einen anderen Titel hat, angesprochen wird, aber ich befinde mich damit in bester Gesellschaft: Der 2004 verstorbene Kardinal Franz König, verwendete, wie ich aus vertrauenswürdiger Quelle erfuhr, „Scheff“ in eben der Weise, wie es im vorliegenden Werk der Fall ist.

Auf Mark Twain geht die schöne Sentenz zurück, die beschreibt, wie beglückend eine wirklich treffende Formulierung sein kann (und ich glaube, dass dies gerade eine der Qualitäten jedes authentischen Dialekts ist): „The difference between the almost right word and the right word is really a large matter — ’tis the difference between the lightningbug and the lightning.“ Mögen dem geneigten Leser, der geneigten Leserin in diesem Buch zwischen Glühwürmchen auch ein paar Blitze unterkommen.

Roland Kadan

Inhalt

Wia da Scheff in Adam gmåcht håt und da Kain
sein Bruada darschlågt (Genesis 2,4b–4,16)

Wia s in Babylon
an Duam baut håbm (Genesis 11,1–9)

Wia da Abraham
fåst sein Buam åkraglt hätt (Genesis 22,1–19)

Wia da Jakob hackln muass,
damid a die Rahel kriagt (Genesis 29,1–30)

Wia da Moses
auf d Wööd kumman is (Exodus 1,1–3,22)

Babaa, Pharao: Wia si die Israelitn
iba d Heisa ghaut håbm (Exodus 7–14)

Wia da Moses in Såft gãngan is (Exodus 32)

Wia s de Mauern von Jericho umblåsn håt (Josua 6)

Wia die Delila n Simson
einetheatert håt (Richter 15,20–16,31)

Wia da David in Goliath darschlågn håt (1. Samuel 17)

Da David und sei Pantscherl (2. Samuel 11 & 12)

Wås da Salomo fia r a Viffzack woa (1. Könige 3)

Wia da Elia dem Baal
seine Prophetn haamdraht (1. Könige 18 & 19)

Wia si da Belsazar,
da Kenich, fåst ãscheißt vua Schreck (Daniel 5)

Wia da Jona denan
in Ninive die Wadln fire gricht håt (Jona)

Ois håt sei Zeid (Kohelet 3)

Glossar

Wia da Scheff in Adam gmåcht håt und da Kain sein Bruada darschlågt

Genesis 2,4b–4,16

24 Es woa dåmois, wia da Heagod, da Scheff, die Wööd und in Himme gmåcht håt. 5 Då håt s de gãnzn Staudn auf die Fööda no ned gebm, und de gãnzn Kräudln auf die Fööda woan no ned gwåchsn, weu da Scheff, da Heagod, håt s no ned waschln låssn auf d Ead, und es håt kaane Leit gebm, die ghacklt håbm ãm Fööd, 6 nua so a Wåssa is aus da r Ead auffekumman und håt s gãnze Lãnd feicht gmåcht. 7 Då håt da Heagod, da Scheff, aus da r Ead vum Åcker in Menschn gmåcht und eam an Schnaufer zum Lebm in d Nåsn blåsn. So is da Mensch wås Lewendichs wuan. 8 Und da Heagod, da Scheff, håt an Goatn ãnpflãnzt in Eden, im Ostn, und håt n Menschn, den wås a gmåcht håt, einegsetzt. 9 Und da Heagod, da Scheff, håt aus da r Ead olle mäglichn Bam wåchsn låssn, leiwãnd zan Ãnschaun und guad zum Hawern, und mittn im Goatn in Lebnsbam und in Bam, wo s d gneißt, wås guad is und wås a Linke is. 10 Und in Eden håt a Fluss ãngfãngt, der in Goatn gwassert håt, und ea håt si då aufteut auf viere. 11 Da easchde haaßt Pischon, dea fliasst um s gãnze Lãnd Hawila umadum, und duatn findst Goid, 12 und s Goid in den Lãnd is uandlich wås weat. Duatn findst aa Bedolach-Harz und in Brülla Schoham. 13 Da zweite Strom haaßt Gihon, dea fliasst um s gãnze Lãnd Kusch umadum. 14 Da dritte Strom haaßt Tigris, dea fliaßt im Ostn vun Assyrien. Da vierte Strom is da Euphrat. 15 Und da Heagod, da Scheff, håt n Menschn gnumman und eam in Goatn Eden gsetzt, damid a duad gartlt und auf ois schaut. 16 Und da Heagod, da Scheff, håt mid n Menschn gredt und eam gschåfft: „Du deafst von olle Bam im Goatn hawern, 17 åba du soist ned von den Bam hawern, wo s d gneißt, wås guad is und wås a Linke is. Soboid s d von dem hawerst, is no ãm sööbn Dåg vuabei mid dein Lebm.“ 18 Und da Heagod, da Scheff, håt gsågt: „Dåss da Mensch alã is, is ned klass; i wea eam a Hüüfe måchn, quisiquasi a Vis-a-vis.“ 19 Und da Heagod, da Scheff, håt aus da r Ead olle Viecha ãm Lãnd gmåcht und olle Vägl ãm Himme und håt s zum Menschn bråcht, dåss a schaut, wia r a s haaßt; weu so wia da Mensch a jeds Viech haaßn däd, den Nãman soitn s håbm. 20 Und da Mensch håt olle Viecha an Nãman gebm, die Vägl ãm Himme und die Viecha ãm Lãnd. Åba fia n Menschn håt si kaa Hüüfe gfundn, die wås wia r a Vis-a-vis gwesn warat. 21 Då håt da Heagod, da Scheff, an tiafn Schlåf auf n Menschn foin låssn, und ea is eĩbüüslt. Und ea håt aane von seine Rippn aussegnumman und ois wieda mid Fleisch zuagmåcht. 22 Und da Heagod, da Scheff, håt aus dera Rippn, die er von dem Menschn aussagnumman håt, a Frau baut und håt s zu eam bråcht. 23 Då håt da Mensch gsågt: „Des is do Baa von mein Baa und Fleisch von mein Fleisch! De wean ‚es Mensch‘ zu ihr sågn, weu s vom Menschn gnumman is. 24 Wegn den wiad a Mã sein Vodan und sei Muatta valåssn und ãn seina Frau pickn, und se wean aa Fleisch seĩ.“ 25 Und se woan beide nåckert, da Mensch und sei Oide, und se håbm si ned scheniiat.

31 Åba de Schlãngan woa ågwichsta ois wia r olle ãndarn Viecha auf n Fööd, die da Heagod, da Scheff, gmåcht håt, und se håt zu da Oidn gsågt: „Echt, heast, da Scheff hätt gsågt: ‚Es diafts nix essn von de gãnzn Bam im Goatn?‘“ 2 Då håt die Oide gsågt: „Wås auf de Bam im Goatn wåchst, kenn ma essn; 3 åba wås ãm Bam in da Mittn vom Goatn wåchst, då håt da Scheff gsågt: ‚Essts ned von den, riarts as ned ãn, damid s ka Bangl reißts.‘“ 4 Då håt de Schlãngan zu da Oidn gsågt: „Auf kaan Foi, es weads ka Bangl reißn. 5 Åba da Scheff waaß aans: Soboid s von den essts, wean eich auf da Stöö de Scheangla aufgengan, und es weads seĩ wia da Scheff und wissn, wås guad is und wås a Linke is.“ 6 Då håt se de Oide dåchd, dåss leiwãnd warat, von den Bam essn; dea Bam woa schee zum Ãnschaun, und dåss a r an Viffzack aus dia måcht, håt s aa graazt. Und se håt de Frucht gnumman und ghawert und håt vun den aa ihrm Oidn gebm, dea bei ihr woa, und ea håt ghawert. 7 Då san ihnan beidn de Scheangla aufgãngan und se håbm ibanåsert, dåss nåckert san. Se håbm Bladln von an Feignbam gnumman und si an Schuaz gmåcht. 8 Und sie håbm n Heagod, in Scheff, gheat, wia r a duach n Goatn gãngan is, wia da Dåg scho nimma so haaß woa. Und da Adam håt si mid seina Oidn unta de Bam im Goatn vasteckt, damid eam da Heagod, da Scheff, ned siacht. 9 Und da Heagod, da Scheff, håt nåch n Adam gruafn und gsågt: „Wo bist n?“ 10 Und ea håt gsågt: „I håb di im Goatn gheat und håb mi gfurchtn; weu i bin nåckert, wegn den håb i mi vasteckt.“ 11 Då håt dea gsågt: „Wea håt da des gsågt, dåss d nåckert bist? Du håst åba ned von dem Bam gessn, wo i da gschåfft håb, dåss d ned essn soist?“ 12 Da Adam håt gsågt: „De Oide, de wås d ma ois Gspãnn gebm håst, håt ma von den Bam gebm und i håb ghawert.“ 13 Då håt da Heagod, da Scheff, zu da Oidn gsågt: „Warum håst des gmåcht?“ De Oide håt gsågt: „De Schlãngan håt mi bedacklt, wegn den håb i ghawert.“ 14 Då håt da Heagod, da Scheff, zu da Schlãngan gsågt: „Weu s d des gmåcht håst, soist varflucht seĩ, von olle Viecha und Diere ãm Fööd kriagst du n Weisl. Du soist auf dein Bauch kräun und deĩ Lebdåg lãng Ead fressn. 15 Und zwischn dia und dera Oidn wiad s ollaweu Wickl gebm, zwischn deine Gschråppn und ihre Gschråppn; de soin da ãm Schädl dredn, und du wiast auf ihnare Feaschn losgengan.“ 16 Und zu da Oidn håt a gsågt: „Des wiad a Tschoch fia di, wãnn s d schwãnga wiast, des såg i da! Des wiad a Tschoch wean, Gschråppn auf d Wööd bringan. Und du wiast auf dein Oidn winnich seĩ, åba ea soi dei Scheff seĩ.“ 17 Und zum Mã håt a gsågt: „Weu du gmåcht håst, wås dei Oide gsågt håt, und von den Bam ghawert håst, bei dem i da gschåfft håb: ‚Von den soist ned essn!‘, soi da r Åckabodn fia di varflucht seĩ. Dåss d davon lebm kånnst, des wiad a r echte Håckn, dei Lebdåg lãng. 18 Duanan und Distln soi a da wåchsn låssn und du soist die Kräudln vom Fööd hawern. 19 Da Schwaaß soi da no owarinnan, wãnn s d dei Brod hawerst, solãng bis aus dia Ead wiad, d Ead, aus dea s d gnumman wuan bist. Weu du bist Ead und Ead soist wean.“ 2021222324