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[5]Erstes Buch

Das I. Kapitel

Es eröffnet sich zu dieser unserer Zeit (von welcher man glaubt, dass es die letzte seie) unter geringen Leuten eine Sucht, in deren die Patienten, wann sie daran krank liegen und so viel zusammengeraspelt und erschachert haben, dass sie neben ein paar Hellern im Beutel ein närrisches Kleid auf die neue Mode, mit tausenderlei seidenen Banden, antragen können, oder sonst etwan durch Glücksfall mannhaft und bekannt worden, gleich rittermäßige Herren und adeliche Personen von uraltem Geschlecht sein wollen; da sich doch oft befindet, dass ihre Voreltern Taglöhner, Karchelzieher und Lastträger: ihre Vettern Eseltreiber: ihre Brüder Büttel und Schergen: ihre Schwestern Huren: ihre Mütter Kupplerin, oder gar Hexen: und in Summa, ihr ganzes Geschlecht von allen 32 Anichen her, also besudelt und befleckt gewesen, als des Zuckerbastels Zunft zu Prag immer sein mögen; ja sie, diese neue Nobilisten, seind oft selbst so schwarz, als wann sie in Guinea geboren und erzogen wären worden.

Solchen närrischen Leuten nun mag ich mich nicht gleichstellen, obzwar, die Wahrheit zu bekennen, nicht ohn ist, dass ich mir oft eingebildet, ich müsse ohnfehlbar auch von einem großen Herrn, oder wenigst einem gemeinen Edelmann, meinen Ursprung haben, weil ich von Natur geneigt, das Junkernhandwerk zu treiben, wann ich nur den Verlag und den Werkzeug darzu hätte. Zwar ohngescherzt, mein Herkommen und Auferziehung lässt sich noch wohl mit eines Fürsten vergleichen, wann man nur den großen Unterscheid nicht ansehen wollte. Was? Mein Knan (dann also nennet man die Vätter im Spessert) hatte einen eignen Palast, so wohl als ein anderer, ja so artlich, dergleichen ein jeder König mit eigenen Händen zu bauen nicht vermag, [6]sondern solches in Ewigkeit wohl unterwegen lassen wird; er war mit Leimen gemalet und anstatt des unfruchtbaren Schiefers, kalten Blei und roten Kupfers mit Stroh bedeckt, darauf das edel Getreid wächst; und damit er, mein Knan, mit seinem Adel und Reichtum recht prangen möchte, ließ er die Mauer um sein Schloss nicht mit Mauersteinen, die man am Weg findet oder an unfruchtbaren Orten aus der Erden gräbt, viel weniger mit liederlichen gebachenen Steinen, die in geringer Zeit verfertigt und gebrennt werden können, wie andere große Herren zu tun pflegen, aufführen; sondern er nahm Eichenholz darzu, welcher nutzliche edle Baum, als worauf Bratwürste und fette Schunken wachsen, bis zu seinem vollständigen Alter über hundert Jahr erfordert: Wo ist ein Monarch, der ihm dergleichen nachtut? Seine Zimmer, Säl und Gemächer hatte er inwendig vom Rauch ganz erschwarzen lassen, nur darum, dieweil dies die beständigste Farb von der Welt ist und dergleichen Gemäld bis zu seiner Perfektion mehr Zeit brauchet, als ein künstlicher Maler zu seinen trefflichsten Kunststücken erfordert; die Tapezereien waren das zärteste Geweb auf dem ganzen Erdboden, dann diejenige machte uns solche, die sich vor alters vermaß, mit der Minerva selbst um die Wett zu spinnen; seine Fenster waren keiner anderer Ursachen halber dem Sant Nitglas gewidmet, als darum, dieweil er wusste, dass ein solches, vom Hanf oder Flachssamen an zu rechnen, bis es zu seiner vollkommenen Verfertigung gelangt, weit mehrere Zeit und Arbeit kostet, als das beste und durchsichtigste Glas von Muran, dann sein Stand macht ihm ein Belieben zu glauben, dass alles dasjenige, was durch viel Mühe zuwegen gebracht würde, auch schätzbar und desto köstlicher sei, was aber köstlich seie, das seie auch dem Adel am anständigsten; anstatt der Pagen, Lakaien und Stallknecht hatte er Schaf, Böcke und Säu, jedes fein ordenlich in seine natürliche Liberei gekleidet, welche mir auch oft auf der Weid aufgewartet, bis ich sie heimgetrieben. Die Rüst- oder Harnischkammer war [7]mit Pflügen, Kärsten, Äxten, Hauen, Schaufeln, Mist- und Heugabeln genugsam versehen, mit welchen Waffen er sich täglich übet; dann Hacken und Reuten war seine disciplina militaris, wie bei den alten Römern zu Friedenszeiten, Ochsen anspannen war sein hauptmannschaftliches Kommando, Mist ausführen sein Fortifikationswesen, und Ackern sein Feldzug, Stallausmisten aber sein adeliche Kurzweil und Turnierspiel; hiermit bestritte er die ganze Weltkugel, so weit er reichen konnte, und jagte ihr damit alle Ernt ein reiche Beut ab. Dieses alles setze ich hindan und überhebe mich dessen ganz nicht, damit niemand Ursach habe, mich mit andern meinesgleichen neuen Nobilisten auszulachen, dann ich schätze mich nicht besser, als mein Knan war, welcher diese seine Wohnung an einem sehr lustigen Ort, nämlich im Spessert liegen hatte, allwo die Wölf einander gute Nacht geben. Dass ich aber nichts Ausführliches von meines Knans Geschlecht, Stammen und Namen vor diesmal doziert, beschiehet um geliebter Kürze willen, vornehmlich, weil es ohnedas allhier um keine adeliche Stiftung zu tun ist, da ich soll auf schwören; genug ist’s, wann man weiß, dass ich im Spessert geboren bin.

Gleichwie nun aber meines Knans Hauswesen sehr adelich vermerkt wird, also kann ein jeder Verständiger auch leichtlich schließen, dass meine Auferziehung derselben gemäß und ähnlich gewesen; und wer solches davorhält, findet sich auch nicht betrogen, dann in meinem zehenjährigen Alter hatte ich schon die principia in obgemeldten meines Knans adelichen Exerzitien begriffen, aber der Studien halber konnte ich neben dem berühmten Amplistidi hin passieren, von welchem Suidas meldet, dass er nicht über fünfe zählen konnte; dann mein Knan hatte vielleicht einen viel zu hohen Geist und folgte dahero dem gewöhnlichen Gebrauch jetziger Zeit, in welcher viel vornehme Leut mit Studieren, oder wie sie es nennen, mit Schulpossen sich nicht viel bekümmern, weil sie ihre Leut haben, der Plackscheißerei abzuwarten. Sonst war ich ein trefflicher [8]Musikus auf der Sackpfeifen, mit deren ich schöne Jalemigesäng machen konnte: Aber die Theologiam anbelangend, lass ich mich nicht bereden, dass einer meines Alters damals in der ganzen Christenwelt gewest seie, der mir darin hätte gleichen mögen, dann ich kennete weder Gott noch Menschen, weder Himmel noch Höll, weder Engel noch Teufel, und wusste weder Gutes noch Böses zu unterscheiden: Dahero ohnschwer zu gedenken, dass ich vermittelst solcher Theologiae wie unsere erste Eltern im Paradies gelebt, die in ihrer Unschuld von Krankheit, Tod und Sterben, weniger von der Auferstehung nichts gewusst. O edels Leben! (du mögst wohl Eselsleben sagen) in welchem man sich auch nichts um die Medizin bekümmert. Eben auf diesen Schlag kann man mein Erfahrenheit in dem studio legum und allen andern Künsten und Wissenschaften, so viel in der Welt sein, auch verstehen. Ja ich war so perfekt und vollkommen in der Unwissenheit, dass mir unmüglich war zu wissen, dass ich so gar nichts wusste. Ich sage noch einmal: o edles Leben, das ich damals führete! Aber mein Knan wollte mich solche Glückseligkeit nicht länger genießen lassen, sondern schätzte billich sein, dass ich meiner adelichen Geburt gemäß auch adelich tun und leben sollte, derowegen finge er an, mich zu höhern Dingen anzuziehen und mir schwerere Lectiones aufzugeben.

Das II. Kapitel

Er begabte mich mit der herrlichsten Dignität, so sich nicht allein bei seiner Hofhaltung, sondern auch in der ganzen Welt befande, nämlich mit dem Hirtenamt: Er vertraut mir erstlich seine Säu, zweitens seine Ziegen, und zuletzt seine ganze Herd Schaf, dass ich selbige hüten, weiden, und vermittelst meiner Sackpfeifen (welcher Klang ohnedas, wie Strabo schreibet, die Schaf und Lämmer in Arabia fett macht) vor dem Wolf beschützen sollte. Damal gleichete [9]ich wohl dem David, außer dass jener, anstatt der Sackpfeife, nur eine Harpfe hatte, welches kein schlimmer Anfang, sondern ein gut Omen für mich war, dass ich noch mit der Zeit, wann ich anders das Glück darzu hätte, ein weltberühmter Mann werden sollte; dann von Anbeginn der Welt seind jeweils hohe Personen Hirten gewesen, wie wir dann vom Abel, Abraham, Isaak, Jakob, seinen Söhnen und Moyse selbst in H. Schrift lesen, welcher zuvor seines Schwähers Schaf hüten musste, ehe er Heerführer und Legislator über 600 000 Mann in Israel ward. […]

Aber indessen wieder zu meiner Herd zu kommen, so wisset, dass ich den Wolf ebenso wenig kennet, als meine eigene Unwissenheit selbsten; derowegen war mein Knan mit seiner Instruktion desto fleißiger. Er sagte: »Bub, biss fleißig, loss di Schoff nit ze weit vunananger laffen, un spill wacker uff der Sackpfeifa, dass der Wolf nit kom, und Schada dau, dann he yss a solcher feyerboinigter Schelm un Dieb, der Menscha und Vieha frisst, un wan dau awer farlässj bisst, so will eich dir da Buckel arauma.« Ich antwortet mit gleicher Holdseligkeit: »Knano, sag mir aa, wey der Wolf seyhet? Eich huun noch kan Wolf gesien.« »Ah dau grober Eselkopp, repliziert er hinwieder, dau bleiwest dein Lewelang a Narr, geith meich wunner, was auß dir wera wird, bisst schun su a grusser Dölpel, un waist noch neit, was der Wolf für a feyerfeussiger Schelm iss.« Er gab mir noch mehr Unterweisungen und wurde zuletzt unwillig, maßen er mit einem Gebrümmel fortging, weil er sich bedunken ließe, mein grober Verstand könnte seine subtile Unterweisungen nicht fassen.

Das III. Kapitel

Da finge ich an mit meiner Sackpfeifen so gut Geschirr zu machen, dass man den Krotten im Krautgarten damit hätte vergeben mögen, also dass ich vor dem Wolf, welcher mir [10]stetig im Sinn lag, mich sicher genug zu sein bedunkte; und weilen ich mich meiner Meuder erinnert (also heißen die Mütter im Spessert und am Vogelsberg) dass sie oft gesagt, sie besorge, die Hühner würden dermaleins von meinem Gesang sterben, als beliebte mir auch zu singen, damit das Remedium wider den Wolf desto kräftiger wäre, und zwar ein solch Lied, das ich von meiner Meuder selbst gelernet hatte:

 

Du sehr verachter Baurenstand,

Bist doch der beste in dem Land,

Kein Mann dich gnugsam preisen kann,

Wann er dich nur recht siehet an.

Wie stünd es jetzund um die Welt,

Hätt Adam nicht gebaut das Feld,

Mit Hacken nährt sich anfangs der,

Von dem die Fürsten kommen her.

Es ist fast alles unter dir,

Ja was die Erd nur bringt herfür,

Worvon ernähret wird das Land,

Geht dir anfänglich durch die Hand.

Der Kaiser, den uns Gott gegeben,

Uns zu beschützen, muss doch leben

Von deiner Hand; auch der Soldat,

Der dir doch zufügt manchen Schad.

Fleisch zu der Speis zeugst auf allein,

Von dir wird auch gebaut der Wein,

Dein Pflug der Erden tut so not,

Dass sie uns gibt genugsam Brod.

Die Erde wär ganz wild durchaus,

Wann du auf ihr nicht hieltest Haus,

Ganz traurig auf der Welt es stünd,

Wenn man kein Bauersmann mehr fünd.

[11]Drum bist du billich hoch zu ehrn,

Weil du uns alle tust ernährn.

Die Natur liebt dich selber auch,

Gott segnet deinen Baurenbrauch.

Vom bitterbösen Podagram

Hört man nicht, dass an Bauren kam,

Das doch den Adel bringt in Not,

Und manchen Reichen gar in Tod.

Der Hoffart bist du sehr befreit,

Absonderlich zu dieser Zeit,

Und dass sie auch nicht sei dein Herr,

So gibt dir Gott des Kreuzes mehr.

Ja der Soldaten böser Brauch

Dient gleichwohl dir zum Besten auch,

Dass Hochmut dich nicht nehme ein,

Sagt er: Dein Hab und Gut ist mein.

 

Bis hieher und nicht weiter kam ich mit meinem Gesang, dann ich ward gleichsam in einem Augenblick von einem Truppen Courassierer samt meiner Herd Schaf umgeben, welche im großen Wald verirret gewesen und durch meine Musik und Hirtengeschrei wieder zurecht gebracht worden waren.

Hoho, gedachte ich, dies seind die rechte Käuz! dies seind die vierbeinigte Schelmen und Dieb, darvon dir dein Knan sagte, dann ich sahe anfänglich Ross und Mann (wie hiebevor die Amerikaner die spanische Kavallerei) vor ein einzige Kreatur an, und vermeinte nicht anders, als es müssten Wölfe sein, wollte derowegen diesen schröcklichen Centauris den Hundssprung weisen und sie wieder abschaffen; ich hatte aber zu solchem End meine Sackpfeife kaum aufgeblasen, da erdappte mich einer aus ihnen beim Flügel, und schleudert mich so ungestüm auf ein leer Baurenpferd, so sie neben andern mehr auch erbeutet hatten, dass ich auf der andern Seiten wieder herab auf meine liebe [12]Sackpfeife fallen musste, welche so erbärmlich anfing zu schreien, als wann sie alle Welt zu Barmherzigkeit bewegen hätte wollen: aber es half nichts, wiewohl sie den letzten Atem nicht sparete, mein Ungefäll zu beklagen, ich musste einmal wieder zu Pferd, Gott geb was meine Sackpfeife sang oder sagte; und was mich zum meisten verdross, war dieses, dass die Reuter vorgaben, ich hätte der Sackpfeif im Fallen wehe getan, darum sie dann so ketzerlich geschrieen hätte; also ging meine Mähr mit mir dahin, in einem stetigen Trab, wie das primum mobile, bis in meines Knans Hof. Wunderseltsame Dauben stiegen mir damals ins Hirn, dann ich bildete mir ein, weil ich auf einem solchen Tier säße, dergleichen ich niemals gesehen hatte, so würde ich auch in einen eisernen Kerl verändert werden; weil aber solche Verwandlung nicht folgte, kamen mir andere Grillen in Kopf; ich gedachte, diese fremde Dinger wären nur zu dem Ende da, mir die Schafe helfen heimzutreiben, sintemal keiner von ihnen keines hinwegfraß, sondern alle so einhellig, und zwar des geraden Wegs, meines Knans Hof zueileten: Derowegen sahe ich mich fleißig nach meinem Knan um, ob er und mein Meuder uns nicht bald entgegengehen und uns willkomm sein heißen wollten; aber vergebens, er und meine Meuder, samt unserm Ursele, welches meines Knans einige Tochter war, hatten die Hindertür troffen, und wollten dieser Gäst nicht erwarten.

Das IV. Kapitel

Wiewohl ich nicht bin gesinnet gewesen, den friedliebenden Leser mit diesen Reutern in meines Knans Haus und Hof zu führen, weil es schlimm genug darin hergehen wird: So erfordert jedoch die Folge meiner Histori, dass ich der lieben Posterität hinderlasse, was vor Grausamkeiten in diesem unserm Teutschen Krieg hin und wieder verübet worden, zumalen mit meinem eigenen Exempel zu [13]bezeugen, dass alle solche Übel von der Güte des Allerhöchsten, zu unserm Nutz, oft notwendig haben verhängt werden müssen: Dann lieber Leser, wer hätte mir gesagt, dass ein Gott im Himmel wäre, wann keine Krieger meines Knans Haus zernichtet und mich durch solche Fahung unter die Leut gezwungen hätten, von denen ich genugsamen Bericht empfangen? Kurz zuvor konnte ich nichts anders wissen noch mir einbilden, als dass mein Knan, Meuder, ich und das übrige Hausgesind allein auf Erden seie, weil mir sonst kein Mensch, noch einige andere menschliche Wohnung bekannt war, als diejenige, darin ich täglich aus und ein ging: Aber bald hernach erfuhr ich die Herkunft der Menschen in diese Welt, und dass sie wieder daraus müssten; ich war nur mit der Gestalt ein Mensch, und mit dem Namen ein Christenkind, im Übrigen aber nur ein Bestia! Aber der Allerhöchste sahe meine Unschuld mit barmherzigen Augen an und wollte mich beides, zu seiner und meiner Erkantnus bringen: Und wiewohl er tausenderlei Weg hierzu hatte, wollte er sich doch ohn Zweifel nur desjenigen bedienen, in welchem mein Knan und Meuder, andern zum Exempel, wegen ihrer liederlichen Auferziehung gestraft würden.

Das Erste, das diese Reuter täten, war, dass sie ihre Pferd einstelleten, hernach hatte jeglicher seine sonderbare Arbeit zu verrichten, deren jede lauter Untergang und Verderben anzeigte; dann ob zwar etliche anfingen zu metzgen, zu sieden und zu braten, dass es sahe, als sollte ein lustig Pankett gehalten werden, so waren hingegen andere, die durchstürmten das Haus unden und oben, ja das heimlich Gemach war nicht sicher, gleichsam ob wäre das gülden Fell von Kolchis darinnen verborgen; andere machten von Tuch, Kleidungen und allerlei Hausrat große Päck zusammen, als ob sie irgends ein Krempelmarkt anrichten wollten, was sie aber nicht mitzunehmen gedachten, wurde zerschlagen; etliche durchstachen Heu und Stroh mit ihren Degen, als ob sie nicht Schaf und Schwein genug zu stechen [14]gehabt hätten, etliche schütteten die Federn aus den Betten und fülleten hingegen Speck, andere dürr Fleisch und sonst Gerät hinein, als ob alsdann besser darauf zu schlafen gewest wäre; andere schlugen Ofen und Fenster ein, gleichsam als hätten sie ein ewigen Sommer zu verkündigen, Kupfer und Zinnengeschirr schlugen sie zusammen und packten die gebogene und verderbte Stuck ein, Bettladen, Tisch, Stühl und Bänk verbrannten sie, da doch viel Klafter dürr Holz im Hof lag, Häfen und Schüsseln musste endlich alles entzwei, entweder weil sie lieber Gebraten aßen, oder weil sie bedacht waren, nur ein einzige Mahlzeit allda zu halten; unser Magd ward im Stall dermaßen traktiert, dass sie nicht mehr daraus gehen konnte, welches zwar eine Schand ist zu melden! Den Knecht legten sie gebunden auf die Erd, stecketen ihm ein Sperrholz ins Maul und schütteten ihm einen Melkkübel voll garstig Mistlachenwasser in Leib; das nenneten sie ein Schwedischen Trunk, wordurch sie ihn zwungen, eine Partei anderwärts zu führen, allda sie Menschen und Viehe hinwegnahmen und in unsern Hof brachten, unter welchen mein Knan, mein Meuder, und unser Ursele auch waren.

Da fing man erst an, die Stein von den Pistolen, und hingegen an deren Statt der Bauren Daumen aufzuschrauben, und die arme Schelmen so zu foltern, als wann man hätt Hexen brennen wollen, maßen sie auch einen von den gefangenen Bauren bereits in Bachofen steckten und mit Feuer hinder ihm her warn, ohnangesehen er noch nichts bekennt hatte; einem andern machten sie ein Seil um den Kopf und raitelten es mit einem Bengel zusammen, dass ihm das Blut zu Mund, Nas und Ohren heraussprang. In Summa, es hatte jeder sein eigene Invention, die Bauren zu peinigen, und also auch jeder Bauer eine sonderbare Marter: Allein mein Knan war meinem damaligen Bedunken nach der Glückseligste, weil er mit lachendem Mund bekennete, was andere mit Schmerzen und jämmerlicher Weheklag sagen mussten, und solche Ehre widerfuhr ihm ohne [15]Zweifel darum, weil er der Hausvatter war, dann sie setzten ihn zu einem Feuer, banden ihn, dass er weder Händ noch Füß regen konnte, und rieben seine Fußsohlen mit angefeuchtem Salz, welches ihm unser alte Geiß wieder ablecken und dadurch also kützeln musste, dass er vor Lachen hätte zerbersten mögen; das kam so artlich, dass ich Gesellschaft halber, oder weil ich’s nicht besser verstunde, von Herzen mitlachen musste: In solchem Gelächter bekannte er seine Schuldigkeit und öffnet den verborgenen Schatz, welcher von Gold, Perlen und Kleinodien viel reicher war, als man hinder Bauren hätte suchen mögen. Von den gefangenen Weibern, Mägden und Töchtern weiß ich sonderlich nichts zu sagen, weil mich die Krieger nicht zusehen ließen, wie sie mit ihnen umgingen: Das weiß ich noch wohl, dass man teils hin und wieder in den Winkeln erbärmlich schreien hörte; schätze wohl, es sei meiner Meuder und unserm Ursele nit besser gangen, als den andern. Mitten in diesem Elend wendet ich Braten und half Nachmittag die Pferd tränken, durch welches Mittel ich zu unserer Magd in Stall kam, welche wunderwerklich zerstrobelt aussahe; ich kennete sie nicht, sie aber sprach zu mir mit kränklichter Stimm: »O Bub lauf weg, sonst werden dich die Reuter mitnemmen, guck dass du davonkommst, du siehest wohl, wie es so übel«: mehrers konnte sie nicht sagen.

Das V. Kapitel

Da machte ich gleich den Anfang, meinen unglücklichen Zustand, den ich vor Augen sahe, zu betrachten und zu gedenken, wie ich mich förderlichst ausdrehen möchte: wohin aber? darzu war mein Verstand viel zu gering, einen Vorschlag zu tun; doch hat es mir so weit gelungen, dass ich gegen Abend in Wald bin entsprungen. Wo nun aber weiters hinaus? sintemal mir die Wege und der Wald so wenig bekannt waren, als die Straß durch das gefrorne Meer, [16]hinter Nova Zembla, bis gen China hinein: die stockfinstere Nacht bedeckte mich zwar zu meiner Versicherung, jedoch bedauchte sie meinen finstern Verstand nicht finster genug; dahero verbarg ich mich in ein dickes Gesträuch, da ich sowohl das Geschrei der getrillten Bauren, als das Gesang der Nachtigallen hören konnte, welche Vögelein sie, die Bauren, von welchen man teils auch Vögel zu nennen pflegt, nicht angesehen hatten, mit ihnen Mitleiden zu tragen oder ihres Unglücks halber das liebliche Gesang einzustellen; darum legte ich mich auch ohn alle Sorge auf ein Ohr und entschlief. Als aber der Morgenstern im Osten herfürflackerte, sahe ich meines Knans Haus in voller Flamme stehen, aber niemand der zu leschen begehrte; ich begab mich herfür, in Hoffnung, jemand von meinem Knan anzutreffen, wurde aber gleich von fünf Reutern erblickt und angeschrieen: »Junge, kom heröfer, oder schall my de Tüfel halen, ick schiedte dick, dat di de Dampff zum Hals utgaht!« Ich hingegen blieb ganz stockstill stehen und hatte das Maul offen, weil ich nicht wusste, was der Reuter wollte oder meinte, und indem ich sie so ansahe, wie ein Katz ein neu Scheurtor, sie aber wegen eines Morastes nicht zu mir kommen konnten, welches sie ohn Zweifel rechtschaffen vexierte, lösete der eine seinen Karbiner auf mich, von welchem urplötzlichen Feuer und unversehnlichem Klapf, den mir Echo durch vielfältige Verdoppelung grausamer machte, ich dermaßen erschreckt ward, weil ich dergleichen niemals gehöret oder gesehen hatte, dass ich alsobald zur Erden niederfiele; ich regete vor Angst keine Ader mehr, und wiewohl die Reuter ihres Wegs fortritten, und mich ohn Zweifel vor tot liegen ließen, so hatte ich jedoch denselbigen ganzen Tag das Herz nicht, mich aufzurichten; als mich aber die Nacht wieder ergriffe, stunde ich auf, und wanderte so lang im Wald fort, bis ich von fern einen faulen Baum schimmern sahe, welcher mir ein neue Forcht einjagte, kehrete derowegen sporenstreichs wieder um, und ging so lang, bis ich wieder einen andern dergleichen Baum [17]erblickte, von dem ich mich gleichfalls wieder fortmachte und auf diese Weise die Nacht mit Hin- und Widerrennen, von einem faulen Baum zum andern, vertriebe; zuletzt kam mir der liebe Tag zu Hülf, welcher den Bäumen gebotte, mich in seiner Gegenwart ohnbetrübt zu lassen, aber hiermit war mir noch nichts geholfen, dann mein Herz steckte voll Angst und Forcht, die Schenkel voll Müdigkeit, der leere Magen voll Hunger, das Maul voll Durst, das Hirn voll närrischer Einbildung, und die Augen voller Schlaf: Ich ging dannoch fürter, wusste aber nicht wohin, je weiter ich aber ging, je tiefer ich von den Leuten hinweg in Wald kam: Damals stunde ich aus und empfande (jedoch ganz unvermerkt) die Würkung des Unverstands und der Unwissenheit; wann ein unvernünftig Tier an meiner Stell gewesen wäre, so hätte es besser gewusst, was es zu seiner Erhaltung hätte tun sollen, als ich; doch war ich noch so witzig, als mich abermal die Nacht ereilte, dass ich in einen hohlen Baum kroche, mein Nachtläger darinnen zu halten.

Das VI. Kapitel

Kaum hatte ich mich zum Schlaf akkommodieret, da hörete ich folgende Stimme: »O große Liebe, gegen uns undankbarn Menschen! Ach mein einiger Trost! mein Hoffnung, mein Reichtum, mein Gott!« und so dergleichen mehr, das ich nicht alles merken noch verstehen können.

Dieses waren wohl Wort, die einen Christenmenschen, der sich in einem solchen Stand, wie ich mich dazumal befunden, billich aufmuntern, trösten und erfreuen hätten sollen: Aber, o Einfalt und Unwissenheit! es waren mir nur Böhmische Dörfer, und alles ein ganz unverständliche Sprach, aus deren ich nicht allein nichts fassen konnte, sondern auch ein solche, vor deren Seltsamkeit ich mich entsetzte; da ich aber hörete, dass dessen, der sie redete, Hunger und Durst gestillt werden sollte, riete mir mein [18]ohnerträglicher Hunger, mich auch zu Gast zu laden, derowegen fasste ich das Herz, wieder aus meinem hohlen Baum zu gehen und mich der gehörten Stimm zu nähern; da wurde ich eines großen Manns gewahr, in langen schwarzgrauen Haaren, die ihm ganz verworren auf den Achseln herumlagen, er hatte einen wilden Bart, fast formiert wie ein Schweizerkäs, sein Angesicht war zwar bleichgelb und mager, aber doch ziemlich lieblich, und sein langer Rock mit mehr als 1000 Stückern von allerhand Tuch überflickt und aufeinander gesetzt, um Hals und Leib hatte er ein schwere eiserne Ketten gewunden wie S. Wilhelmus, und sahe sonst in meinen Augen so scheußlich und förchterlich aus, dass ich anfinge zu zittern, wie ein nasser Hund; was aber meine Angst mehret, war, dass er ein Kruzifix, ungefähr 6 Schuh lang, an seine Brust druckte, und weil ich ihn nicht kennete, konnte ich nichts anders ersinnen, als dieser alte Greis müsste ohn Zweifel der Wolf sein, davon mir mein Knan kurz zuvor gesagt hatte: In solcher Angst wischte ich mit meiner Sackpfeif herfür, welche ich als meinen einigen Schatz noch vor den Reutern salviert hatte; ich blies zu, stimmte an, und ließe mich gewaltig hören, diesen greulichen Wolf zu vertreiben, über welcher gählingen und ohngewöhnlichen Musik, an einem so wilden Ort, der Einsiedel anfänglich nicht wenig stutzte, ohn Zweifel vermeinende, es seie etwan ein teuflisch Gespenst hinkommen, ihne, wie etwan dem großen Antonio widerfahren, zu tribulieren, und seine Andacht zu zerstören: Sobald er sich aber wieder erholete, spottet er meiner, als seines Versuchers im hohlen Baum, wo hinein ich mich wieder retiriert hatte, ja er war so getrost, dass er gegen mir ging, den Feind des menschlichen Geschlechts genugsam auszuhöhnen. »Ha«, sagte er, »du bist ein Gesell darzu, die Heiligen ohne göttliche Verhängnus«, etc. Mehrers habe ich nicht verstanden, dann seine Näherung ein solch Grausen und Schrecken in mir erregte, dass ich des Amts meiner Sinne beraubt wurde, und dorthin in Ohnmacht niedersank.

[19]Das VII. Kapitel