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Kato D. Kalypso

Noa, der kleine Noa und die Liebe

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© 2017 Kato D. Kalypso

Umschlaggestaltung, Illustration: Kato D. Kalypso, Corinna Podlech

Bildrechte Cover: © odilepascal, fotolia.com

Korrektorat: Corinna Podlech, Hamburg

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN:

Paperback ISBN 978-3-7345-8959-1
Hardcover ISBN 978-3-7345-8960-7
e-Book ISBN 978-3-7345-8961-4

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhaltsverzeichnis

1. Das verzweifelte „Ich“!

2. Hoffnung

3. Überraschende Wende

4. Der Wunsch: Kennenlernen Hedda

5. Die Aktion Lisas Umzug

6. Heddas Zimmer

7. Mein neuer Lebensabschnitt

8. Schreiben mit Hedda

9. In 6 Wochen zur Traumfigur

10. Krise

11. Das Leben als Heddas Freund

12. Neuer Lebensabschnitt

13. Das Foto für Hedda

14. Planung: Das Treffen mit Hedda

15. Vorbereitung auf das Treffen

16. Der pure Wahnsinn!

17. Beauty-Day für Hedda

18. Das Treffen mit Hedda

19. Mein Handy klingelt

20. Eine neue Ära

21. Treffen mit Hedda 2.0

22. Unter dem Baum

23. Erster Morgen mit Hedda

24. Der erste gemeinsame Abend

25. Unsere ersten vorsichtigen Pläne

26. Die erste Woche im realen Leben

27. Hedda, mein Pflegeengel

28. Vorbereitung auf das perfekte Date

29. Das perfekte Date

30. Unser gemeinsames Leben

31. Das wunderbare Leben mit Hedda

32. Haarige Angelegenheit

33. Noa, Heddas Hilfsengel

34. Interessantes Wissen und Halbwissen von Frauen über Männer

35. Ein bisschen Ordnung muss her

36. Gute-Nacht-Kuss

37. Unser Leben

38. Heddas Bedenken

1. Das verzweifelte „Ich“!

Nie wieder! Nie wieder so etwas, ich bin zu alt für diesen Scheiß! Ehrlich gesagt hätte ich mir solche Dates schon früher ersparen können, dann wäre ich heute nämlich viel weiter in meinem Leben, auch ruhiger und entspannter und vor allem wüsste ich, zu wem ich gehöre. So ist es nur erbärmlich und nicht mehr lustig. Ich bin fast 30, ich bin immer noch der Hübscheste unter meinen Freunden, Arbeitskollegen und sogar unter den Fitnesskumpels. Wenn ich irgendwo hingehe, stehe ich sofort im Fokus. Mädchen, Frauen und gar Kerle schauen mir hinterher. Aber was habe ich davon? Ich lebe nach einer Trennung bei meinem guten Freund, der in einer neuen Beziehung ist und sie voll auslebt, deswegen benutzt er seine Wohnung so gut wie nie. Zum Zusammenziehen ist es noch zu früh, also kann ich eine Weile bei ihm leben, bis ich selber etwas gefunden habe.

Aber ehrlich gesagt werde ich traurig, wenn ich mir die Wohnungsannoncen ansehe. Irgendwie will ich nicht alleine umziehen, ich will auch eine Frau an meiner Seite haben, ich bin gern in einer Beziehung, obwohl ich bis jetzt nur eine richtig feste hatte. Man kommt nach Hause und da ist jemand, mit dem man reden, lachen, diskutieren, streiten, zusammen essen und schlafen kann. Einfach leben! Sowas ist schön. Aber das geht nur mit einer Person, mit der man sich richtig gut versteht. Und was ich auf alle Fälle festgestellt habe ist, dass Gegensätze sich zwar anziehen, doch nach ein paar Jahren sind sie weder süß noch lustig, sie sind dann nur noch lästig und kaum zu ertragen und irgendwann scheitert man gerade deswegen.

Ich bin aus meiner Beziehung raus und fühlte mich leer, ich musste etwas verändern und bin zu meinem Freund gezogen und habe meine Arbeit gewechselt, das Einzige, was gleich geblieben ist, ist mein Training. Ich gehe fünf bis sechs Mal pro Woche seit zehn Jahren ins Fitnessstudio und sehe dementsprechend aus. Ich bin stolz auf meinen Body, ich rauche und trinke nicht und ernähre mich gesund, viel Eiweiß für die Muskeln und viele Vitamine für eine schöne Haut. Ich gehe alle zwei Wochen zum Friseur, es sei denn, ich will etwas Neues ausprobieren, dann lasse ich sie wachsen. Ich lasse mir regelmäßig meine Körperhaare entfernen und habe ein paar coole Tattoos sowie Piercings. Ich achte immer auf die Mode, meine Exfreundin hat gesagt, ich sei eine „sehr männliche Tussi“, habe einen Haufen passende Accessoires, rieche immer gut und trotzdem liege ich alleine im Bett, das nicht einmal mir gehört, und bin einsam. Ich träume immer denselben Traum von einer Prinzessin für mich, die mir ähnelt, die zu mir passt, die mich so liebt, wie ich bin und die ich lieben kann, weil sie sie ist. Diesen Traum habe ich bereits als 17-Jähriger gehabt und hätte niemals gedacht, dass er nie in Erfüllung geht.

Aber eines weiß ich sicher, nie wieder ein Date wie heute! Sowas ging noch nie gut, wieso mache ich es? Sie sind jung, hübsch, willig, sprechen mich an, machen mir Komplimente und manchmal streiten sie sich sogar um mich. Es puscht natürlich mein Ego, alle Arbeitskollegen beneiden mich, sagen immer „Du hast es gut, du musst nichts tun, die kommen von alleine zu dir, wie machst du das?“ Dann verabreden wir uns unter den Arbeitskollegen erst in einer Gruppe, gehen essen, kegeln, haben Spaß, danach geht‘s in den Club oder in die Disco. Und dann, nach ein paar Drinks, will sie mich unbedingt anfassen, meine Muskeln fühlen, mich küssen. Sie ist ein hübsches Ding, aber irgendwas fehlt. Wir reden, wir lachen, wir haben Spaß, aber irgendwas in mir sagt „Ich weiß nicht!“. Dann bittet sie mich um ein Einzeldate, ich sage zu, warum denn auch nicht? Mal schauen. Ich mache mich fertig und fahre hin, sie ist sehr aufgestylt erschienen, wir gehen ins Kaffeehaus, setzen uns und bestellen was zu trinken, führen ein wenig Small Talk und dann – NICHTS!!! Ich versuche das Gespräch irgendwie anzukurbeln, stelle Fragen, wähle unterschiedliche Themen aus, aber es kommt nichts. Und die Gegensätze sind gewaltig zwischen ihr und mir, mein Leben ist sportlich und diszipliniert, sonst sähe ich nicht so aus, wie ich aussehe, sie hasst Sport, ich achte auf meine Ernährung und sie liebt das Mekki-Essen, ich rauche und trinke nicht, sie braucht eine Schachtel am Tag und ein Wochenende ist kein richtiges Wochenende, wenn sie nicht ein paar Promille hat und feiern kann. Sie ist 24 und will noch was erleben, ich will nicht mal wissen, was sie erleben will und ich möchte nur noch nach Hause, das nicht mal mein Zuhause ist, Hauptsache hier weg. Sie versucht das Gespräch auf einen One-Night-Stand zu bringen, also will sie mich ins Bett haben. Was bin ich? Ein Zuchtbulle oder ein Toy-Boy? Es reicht und ich sage ihr, dass ich nix davon halte und sowas noch nie hatte und nie wollen werde, weil ich sowas nicht nötig habe. Ich verabschiede mich und gehe. Ich wollte ihr richtig die Meinung geigen, aber ich arbeite mit ihr und bin erst seit ein paar Wochen dabei und es gefällt mir dort, ich will das alles wegen sowas nicht aufs Spiel setzen. Ich habe meinen Arbeitsbereich und sie ihren, das wird schon gehen.

Und da bin ich jetzt, in der Wohnung meines Freundes, allein, enttäuscht und voller Gedanken.

2. Hoffnung

Ich gehe am Montag zur Frühschicht, nach dem enttäuschenden Wochenende tut es gut, wieder zu arbeiten. Gleich zu Beginn kommt unser Chef und sagt uns, dass wir neue Mitarbeiter bekommen und wir uns darauf einstellen sollen. Eine halbe Stunde später spazieren ein paar Leute rein. Ein komisches Gefühl, da ich ja selber erst vor ein paar Wochen angefangen habe. Ein Mädchen war unter ihnen, sie stand sehr schüchtern und ängstlich da, schaute oft auf den Boden. Irgendwie ist sie süß, nicht ganz so das, was ich normalerweise ansprechen würde oder was mich eher anspricht, aber meine Augen wanderten immer wieder zu ihr. Ich höre genau zu, als der Chef uns die Neuen vorstellt, sie heißt Lisa, ein schöner Name und er passt zu ihr. Ich mache meine Arbeit und schaue mir Lisa immer wieder an, wie unbeholfen und verloren sie zuweilen dasteht, ihr manchmal ein kleines Lächeln über ihr Gesicht wandert, wenn sie etwas tun darf, bei dem sie sich auskennt und wobei sie sich sicher fühlt.

Irgendwie gefällt sie mir, obwohl sie eigentlich so gar nicht meins ist. Merkwürdig! Die Schicht ist zu Ende, Lisa ist von ihren Qualen heute erlöst und ich nehme sie in meinen Gedanken mit, aber wieso eigentlich? Sie passt doch so gar nicht in mein Schema. Ich fahre nach Hause, gehe trainieren, komme zurück, dusche, fahre kurz einkaufen, mache mir mein Essen und meine Brotzeit, schaue noch ein wenig fern und gehe zeitig schlafen. Um vier in der Früh klingelt der Wecker, es ist eigentlich ein ganz normaler Tag, bis auf die immer wiederkehrenden Gedanken an Lisa. Ich weiß nichts von dieser Frau, aber in meinem Kopf stauen sich langsam die Gedanken. Aber wieso? Sie ist so gar nicht mein Typ. Ich komme wie immer in die Arbeit, aber meine Augen begeben sich sofort auf die Suche nach Lisa. Da ist sie und steht dort ganz alleine, kommt mir so verloren vor und wir gehen alle hoch zur Schichtübergabe. Die Nachtschicht geht und alles beruhigt sich etwas. Ich setze mich an meine Maschine und fange mit dem Tagesprotokoll an, da kommt Lisa und klopft leicht an meine Schulter. Ich schaue hoch und höre sie sagen: „Entschuldigung, dass ich dich störe, aber ich soll heute bei dir an der Sichtstrecke arbeiten.“ Sie schaut mich mit ihren großen blauen Augen und ein wenig Angst im Gesicht an. Ich stehe auf und merke, wie sie mich dezent mustert. Es wäre schön, wenn ich Gedanken lesen könnte. Ich gehe vor und sie tapst mir hinterher. Ausgerechnet sie soll an meiner Maschine arbeiten, wo doch noch acht andere zur Verfügung stehen, etwa Zufall? Ich zeige ihr ihren Platz, sie setzt sich und ich versuche ihr zu erklären, worum es hier geht und worauf sie achten muss.

Da steht sie auf, streckt ihre Hand in meine Richtung und sagt: „Ich heiße Lisa, und du?“.

„Noa, ich heiße Noa.“

„Sehr angenehm, freut mich.“

„Ja, mich auch.“

Ich war verblüfft, sie ist vielleicht gar nicht so schüchtern und sie weiß sich zu benehmen. Schon wie sie ihre Hand ausstreckte, mich ansprach und mir in die Augen schaute war so elegant. Ich erklärte ihr alles Schritt für Schritt, sie begriff sehr schnell und stellte mir konkrete und sehr gezielte Fragen. Sie arbeitete sehr gut für den zweiten Tag und verblüffte mich immer mehr, aber sie schien so gar kein Interesse an mir zu haben und meines wuchs mit jeder Stunde. Was ist los? Normalerweise baggern mich die Frauen doch immer an, oder zumindest ein bisschen, aber Lisa keineswegs. Es kommt zur ersten Pause und ich frage sie, wo sie üblicherweise die Pause verbringt. Sie erzählt mir, dass sie in den Pausenraum der Nichtraucher geht, weil sie den Qualm nicht mag. Ich sagte ihr, dass ich auch nicht rauche und bot ihr an, gemeinsam zu gehen. Sie sagte zu und begleitete mich. Wir setzten uns, packten unsere Brotzeit aus und ich schaute nicht schlecht, als wir beinahe das gleiche dabei hatten. Vollkornbrot mit Putenbrust, Joghurt und Obst. Sie hatte aber auch noch ein wenig Salat auf ihrem Brot. Ich nicht. Ich musste sie gleich fragen:

„Achtest du auf deine Ernährung?“

„Na ja, gezwungenermaßen, ich will nicht zu dick werden.“

„Machst du auch Sport?“

Sie antwortete mit breitem Lächeln: „Na ja, gezwungenermaßen, ich will nicht zu fett werden. Wie viel hartes Training und Disziplin steckt eigentlich in deinem Körper, oder ist das deine Leidenschaft?“

Ich war baff, es hat mich noch keine Frau so danach gefragt, es kam oft sowas wie „Oh, geiler Body, wie lange trainierst du?“, aber so wurde ich noch nie gefragt.

Ich antwortete: „Ich trainiere mit Leidenschaft seit circa zehn Jahren und schaue, dass ich mich richtig ernähre.“

„Ja, das sieht man, ich muss immer meinen inneren Schweinehund überwinden!“

Die Pause war vorbei, wir gingen wieder zum Arbeitsplatz zurück, ich sah sie nach diesen 15 Minuten mit komplett anderen Augen. Wir arbeiteten weiter und sie machte es gut, wenn sie etwas wissen wollte, hat sie mich immer mit Bedacht und Eleganz danach gefragt. Wenn sie lachte, lachte sie ehrlich und wenn sie sprach, dann sinnreich. Sie stellte sich nicht in den Mittelpunkt wie die Frauen, die ich bis jetzt kannte und wurde trotzdem gesehen und kam zum Ziel.

Sie faszinierte mich langsam und ich fing an, immer mehr über sie nachzudenken. Sie mag Sport, ernährt sich gesund, raucht nicht und kennt sich mit Training aus. Sie arbeitet im Schichtdienst und das muss man können, mögen und verstehen. Außerdem ist sie intelligent und hübsch. Obwohl sie so gar nicht mein Typ war, wuchs mein Interesse an ihr. Vielleicht könnte sie ja die Frau sein, mit der ich glücklich werden kann? Mit jedem weiteren Arbeitstag und jeder weiteren Pause erfuhren wir mehr über uns und sie erzählte mir, dass sie sich vor kurzem getrennt hat, weil sie betrogen worden ist und vorübergehend bei ihrer besten Freundin wohnt. Was für ein Zufall! Dass sie die Arbeit gewechselt hat, sonst müsste sie jeden Tag ihren Ex und seiner Neuen begegnen und das wäre ihr ein wenig zu viel gewesen, und dass sie nun auf Wohnungssuche sei, aber sich das noch nicht so richtig vorstellen könne, so alleine umzuziehen. Ich hörte mir das alles mit Erstaunen an und meine Hoffnung wuchs und sie schien mich zu mögen, sonst wäre sie ja nicht mit mir in die Pause gegangen oder hätte nicht mit mir arbeiten oder sprechen wollen. Irgendwas entwickelte sich da, aber was?

3. Überraschende Wende

Ich ging gerne zur Arbeit und freute mich auf Lisa, ihr süßes Lächeln und ihr „Guten Morgen“ in der Früh, sie arbeitete fleißig und wir kamen gut voran. Auf die Pausen freute ich mich am meisten, weil wir gut miteinander reden und lachen konnten. Ich mochte sie immer mehr und obwohl sie gar nicht mein Typ war, gefiel sie mir und es entwickelte sich was zwischen uns, aber was? Freundschaft? Oder zukünftige Liebe? Sie fing an, mir mehr Fragen über mich zu stellen, also hat sie auch irgendwie Interesse, oder etwa nicht? Ich wurde nicht schlauer, denn normalerweise gehen die Frauen auf mich zu und es ist sehr schnell klar, dass sie mich wollen, aber bei Lisa war ich mir gar nicht sicher, ob und was sie von mir will. Komischerweise störte es mich aber nicht, es war eher aufregend.

In der nächsten Woche hatten wir nur drei Tage Spätschicht, die vergingen sehr schnell, dann bekamen wir vier Tage frei und in diesen Tagen dachte ich sehr oft an sie.

Sonntagabend begannen wir mit der Nachtschicht und Lisa sagte: „Ich habe einen Kuchen gebacken, auch für dich, du kannst gerne ein paar Stücke mitnehmen. Wir haben heute drei Pausen, also hast du genügend Zeit zum Naschen.“

Ich fand es süß, dass sie auch für mich etwas gebacken hat, aber um diese Uhrzeit esse ich nichts Süßes, deswegen nehme ich mir was zum Frühstück mit.

Wir gingen zur ersten Pause und sie nahm ihren Kuchen mit. Schokobrownies, lecker!

Sie fragte: „Willst du ein großes oder ein kleines Stück?“

Ich schaute sie an und wollte ihr erklären, dass ich sowas jetzt nicht essen kann, als sie zu mir sagte: „Hm, ich habe nicht nachgedacht, du wirst jetzt wohl nichts davon essen können, oder? Aber zum Frühstück geht es, hab ich recht?“

Ich schaute sie verblüfft an und nickte.

„Sorry, habe ich vergessen. Du bist wie Hedda, Disziplin und Sport!“

Ich fragte mich, wer Hedda ist und holte meinen fertig abgepackten Salat raus, öffnete ihn und schmiss die verpackte Soße weg.

„Nun hör aber auf!“

„Wieso?“

„Lass mich mal raten, du mischt das jetzt mit Salz und entweder Thunfisch aus der Dose oder Putenstreifen, dann ein bisschen abschmecken und fertig, hab ich recht?“

Ich schaute sie verlegen an und holte meine Thunfischdose aus der Tasche und Kräutersalz.

Sie fing an zu lachen und sagte immer wieder „Wahnsinn!“

Ich fragte sie verblüfft: „Wieso Wahnsinn?“

„Du bist wie Hedda, weißt du? Ich mag dich und komme gut mit dir klar, weil du wie sie bist, nur eben männlich.“

„Wer zum Geier ist Hedda?“

„Meine beste Freundin, ich wohne vorübergehend bei ihr, was ich dir schon mal erzählt habe.“

„Aha, aber warum ist sie wie ich?“

„Na ja, es gibt sehr viele Gemeinsamkeiten zwischen euch. Immer freundlich, herzlich, offen für alles und das Lebensmotto lautet: Sport mit Leidenschaft. Wenn sie wegen Zeitmangel oder der Gesundheit nicht trainieren darf, ist sie unglücklich. Jede freie Minute wird für die Bewegung genutzt. Sei es Radfahren, Trainieren auf dem Crosser oder Bauch-Beine-Po-Übungen vor dem Fernseher, während sie die Simpsons sieht, keine Soaps, oder Laufen und Schwimmen bei schönem Wetter. Sie fährt viel Fahrrad und ernährt sich super gesund, naschen geht bei ihr nur bis 13 Uhr. Sie möchte viel reisen und wenn sie die Zeit und das Geld hat, dann tut sie das auch. Ist sehr spontan, ein wenig eitel und selbstverliebt, wie du. Ist modebewusst, hat immer die passenden Frisuren und Accessoires, mag Piercings und Tattoos, aber bis jetzt nur an anderen. Sie hat eins und selbstverständlich mit tiefer Bedeutung und nicht nur als Modeerscheinung. Als ich dich anfangs kennenlernte, dachte ich schon, dass du wie sie bist. Deswegen komme ich so gut mit dir klar, du bist wie Hedda, nur männlich!“

Sie lachte mich an und ich dachte mir nur „Es gibt sie wirklich!“. Ich habe schon immer von einer Frau mit meinen Eigenschaften geträumt. In nicht einmal fünf Minuten stand mein Leben auf dem Kopf, wie kann es sein? Plötzlich wurde mir ganz anders. Ich wollte sie gleich nach ihr fragen, aber die Pause war zu Ende und wir mussten wieder arbeiten.

In meinem Kopf brodelte es. Wer ist Hedda? Wie ist Hedda? Wie sieht sie aus? Ist sie überhaupt zu haben und was zum Geier ist auf einmal mit mir los? Bin ich denn ganz bescheuert? Ich war so in Gedanken vertieft, alles drehte sich um die mysteriöse Hedda. Sie schien perfekt für mich zu sein! Sie ist die beste Freundin von Lisa und mit ihr kam ich hervorragend klar. Ich mochte sie sehr und irgendwie entwickelte sich eine kleine Freundschaft zwischen uns und die besten Freundinnen ähneln sich. Also würde ich sie bestimmt auch mögen und diese Liebe zum Sport, gesundem Essen, Reisen? Mann, sie ging mir einfach nicht aus dem Kopf.

Die Nachtschicht verging wie im Flug und zum Schluss gab mir Lisa ein schönes, großes Stück von den Brownies und sagte: „Du und Hedda habt heute das gleiche Frühstück, meine leckeren Schokobrownies.“

Dieser Gedanke war merkwürdig und wunderbar zugleich. Ich fuhr nach Hause, aß meine Brownies und lachte die ganze Zeit dabei. Irgendwo in der Nähe isst Hedda auch die gleichen Brownies zum Frühstück. Ein wunderschöner Gedanke. Ich ging ins Bett und schlief sofort ein.

4. Der Wunsch: Kennenlernen Hedda

Ich stand auf, aß etwas, ging ins Training und dachte die ganze Zeit, dass ich Lisa heute irgendwie nach Hedda fragen muss, weil sie mir nicht aus dem Kopf ging und bevor ich mich verrückt mache, frage ich lieber. Sie schien mir so wunderbar und passend, dass ich mich nur zu sehr reinsteigern konnte, aber vielleicht hat sie einen Freund und ist gar nicht zu haben. Ich beendete mein Training, ging duschen, zum Friseur und einkaufen, bereitete alles für die Arbeit vor und konnte es nicht erwarten, Lisa zu sehen und nach Hedda zu fragen. Aber wie? Ich habe doch erst vor ein paar Stunden von ihrer Existenz erfahren. Mann, sie machte mich jetzt schon verrückt!

Ich fuhr zur Arbeit und überlegte mir, wie ich Lisa nach Hedda fragen sollte, weil ich ja nicht blöd rüberkommen wollte. Sie soll nicht denken, dass ich komplett bescheuert bin. Ich kam zur Arbeit und freute mich auch Lisa und ihr Lächeln, aber ich war so aufgeregt. Ich wollte, dass jetzt gleich Pause ist, um sie zu fragen. Ich legte mir ein paar Gedanken zurecht, wie ich das am besten anstellen konnte. Da kam Lisa auf mich zu, begrüßte mich mit einem Lächeln, fragte, ob ich gut geschlafen und süß geträumt habe, vielleicht ja von Hedda?

Es traf mich wie ein Schlag! Halleluja! Sie fragt mich nach Hedda, das wollte ich doch machen! Na, und jetzt? Ich entschloss mich ganz einfach, ihr es so zu sagen, wie ich es fühlte. „Ja, ehrlich gesagt, habe ich wirklich über sie nachgedacht. Du hast mir gestern so viel von ihr erzählt, dass es mich zum Staunen gebracht hat. Du hast recht, sie ist wirklich wie ich und ich hätte sie gerne kennengelernt.“

„Ich befürchte aber, dass es so nicht gehen wird.“

„Wieso?“

„Na ja, von Verkuppeln hält sie nichts und wenn sie es merkt, können wir beide sofort einpacken. Abgesehen davon sagte sie, dass sie zurzeit die Schnauze gestrichen voll von Typen hat und konzentriert sich eher auf das Lernen, weil sie bald studieren will.“

„Aha, wieso die Schnauze voll von Typen?“

„Sie ist seit ein paar Monaten aus einer Beziehung raus, weil er sie betrogen hat und um sich abzulenken, hat sie wieder angefangen zu lernen. Wollte sie schon immer, aber er war dagegen. Sie hat ihn geliebt und er stand für sie an erster Stelle und jetzt braucht sie Zeit und will noch nichts Neues.“

„Aha.“

Ich konnte nur nicken, aber in meinem Kopf hat nur ein Gedanke Platz genommen: SIE IST SOLO! YEAH!

Ich habe gesehen, dass sich Lisas Mund bewegte, aber verstanden hab ich nur „blablabla“. Sie ist solo, also zu haben. Ich will sie unbedingt kennenlernen. So! Wie stelle ich das am geschicktesten an? Die Arbeit bis zur Pause verging wie im Flug, wir setzten uns auf unsere Plätze und Lisa fragte mich, wieso ich so nachdenklich bin.

„Ich muss über diese Hedda nachdenken, ganz ehrlich. Sie ist in meinen Kopf hineinspaziert und läuft nun darin hin und her. Einerseits kenne ich sie nicht, andererseits aber schon. Es ist doch merkwürdig.“

„Wieso?“

„Na ja, ich wurde auch betrogen. Es gibt nicht nur Scheißkerle. Ich habe viel für diese Beziehung gemacht und auf mich genommen, hat aber trotzdem nicht gereicht, habe meine Wünsche und Träume auf die Seite geschoben, ich dachte, wenn nicht für die Liebe, für was denn dann?“

„Echt? Das hätte ich nie gedacht!“

„Eines habe ich festgestellt, die Gemeinsamkeiten sind sehr wichtig und sehr viel wert. Weißt du, ich habe mir schon immer eine Frau gewünscht, die mich versteht, die nicht mit mir schimpft oder streitet, weil ich ins Training muss, die mich vielleicht begleitet oder zumindest Verständnis dafür aufbringt und mich nicht jedes Mal giftig anschaut. Sie wollte, dass ich so durchtrainiert bin, aber das kommt nicht von alleine oder einfach so über Nacht, das ist harte Arbeit.“

„Ja, das ist schon klar.“

Die nächsten Pausen unterhielten wir uns abwechselnd über mich und über Hedda, ich erfuhr immer mehr über sie und mein Interesse an ihr wuchs. Ich wollte sie unbedingt kennenlernen. Mit jeder weiteren kleinen Geschichte faszinierte sie mich immer mehr. Sie ging nicht mehr hin und her in meinem Kopf, sie wohnte nun darin!

Die nächsten Tage vergingen und ich redete ausgiebig mit Lisa. Ich habe ihr viel von mir erzählt, weil sie danach fragte und weil ich sie mochte und dachte, dass sie sich mal mit Hedda über mich unterhalten würde, und wer weiß? Vielleicht wird sie mich dadurch auch kennenlernen wollen.

Da kam Lisa auf mich zu und sagte: „Weißt du, ich habe mich mit Hedda immer wieder stückchenweise über dich unterhalten. Erst hörte sie gar nicht richtig zu, aber ich dachte mir – bleib am Ball – und dann hörte sie doch zu. Gestern hatten wir beide Spätschicht und Hunger und haben beim Essen geredet und sie fragte mich, wie es dir geht und was du heute so Interessantes erzählt hast. Und ich soll dir Grüße ausrichten. Also, schöne Grüße von Hedda.“

Oh mein Gott, wirklich? Hedda lässt mich grüßen und weiß von mir? Wenn sie mich grüßen lässt, dann muss sie mich irgendwie mögen. Mein Magen sprang Bungee-Jumping.

„Cool, ganz liebe Grüße zurück.“

Was ist mit mir los? COOL?! Was sage ich denn da? Manchmal könnte ich mir selbst eine reinhauen. COOL?! Geht‘s noch?

Da holte mich Lisa aus meinen selbstzerstörerischen Gedanken mit der süßesten Frage überhaupt: „Möchtest du Hedda sehen? Ich meine auf einem Foto in meinem Handy, denn wenn sie dich schon grüßen lässt und nach dir fragt, dachte ich, dass du sie vielleicht sehen willst.“

„Ja klar, sicher!“

Meine Knie wurden weich und ich musste mich setzen.

Lisa holte ihr Handy aus der Tasche, entsperrte und zeigte mir Hedda. In diesem Moment stellte ich das Atmen und das Blinzeln ein. Auf dem Display schaute mich eine bildhübsche Frau an mit dem bezauberndsten Lächeln, was ich je gesehen habe. Sie hatte lange braune Haare, wunderschöne, große grau-grüne Augen und war einfach wunderschön. Ich prägte mir ihr Gesicht ein: Jedes Haar, jede Wimper, ihr Lächeln, ihre Lippen. Ich habe es bis jetzt nicht versucht, sie mir vorzustellen. Ich habe auch Lisa nicht nach ihrem Aussehen gefragt und jetzt bin ich einfach hin und weg. Gut, dass ich sitze, sonst hätte es mich umgehauen. Wow!

„Noa, atmest du? Gefällt sie dir, findest du sie hübsch?“

„Ja, eine wunderschöne Frau.“

„Ja, das ist sie.“

„Lisa, denkst du, ich darf sie mal kennenlernen?“

„Na ja, immerhin fragt sie schon nach dir. Wenn wir es klug anstellen, wieso nicht? Aber nichts überstürzen, das mag sie nicht.“

„O. K.“

Mir fehlten die Worte, meine kompletten Gedanken kreisten um Hedda, um die wunderschöne Hedda. Wie ist das möglich? Ich kenne sie doch gar nicht! Aber ich weiß, dass ich sie will. Ich will sie kennenlernen. Ich will das bezaubernde Lächeln in Natur sehen. Ich will in ihre Augen schauen. Ist das meine Traumfrau?

5. Die Aktion Lisas Umzug

Seit dem ich Heddas Foto gesehen habe und von unseren Gemeinsamkeiten wusste, stand mein Leben Kopf. Alles drehte sich um sie.

Doch dann kommt Lisa und sagt: „Noa, ich habe endlich eine Wohnung für mich gefunden und ich möchte schon am Wochenende umziehen. Denkst du, du könntest mir ein wenig unter die Arme greifen? Ich könnte einen starken Mann wirklich gebrauchen.“

„Ja klar, kein Problem, mach ich doch gerne.“

Mein Herz schlug mir bis zum Hals, denn wenn Lisa umzieht, zieht sie ja aus Heddas Wohnung aus und weil Hedda ihre beste Freundin ist, wird sie ihr bestimmt auch helfen und da kann ich sie endlich kennenlernen, sie sehen, sie hören, sie vielleicht riechen.

Oh Gott! Oh GOOOOTT!! Ich will Hedda sehen! Und heute ist erst Dienstag, das überlebe ich nicht!

Die Tage bis zum Wochenende vergingen einfach nicht und am Donnerstag stand ich am Rande des Wahnsinns. Ich überlegte mir Outfits für den Umzug, wie ich meine Haare machen solle und welches Parfüm ich benutze. Ich drehte vollkommen durch. Am Freitag nach der Frühschicht gab mir Lisa die Adresse, erklärte mir weitere Details, um es leichter zu finden und sagte mir, wann wir uns treffen.

Ich konnte es kaum abwarten und sagte nur „Okay, dann bis morgen.“ Und konnte das Morgen nicht früh genug herbeisehnen. Ich wollte nach Hause ins Bett gehen, sofort einschlafen, aufstehen und zu Hedda fahren, aber so schnell ging das leider nicht. Also habe ich weiter nach passenden Outfits für den Umzug geschaut. Irgendwann hatte ich es endlich. Eine 300-Euro-Jeans, ein Ed-Hardy-Bling-Bling-T-Shirt und die passenden Ohrringe. Ich ging zufrieden und erleichtert ins Bett und konnte sogar einschlafen. So gegen vier Uhr morgens stand ich auf, ging aufs Klo, kam zurück und erstarrte: Oh mein Gott! DAS habe ich mir für einen Umzug ausgesucht? Es leuchtet im Dunkeln und welcher Trottel geht mit einer 300-Euro-Jeans, einem Bling-Bling-T-Shirt und passenden Ohrringen zum Kistenschleppen und Möbel aufbauen? Okay, ich bin verloren, ich drehte vollkommen am Rad. Ich will doch nur, dass ich ihr gefalle, dass sie mich wahrnimmt und mich mag. Dass sie vielleicht sagt „Wow, der ist aber hübsch.“ Oder mich nur süß findet und nicht „Ach du Kacke, was ist das denn für eine Schwuchtel?“. Also gut Noa, beruhige dich, du bist ein Mann, du sollst bei einem Umzug mithelfen, also nur normale Jeans, ein normales T-Shirt, bequeme Schuhe und keinen Schmuck, aber die Haare, die müssen gut gestylt sein!

Ich ging ins Bad, duschte mich, wusch mir die Haare und fing an, sie zu frisieren. Also gut, so sieht es cool aus, nur noch ein bisschen mehr Gel, das kann nicht schaden. Oh, das war ein Klacks zu viel. Okay, ich habe genug Zeit, dann wasche ich sie mir eben ein zweites Mal. Jetzt nur ganz wenig Gel, oder vielleicht lieber Haarwachs und ein wenig Haarlack? Verdammt, jetzt sind sie weiß, bewegen sich gar nicht mehr und sitzen bombenfest! Also gut, dann eben ein drittes Mal die Haare waschen. Mann, es kann doch nicht so schwer sein. Ich beschloss, meine Haare genauso zu stylen, wie ich sie für die Arbeit herrichte. Endlich! Ich zog mir die normalen Sachen an, ging raus, setzte mich in das Auto und fuhr los. Ich war so aufgeregt, mein Herz klopfte so laut, dass mir das Konzentrieren auf den Verkehr schwer fiel und ich war nicht mal mehr in der Lage, normal zu denken.

Aber warum reagierte ich so? Es ist doch nur ein Umzug. Aber für mich fühlte es sich so an, als ob ich auswandern würde. Alles Bisherige in meinem Leben hat mich nur auf Umwege geführt und es fühlte sich zum allerersten Mal so an, als wäre ich nun auf der richtigen Straße, die in die richtige Richtung führt. Ich parkte vor Heddas Haus, das Tor stand offen, ich fuhr rein und parkte vor der linken Garage, wie es mir Lisa am Dienstag sagte. Ich atmete ein paar Mal tief ein und aus, schaute meine Haare im Spiegel an, nickte mir selbst zu, stieg aus und ging über den Hof zu Heddas Tür.

Ich wusste nicht, wie mir geschieht. Die Haustür stand offen und ich sollte die Treppe einfach hochgehen. Ich ging langsam hinauf, mein Herz schlug wie verrückt, meine Beine wurden immer schwerer und meine Lunge schrie „Noa! Atme! Atme!“ Ich klopfte ganz leise, aber Lisa hatte mich schon gehört, sie ließ mich rein, begrüßte mich ganz herzlich, fragte mich, ob ich vielleicht einen Kaffee möchte, weil wir noch ein wenig Zeit hätten bevor die anderen kommen. Ich nahm ihr Angebot an, denn je länger ich in Heddas Wohnung bleiben kann, desto größer die Wahrscheinlichkeit, sie kennenzulernen. Lisa verschwand in die Küche, ich ging ihr hinterher und sie zeigte mir, was wir alles in die neue Wohnung rüberfahren müssen und erklärte, dass sie in der linken Garage ihre neuen und alten Möbel stehen hat und dass der kleine Laster gleich komme, in den wir alles einladen müssen. Das, was übrig bleibt, müssen wir dann mit unseren PKWs transportieren, weil der Kleinlaster nur für ein paar Stunden gemietet ist. Außerdem erklärte sie mir, dass noch andere Helfer kommen und sie hofft, heute schon den Großteil erledigt zu haben, da sie schon heute das erste Mal in ihrer neuen Wohnung schlafen will.

Ich hörte mir das alles zwar an und konzentrierte mich aufs Atmen, aber fragte mich die ganze Zeit: Wo ist Hedda?

Es klingelte, Lisa sprang auf und sagte „Los jetzt, der Laster ist da!“ Wir gingen raus und sie öffnete die Garage, während der Laster schon die richtige Position einnahm, es kamen noch ein paar Leute, wir wurden einander vorgestellt, aber wo ist Hedda? Ich packte mir die größten und schwersten Sachen, weil das Gewicht kein Problem für mich darstellte. Die Freunde von Lisa schauten mich an und der übliche Eiertanz begann. Die Jungs fragten mich, wie lange ich trainiere und ob es schwer sei, die Mädchen wollten wissen, wie es sich anfühlt und ob ich vergeben bin. Doch ich wollte nur eines, Hedda! Ich wollte sie sehen, sie hören und ihr meine Hand zur Begrüßung reichen. Ihr bezauberndes Lächeln sehen, aber sie blieb verschollen.

Ich packte den Laster voll, nahm meinen ganzen Mut zusammen und fragte Lisa: „Wo ist Hedda? Hilft sie dir nicht? Oder kommt sie erst später?“

„Ach das tut mir leid, ich habe vergessen, dir zu sagen, dass Hedda das komplette Wochenende in München ist.“

Mir fiel das Atmen wieder schwer. Mein Magen rutschte kurz weg und ein paar Tränen schossen mir in die Augen. Also werde ich sie heute gar nicht sehen. Ich fühlte, wie mich die Traurigkeit überfiel. Lisa schaute mich an und fragte mich, ob mir schlecht sei. Ich stimmte zu und sagte, dass ich noch nichts getrunken oder gegessen habe und es höchstwahrscheinlich der Blutzucker sei.

Lisa staunte: „Noa, du hast den Laster fast im Alleingang vollgeladen, wir machen den Rest, geh du in die Küche und fühl dich wie zu Hause. Trink was und bediene dich am Kühlschrank, mach eine Pause. Ich komme dann und schaue nach dir.“

Ich nickte und ging nach oben, jetzt war ich nicht mehr aufgeregt, sondern nur noch traurig. Wieso reagiere ich bei dieser Frau nur so extrem? Und was macht sie das ganze Wochenende über in München und hilft ihrer besten Freundin nicht beim Umzug? Was oder eher wer steckt dahinter? Habe ich mich vielleicht in etwas viel zu tief reingesteigert? Oh Gott, bitte nicht!

Ich ging in die Wohnung, musste auf die Toilette. Ich betrat das WC und schaute mich ein wenig um. Das gleiche Klopapier, die gleiche Zahnpasta, das gleiche Shampoo. Das gibt es doch nicht, sogar die gleiche Handseife. Alles wie bei mir, kauft sie etwa die gleichen Produkte in den gleichen Geschäften? HÄ? Ich war perplex, stand auf, spülte, wusch mir die Hände und konnte das Stöbern nicht lassen. Es standen auf einem Regal ein paar Körbchen, in einem war nur Schminke. Also die benutze ich ja nicht. Ich bin vielleicht ein wenig tussig, aber alles hat Grenzen. In einem anderen lagen Gesichtsmasken, und zwar die gleichen, die ich manchmal benutze, was soll ich nur davon halten?

Ich hörte, wie Lisa reinkam und nach mir suchte. Ich rief, dass ich im Bad sei und gleich komme. Sie antwortete, dass sie nach mir schauen wollte und fragte mich, ob sie mir etwas zu essen machen sollte. Ich lehnte ihr Angebot ab, ging mit ihr in die Küche und sie zeigte mir, wo alles stünde und dass ich mich einfach bedienen soll, wenn ich Hunger bekomme.

Sie informierte mich, dass sie noch etwa eine halbe Stunde bräuchten und danach in die neue Wohnung fahren, um ihre Sachen auszuladen und raufzuschleppen, wobei sie mich brauchen könnten.

Ich antwortete mit: „Geht klar!“

Sie sagte aus heiterem Himmel „Ich habe gestern noch alles mit Hedda eingepackt, sie hat mir so viel geholfen, wie sie nur konnte, aber dann musste sie nach München zur Uniklinik und zur Universität, weil sie ja studieren will, sie besucht heute und morgen diverse Seminare, geht in Probevorlesungen und schaut sich die Pläne an. Sie wird weiter