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Nr. 87

 

Die Schläfer der ISC

 

Sie versprachen eine glückliche Zukunft – aber sie planten den Verrat an der Menschheit ...

 

von WILLIAM VOLTZ

 

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Perry Rhodans Entdeckung des auf dem Mond gestrandeten arkonidischen Raumschiffes gab den Anstoß zur politischen Vereinigung der Menschheit und legte den Grundstein für das Solare Imperium, das Sternenreich Terras.

Dass dieses Reich – winzig klein im Vergleich zu den vielen anderen Mächten des Universums – überhaupt noch besteht und nicht im Inferno atomarer Vernichtung verging oder zur Kolonie Arkons degradiert wurde, ist den klugen Schachzügen der Terraner um Perry Rhodan beim großen galaktischen Spiel zuzuschreiben – und dem Glück, das aber auf die Dauer nur der Tüchtige hat.

Auf dieses Glück bauend, hatte Perry Rhodan sein Kommandounternehmen »Rekruten für Arkon« auch eingeleitet und erfolgreich zu Ende geführt – zu einem anderen Ende allerdings, als er sich hatte träumen lassen, denn schließlich ist es nicht er, Perry Rhodan, sondern Atlan der Arkonide, dem das große Erbe zufällt.

Das »Glück« oder der »Zufall« – wer will das wissen – spielt auch eine entscheidende Rolle bei der Entdeckung dessen, was hinter den SCHLÄFERN DER ISC steht ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Maurice Dunbee – Ein Schwächling, der zu einem harten Kämpfer wird.

Richard Kennof – Sein wirtschaftlicher Ruin ist die Legitimation, die ihm Zutritt zu den Höhlen der Schläfer gewährt.

Owen Cavanaugh – Der Gründer der »Schlafgesellschaft«.

Dr. Le Boeuf und Dr. Fedor Piotrowski – Ärzte der ISC.

Shane Hardiston – Agent der Solaren Abwehr.

Dunc Clinkskate – Ein Verräter an Terra.

1.

 

Direkt über Dunbee war das stetige, nervenzermürbende Plätschern des Zellplasmas. Er hätte nur seine Hände auszustrecken brauchen, um den Behälter berühren zu können. Aber seine Finger pressten sich in stummer Verzweiflung in den sandigen Boden, tasteten zitternd über rissige Erde und zuckten vor der kühlen Glätte eines Steines zurück.

Maurice Dunbee stöhnte verhalten. Vergeblich versuchte er das Entsetzen in seinem Innern niederzuringen. Wieder bemühte er sich, seinen schmerzenden, müden Körper unter dem Kasten hervorzuzwingen. Der Wille zur Flucht wurde stärker. Schweratmend robbte er einige Meter voran. Irgendwo vor ihm, neben ihm, hinter ihm war das Gurgeln und Sprudeln der Flüssigkeit in dem großen Kunststoffbehälter.

Sie hatten das Licht ausgeschaltet, und die Höhle lag in völliger Dunkelheit. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie ihn einfangen und zurückbringen würden. Dunbees Kopf sank nach unten. Er wusste, dass er zu schwach war, um zu kämpfen. Er kroch ein wenig weiter, sich der Sinnlosigkeit seiner Anstrengungen bewusst. Ein scharfer, ätzender Geruch lag in der dumpfen Höhlenluft. Vielleicht hatten sie ein betäubendes Gas hereingeblasen, um ihn ohne Risiko zu bezwingen. Dunbee lächelte ein wenig. Dies war nur ein weiterer Fehlschlag in einer Reihe anderer, die sein bisheriges Leben gekennzeichnet hatten. Hier kauerte er nun: Maurice Dunbee, der Schwächling!

Er stemmte sich auf seinen Armen hoch und lauschte. Kamen sie schon? Würde die nächste Sekunde ein Ende bringen, wenn sie Paralysatoren einsetzten?

Plötzlich war ein neues Geräusch in der Dunkelheit. Dunbee erstarrte. Hart und schrill drang eine metallische Stimme aus der Schwärze: »Dunbee! Jeder weitere Widerstand ist zwecklos. Geben Sie es auf, Dunbee! Zwei Beamte der ISC werden Sie abholen.«

Dunbee sprang auf. Er stieß mit der Schulter gegen den Rand des Behälters und taumelte zur Seite. In blinder Angst stürmte er davon. Die Höhle schien von Lärm ausgefüllt – er hörte das Trampeln rennender Menschen, das Keuchen ihrer angestrengten Lungen und ihre Stimmen, die ihn riefen und aufforderten, stehenzubleiben.

Er prallte gegen einen vorstehenden Felsbrocken und kam zur Besinnung. Erschöpft lehnte er sich gegen das Gestein. Niemand war in der Nähe. Sein schmächtiger Körper bebte wie im Fieber.

»Seien Sie vernünftig, Dunbee! Wir wollen Ihnen helfen!«

Ja, dachte Dunbee, das ist es! Mein ganzes Leben lang habe ich mir immer von anderen Menschen helfen lassen, ohne selbst einmal etwas in die Hände zu nehmen.

Resignierend schloss er die Augen. Seine Gedanken glitten zurück, bis zu jenem Tag, an dem er sich entschlossen hatte, die Intertime-Sleeping-Corporation um Hilfe zu bitten ...

 

*

 

»Kommen Sie herein, Mr. Dunbee«, forderte Curteen den kleinen Mann im Vorzimmer auf. »Jetzt habe ich Zeit für Sie.«

Unbehaglich kam Dunbee hinter dem Tisch hervor. Er schob die 3-D-Illustrierte von sich. Mit einer einladenden Handbewegung wies ihn Curteen in das Büro.

Lester Curteen war zweiter Betriebsleiter der Sternenstaub-Seifen AG in Dubose. Er war groß und schlank, der Ausdruck seiner Augen wirkte durch etwas unmoderne Haftgläser beinahe reptilienhaft.

»Nehmen Sie bitte Platz«, sagte Curteen und wühlte abwesend in einigen Akten auf seinem Arbeitsplatz. »Ah, hier!«, rief er schließlich befriedigt.

Dunbee beobachtete ihn mit zunehmender Nervosität.

»Sie sind nun bereits über zehn Jahre bei unserer Firma, Mr. Dunbee«, begann Curteen freundlich. »Sie haben immer zu unserer vollsten Zufriedenheit gearbeitet. Wir hatten nie Schwierigkeiten mit Ihnen.«

Dunbee schluckte und nickte. Er bewunderte im stillen die Redegewandtheit Curteens.

»Wir sind für Ihre Tätigkeit sehr dankbar«, behauptete Curteen. »Wir hoffen natürlich, dass Sie Ihren Arbeitsplatz noch lange innehaben werden.«

Dunbee rieb sich nervös die Hände. Vorsichtig warf er ein: »Mr. Vadelange ist in der vergangenen Woche aus unserer Firma ausgeschieden, Mr. Curteen. Er war der Leiter der Werbeabteilung. Ich ... es ist bisher immer so gewesen, dass der Dienstälteste einer Abteilung zu ihrem Leiter bestimmt wird, wenn der bisherige Chef austritt.«

Curteen sah ihn über den Tisch hinweg an. Es war ein seltsamer Ausdruck in seinen Augen, ein sanfter Glanz, der sofort wieder erlosch. Dann war da nur noch Curteens verbindliche Stimme.

»Sehr richtig, Mr. Dunbee. In diesem Falle wären Sie der Nachfolger von Mr. Vadelange.« Er zögerte einen Augenblick. »Glauben Sie mir, es ist uns unmöglich, zur Zeit Ersatz für Sie und Ihre Arbeit zu finden. Wir müssen Sie bitten, an Ihrem jetzigen Posten zu bleiben. Mr. Priest wird Vadelange vertreten, bis wir einen geeigneten Mann für Ihre Aufgaben gefunden haben.«

»Ich verstehe«, murmelte Dunbee tonlos. »Priest wird es sein!«

Curteen stand auf und kam um den Tisch herum, um Dunbee auf die Schulter zu klopfen.

»Natürlich werden wir Sie sofort in die Gehaltsklasse eines Abteilungsleiters einstufen«, kündigte er an.

»Natürlich«, echote Dunbee.

»Ich wusste, dass wir mit Ihrem Verständnis für die Situation unserer Werbeabteilung rechnen durften«, sagte Curteen lächelnd.

Dunbee erhob sich langsam. Mit unsicherer Stimme sagte er: »Ich kündige!«

Noch am gleichen Tag schrieb er an die Intertime-Sleeping-Corporation und stellte einen Antrag zur Einschläferung auf 300 Jahre.

Die ISC war vor einem knappen Jahr von dem Geschäftsmann Owen Cavanaugh gegründet worden. Allgemein wurde sie als »Schlafgesellschaft« bezeichnet. Cavanaugh, der sich als »Retter der vom Leben Enttäuschten« propagierte, hatte mit Hilfe mehrerer Wissenschaftler eine neue Tiefschlafmethode erfunden. Mit Genehmigung des Innenministeriums erwarb Cavanaugh in der Nähe des Yellowstone Nationalparks in Wyoming eine Landfläche mit mehreren riesigen, vor Jahrtausenden durch Vulkantätigkeit entstandenen Höhlen. Nichts schien besser geeignet für einen ungestörten Bioschlaf als dieser Ort. In kürzester Frist ließ Cavanaugh die Naturhöhlen für seine Zwecke herrichten. Gewaltige Behälter wurden errichtet, die jenes Zellplasma aufnahmen, in dem späterhin Cavanaughs »Kunden« einer besseren Zukunft entgegenschlafen sollten. In einem Werbefeldzug ohnegleichen gewann Cavanaugh Anhänger für seine Idee. Warum sollte sich ein erfolgloser Mensch nicht für einige Jahre in Tiefschlaf versetzen lassen, um in einer schöneren Zukunft mit neuer Energie erstaunliche Taten zu vollbringen? Der Staat sah keinen Grund zum Eingreifen, denn Cavanaugh hielt sich streng an die medizinischen Vorschriften. Die ISC hielt jeder Überprüfung durch Beamte des Innenministeriums stand. Die Presse tat ihr übriges, um die Idee des Geschäftsmannes populär zu machen. Am Tage der Eröffnung der Schlafhöhlen warteten bereits mehrere hundert Menschen auf ihre Aufnahme.

Owen Cavanaugh, ein kleiner, untersetzter Mann, den man ständig mit einer fossilen Sonnenblende und hochgekrempelten Ärmeln in den Bildern der Illustrierten zu sehen bekam, schien auf dem besten Wege zu sein, mit der Lebensüberdrüssigkeit einiger seiner Mitmenschen ein gutes Geschäft zu machen.

Dunbee erinnerte sich an ein Interview, das Cavanaugh einem Reporter des Fernsehens gewährt hatte. Auf die Frage des Journalisten, wie sich Cavanaugh zu seinen Kritikern äußere, sagte der Mann gelassen: »Ich weiß nicht, warum man meine Idee kritisiert. Ich biete unglücklichen Menschen eine glückliche Zukunft. Was soll daran schlecht sein?«

Dunbee war ein unglücklicher Mensch. Die Ehe mit seiner Frau Jeanne war kinderlos geblieben. Mit 48 Jahren hatte er in seinem Beruf keine großen Erfolge mehr zu erwarten. Er fühlte sich von seiner Frau unverstanden. Die Mitwelt schien ihm kalt und grausam.

Zwei Wochen, nachdem Dunbee den Antrag gestellt hatte, erhielt er eine Einladung der ISC, mit der er aufgefordert wurde, zwecks einer Voruntersuchung nach Wyoming zu kommen.

So verschwand Maurice Dunbee aus Dubose, still und unauffällig, wie er gelebt hatte.

 

*

 

Sein Name war M'Artois. Durch seine dunklen, gewellten Haare zogen sich silberne Fäden. Wenn er lachte, bildeten sich in seinen Augenwinkeln unzählige Fältchen. Seine Stimme hatte einen sonoren Klang. Er hatte eine lässige Art, den Daumen seiner rechten Hand in den Hosenbund zu haken. Er trug eine weiße, raffiniert gearbeitete Jacke mit einem bunten Hemd darunter.

»Wir wissen, warum Sie zu uns kommen«, sagte er zu Dunbee. »In Ihrem Brief schreiben Sie, dass Sie sich für dreihundert Jahre in Tiefschlaf versetzen lassen wollen. Das ist die höchste Zeitspanne überhaupt. Unsere Schlafzeiten beginnen mit einer Dauer von fünfzig Jahren. Sind Sie in der Lage, die Summe von 3000 Solar aufzubringen?«

Obwohl der Betrag relativ niedrig war, stellte er einen Großteil von Dunbees Ersparnissen dar. Er hatte nicht ohne Gewissensbisse eine entsprechende Summe von seinem Konto abgehoben. Die Reise nach Wyoming hatte nicht dazu beigetragen, Dunbees Sicherheit zu Vergrößern. Er kam sich Jeanne gegenüber wie ein Verräter vor. Vielleicht war sie froh, dass er aus ihrem Leben getreten war? Er hatte in seinem Abschiedsbrief um Verständnis für seinen Entschluss gebeten.

»Ich habe das Geld bei mir«, sagte er.

M'Artois, der in einem lächerlichen Gebilde aus Plastik hockte, das jeden Moment unter der Last seines Körpers zusammenzubrechen drohte, nickte.

»Ich bin Psychologe, Mr. Dunbee«, sagte er. »Das Gespräch, das ich mit Ihnen führe, gehört zu meiner Aufgabe. Die Gesellschaft will Sie mit ihren Fragen und Vorsichtsmaßnahmen nicht schikanieren. Wir sind jedoch gezwungen, uns nach jeder Seite abzusichern.«

Etwas ungeduldig erwiderte Dunbee: »Ich bin bereit.«

M'Artois zeigte ein verständnisvolles Lächeln.

»Sie haben mir Ihre Situation ausführlich geschildert«, bemerkte er. »Sie halten sich für einen labilen Menschen, der am Leben gescheitert ist. Schwierigkeiten im Beruf und in der Ehe haben Sie nervlich und körperlich zermürbt. Ihre Arbeit wurde von Ihrer Firma nicht anerkannt, und Ihre Frau zeigte nicht viel Geduld mit Ihnen. Kinder haben Sie nicht. Positives konnten Sie kaum berichten.« Sein Ton wurde eindringlicher. »Trotzdem, Mr. Dunbee – ich glaube, dass Sie es noch einmal versuchen sollten.«

»Ich habe es immer und immer wieder in meine schwachen Hände nehmen wollen, dieses Leben«, murmelte Dunbee. »Ich bin am Ende.«

Der ISC-Mitarbeiter überlegte einen Moment.

»Vielleicht sind Sie zu sensibel«, vermutete er. »Wollen Sie nicht beginnen, die schönen Seiten Ihres Daseins zu erkennen? Ihr Lebensstandard war nicht schlecht. Einigen Sie sich mit Ihrer Frau, entdecken Sie gemeinsame Interessen und machen Sie zusammen eine Reise.«

»Die Reise hierher war meine letzte«, versicherte Dunbee.

Bekümmert sagte M'Artois: »Also gut! Ihr Entschluss scheint unumstößlich zu sein. Ich werde Sie zu Dr. Waterhome bringen, der die medizinischen Untersuchungen leitet. Es wird Ihnen klar sein, dass wir Sie nur aufnehmen können, wenn Sie organisch gesund sind.«

Zusammen mit Dunbee verließ er den Büroraum. Sie gelangten durch ein größeres Zimmer in den langen Hauptgang des Verwaltungsgebäudes der ISC in Cheyenne. Einige Angestellte und ein Roboter mit einem Stapel Akten begegneten ihnen. Dunbee versuchte aus dem Fenster zu sehen. Es war ein trüber Tag. Die Scheiben waren von Regen und Nebel beschlagen.

Ohne erkennbaren Zusammenhang fragte M'Artois plötzlich: »Sie sind nicht amputiert, Mr. Dunbee?«

Dunbee blieb stehen.

»Nein, wieso?«

M'Artois Lächeln, das für Sekunden verschwunden war, kehrte zurück.

»Es gehört zu den Regeln der Gesellschaft, dass sie keine Amputierten annimmt. Ich hatte vergessen, Sie gleich darüber zu informieren«, erklärte der Psychologe.

Dunbee fragte sich, warum man einen Menschen, dem irgendein Körperteil fehlte, nicht ebensogut einschläfern konnte, wie einen normal gebildeten? Er scheute sich jedoch, seine Verwirrung vor M'Artois auszusprechen.

»Es hat irgend etwas mit der Funktion der Organe zu tun«, sagte da der Seelenarzt. »Dr. Waterhome kann es Ihnen besser erklären, wenn Sie sich dafür interessieren.«

Er öffnete eine Tür vor Dunbee und begleitete ihn in ein winziges Zimmer. Eine blonde Frau, fast noch ein Mädchen, nickte den beiden Männern zu. Sie saß hinter einem runden Tisch und hatte anscheinend nicht viel zu tun, denn Dunbee fühlte, dass sie ihn intensiv musterte.

»Das ist Mr. Dunbee«, stellte M'Artois vor. »Führen Sie ihn bitte zu Dr. Waterhome, Miss Laura.« Er drückte Dunbees Arm. »Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.«

Bevor Dunbee antworten konnte, war der Mann verschwunden. Die Blondine sagte langsam: »Es ist noch einer vor Ihnen.«

»Ich kann warten«, beruhigte sie Dunbee.

Er dachte an Jeanne. Etwas in ihm krampfte sich zusammen. Wenn ihn die ISC 300 Jahre lang schlafen ließ, würde seine Frau tot sein, wenn er nach Dubose zurückkehrte. Dubose, dieses elende Nest mit dem pompösen Gebäude der »Sternenstaub-Seifen AG«. Wie würde es sich nach 300 Jahren entwickelt haben?

Er stellte sich vor, wie Jeanne seinen Brief gefunden hatte. Er sah ihre ernsten, dunklen Augen und glaubte ihre Stimme zu hören: »Oh, Maurice, warum hast du das getan?«

Aber es war nur ein summender Ton vom Tisch des Mädchens her. Als Dunbee aufblickte, wies sie auf eine gut gepolsterte Tür.

»Sie können nun hinein«, sagte sie.

Er stolperte beim Aufstehen und errötete, als er ihre Augen auf seinem Rücken fühlte, während er die Tür öffnete.

 

*

 

Die Untersuchung dauerte über zwei Stunden. Dr. Waterhome eröffnete Maurice, er solle am nächsten Tage wiederkommen. Bis dahin würden die Untersuchungsergebnisse ausgewertet sein, und man würde ihm mitteilen, ob er in die ISC aufgenommen werden könnte. Dunbee kehrte in sein Hotel zurück und betäubte seine erregten Nerven mit Alkohol. Er spielte mit dem Gedanken, einen Brief an Jeanne zu schreiben. Jedoch er tat nichts dergleichen. Er schlief vollständig angezogen ein.

Er erwachte sehr früh. Sein Körper schien steif zu sein, und er spürte einen schalen Geschmack im Mund. Er fühlte sich krank. Selbst die Massagedusche half ihm nicht richtig auf die Beine.

Lediglich als ihm M'Artois einige Stunden später mitteilte, dass ihn die ISC für 300 Jahre in ihre Höhlen bringen würde, änderte sich etwas an seinem Zustand: Er kam sich vor wie ein Toter!

 

*

 

Alle Maler der Welt schienen sich im Nordosten Wyomings zusammengetan zu haben, um der Landschaft ihr farbenprächtiges Aussehen zu verleihen. Weit unter Dunbee wand sich, einer blauen Riesenschlange gleich, der Yellowstone River durch tiefe Schluchten.

Der Pilot drückte den Hubschrauber etwas tiefer.

»Wir werden nun bald in der Nähe des Nationalparks sein«, sagte er zu Dunbee. »Dort befinden sich die Gruften der Schlafgesellschaft.«

Dunbee erschauerte, als der Mann das Wort »Gruft« benutzte. Nur um etwas zu erwidern, fragte er: »Sie sind wohl in Wyoming geboren?«

Der Pilot lachte. »Sie werden es nicht glauben, aber ich wurde auf dem Mond geboren. Erstaunlich, nicht wahr?«

Dunbee pflichtete ihm höflich bei. Er hätte sich gern mit dem Mann über seine Probleme unterhalten, aber er fürchtete auf Ablehnung zu stoßen.

»Warum tun Sie das eigentlich?«, fragte da der andere. »Warum lassen Sie sich einschläfern?«

Jetzt, wo er Gelegenheit zum Reden hatte, fand Dunbee keine Worte.

»Sie müssen es mir nicht erzählen«, sagte sein schlanker Begleiter. »Ich habe immer ein seltsames Gefühl, wenn ich Leute wie Sie hierherbringe.«

»Was für ein Gefühl?«, erkundigte sich Dunbee tonlos.

Der Führer des kleinen Flugzeuges sah ihn ernst von der Seite an.

»Ich meine, irgend etwas stimmt nicht bei der Sache«, knurrte er. »Glauben Sie nicht, dass ich Ihnen Angst einjagen will. Schließlich werde ich von der ISC gut bezahlt. Aber haben Sie sich schon einmal überlegt, wie verhältnismäßig billig eine Einschläferung ist?«

»Was wollen Sie damit andeuten? Die Gesellschaft arbeitet rationell und kalkuliert scharf. Warum sollte sie nicht mit niedrigen Preisen um Anhänger werben?«

»Weil«, sagte der Pilot, »der gute Cavanaugh ein gerissener Geschäftsmann ist, der niemals drauflegen wird. Stellen Sie sich vor – ich erhalte für jeden Flug hierher fast vierzig Solar. Hinzu kommen die Kosten für die Untersuchungen, die Verwaltungsausgaben und der Aufwand zur Instandhaltung der Höhlen. Ich kann mir nicht gut vorstellen, wo da der Verdienst sein soll. Manchmal vermute ich, dass Cavanaugh einen Geldgeber im Hintergrund hat, der ihn für seine Experimente benutzt.«

»Experimente?«, wiederholte Dunbee schockiert.

»Das Ganze stellt vielleicht nur einen Versuch dar, der, wenn er einmal gelungen ist, ausgebaut werden und dann sein Geld bringen soll.«

Dunbee erwiderte entrüstet: »Ich habe einen Vertrag unterschrieben, der vom Innenministerium genehmigt ist. Die Höhlen werden in regelmäßigen Abständen von Prüfungsbeamten inspiziert. Gewiss, die Verantwortung für medizinische Kunstfehler muss ich selbst tragen, aber das ist verständlich.«