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Ein Buch, mit dem man den Teufel beschwören kann. Corso, seines Zeichens Bücherjäger, glaubt nicht an Märchen – den saftigen Auftrag, die letzten drei Exemplare des Buches ausfindig zu machen, nimmt er trotzdem an. Und plötzlich widerfahren ihm seltsame Dinge: Beinahe wird er von einem Gerüst erschlagen, dann fast von einem Auto erfaßt, und an der Straßenecke steht dieser Mann mit der Narbe im Gesicht, als sei er einem Abenteuerroman entstiegen …

Das Zeugnis einer gefährlichen Leidenschaft. Der Weltbestseller über den Wahnsinn, den es bedeutet, zu lesen. Das Abenteuer rund um ein teuflisches Geheimnis. Der Club Dumas gilt als das Meisterwerk von Arturo Pérez-Reverte und wurde von Roman Polanski mit Johnny Depp in der Hauptrolle unter dem Titel Die neun Pforten verfilmt.

Arturo Pérez-Reverte, geboren 1951 in Cartagena, ist einer der erfolgreichsten Autoren Spaniens. Sein Werk wurde in 41 Sprachen übersetzt. 21 Jahre arbeitete er als Kriegsreporter. Seit 2003 ist Arturo Pérez-Reverte Mitglied der Real Academia Española. Auf Deutsch erschienen zuletzt Königin des Südens (st 4658), Das Geheimnis der schwarzen Dame (it 4382) und Dreimal im Leben (it 4324).

 

 

ARTURO
PÉREZ-REVERTE

DER CLUB
DUMAS

ROMAN

Aus dem Spanischen von Claudia Schmitt

Insel Verlag

 

 

Die spanische Originalausgabe erschien 1993 unter dem Titel

El Club Dumas bei Alfaguara, Madrid.

 

 

 

 

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2017

Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe insel taschenbuch 4549

© Insel Verlag Berlin 2017

© 1993 by Arturo Pérez-Reverte

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Die Bildtafeln der Neun Pforten stammen von Francisco Solé.

Umschlag: zero-media.net, München

Umschlagfoto: Carmen Spitznagel/plainpicture; Laura Franco/Trevillion Images

eISBN 978-3-458-74918-9

www.insel-verlag.de

 

 

Für Cala, die mich ins Feld geschickt hat

Das Blitzlicht warf den Schatten des Toten an die Wand. Der Erhängte baumelte an der Wohnzimmerlampe, und während der Fotograf knipsend um ihn herumging, wechselte sein Schatten von den Gemälden auf die Vitrinen, die Bücherregale und schließlich auf die zurückgezogenen Vorhänge der großen Fenster. Draußen regnete es.

Der Untersuchungsrichter war jung. Sein struppiges Haar war noch naß vom Regen, ebenso der Trenchcoat, der ihm von den Schultern hing, während er dem Assistenten, der auf einem Sofa saß und seine Reiseschreibmaschine vor sich auf einem Stuhl plaziert hatte, den Untersuchungsbericht diktierte. Nur das Klappern der Tasten war im Zimmer zu hören, dazu die monotone Stimme des Richters und die leisen Kommentare der Polizisten, die auch noch im Zimmer herumliefen.

»… trägt einen Schlafanzug und darüber einen Morgenrock, mit dessen Gürtel der Tod durch Erhängen herbeigeführt wurde. Die Hände der Leiche sind vor dem Bauch mit einer Krawatte zusammengebunden. Der linke Fuß steckt noch in einem Pantoffel, der rechte ist bloß …«

Der Richter faßte den Toten am Schuh, worauf sich der Leichnam an dem straff gespannten Seidengürtel, der von seinem Hals zur Verankerung der Lampe an der Decke führte, leicht zu drehen begann, zuerst von links nach rechts, dann in der entgegengesetzten Richtung, immer langsamer werdend, bis er sich wieder in seiner ursprünglichen Position befand, wie eine Kompaßnadel, die kurz schwankt und sich dann wieder nach Norden ausrichtet. Beim Zurücktreten mußte der Richter einen Schritt zur Seite tun, um einem Polizisten auszuweichen, der unter der Leiche nach Fingerabdrücken suchte. Auf dem Boden lagen eine zerbrochene Blumenvase und ein aufgeschlagenes Buch mit roten Unterstreichungen. Bei dem Buch handelte es sich um ein altes Exemplar des Grafen von Bragelonne, eine billige, leinengebundene Ausgabe. Der Richter warf, über die Schulter des Beamten gebeugt, einen Blick auf die markierte Textstelle.

 

»Sie haben mich verkauft«, murmelte er. »Man erfährt alles!«

»Ja, am Ende erfährt man alles«, erwiderte Porthos, der rein gar nichts erfahren hatte.

 

Er veranlaßte seinen Assistenten, eine Notiz zu machen, befahl, das Buch der Bestandsaufnahme beizulegen, und ging dann zu einem großen Mann, der am Rahmen eines geöffneten Fensters lehnte und rauchte.

»Was halten Sie von der Geschichte?«

Der große Mann trug eine Lederjacke mit Polizeimarke. Bevor er antwortete, zog er ein letztes Mal an dem Zigarettenstummel, den er in den Fingern hielt, und warf ihn dann zum Fenster hinaus.

»Wenn es weiß ist und in Flaschen gefüllt werden kann, handelt es sich für gewöhnlich um Milch«, erwiderte er schließlich, aber so kryptisch seine Antwort auch war, sie entlockte dem Richter ein Lächeln. Er sah auf die Straße hinaus, wo es unablässig goß. Irgend jemand öffnete eine Tür und löste einen Windstoß aus, der Regentropfen hereinwehte.

»Schließen Sie die Tür«, befahl der Untersuchungsrichter, ohne sich umzudrehen. Dann wandte er sich wieder an den Polizisten: »Es gibt Morde, die als Selbstmorde getarnt werden.«

»Und umgekehrt«, entgegnete der andere gelassen.

»Was halten Sie von den Händen und der Krawatte?«

»Manchmal haben sie Angst, es im letzten Moment noch zu bereuen … Andernfalls wären ihm die Hände im Rücken gefesselt worden.«

»Das ändert nichts an der Sache. Der Gürtel ist dünn, aber sehr fest«, wandte der Richter ein. »Nachdem er einmal den Boden unter den Füßen verloren hatte, wäre ihm selbst mit freien Händen nicht die geringste Chance geblieben.«

»Alles ist möglich. Warten wir ab, was bei der Autopsie herauskommt.«

Der Richter warf einen Blick auf den Leichnam. Der Beamte, der nach Fingerabdrücken gesucht hatte, stand vom Boden auf, das Buch in den Händen.

»Seltsam, das mit dieser Seite … Ich lese zwar wenig«, sagte er, »aber dieser Porthos war doch einer von den … Wie hießen sie noch gleich? Athos, Porthos, Aramis und d'Artagnan«, zählte er mit dem Daumen an den Fingern einer Hand ab und verharrte dann nachdenklich. »Schon komisch. Ich habe mich immer gefragt, warum man sie die drei Musketiere nennt, wenn es in Wirklichkeit doch vier waren.«