Manfred Böckl

Der Mühlhiasl

Seine Prophezeiungen

Sein Wissen um Erdstrahlen,
Kraftplätze und Heilige Orte

Sein verborgenes Leben

Mit Zeichnungen
von Wilhelm Manfred Raumberger †

Buch & Kunstverlag Oberpfalz

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

ISBN 978-3-95587-052-2

© 1998 Buch & Kunstverlag Oberpfalz

Mühlgasse 2, 92224 Amberg

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www.buch-und-kunstverlag.de

Alle Rechte vorbehalten.

Mit Zeichnungen von Wilhelm Manfred Raumberger †, Amberg

Cover-, Vor- und Nachsatzfoto: Günter Moser

KAPITELVERZEICHNIS

Ein ganz neuer Ansatz zur Mühlhiasl-Forschung

Das historisch gesicherte Leben des Mühlhiasl

Der „falsche Mühlhiasl“ des Dr. Reinhard Haller

Wo der Mühlhiasl lebte: Führer zu den Schauplätzen

Das Waldgebirge – von jeher Heimat der Seher

Welches Geheimwissen besaß der Mühlhiasl?

Die Kraftplätze, die der Mühlhiasl nutzte

Die „magischen“ Praktiken des Mühlhiasl

War der Mühlhiasl ein „überlebender“ Druide?

Die kompletten Prophezeiungen des Mühlhiasl

Welche Vorhersagen sind bereits eingetroffen?

Szenario des „Großen Weltabräumens“

Ist das „Weltabräumen“ unausweichlich?

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Ein ganz neuer Ansatz zur Mühlhiasl-Forschung

Der berühmteste bayerische Prophet weissagte bevorzugt auf einem Berg mit dem geheimnisvollen Namen Rabenstein. Er „stand Kreuzwege“, war im Besitz eines „Erdspiegels“ und wusste um die Bedeutung der Kanzel in der uralten Windberger Klosterkirche. Sein rätselhafter Wanderstab, der bis auf den heutigen Tag erhalten blieb, zeigt die Symbole der „Dreifachen Göttin“. All dies weist darauf hin, dass der Mühlhiasl sehr bewusst aus jahrtausendealtem Wissen schöpfte – und dass diese Weisheit es war, die ihn zu seinen sowohl faszinierenden als auch erschreckenden Vorhersagen befähigte.

Der Bayerwaldprophet ist damit bedeutend mehr gewesen als lediglich ein einfacher Müller, Hirte und Kohlenbrenner, wie die bisherige Mühlhiasl-Forschung ihn darstellte. Vielmehr wird in der vorliegenden Abhandlung aufgezeigt, dass er in einer sowohl metaphysischen als auch fundiert naturwissenschaftlichen Tradition stand, die letztlich bis in die Keltenzeit zurückreicht.

Keiner der Autoren, die in den letzten Jahrzehnten über den Waldpropheten schrieben, stellte sich die Frage nach dem geheimen Wissen und den damit verbundenen speziellen hellseherischen Praktiken des Mühlhiasl. Dies ist freilich kein Wunder, denn erst heute, da man sich wieder mehr auf die Natur besinnt, kehrt allmählich die Erinnerung an diese lange verschollenen oder unterdrückten Kenntnisse früherer Eingeweihter zurück.

Erst seit kurzem beschäftigt man sich wieder mit Geomantie, Erdstrahlen, Kraftorten, Steinsetzungen, heiligen heidnischen Plätzen und deren Auswirkungen auf die zumeist verborgenen menschlichen Fähigkeiten – wie etwa die der Zukunftsschau. Nur dieser besondere Blickwinkel aber ermöglicht es, den Mühlhiasl sozusagen ganzheitlich und damit in seiner vollen Bedeutung zu erkennen. Der Seher bekommt dadurch ein zweites Gesicht, welches nicht mehr bloß das eines einfachen Müllers, Vagabunden und Tagelöhners ist, und allein auf diese Weise ist das Geheimnis seines Lebens tatsächlich zu begreifen.

Aber auch im Hinblick auf seine historisch zweifelsfrei gesicherte Existenz konnten neue Erkenntnisse gewonnen werden. So rätselte man lange ergebnislos über das Todesjahr des Mühlhiasl – aufgrund erst kürzlich publizierten Urkundenmaterials ist es nunmehr möglich, es festzuschreiben. Weiter wird die These widerlegt, wonach es in Wahrheit überhaupt keinen Waldpropheten Mühlhiasl gegeben habe.

Selbstverständlich bringt ein eigenes Kapitel die Vorhersagen des Hellsehers in ihrem vollen Umfang. Es wird ferner dargestellt, welche Prophezeiungen bereits eingetroffen sind und welche noch ausstehen. Auf dieser Basis wiederum wird sodann das Szenario eines möglichen „Großen Weltabräumens“ entwickelt, das vielleicht schon in naher Zukunft Wirklichkeit werden könnte, falls die Menschheit nicht umkehrt.

Doch zunächst ein Abriss über die geschichtlich gesicherte Identität des Matthäus Lang aus Apoig bei Hunderdorf im Vorwald, der im Volksmund Mühlhiasl genannt wurde.

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Das historisch gesicherte Leben des Mühlhiasl

Das Geburtsjahr des Propheten ist in einem Taufbuch des Prämonstratenserklosters Windberg (nordöstlich von Straubing im Vorwald gelegen) dokumentiert.

Die Eintragung erfolgte wenige Jahre nach Beendigung des Österreichischen Erbfolgekrieges (1741 bis 1748), der auch Bayern schwer in Mitleidenschaft gezogen hatte. Am 16. September 1753 wurde das fünfte Kind der Müllerseheleute Mathias und Maria Lang aus dem nahen Flecken Apoig auf den Namen Matthäus getauft. Der Windberger Pater, der die Zeremonie vornahm und von dem auch der Vermerk im Kirchenbuch stammt, hieß Johann Nepomuk Altmann.

Auf der Mühle seiner Eltern in Apoig (heute ein Ortsteil der Gemeinde Hunderdorf unweit des Klosterberges) wuchs Matthäus auf. Das Gebäude ist noch erhalten, es steht am Ende des „Mühlhiasl-Weges“ und ist an seinem ungewöhnlichen vorgezogenen Giebelanbau über der Haustür sofort zu erkennen. Bei seinem Vater und vielleicht auch bei Verwandten auf der sogenannten „Unteren Klostermühle“, die sich direkt in Windberg befindet und ebenfalls überdauert hat, erlernte Matthäus das offenbar in der Familie vererbte Handwerk.

Am 23. Dezember 1778 übernahm er die Apoiger Mühle, die auch als „Obere Klostermühle“ oder „Stoaberger Mühle“ (nach der zuständigen weltlichen Herrschaft Steinberg) bezeichnet wurde. Als Pächter war der fünfundzwanzigjährige Matthäus Lang nun den Windberger Mönchen zins- oder steuerpflichtig. Er musste Mehl für die Patres liefern, durfte nebenher aber auch auf eigene Rechnung arbeiten. Einfach war es für ihn sicher nicht, auf diese Weise seinen Lebensunterhalt zu verdienen, denn die hohen Abgaben an das Kloster belasteten den Betrieb arg. Außerdem wurde das Anwesen immer wieder von schweren Überschwemmungen heimgesucht, wie zeitgenössische Quellen melden.

Vielleicht heiratete Matthäus Lang deshalb erst relativ spät. Am 19. August 1788, in seinem 35. Lebensjahr stehend, vermählte er sich mit der Bauerstochter Barbara Lorenz aus Racklberg. In den Jahren zwischen 1789 und 1800 wurden dem Paar acht Kinder geboren, von denen freilich nicht alle überlebten. Und 1799 traf die Familie ein weiteres Unglück: Wegen der schlechten Zeit sah Matthäus Lang sich gezwungen, vom Windberger Abt ein Darlehen in Höhe von fünfundsiebzig Gulden aufzunehmen – Schulden, die ihn wenig später um seine Existenz bringen sollten.

Als er nämlich im Jahr 1801 das geliehene Geld nicht zurückerstatten konnte, sprangen die Prämonstratenser ausgesprochen hart mit ihm um. Samt seiner Familie musste er die Apoiger Mühle verlassen, wurde praktisch von Haus und Hof getrieben. Ein Streit in einer anderen Sache (der Mühlhiasl, wie er mittlerweile im Volksmund hieß, soll angeblich verdorbenes Mehl geliefert haben) war vorausgegangen. Zudem muss es schon vorher Ärger mit den Mönchen gegeben haben, denn die Überlieferung berichtet, diese hätten Matthäus Lang aus der Windberger Kirche gejagt, nachdem er – seltsam genug – die Kanzel habe besteigen wollen. (In einem der folgenden Kapitel wird dazu im Zusammenhang mit seinem Geheimwissen noch einiges zu sagen sein.)

In die Zeit seiner Vertreibung von der „Oberen Klostermühle“ fällt auch die erste gesicherte Prophezeiung des Mühlhiasl. Im Zorn über das herzlose Vorgehen der Prämonstratenser rief er ihnen sinngemäß zu: „Ich muss gehen – aber bald werdet ihr selbst aus eurem Kloster rennen müssen! Und aus den Fenstern von Windberg werden Weiber und Kinder herausschauen!“ Schon zwei Jahre später, 1803, traf diese Vorhersage ein: Im Zuge der Säkularisation, als die übermächtige katholische Kirche vom Staat teilenteignet wurde, verjagten Soldaten auch in Windberg die Mönche aus ihrer Abtei, und die Gebäude wurden dann von Bedürftigen aus der Umgebung bezogen.

Bereits 1801 jedoch war Matthäus Lang heimatlos und damit, zumindest nach außen hin, zum Vagabunden und Wanderarbeiter geworden. Entweder ganz oder vielleicht zunächst nur periodisch hatte er sich von seiner Familie getrennt und durchstreifte nun den Bayerischen- und den Böhmerwald. Zahlreiche Orte, wo er auftrat und Prophezeiungen abgab, werden in der Volksüberlieferung genannt; ein Schwerpunkt kristallisiert sich dabei im Zwieseler Winkel heraus. Vor allem im Dorf Rabenstein unterhalb des Hennenkobel, wie der Berg heute heißt, hielt er sich zweifellos sehr häufig auf; verbrachte in dieser Gegend einen großen Teil seines restlichen Lebens. Freilich war er hier nicht länger als Mühlhiasl bekannt. Vielmehr wurde er als einer, der aus der Herrschaft Steinberg im Vorwald stammte, mundartlich „Stoaberger“ gerufen. Daraus bildete sich später sein im Hinteren Wald bekannter zweiter Name Stormberger; das Dialektwort wurde in der Literatur über ihn hochdeutsch eingefärbt.

Auch die Buchinger-Leute, deren Nachfahren bis in die Gegenwart herauf in ihrem kleinen Anwesen zu Rabenstein lebten, nannten ihn so. Hier ist die Erinnerung an ihn hautnah greifbar; selbst der Platz hinter dem Ofen, wo der große Hellseher des Bayerwaldes oft kauerte, ist in jenem Haus unvergessen geblieben. Und vom Dorf Rabenstein aus ging der „Stormberger“ auch seinen hauptsächlichen Tätigkeiten ab etwa 1801 nach. Für das Kißling’sche Glashüttengut arbeitete er als Kohlenbrenner und hütete zwischendurch auf den Schachten (Hochweiden) des Hennenkobel oder des Hengstberges die Rinder der Waldbauern.

Die meisten seiner Prophezeiungen (kenntlich an den darin verwendeten typischen Bildern, die nur im Waldgebirge entstanden sein können) fallen in diese Zeit. Der Hellseher raunte sie in den Bauernstuben der Gegend; sie fielen beim Zusammentreffen mit anderen Hüttenknechten, Hirten, Fuhrleuten oder wandernden Handwerksburschen – und bei wenigstens einer Gelegenheit (auch davon später) sorgte der Mühlhiasl selbst in der Zwieseler Kirche für erregtes Aufsehen. Die Ohrenzeugen wiederum gaben seine Vorhersagen unter sich weiter und machten sie dadurch noch zu seinen Lebzeiten zum Volksgut des Bayerischen- und Böhmerwaldes – bis hin zu seiner letzten, in welcher der Mühlhiasl die genauen Umstände seines eigenen Leichenbegängnisses prophezeite.

„Als Toter komme ich euch noch einmal aus!“, sagte der bereits hinfällige Seher im Buchinger-Häusl von Rabenstein. Nachdem er verstorben war, lud man den Sarg auf ein Ochsenfuhrwerk und karrte ihn über Klautzenbach nach Zwiesel, wo Matthäus Lang seine letzte Ruhestätte finden sollte. Auf der Hammerbrücke am Stadtrand (wo bis heute die alte Hammermühle zu sehen ist) brach eine Wagenachse. Die Totenkiste des Mühlhiasl stürzte herunter und sprang auf – der Verstorbene reckte wie zum Abschied den Arm aus dem Sarg.

Beerdigt wurde der Mühlhiasl laut Überlieferung außerhalb der Mauer des alten Zwieseler Friedhofs, der nicht mehr existiert. Die Stelle, wo sich das Grab befunden haben muss, ist jedoch bekannt: der Platz im oberen Drittel des Stadtplatzes, wo heute das Kriegerdenkmal steht.