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ISBN 978-3-492-98301-3

Dezember 2016

Deutschsprachige Ausgabe:

© 2013 Piper Verlag GmbH, München

erschienen im Verlagsprogramm Malik

Diese Ausgabe:

© Piper Fahrenheit, ein Imprint der Piper Verlag GmbH, München 2016

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Covermotiv: © Michal Skowronski

Datenkonvertierung: Kösel, Krugzell

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»Weil Du am Leben bist, ist jeder Tag gut.«

Henry Old Coyote – Crow

Rauchzeichen

Nicht einmal das Wetter ist gekommen. Kein Regen, kein Windhauch, kein Sonnenstrahl.

Achthundert Euro zahlst du für die Verbrennung in Tschechien. Discountpreis für das finale Einschüren.

Sie sind mit dem Reisebus gekommen. Nebeneinander mussten sie ausharren, vier Stunden lang. Kein Wort ist zwischen ihnen gefallen. Es hätte auch keiner von beiden aufheben und verwenden können. Zu Asche soll werden, was ihnen gemeinsam war. Ihr Sohn.

Merkwürdig, dass es kein unfassbarer Moment ist. Unwirklich – ja, aber es fühlt sich an, als wäre ihnen beiden längst klar gewesen, einmal genau so dazustehen. Mit hängenden Schultern und dieser Leere hinter der Stirn.

Die Jahre haben sie vorbereitet.

Wenn das Schicksal einmal beschlossen hat, sich den Schlagring überzuziehen, prügelt es immer weiter. Und du gewöhnst dich daran, die Haut wird ledern, der Geist undurchlässig wie Felsgestein.

Ein Messerstich. Mitten ins Herz. Er hat nicht leiden müssen, hat ihnen ein triefäugiger Beamter mitgeteilt. Die Worte von sanfter Stimme ummantelt, wie die scharfe Klinge durch die Scheide. Als machte das einen Unterschied – danach.

Eine Rauferei soll es gewesen sein. Gestritten hat er immer gern – mit allen und jedem sich angelegt. Ein Rumtreiber, einer der sich nichts sagen ließ. Nicht einmal Schläge haben geholfen. Und später, als die Polizei zum ständigen Gast geworden war, hat der Vater ihn rausgeschmissen. Alles hat doch einmal ein Ende haben müssen, den Krug hatten sie viel zu lange zum Brunnen getragen.

Die Frau denkt zurück – an das Baby auf ihrem Schoß. Warm, glucksend vor Vergnügen und voller Neugier auf den Augenblick. Kurz legt sie ihre Hände auf den Bauch.

So lange her und doch schmerzlich nah.

Das grummelnde Förderband setzt den Sarg in Bewegung. Kiefer aus Rumänien. Chopins Trauermarsch beginnt, aus den Boxen zu scheppern. Es wird ihren Leibern warm.

Der Boandlkramer hat sich zuletzt des Burschen angenommen – für ihn ist ein jeder bedeutsam. Achtsamkeit ist sein Motto.

Und so sät der Sensenmann, dort, wo er gemäht hat, auch all die Gespenster und Fratzen, die verblichenen Träume und Hoffnungen, das Leiden und die Schuld.

Manchmal dauert es nur einen Augenblick, bis sie austreiben und bittere Früchte tragen – manchmal fünf lange Jahre.

Aber es passiert. Und immer gibt es jemanden, der ernten wird.