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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1.

2.

Intermezzo

3.

Intermezzo

4.

5.

6.

7.

8.

9.

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 1848

 

Zerrspiegel

 

Die Lehren des Philosophen – Milliarden Menschen folgen ihnen

 

von Susan Schwartz

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

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Während sich Perry Rhodan und Reginald Bull in der fremden Galaxis Plantagoo behaupten müssen und Alaska Saedelaere in Tolkandir grauenvolle Erkenntnisse erlangt, wird die Lage in der Menschheitsgalaxis im Frühjahr 1289 Neuer Galaktischer Zeitrechnung noch unübersichtlicher.

Nachdem die Völker der Tolkander, wie sie nach wie vor in Ermangelung eines besseren Ausdrucks genannt werden, rund 300 Planeten erobert und von der restlichen Galaxis abgeriegelt hatten, kam es auf 52 besiedelten Welten zu einem mysteriösen Massensterben. Danach zogen sich die Tolkander mit Hunderttausenden von Raumschiffen an den Rand der Galaxis zurück, wo sie im Sektor 47 Tucani eine Operationsbasis schufen.

Die großen Machtblöcke in der Galaxis belauern sich trotz der großen Gefahr weiterhin, als sei nichts geschehen. Die Versuche Atlans, die galaktischen Völker gegen die Gefahr zu einigen, blieben bisher weitgehend erfolglos – nicht zuletzt deshalb, weil es bei einer geplanten Friedenskonferenz in einem Raumschiff der Chaeroder zu einem Massaker an den Delegationen kam.

Es scheint, als hielten alle die Luft an. Auf einigen Welten bahnen sich merkwürdige Ereignisse an – ein seltsames Wesen zieht anscheinend seine Kreise und bringt die Menschen sowie andere Intelligenzen dazu, wie wild zu kritzeln.

Sie stehen im Bann des Philosophen, wie es scheint. Als sich die Mutanten Mila und Nadja Vandemar des Problems annehmen, stellen sie fest, dass noch mehr dahintersteckt – der ZERRSPIEGEL …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Caljono Yai – Die Mahnerin der Herreach erlebt ihre ersten Albträume.

Atlan – Der Arkonide steckt voller Sorge um die Galaxis.

Homer G. Adams – Der ehemalige Hanse-Chef meldet unwillkommenen Besuch.

Presto Go – Die oberste Künderin versucht ihr Volk vor neuen Gefahren zu bewahren.

Mila und Nadja Vandemar – Die Mutanten-Zwillinge schicken einen Notruf an die »Außenwelt«.

Prolog

 

Da ist viel Dunkelheit, und irgendwo glimmt ein Licht. Ein schmaler Streifen am Horizont, der sich rasch verbreitert. Aus Dunkelheit wird Licht, matt schimmernd und … farbig: rosa-orange-türkis.

Ich kann nun bereits Konturen erkennen, ja, da ist Land. Ist das meine Welt? Wie sie sich inzwischen verändert hat! Inzwischen gibt es Wasser, Regen, und ein feines Grün breitet sich überall aus. Es gibt sogar schon die erste Ernte, schnellwachsendes Gemüse und Getreide.

Sogar an das grelle Licht gewöhne ich mich langsam, mit der Brille geht es recht gut …

Es wird wieder dunkel. Irgend etwas verdunkelt die Welt, ein seltsamer Schatten. Am Himmel? Das kann doch nicht sein … der Himmel ist klar und ohne Schatten.

Nein! Das ist etwas. Etwas Riesengroßes, das sich dort von der Horizontlinie erhebt und vom Erdboden abhebt.

Das ist nicht möglich! Ich muss etwas unternehmen! Nichts, aber auch gar nichts kann sich auf dieser Welt vom Erdbeben erheben und fliegen …

Caljono Yai fand sich selbst schwer atmend aufrecht auf dem Lager sitzend. Ihr noch träger Verstand registrierte den Nachhall des gurgelnden Schreis, der aus ihrem schmalen Mundschlitz gedrungen war.

Ihre vierfingrigen Hände pressten sich an die gewölbte Stirn.

»Das kann nicht sein«, flüsterte sie in die Dunkelheit hinein. »Das ist einfach nicht wahr. Nichts kann fliegen …«

Wieder spürte sie, wie ihr Herzschlag schneller ging, als sie das Wort laut aussprach. Wie konnte ein harmloses Wort, vor allem, wenn es nicht im Sprachschatz der Herreach existierte, einen solchen Schrecken in ihr auslösen?

Die Mahnerin des Cleros hatte zum ersten Mal in ihrem Leben, vielleicht als erste Herreach überhaupt, einen Albtraum gehabt.

Am liebsten wäre sie sofort zu Vej Ikorad gegangen, um ihm von ihrem schrecklichen Erlebnis zu berichten. Sie wagte es nicht. Er würde sie nicht ernst nehmen, zu stark beeinflusst von den Terranern.

Wie war es möglich, einen Albtraum zu haben? Hatte sie sich die Erzählungen der Menschen inzwischen so sehr zu Herzen genommen?

Nein, es war etwas anderes. Immer noch verspürte sie die Schrecken der Erinnerung und wusste, dass das nicht das letzte Mal sein würde. Wie in einer Vision erkannte sie, dass eine große Veränderung auf alle Herreach zukommen würde …

1.

Die 52. Welt

 

Die Zeit verging rasend schnell. Schon war der 10. Juni 1289 NGZ angebrochen, die Mitte des Jahres war bald erreicht – und die Bedrohung wurde immer unheimlicher.

Auf Topsid, Olymp, Ferrol und weiteren Planeten, insgesamt 51 Hauptwelten der Milchstraße, hatten die Einwohner das Kritzel-Syndrom entwickelt: Sobald sie den Kreis entdeckt hatten, standen sie völlig im Bann unheimlicher Psi-Wesen.

Für die Cameloter war es ein Schock gewesen, als sie erfuhren, dass die 52. Welt sich im Solsystem befand – Terra. Obwohl eingehüllt in das Antitemporale Gezeitenfeld, war Terra der Gefahr nicht entronnen.

Mila und Nadja Vandemar hatten Atlan einen Hilferuf geschickt – auf Merkur, Venus, Trokan und Terra waren die Menschen bereits gänzlich dem Kritzel-Syndrom erlegen. Das gesamte öffentliche Leben war zusammengebrochen, das Ausmaß der Katastrophe nicht mehr überschaubar.

Der Sitz der fremden Entität wurde auf der Erde im Gebiet des Kilimandscharo ausgemacht, aber es war den beiden unsterblichen Gäa-Geborenen bisher nicht möglich gewesen, an ihn heranzukommen und ihn auszuschalten.

Atlan war den Isolierten mit der GILGAMESCH durch eine Temporalschleuse zu Hilfe geeilt, hatte jedoch nichts erreichen können: Auch die Mannschaft der GILGAMESCH verfiel nach und nach dem Kritzelwahn.

Dem Arkoniden war nichts anderes übriggeblieben, als den Haupt-Gezeitenwandler für das ATG-Feld auf Merkur zu zerstören und das Solsystem in die Realzeit zurückzuversetzen. So konnte er wenigstens die Isolation aufheben und der GILGAMESCH die Flucht ermöglichen.

Homer G. Adams zog das Modul-Schiff aus dem Solsystem zurück, um die Mannschaft dem Einfluss des Philosophen zu entziehen. Zusammen mit der GILGAMESCH flohen alle stationierten Raumschiffe, deren Besatzungen dem Wahn noch nicht vollständig erlegen waren.

Der Versuch, die unheimliche Geistesmacht zu vernichten, war kurz vor der Flucht der GILGAMESCH gescheitert – der Philosoph war dem konzentrierten Feuerbeschuss entkommen und hatte sich fünfzig Kilometer von seinem letzten Standort entfernt am Fuß des Kilimandscharo erneut niedergelassen. Sein Einfluss reichte inzwischen bereits bis zum Neptun.

Atlan und die Zwillingsschwestern blieben am 12. Juni mit einer Space-Jet und mit zehn Modula-Robotern zurück.

»Atlan, ihr müsst euch beeilen«, meldete sich Homer G. Adams von der GILGAMESCH. »Der Einfluss breitet sich in rasender Geschwindigkeit aus. Ich habe eine Nachricht aus dem Wega-System bekommen: Dort hat der Philosoph seine Kreise von Ferrol aus bereits über alle 42 Planeten ausgeweitet.«

»Das ist weiter keine Überraschung«, entgegnete der Arkonide.

Atlan wirkte äußerlich völlig gelassen, nur an dem rötlichen Flackern seiner Augen und dem Absondern des salzigen Sekrets war der Kampf der Gefühle zu erkennen, der in ihm tobte. Terra war für gut zehntausend Jahre seine Heimat gewesen, er hatte entscheidend an ihrer Entwicklung teilgehabt und mehr als einmal für sie gekämpft. Er hatte nie aufgehört, sich als Arkonide zu fühlen, aber diese Welt bedeutete ihm mehr als alles andere.

»Nein«, stimmte Adams zu. »Nach dem, was ich hier mit eigenen Augen erlebt habe, ist es wahrhaftig keine Überraschung. Dass wir Aktivatorträger als einzige immun sind, macht es nicht gerade leichter. Seht zu, dass ihr so schnell wie möglich herausfindet, wie wir diesen Horrorwesen beikommen können. Sonst sehe ich schwarz für uns alle.«

»Das sagst du so leicht«, brummte Atlan, nachdem die Verbindung beendet war.

Eine Weile starrte er auf den rasch größer werdenden, blau schimmernden und von Wolkenbändern weiß marmorierten Planeten hinab. Zum wiederholten Mal war er froh, dass Perry Rhodan, sein Freund und Weggefährte seit langer Zeit, dies nicht miterleben musste.

So viele Tote, ausgelöscht wie nichts.

Durch keine Waffe, sondern durch unglaublich starke geistige Kräfte, deren paramentale Macht bisher noch nicht ergründet werden konnte, war millionenfaches Leben erloschen.

Und dann kommen auch noch die Chaeroder und Physander mit ihren 23 Kilometer langen Gliederschiffen und behaupten in grausamer Ironie, es sei alles nur ein Irrtum gewesen. Dabei hatten sie nur Zeit gewinnen wollen, um alle Philosophen schlüpfen zu lassen, bevor wir begreifen, was das bedeutet!

Die Philosophen waren mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenso wie die Gazkar und Alazar aus der Vivoc entstanden, in diesem Fall wohl aus dem »Absolutum«, einem von den Eloundar geprägten Begriff.

Im Verlauf der Geburt, was je einmal auf 52 besiedelten Welten der Milchstraße geschehen war, hatten die Philosophen die Lebensenergie aller Intelligenzwesen in sich aufgesogen, die sich zu diesem Zeitpunkt auf ihrer jeweiligen Geburtswelt befunden hatten.

Das bedeutete den millionenfachen Tod!

Nach dem erfolgreich beendeten Aufsaugen der Lebensenergie war jeder neugeborene Philosoph, wie es schien, zu einer anderen Welt mit sehr hoher Resonanz teleportiert. Resonanz bedeutete: dicht besiedelt mit Intelligenzwesen – sozusagen eine hohe Konzentration von Intelligenz.

Die Philosophen hatten sich folglich auf den dichtest besiedelten Ballungszentren der Milchstraße niedergelassen: Ferrol, Olymp, Topsid und so weiter.

51 Welten waren rasch bekannt geworden, die 52. Welt – Terra – war erst durch den Hilferuf der Vandemar-Zwillinge entdeckt worden. Eingehüllt in ein Gezeitenfeld, versetzt in die Zukunft – und doch nicht sicher.

Auf jeder dieser 52 Welten wuchsen Philosophen heran, zogen immer größere Kreise, die immer mehr Einwohner unter ihren Einfluss brachten; zuerst nur in ihrer Nähe, dann der ganze Planet, dann die Nachbarplaneten und schließlich das gesamte System.

Wozu?

Das ist jetzt nicht wichtig, mahnte der Extrasinn. Dieses Wesen muss gestellt und ausgeschaltet werden, bevor es seinen Standort wieder wechselt!

»Aber es ist wichtig«, murmelte Atlan zu sich selbst. »Wir müssen die Ursache, nicht die Symptome ausschalten, sonst kämpfen wir gegen Windmühlen.«

Die Ursache kannst du nur dort finden, wo der Philosoph seinen Sitz hat. Nur er kann dir die Mittel in die Hand geben, ihn zu bekämpfen!

 

*

 

»Wir landen gleich«, meldete Mila von den Kontrollen. »Der Philosoph hat schon wieder eine neue Position bezogen, doch es ist nicht schwer, seinen Einflussbereich auszumachen.«

Sie deutete auf mehrere nebeneinander aufgebaute Holos.

Ein befremdender, grotesker Anblick zeigte sich den Unsterblichen aus verschiedenen von Kleinsonden übermittelten Perspektiven: In einem Umkreis von etwa zehn Kilometern bewegten sich zwischen 5000 und 10.000 Menschen um den Mittelpunkt – entweder zu Fuß oder mit allen möglichen fahrbaren Untersätzen. Wie die Motten das Licht umkreisten sie eine flimmernde Fläche von rund hundert Metern, in der sich seltsame Luftspiegelungen und -brechungen zeigten. Der Philosoph selbst war nicht sichtbar, nur ein gestaltloser Schemen, ein flimmernder Wirbel ohne scharfe Umrisse.

Um dieses Zentrum kreiste eine Spirale aus Leibern und Vehikeln, die sich in ständiger Drehung befanden. Die Betroffenen, die – durch Zufall oder was auch immer – über die Peripherie der lebenden Spirale hinausgerieten, unterlagen danach nicht mehr dem unmittelbaren Einfluss des Philosophen. Sie kamen zum Stillstand, beruhigten sich und gingen wieder ihrer »normalen« Beschäftigung – dem Kreisemalen – nach. Sie zeigten keinerlei Verlangen, wieder in den Kreis des Philosophen zurückzukehren.

Dafür nahmen andere ihre Stelle ein, die dem Rotationsdrang verfielen, sich in dem unentwirrbaren Strudel aus Menschenleibern verloren und das Zentrum wie Satelliten umschwirrten.

Die Jet setzte einen knappen Kilometer von dem Kreis des Philosophen entfernt auf. Keiner der vom Kritzelsyndrom befallenen Menschen interessierte sich für die Ankömmlinge.

Um die Jet herum herrschte lebhaftes Treiben: Menschen trafen von außerhalb ein, die dem Ruf des Philosophen gefolgt waren, andere irrten scheinbar ziellos umher. Manchmal sprachen sie miteinander, aber es war nicht sicher, ob sie einander verstanden.

Die meisten verbrachten die Zeit damit, mit Stift und Folie – so vorhanden –, aber auch Ästen, Stecken oder Stäben auf den Boden oder in Baumrinde Kreise zu malen und zu ritzen. Kreise, die ineinander übergingen, Kreise, aus denen sich Kreise herausentwickelten, einzelne Kreise in allen Größen.

Manche, die schon länger dabei waren, wirkten verstört. Speichel lief aus ihrem Mund, der Blick irrte unstet umher, unfähig, einen bestimmten Punkt zu fixieren; die Bewegungen konnten nicht mehr richtig koordiniert werden. Sie waren teilweise erschöpft vor Mangel an Nahrung, dennoch kritzelten sie unbeirrbar weiter.

»Furchtbar«, flüsterte Nadja.

»Besessenheit«, sagte Atlan. »So ähnlich war es damals in Hirdobaan in Endreddes Bezirk. Es konnte nicht abgestellt werden …«

»Wir werden es abstellen«, behauptete Mila fest. »Der Philosoph kann durch seine Paramacht Einfluss nehmen, aber diese kann ja nicht unbegrenzt sein! Wir müssen herausfinden, worauf seine Macht beruht, oder ihm die Energiequelle entziehen, die er benötigt, um pausenlos Kreise zu ziehen und seinen Bereich auszubreiten. Jeder hat eine schwache Stelle!«

»Zumindest muss es einen Grund haben, weswegen wir Aktivatorträger immun sind«, fügte Nadja hinzu. »Das ist schon die erste, entscheidende Schwäche. Die Tolkander rechnen sicherlich nicht mit einem wirksamen Widerstand, vor allem, da bisher alle unsere Bemühungen fehlgeschlagen sind.«

Der Arkonide nickte. »Wir sollten als erstes herausfinden, was diese Menschen überhaupt in den Kreis hineintreibt. Nur so können wir einen Anhaltspunkt finden. Und vielleicht eine Antwort darauf, was die Philosophen als nächstes tun werden.«

2.

Anita und George

 

Mila wies die Medoroboter unter den Modulas an, sich um die geschwächten Menschen zu kümmern und auch die übrigen so gut wie möglich mit den mitgebrachten Nahrungsmitteln zu versorgen, unterstützt von den beiden Allround-Robotern.

Die übrigen Modula-Roboter sollten die Gegend sichern und den Kreis des Philosophen mit den Ortern erforschen.

Die beiden Schwestern und Atlan näherten sich vorsichtig der kreisenden Spirale; auch hier, so nahe am Einflussbereich des Philosophen, blieben sie völlig immun, ja taub gegenüber den Einflüsterungen, die die anderen Menschen hier wohl empfingen.

Den restlichen Tag bewegten sie sich an der Peripherie der wimmelnden Menschenspirale entlang, ohne beachtet zu werden. Die Gesichter aller Beeinflussten zeigten geistige Abwesenheit, sie schienen pausenlos nach innen zu lauschen. Sie waren der Realität völlig entrückt, befanden sich hoffentlich in einer schönen Traumwelt. Zumindest wirkten sie so.

Es war unmöglich, sie abzulenken, anzusprechen oder bewusst aus der »Umlaufbahn« herauszuholen.

Zwei Tage vergingen sehr schnell, ohne dass sie etwas erreichen konnten – allerdings erfolgte auch kein Angriff gegen sie, weder von den menschlichen »Satelliten« noch von Seiten des Philosophen. Möglicherweise war er gegen ihre Anwesenheit ebenso taub wie sie gegen ihn, und nur direkte Angriffe mit Waffengewalt konnten ihn dazu veranlassen, die Stellung zu ändern.