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Für
Grappa, Pitú und Whisky
Eure Pfotenabdrücke in meinem Herzen
sind mein kostbarer Schatz.

Autorin und Verlag haben den Inhalt dieses Buches mit großer Sorgfalt und nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt. Für eventuelle Schäden an Mensch und Tier, die als Folge von Handlungen und/oder gefassten Beschlüssen aufgrund der gegebenen Informationen entstehen, kann dennoch keine Haftung übernommen werden.

Impressum

Copyright © 2014 by Cadmos Verlag, Schwarzenbek
Gestaltung und Satz: r2 | Ravenstein, Verden
Lektorat der Originalausgabe: Maren Müller

Coverfoto und Fotos im Innenteil: Dr. Richard Maurer
Fotos im Innenteil: Neddens Tierfoto, sofern nicht anders angegeben
Konvertierung: S4Carlisle Publishing Services

Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in
der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur
nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.

eISBN: 978-3-8404-6177-4

INHALT

Vorwort von Dr. Ute Blaschke-Berthold

Einleitung

Schnelleinstieg

   Perfekt am Anfang: Rückwärtseinparken

   Vielseitig verwendbar: Targets, Targets, Targets

       Targetstab

       Bodentarget

   Fördert die Kreativität: das Kistenspiel

Positive Verstärkung von A bis Z

   Abbruchsignal

   Ablenkung

   Aggression

   Alltag

   Alternativverhalten

   Angst

   Aufmerksamkeit

   Backchaining

   Bedürfnis

   Belohnung

   Beschwichtigungssignal

   Clicker

   Clickertraining

   Crossover-Hund

   Emotion

   Entspannung

   Erfahrung

   Erfolg

   Erlernte Hilflosigkeit

   Erwartung

   Frustration

   Gegenkonditionierung

   Generalisieren

   Gewohnheit

   Impulskontrolle

   Jackpot

   Keep-going-Signal

   Kommunikation

   Konditionierung

       Klassische Konditionierung

       Operante Konditionierung

   Kooperation

   Lernen

   Löschung

   Modeling

   Motivation

   Premack-Prinzip

   Reaktion

   Reiz

       Unkonditionierter Reiz

       Konditionierter Reiz

       Neutraler Reiz

       Aversiver Reiz

   Ressource

   Shaping

   Signal

   Signalkontrolle

   Strafe

   Stress

   Target

   Targettraining

   Training

   Umorientierung

   Vergessen

   Verhalten

   Verhaltenskette

   Verknüpfung

   Verstärker

       Primärer Verstärker

       Konditionierter Verstärker

       Generalisierter Verstärker

       Funktionaler Verstärker

   Verstärkung

       Positive und negative Verstärkung

       Stetige und variable Verstärkung

   Vertrauen

   Zeigen und Benennen

Fallbeispiele

   Wer trainiert wen? (Martin Pietralla)

   Max kann viel mehr als nur nett gucken (Manuela Zaitz)

   Leni sitzt nicht nur bei Sonnenschein (Claudia Matten)

   Rakete im Rückwärtsgang – wie Asta einen Trick erfand (Christina Sondermann)

   Warum Mei-li alles zweimal lernen musste (Dr. Jenny Fischer)

   Eine Elfe mit Impulskontrolle (Britta Kalff)

   Dixie läuft nicht ziellos rückwärts (Katharina Henf)

   Brix und sein ganz spezielles Rückrufsignal (Celina del Amo)

   Enya im Agilityparcours (Madeleine und Rolf C. Franck)

   Emily und das Dummytraining (Pia Gröning)

   Bummi präsentiert sich (Judith Böhnke)

   Woody und Shiva bei der Physiotherapie (Sandra Wuttig)

   Und Festus kommt doch (Martin Pietralla)

   Mimi und Charlene – Begegnungen auf der Türschwelle (Dr. Ute Blaschke-Berthold)

   Spencer und Basco – auch Freundschaft kann gelernt sein (Madeleine und Rolf C. Franck)

   Lia läuft an lockerer Leine (Maria Rehberger)

   Gandhi und die Autos (Martina Schoppe)

   Bob, der Exfahrradjäger (Maria Rehberger)

   Zion, der Riesenflummi (Ilka Schumacher)

   Zähne fletschen kann schließlich jeder (Dr. Sybille Ehlers)

   Debbies letzte Chance (Karin Freiling)

   Shadows Begegnungen der dritten Art (Sandra Wuttig)

   Happy erobert ihre Welt (Karin Freiling)

   Ein Tierheim kommt zur Ruhe (Renate Scherzer und Christina Sondermann)

Zum Schluss

   Über alle, die an diesem Handbuch geschrieben haben

   Tipps zum Weiterlesen

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VORWORT

von Dr. Ute Blaschke-Berthold

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„Clickertraining baut auf!“: Ute Blaschke-Berthold mit ihrer Hütehundmixhündin Kimi. (Foto: Dieter Degen)

Clickertraining haftete lange Zeit der Ruf an, exotisch, untauglich für alltägliche Probleme und „antiautoritär“ zu sein. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Dennoch wird das Potenzial des Clickertrainings immer noch bei Weitem unterschätzt. Schuld daran ist oft ein eher eingeschränktes Wissen über das umfassende Handwerk des Clickertrainings. Clickertraining ist viel mehr als „Training mit einem Clicker“. Dieses Buch stellt Ihnen, lieber Leser, Wissen über das Handwerk des Clickertrainings zur Verfügung. Zusätzlich machen Fallbeispiele verschiedener Autoren Mut zum kreativen Umgang mit diesem Handwerk. Clickertraining ist nicht „verkopft“, sondern extrem handlungs- und zielorientiert!

Clickertraining ist konstruktiv! Mit Clickertraining nimmt man seinen Hund so an, wie er ist, und entwickelt auf dieser Grundlage Verhalten, das man haben möchte. Clickertraining funktioniert nur mit der Persönlichkeit des Hundes, nicht gegen sie. Mit Clickertraining sind geradezu unglaubliche Veränderungen, auch und gerade bei sogenannten problematischen Hunden, vielfach erlebt, beschrieben und dokumentiert worden. Überprüfen Sie sich selbst. Trainieren Sie „auch mit einem Clicker“ oder haben Sie bereits mit Clickertraining begonnen? Clickertraining hebt das Lernen durch Versuch und Irrtum auf ein ganz eigenes und besonderes Niveau. Auf diesem Niveau ist alles möglich. Vom irrtumsfreien Lernen ohne Frustration bis hin zum Gehirnjogging – für jeden Hund in jeder Situation gibt es eine passende Strategie im Clickertraining.

Clickertraining baut auf! Zuerst einmal, selbstverständlich, erwünschtes Verhalten; während des Lernprozesses aber auch eine vertrauensvolle und natürliche Hund-Mensch-Beziehung. Nebenbei werden Fähigkeiten des Menschen gefördert: Clickertraining erzieht zu extrem gutem Hinschauen und Beobachten von Verhalten. Dies ist eine Schlüsselqualifikation für jeden Hundehalter, der Probleme rechtzeitig erkennen, seinen Hund besser kennenlernen oder sich mit Ethologie befassen möchte.

Möchten Sie den Weg des Clickertrainings gemeinsam mit Ihrem Hund (und allen anderen Tieren) beschreiten? Dann freuen Sie sich auf eine ereignisreiche und befriedigende Reise, in deren Verlauf Bestrafung unerwünschten Verhaltens immer seltener nötig erscheint. Unerwünschtes Verhalten wird durch erwünschtes Verhalten ersetzt. Strafe wird aber auch deshalb seltener gebraucht, weil Sie als menschlicher Partner besser beobachten, mehr wissen und Ihren Hund so erfolgreicher durch schwierige Situationen führen können. Das ist die wahre Macht des Wissens – es verändert Leben!

Das vorliegende Buch wird Ihnen auf dieser Reise ein guter Begleiter sein. Es lässt sich häppchenweise schmökern, dient als Nachschlagewerk und ist eine Quelle der Inspiration. Ich wünsche ganz vielen Menschen und ihren Hunden, dass ihnen dieses Buch ein guter Reiseführer sein kann, der Lust auf mehr Clickertraining macht.

Dr. Ute Blaschke-Berthold, Januar 2014

EINLEITUNG

„Mein Ziel ist ein harmonisches Zusammenleben mit Hunden“: Inka Burow mit ihrem Border Collie Skipper.

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Mir geht es ums Prinzip – nicht um mehr, aber auch nicht um weniger. Ich möchte in diesem Buch erklären, wie positive Verstärkung funktioniert. Ich wünsche mir, dass es bei denen „Click!“ macht, die das Prinzip bisher nicht kennen oder noch nicht verstanden haben; und ich bin ziemlich sicher, dass auch diejenigen, die ihre Hunde bereits mithilfe des Clickers trainieren, einige Aha-Effekte beim Lesen erleben können. Ich gestehe, dass ich selbst mehrere Schlüsselerlebnisse gebraucht habe, bis ich vollends vom Clickertraining überzeugt war. Heute bin ich es – restlos. Auf einen Clicker als universelles Hilfsmittel zur Kommunikation mit Hunden will ich nicht mehr verzichten.

Dies ist kein Buch darüber, wie Hunde lernen. Kein Hund lernt alles durch positive Verstärkung. Das ist schlicht unmöglich. Aber ich kann einem Hund alles mit ein paar Clicks beibringen. Darum geht es in diesem Buch. Ein recht dickes Handbuch, das die komplette Theorie der positiven Verstärkung in alphabetisch sortierten Stichworten erklärt, ist es geworden. Denn es ist viel passiert seit Karen Pryors kleinem Taschenbuch „Don’t shoot the dog!“ aus dem Jahr 1985, das erst über zehn Jahre später ins Deutsche übersetzt wurde und 1999 unter dem Titel „Positiv bestärken – sanft erziehen“ erschienen ist.

Karen Pryor hat bereits wunderbar beschrieben, warum der „Nimm das!“-Stil so oft nicht zum gewünschten Ziel führt. Statt einen Hund, ein anderes Tier oder auch einen Menschen mit Strafen zu einer Verhaltensänderung bringen zu wollen, hat sie mit ihrem Plädoyer für eine „Neue Art des Trainings“ – das Clickertraining – wahre Pionierarbeit geleistet. Seitdem hat sich einiges in unserem Umgang mit Hunden verändert. Aktuelle Forschungsergebnisse tragen ein Übriges dazu bei. Trotzdem geht da noch was. Deshalb hat zum Beispiel Emily Larlham im Jahr 2012 ein Manifest verfasst. Sie wirbt darin für einen neuen Begriff, für das „Progressive Reinforcement Training“ (Progressives Verstärkungstraining). Ihr Wunsch ist es, das oft missbräuchlich verwendete Wort „Clickertraining“ durch einen akkurateren, ja mehr inspirierenden Begriff zu ersetzen. Bei aller Begeisterung für die Arbeit von Emily Larlham mag ich ihr nicht zustimmen. Denn auch jeder neue Begriff könnte missbraucht werden. Es geht doch wirklich nur um das Prinzip, das hinter dem Training steckt.

Gerade weil die Begrifflichkeiten mitunter nicht klar erscheinen, ist dieses Handbuch bewusst als Enzyklopädie angelegt – als Lexikon des Clickertrainings. Sie können es an jeder Stelle aufschlagen und mit dem Lesen beginnen. Querverweise (kursiv gedruckt) stellen immer wieder die Zusammenhänge her. Dieses Buch ist vollgestopft mit Theorie, und ich bemühe mich, die neuesten und verlässlichsten wissenschaftlichen Befunde zu berücksichtigen. Gänzlich verzichte ich auf Anleitungen nach dem Muster „So lernt jeder Hund ...“, denn jeder Hund ist einzigartig – und deshalb gibt es viele Wege zum guten Begleithund, zum erfolgreichen Sporthund, zum zuverlässigen Gebrauchshund. Es ist Ihre Aufgabe, den besten Weg für Ihren Hund zu finden. Mein Rat dazu lautet: Lassen Sie Ihren Hund den Weg selbst gehen und zwischendurch am Wegrand schnüffeln, markieren Sie einfach nur die Schritte in die richtige Richtung. Wohin das führt? Mein Ziel ist ein harmonisches Zusammenleben mit Hunden, die wirklich die besten Freunde des Menschen sind.

SCHNELLEINSTIEG

Gleich kommt eine Belohnung: Ann Kathrin „verclickert“ Chewbacca, dass der Click eine Bedeutung hat.

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Haben Sie direkt bis auf diese Seite geblättert oder das Vorwort gelesen und die Einleitung überflogen? Egal. Hier sind Sie richtig, wenn Sie es kaum abwarten können, selbst den ersten Click zu machen. Heutzutage wird für technische Geräte zusätzlich zu dem meist ansehnlich dicken Handbuch, das die Bedienungsanleitung in verschiedenen Sprachen enthält, oft eine Kurzanleitung mitgeliefert, mit der sich das neue Gerät zumindest in Gang bringen lässt. Etwas Ähnliches bezwecke ich mit diesem Kapitel. Ich möchte an dieser Stelle kurz und knapp das Allernötigste erklären, damit Sie schnell ins Clickertraining mit Ihrem Hund einsteigen können.

Hintergrundwissen und Techniken wie Keep-going-Signale, Premack-Prinzip und die Lerntheorie heben wir uns für später auf. Als Allererstes muss Ihr Hund lernen, dass der Click, der ertönt, wenn Sie auf den Clicker drücken, mehr ist als ein beliebiges Knackgeräusch. Für das Einclickern benötigen Sie: einen Clicker, Ihren Hund, der möglichst nicht gerade gefressen haben sollte, und eine ordentliche Portion seiner bevorzugten Leckerli. Halten Sie nun den Clicker in der einen und einige Belohnungshappen in der anderen Hand. Schaut Ihr Hund erwartungsvoll auf die Hand, in der sich die Leckerli befinden? Gut, denn die soll er haben wollen.

Machen Sie nun kein großes Aufheben von der neuen Sache. Drücken Sie auf den Clicker. Danach geben Sie Ihrem Hund ein Futterstück. Dann clicken Sie wieder und geben Ihrem Hund gleich das nächste Leckerli. Wiederholen Sie die Prozedur 10- bis 15-mal. Guckt Ihr Hund jetzt interessiert auf die Hand, aus der das Geräusch kommt? Sehr gut, dann ist er jetzt eingeclickert. Das heißt, dass das bis eben noch bedeutungslose Knackgeräusch eine Bedeutung bekommen hat: Der Click kündigt an, dass gleich eine Belohnung kommt.

Ich gestehe, dass es zu einer Überschattung der gewollten Verknüpfung führt, wenn Ihr Hund Ihre Vorbereitungen – das Bereitstellen der Kekse – mitbekommt. Der Konditionierungsprozess lebt von der Überraschung. Die ersten Clicks sind deshalb die wichtigsten, denn sie sind die effektivsten. Starrt Ihr Hund trotzdem nach dem 15. Click immer noch auf die Hand, in der die Leckerli sind? Macht nichts. Zögern Sie, statt den Clicker zum 16. Mal zu betätigen. Was macht Ihr Hund jetzt? Wendet er sich nun der anderen Hand zu? Schaut er Sie an, als wolle er sagen: „Los, mach weiter!“? Kratzt er mit seiner Pfote an der Hand, um an die jäh versiegte Futterquelle zu kommen? Bellt er vielleicht? Setzt oder legt er sich hin? Es ist gerade völlig egal, was Ihr Hund tut. Beim Einclickern ist jedes Verhalten, das er anbietet, gut. Clicken Sie, sobald er irgendetwas tut! Und geben Sie Ihrem Hund gleich danach ein Leckerli. Er hat es sich verdient.

Perfekt am Anfang: Rückwärtseinparken

Sobald Ihr Hund gelernt hat, dass das Geräusch aus dem Clicker eine Belohnung ankündigt, können Sie loslegen. Aber fangen Sie bitte mit etwas möglichst Unnützem an, am besten mit einem Trick wie dem Rückwärtseinparken. Denn falls dabei etwas schiefgeht, ist es nicht schlimm. Durch die Prüfung für den Hundeführerschein kommen Sie auch mit einem Hund, der nicht einparken kann. Auch mein Border-Collie-Rüde Skipper sollte – nach dem Einclickern – bei mir als Erstes den Trick lernen, bei dem er sich umdrehen und mit seinem Hinterteil so vor mir ausrichten soll, dass er danach rückwärts durch meine leicht gespreizten Beine laufen kann. Skipper beherrschte, als er mit seinen fast sieben Jahren bei mir einzog, zwar bereits ein ansehnliches Trickrepertoire – aber nur, wenn er ein Leckerli vor der Nase hatte. Doch ohne Keks kein Trick. Nun sollte er eine aktive Rolle in seiner Ausbildung übernehmen. Er sollte sich also quasi selbst beibringen, sich um 180 Grad zu drehen, wenn er mir gegenübersteht, und danach rückwärtszugehen – mit dem Hintern voran durch meine Beine.

Das liest sich komplizierter, als es ist. Denn zuerst einmal wird jedes neue Verhalten buchstäblich Schritt für Schritt trainiert (siehe: Shaping). Dabei markiere ich jeden richtigen Schritt mit Click und Belohnung, damit der Hund einen Erfolg nach dem nächsten hat. Will ich nicht nur ein einfaches Verhalten wie das Berühren eines Targets, sondern wie beim Rückwärtseinparken eine ganze Verhaltenskette aufbauen, wende ich einen einfachen Trick an: Ich beginne von hinten. Dieses Vorgehen heißt Backchaining.

Also wollte ich mich – wie bei Dutzenden Hunden zuvor – über den Kopf meines neuesten Rudelmitglieds stellen, damit ich das Wegziehen des Kopfes nach hinten (letzter Schritt in der Verhaltenskette „Rückwärtseinparken“) anclicken konnte. Das klappt eigentlich immer sofort, denn kaum ein Hund hält seinen Kopf zwischen den Beinen eines Menschen still, sondern die meisten Hunde ziehen ihn schnell nach hinten raus – ganz besonders dann, wenn der Mensch nicht gespannt in die Hundeaugen zwischen seinen Beinen schaut, sondern nach oben guckt und dabei seine Arme hinter dem Rücken verschränkt. Bei Skipper war dieser erste Schritt gar nicht einfach. Ihm fehlte die nötige Portion Vertrauen, um es zuzulassen, dass ich über seinen Kopf steige. Und er mochte sich auch nicht mit einem Futterstück zwischen meine Beine locken lassen.

Meine lang erprobte Anleitung fürs Rückwärtseinparken funktionierte also nicht bei meinem eigenen Hund. Ich musste sie ein wenig modifizieren. Der erste Schritt zum neuen Trick wurde für Skipper, ruhig liegen oder sitzen zu bleiben, wenn ich bei dem Versuch, um ihn herumzugehen, aus seinem Blickfeld verschwand. Das hat er schnell mithilfe des Clickers gelernt. Schließlich konnte ich hinter ihm stehen und sogar auf- und abhüpfen. Als Nächstes konnte ich mich über seine Rute stellen, danach über den Rücken. Skipper musste bei alldem nur ruhig liegen bleiben – eine Übung, die ich niemals für Clickeranfänger empfehle, denn das Verstärken (siehe: Verstärkung) von Passivität fördert nicht gerade die aktive Mitarbeit und die Kreativität des Hundes. Deshalb habe ich parallel im Training mit Skipper auch immer andere Dinge, vor allem einfache Targetübungen (siehe: Targettraining) trainiert.

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Mit dem Hintern voran durch die Beine: Kira parkt rückwärts bei Karin ein.

Als ich es schließlich geschafft hatte, mich über Skippers Kopf zu stellen, den er dann gern mit großem Schwung nach hinten herauszog, waren wir schon ein eingespieltes Team. Mit dem Rückwärtseinparken ging es von da ab wie geschmiert, kleine Rückschritte zwischendurch natürlich inbegriffen. Das Rückwärtseinparken gehört heute zu Skippers Lieblingstricks, er zeigt ihn zuverlässig überall (siehe: Generalisieren). Und unter Signalkontrolle ist der Bewegungsablauf auch. Skippers Signal fürs Rückwärtseinparken lautet: „Gennem!“, das ist das dänische Wort für „durch“. Bei vielen heißt die Übung „Home!“ oder einfach „Parken!“.

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Kniffelig wird es, wenn der Hund lernen soll, sein Hinterteil zum Rückwärtseinparken auszurichten: Karin ist dazu auf einem gedachten Halbkreis schrittweise weitergerückt. Hier muss sich Kira um 90 Grad drehen.

Hier sind die einzelnen Schritte des komplexen, aber nicht komplizierten Bewegungsablaufs des Rückwärtseinparkens:

1. Stellen Sie sich über den Kopf Ihres Hundes. Der Hund soll möglichst stehen oder sitzen; er sollte aber nicht mit „Bleib!“ abgesetzt oder abgelegt werden, denn er soll sich ja bewegen – und seinen Kopf nach hinten wegziehen. Click! Sobald das sicher klappt, der Hund also nicht mehr zwischendurch nach vorn rausläuft oder zwischen Ihren Beinen verharrt, können Sie mit dem nächsten Schritt weitermachen.

2. Rücken Sie nach und nach über die Schultern entlang der Rückenlinie Ihres Hundes nach hinten – so lange, bis Sie ganz hinter ihm stehen können und er nun komplett rückwärts unter Ihnen durchschlüpft. Passen Sie auf, dass Ihr Hund dabei nicht anfängt, Sie zu trainieren. So mancher Hund hat einen Riesenspaß daran, seinen Menschen mit Frühstarts dazu zu bringen, auf einem Bein herumzuhüpfen.

3. Jetzt kommt der etwas kniffelige Teil, denn Ihr Hund soll nun lernen, dass er sein Hinterteil ausrichten soll, bevor er rückwärts durch Ihre Beine läuft. Es ist wichtig, dass Sie auch dabei schrittweise – auf einem gedachten Halbkreis – vorgehen, damit die Übung weiterhin langsam schwieriger wird. Merken Sie sich als Faustregel: Immer wenn es zweimal hintereinander nicht geklappt hat, sollten Sie es Ihrem Hund wieder so viel einfacher machen, dass ihm die Übung garantiert gelingt (siehe: Frustration). Denken Sie dabei an ein Computerspiel, in dem Sie drei Leben haben. Sie wollen doch das nächste Level erreichen.

4. Es ist unwahrscheinlich, dass Sie Ihrem Hund das Parken in nur einer Trainingseinheit beibringen. Vergessen Sie also nicht, in welche Richtung er sich drehen soll. Er soll sich nämlich jedes Mal in dieselbe Richtung drehen. Und noch ein Tipp: Stellen Sie sich nicht zu breitbeinig hin. Je genauer Ihr Hund zielen muss, desto besser merkt er, worauf es bei diesem Trick ankommt. Am Ende können Sie vor Ihrem Hund stehen bleiben, er wird sich um 180 Grad drehen und rückwärts einparken. Geschafft! Herzlichen Glückwunsch.

Vielseitig verwendbar: Targets, Targets, Targets

Target ist das englische Wort für „Ziel“. Im Hundetraining werden viele verschiedene Targets als Hilfen genutzt: im Alltag, im Hundesport, in der Verhaltenstherapie. An dieser Stelle will ich exemplarisch für zwei unterschiedliche Targets den Aufbau der Übung erklären. Wie diese und andere Targets eingesetzt werden können, steht weiter hinten in diesem Buch. Das Targettraining ist generell sehr gut geeignet, um als Mensch den Umgang mit dem Clicker zu üben. Hunde verinnerlichen bei den einfachen Zielübungen prima die Bedeutung des Clickers in Verbindung mit ihrer eigenen Aktivität (siehe: positive Verstärkung).

Targetstab

Das Berühren eines Targetstabs mit der Nasenspitze ist ebenso wie das Rückwärtseinparken, das ich im vorigen Abschnitt beschrieben habe, eine sehr gute Einstiegsübung ins Clickertraining, denn der Hund tut aktiv etwas. Was er mit dem Targetstab tun soll, findet der Hund schnell heraus, denn wenn man ihm einen Stab mit einer Kugel an der Spitze hinhält, wird er zumindest einen neugierigen Blick riskieren. Halten Sie die Spitze des Targetstabs etwa auf Nasenhöhe Ihres Hundes mit einem Abstand von circa 30 bis 50 Zentimetern in sein Blickfeld. Das Anschauen ist der erste Schritt des gewünschten Verhaltens: Click und Futter (siehe: Belohnung). Als Nächstes soll der Hund auf das für ihn noch unbekannte Objekt zugehen. Das ist der nächste richtige Schritt, markieren Sie ihn mit Click und Futter. Es folgt das Berühren. Anfangs ist es egal, wo der Hund den Targetstab anstupst. Er muss mit seiner Nase also nicht gleich die Kugel an der Spitze treffen. Den ersten Kontakt mit dem Stab wagen einige Hunde auch mit der Pfote. Auch das sollten Sie belohnen. Halten Sie anschließend den Targetstab einfach etwas höher, dann nimmt der Hund wahrscheinlicher seine Nase. Formen Sie das Verhalten so lange weiter (siehe: Shaping), bis Ihr Hund jedes Mal, wenn Sie ihm den Stab präsentieren, mit seiner Nase die Targetspitze berührt. Voilà! Es ist vollbracht. Halten Sie im weiteren Training den Targetstab mal höher, mal niedriger, um das frisch Erlernte zu generalisieren. Ein Signal können Sie später einführen, müssen Sie aber nicht, denn das Target selbst signalisiert dem Hund ja bereits, was er tun soll. Der Übungsaufbau beim Handtarget ist übrigens ganz ähnlich. Es fehlt allerdings der Stab. Das Ziel für die Hundenase ist stattdessen die Handinnenfläche oder besser noch sind es die Fingerkuppen des Zeige- und Mittelfingers. Sie können das kurze Anstupsen bis zu einem Klebenbleiben weiter formen. Diese Übung heißt deshalb auch „Pattex-Nase“.

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Equipment fürs Targettraining: Targetstab, Clicker und eine Handvoll Leckerli.

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Mit der Nase an die Kugel: Skipper berührt die Spitze des Targetstabs.

Bodentarget

Ein Bodentarget ist ein Ziel auf dem Boden. Das kann eine Decke, aber auch ein Bierdeckel sein. Der Aufbau erfolgt genauso schrittweise wie beim Berühren des Targetstabs: anschauen, also wahrnehmen, dass da etwas liegt, bewegen in Richtung Bodentarget, berühren des Bodentargets. Sie können dieses Mal wählen, ob Ihr Hund das Bodentarget mit der Nase berühren soll, sich mit den Vorderpfoten darauf stellen oder ob er sich ganz darauf begeben soll und sich dann vielleicht auch noch hinlegen. Als eine Art mobiles Bodentarget können Sie sehr gut eine normale Plastikfliegenklatsche verwenden.

Fördert die Kreativität: das Kistenspiel

Damit Ihr Hund schnell zum Clickerprofi wird, können Sie seine Kreativität beim sogenannten Kistenspiel fördern. Stellen Sie Ihrem Hund einfach einen Pappkarton hin und warten Sie ab, was passiert. Mindestens zwei Dutzend Dinge könnten Ihrem Hund einfallen: Vom Anstupsen mit der Nase oder mit der Pfote über Draufklettern, Reinspringen, Drumherumlaufen, Tragen bis zum Zerstören ist alles erlaubt. Bei diesem Spiel darf er entscheiden, was er tun möchte. Sie markieren dabei einfach alles. Variieren Sie das Spiel, indem Sie Ihrem Hund verschieden große Pappkartons anbieten. Es muss natürlich auch kein Pappkarton sein. Stellen Sie Ihrem Hund einen Stuhl hin oder gar nichts. Es geht allein darum, den Hund seine Kreativität entdecken und entwickeln zu lassen.

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Mindestens zwei Dutzend Dinge kann ein Hund mit einem Pappkarton anstellen: Border Collie Jona hat sich in die Kiste gesetzt. (Foto: Kirstin Piert)

POSITIVE VERSTÄRKUNG VON A BIS Z

Klötzchen für Klötzchen: Michaela markiert jeden kleinen Teilerfolg – und so kommt Kitty schnell voran.

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Als ich mir überlegt habe, wie ich mein Buch übers Clickertraining am besten strukturiere, hatte ich recht schnell die Idee, dass es zumindest einen lexikalischen Teil darin geben sollte. In Diskussionen übers Hundetraining habe ich oft den Eindruck gewonnen, dass viele Missverständnisse allein deshalb entstehen, weil es bei den Begrifflichkeiten mitunter munter durcheinandergeht. Deshalb habe ich dieses Nachschlagewerk geschrieben – als ein echtes Handbuch nämlich, von dem ich mir wünsche, dass Sie es immer wieder in die Hand nehmen, um etwas darin nachzuschlagen. In den nachfolgenden mehr als 50 Stichworten wird das Universalprinzip der positiven Verstärkung von A wie „Abbruchsignal“ bis Z wie „Zeigen und Benennen“ umfassend und leicht verständlich erklärt. Denn mich treibt die Überzeugung an, dass das Wissen um theoretische Hintergründe und aktuelle Forschungsergebnisse die beste Hilfe für das praktische Hundetraining bietet.

Abbruchsignal

In der innerartlichen Kommunikation wird – jedenfalls bei allen höher entwickelten Tieren inklusive Menschen – eine ganze Reihe unterschiedlicher Abbruchsignale verwendet, um das Verhalten von anderen zu beeinflussen. Dabei geht es oft darum, eine Eskalation zu vermeiden. Folglich spricht erst einmal nichts dagegen, wenn wir in der Kommunikation mit Hunden ebenfalls Abbruchsignale verwenden. Hat ein Hund gelernt, auf einen bestimmten Reiz mit dem sofortigen Abbruch des in diesem Moment gezeigten Verhaltens zu reagieren, so ist dieser Reiz ein Abbruchsignal. Ich schreibe bewusst „gelernt“, denn gemeint ist hier ein Signal im Sinne eines im Training aufgebauten Zeichens, etwa eines Signalworts oder Handzeichens, mit dem der Hund eine Handlung verknüpft hat.

Oft wird einfach nur reflexhaft „Nein, lass das!“ gerufen, wenn der Hund beginnt zu bellen oder Essen klaut, und häufig führt das sogar kurzfristig zum gewünschten Effekt, nämlich dazu, dass der Hund vom Essen ablässt. Das liegt aber nicht daran, dass „Nein!“ ein Abbruchsignal ist, dessen Bedeutung der Hund versteht, sondern daran, dass das reflexartige Rufen eine Ablenkung für den Hund gewesen ist: ein Schreckreiz. Und daraus folgt, dass ich spontanes „Nein!“-Rufen nicht beliebig oft einsetzen kann, denn mit der Zeit gewöhnt sich der Hund daran und wird sich davon dann nicht mehr von seinem eigentlichen Tun ablenken lassen.

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„Nein, lass das!“ Wenn ein Hund wie hier die junge Papillonhündin Erna Essen vom Tisch klaut, kommt ein solcher Ausruf meist reflexartig. (Foto: Bianka Wehrhahn)

Leider tritt der anfängliche Effekt – der Hund bricht das unerwünschte Verhalten ab – meistens wieder ein, wenn ich die Ablenkung verstärke, das heißt lauter „Nein!“ schreie. Das klappt aber wieder nur so lange, bis der Hund sich an die neue Lautstärke des Gebrülls gewöhnt hat. Es wäre demnach wesentlich sinnvoller, einige Trainingseinheiten darauf zu verwenden, das Wortsignal „Nein!“ als echtes Abbruchsignal zu etablieren. Das Problem dabei ist, dass ich das mit positiver Verstärkung kaum hinkriege, denn die Aktion „aufhören, etwas zu tun“ ist wirklich schwer abzugrenzen von anderem Verhalten. Irgendwas tut ein Hund schließlich immer.

Richtig viel gewinne ich ohnehin nicht, wenn ich einige Trainingszeit mit meinem Hund auf das Wort „Nein!“ als Abbruchsignal verwende, denn für den Hund bleibt trotzdem unklar, was er als Nächstes tun soll. Woher soll er wissen, dass er jetzt gerade nicht das Essen vom Teller klauen soll, aber sich stattdessen auch nicht aus dem Obstkorb bedienen darf und sich auch nicht bettelnd neben mich setzen soll. In den seltensten Fällen genügt es, einem Hund mitzuteilen, dass er ein (unerwünschtes) Verhalten beenden soll, weil er mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit als Nächstes wieder etwas tun wird, das mir nicht gefällt. Statt einem Hund zu sagen, dass er etwas nicht tun soll, sage ich ihm doch lieber gleich, was er tun soll. Das ist die Grundidee des Clickertrainings.

Ich verwende kein Abbruchsignal, sondern lieber ein Umorientierungssignal (siehe: Umorientierung): Mein Hund lernt ein Signal, das er verknüpft mit „Egal, was ich gerade tue, jetzt schaue ich erst mal zu Frauchen/Herrchen!“ und nicht mit „Egal, was ich gerade tue, ich unterbreche es, aber wofür eigentlich?“. Wenn ich meinem Hund ein Umorientierungssignal gebe, sollte ich ihm fairerweise danach ein Alternativverhalten vorschlagen. Das hat den großen Vorteil, dass der Hund als Nächstes ein von mir erwünschtes Verhalten zeigt. Natürlich kann ich meinem Hund auch gleich das Signal für ein alternatives Verhalten geben. Sage ich beispielsweise „Geh auf dein Kissen!“, wenn ich den Hund mit den Pfoten auf dem Esstisch entdecke, bricht er den Versuch, ein Steak vom Teller zu klauen, automatisch ab.

Ablenkung

Ablenkung bedeutet, dass Aufmerksamkeit umgelenkt wird: weg vom Objekt der Aufmerksamkeit hin zur Quelle der Ablenkung. Einen Hund kann theoretisch alles ablenken, was er mit seinen Sinnen wahrnimmt. Genau das macht es in der Praxis für uns so schwierig, Ablenkungen für unseren Hund zu erkennen, denn die Sinneswahrnehmungen von Hunden unterscheiden sich ganz erheblich von unseren.

Hunde sind zuerst einmal Nasentiere. Sie vollbringen verblüffende Schnupperleistungen. Der Grund dafür ist, dass ihre Riechschleimhaut sehr viel größer als unsere ist. Die Riechschleimhaut eines Menschen passt etwa auf eine Briefmarke, für die eines Hundes braucht es dagegen ein DIN-A5-Blatt. Und während wir weder die Wildspur im Wald wahrnehmen, noch dass die Nachbarshündin gerade läufig ist, bedeuten beide Gerüche wahrscheinlich eine starke Ablenkung für unseren Hund.