Vorwort Henry Maske


Ich habe mich schon mit einigen Dingen in meinem Leben beschäftigt, die für mich nicht vorhersehbar waren. Darunter waren Themen, die ich hätte besser lassen sollen. Hinterher weiß man es immer besser. Manches Mal spürt man es schon vorher oder auch während des Abarbeitens, ob einem die Sache oder nicht. Die Gründe, warum ich es mache, sind recht unterschiedlich. Oft ist es Neugier.

Auch dieses Mal spielte Neugier eine Rolle, wenn auch eine untergeordnete. Es war im August 2008, als mich ein Freund anrief. Er erzählte was von einem Projekt, einem Filmprojekt über Max Schmeling. Uwe Boll sei der Produzent, gleichzeitig sei er auch der Regisseur. Der Name war mir nicht bekannt, was aber nichts heißen muss, denn bewandert bin ich nicht in diesem Metier. Neben Bernd Eichinger gab es in Deutschland wohl noch den einen oder anderen in Deutschland, der Filme machte.

Da ich bis dato nicht nur, wie schon erwähnt, viele für mich überraschende Dinge angegangen bin, sondern mich mit vielem beschäftigte, was dann doch nie umgesetzt wurde, ließ ich auch das Thema „Max-Schmeling-Film“ nicht näher an mich heran.

Über einen Herrn Boll als Regisseur etwas zu erfahren war nicht wirklich schwer: „Boll“ bei Youtube eingegeben, und schon kennt man das Gesicht und die dazugehörige Stimme. Auch das Internet ist grenzenlos. Das weiß man spätestens, seitdem man über sich selbst etwas Neues erfahren möchte.

Uwe Boll konnte über sich in den beiden erwähnten Medien ebenfalls viel lesen, sehr viel sogar. Was richtig Nettes habe ich auf den ersten Blick nicht gefunden. Er selbst beteiligte sich sehr rege daran. Oder er hielt es für die bessere Alternative, mit seinen vermeintlichen Kritikern in den Ring zu steigen. Hey Uwe, dachte ich mir, nachdem ich das gesehen hatte, auf diesem Gebiet bin ich sicher der Bessere.

Ich will es an dieser Stelle kurz machen und nicht alle meine Gedanken, die mich derzeit zu diesem Thema beschäftigten, hier wiederzugeben. Und Sie können mir glauben, es waren viele ... Max Schmeling selbst war es, der im Jahr 2002, als er über das Filmprojekt über sich unterrichtet wurde, ganz spontan sagte: „… und der Henry spielt mich dann“. Aber um dieses Projekt ging es hier nicht. Gleiches Thema, aber anderer Zeitpunkt. Und leider ist unser alter Herr schon verstorben. Aber genau diese Aussage kam mir immer wieder in den Sinn, wenn ich unsicher wurde. Schlussendlich stand die Entscheidung fest, und die Begründung war ganz simpel: Warum eigentlich nicht? Also unterschrieb ich den Vertrag.

Und dann ging's los. Ein Coach musste her. Er war auch schnell gefunden. Arvid Birnbaum, selbst Schauspieler, hat eine Schauspielschule. Wir haben uns rasch zusammengerauft – den Ausdruck „raufen“ sollte man an dieser Stelle nicht zu wörtlich nehmen ... Er jedenfalls bereitete mich auf die Rolle Max Schmeling vor.

Da noch genug Zeit war – wir hatten Ende September, und erst im Mai kommenden Jahres sollten die Dreharbeiten beginnen –, war ich noch nicht beunruhigt. Texte lernen, das Erste, woran wohl jeder denkt, wenn man sich mit dem Beruf Schauspieler beschäftigt, war die erste Hürde. Rückblickend ist es wie mit den meisten Hürden, die ich nahm: Sie sehen am Anfang immer deutlich höher aus, als sie es am Ende sind. Arvid hat mir auch dabei geholfen. Sehr spannend fand ich sein Herangehen an die Rolle, meine Rolle. Wir sprachen, während wir das Drehbuch Seite für Seite durchgingen, über Max Schmeling. Darüber, wie ich ihn sah. Über niedergeschriebene Textpassagen kamen wir schnell an meine Vorstellung des Charakters von Max. Wir ließen Sätze ändern, von denen ich annahm, dass er sie so nicht gesagt hätte. Parallel recherchierte ich, sprach mit Menschen, die Max Schmeling kennenlernen und begleiten durften. Es waren natürlich nur noch wenige, die ihn von der Zeit kannten, um die es im Film gehen sollte. Eigentlich war es nur einer: Ein mittlerweile ebenfalls in die Jahre gekommener Berliner meldete sich bei meinem Management. Er kannte Schmeling aus der Zeit während des Krieges. Die Unterhaltung mit ihm war sehr spannend und interessant für mich. Immer stärker bildete sich bei mir ein Bild von der Person Max Schmeling.

Ich wurde immer trauriger, dass ich mich nicht schon zu Max’ Lebzeiten mit dieser für ihn so wichtigen Phase seines Lebens intensiver beschäftigt habe. Welche Fragen hätte ich gestellt! Welch populäre und beliebte Persönlichkeit war er in den 30ern in Amerika! Alles gewonnen, alles verloren – diese Erfahrung hat er wie kaum ein anderer nach dem Krieg machen müssen. Zu dieser Zeit besaßen die wenigsten noch etwas. Sie mussten wieder von Neuem beginnen. Er startete bei weniger als nichts. Sein Neuanfang – das muss man sich einmal vorstellen – begann da, wo er vor dem Krieg geendet hatte: im Ring. Nur waren die Gegner andere. Es waren keine Weltmeister, nein, es waren britische Soldaten, die Spaß haben wollten während ihres ungeliebten Aufenthaltes in Deutschland. Einen ehemaligen Schwergewichtsboxweltmeister einmal treffen zu können, das war die große Nummer. Welche menschliche Größe musste der ehemalige Boxchampion aller Klassen hierfür aufbringen! Oder war es doch nur das Begreifen, auch diese Situation einfach meistern zu müssen? Es gab keine Alternative, jedenfalls nicht für diesen Moment. Ich glaube, diese Haltung gehört zu einer der besonderen Charaktereigenschaften Max Schmelings.

Zwischenzeitlich waren wir in Zagreb angekommen. Der Dreh sollte beginnen. Nach all den Kommentaren zu unserem Vorhaben, die uns eher belächelten, ging es jetzt los. Die ersten Tage fanden in Zadar statt, einer kleinen Urlauberstadt am Schwarzen Meer. Es ging um Schmelings Zeit auf Kreta. Sein einziger Absprung mit dem Fallschirm während des Krieges. Er verletzte sich „nur“ und konnte so der eigentlichen Gefahr aus dem Wege gehen. Nachtdrehs gehörten dazu – gleich das volle Programm. So etwas kann man immer wieder lesen, wenn man sich mit dem ach so tollen Leben der Schauspieler beschäftigt. Jetzt, so schien es, steckte ich mittendrin. Aber es ging auch sehr schnell wieder vorbei. Ein wenig mulmig wurde mir in manchen Momenten, umgeben von Gewehrschüssen, Bombenexplosionen und verletzten sowie toten Soldaten, aber es ist ja glücklicherweise nur eine Fiktion.

Die folgende Woche war harte Arbeit für mich. Neun Boxkämpfe mit ständig wechselnden Gegnern standen auf dem Drehplan. Darunter eine Reihe von heute erfolgreichen Boxern, wie Arthur Abraham, Yoan Pablo Hernandez oder Alexander Frenkel. Sie sind bis zu 20 Jahre jünger als ich. Der Vorteil: Es sind Boxer, die wissen, wie man sich im Ring verhält. Harte Arbeit blieb es trotzdem. Aber es machte auch sehr viel Spaß. Ich konnte über eine für mich nicht ungewöhnliche Arbeit ein komplettes Filmteam kennenlernen. Das gilt auch umgekehrt: Die gesamte Crew lernte mich kennen.

Strategisch war diese Reihenfolge sinnvoll, obwohl man bei keinem Gefecht sicher sein konnte, nicht doch ein Veilchen abzubekommen. Aber es ging gut. Die Schwierigkeit des Auslagenwechsels – Max Schmelings Führungshand war wie bei den meisten Boxern die Linke, bei mir ist es normalerweise die Rechte – bekam ich auch ganz gut hin.

Dann ging der Film richtig los. Weitere Schauspieler, wie Heino Ferch, Susanne Wuest oder Vladimir Weigel, trafen zu den jeweiligen Drehtagen ein. Arvid Birnbaum blieb von Anfang an bis zum Zeitpunkt des Abdrehens seiner eigenen Rolle an meiner Seite. Bei unseren Parts hatte ich ein gutes Gefühl. Es war die Vertrautheit, die sich zwischen uns in der Vergangenheit entwickeln konnte. Alle Filmszenen, die wir in dem Drehbuch gemeinsam hatten, wurden natürlich oft genug vorher durchgesprochen.

Auch mit Susanne konnten wir vorab über mehrere Tage proben. Sie kam nach Köln. Das half mir während jeden Drehs mit ihr, aber auch insgesamt entwickelte sich zunehmend mehr Sicherheit. Mein Wunsch war, dass das Publikum später das gleiche Gefühl spürt, das ich hatte, wenn ich über die besondere Beziehung zwischen Max Schmeling und Anny Ondra nachdachte. Ich hoffe, es ist uns annähernd gelungen.

Spannend waren für mich die Drehtage mit Max Machon, dem Trainer von Max, sowie mit Joe Jacobs, dem Manager. Ich hatte so meine Vorstellungen von den ganz besonderen Beziehungen dieser Drei untereinander – wie sie sich ergänzten, sich gegenseitig brauchten und auch vertrauten.

Joe Jacobs, dieser eher extrovertierte Mensch, der den Außenminister in dieser Runde gab. Er, der allen anderen Erklärungen abgab, das Geschäft organisierte und alle bei Laune hielt. Eben wie ein richtiger Manager. Meine Beschreibung ist natürlich nur eine Kurzfassung dieses “Jobs“.

Ich selbst als Aktiver wollte immer eine ganz besonders vertraute Beziehung zu meinem Trainer aufbauen. Ähnlich unterstellte ich es auch der Beziehung zwischen Max Machon und Max Schmeling. Weniger mit Worten, mehr mit den Augen sollte gesprochen werden. Mit Heino Ferch zusammenarbeiten zu dürfen war für mich zum einen natürlich eine große Ehre. Zudem gab es mir auch das nötige Selbstvertrauen. Mir war klar: Sollte ich bei meiner Interpretation von Max Schmeling gänzlich danebenliegen oder insgesamt nicht „dazupassen“, dann würde er mir das sagen. Er würde mir mit hilfreichen Ratschlägen zur Seite stehen. Wir kennen uns schon sehr lange und schätzen uns als Menschen sehr. Da ich mich nun mit einer Hauptrolle in sein Territorium wagte, war ich dankbar für seine Kritik, seine Meinung.

Insgesamt ging die Zeit, so wie es wahrscheinlich jeder Schauspieler nach dem Abdrehen eines Drehbuchs empfindet, doch sehr schnell vorbei.

Das Erste, was ich machte, nachdem ich das letzte Set verlassen hatte, war ein Besuch bei meinem Friseur. Die schwarz gefärbten Haare sowie die ebenfalls geschwärzten Augenbrauen mussten wieder gekürzt werden. Unsere Familienhündin Bonny lief beim ersten Kurzbreak während der Dreharbeiten an mir vorbei und erkannte mich erst an meiner Stimme. Das sollte sich nicht wiederholen. Die Haare waren ja mindestens fünf Monate lang nicht mehr geschnitten worden. Gefärbt wurden sie das letzte Mal vor etwa vier Wochen. Ein Stück sollten sie mittlerweile mit meiner natürlichen Farbe nachgewachsen sein. So jedenfalls sahen meine Hoffnungen aus. Okay, ich musste weitere vier Wochen warten. Dann aber war ich wieder der Alte und wurde auch als solcher wahrgenommen.

Ganz und gar einen Haken unter das Projekt machen konnte ich trotzdem noch nicht. Das Filmprojekt „Max Schmeling“ mit dem Regisseur Uwe Boll und dem Hauptdarsteller Henry Maske wurde in den Medien diskutiert. Erste Bilder werden veröffentlicht, auch Ausschnitte in Youtube gab es schon. Ein Journalist fragte mich nach meiner Angst, mit diesem Film scheitern zu können. Darauf konnte ich nur antworten, dass ich mich gewissenhaft vorbereitet hatte. Vor einigen Jahren mit meinem wirklich letzten Kampf hätte ich kläglich scheitern können. Da ging es um mein mir sehr vertrautes Metier. Ein Schauspieler jedoch bin ich nicht. Vieles, was mit meinem Sport zu tun hat, mit den Gedanken um einen Kampf, mit den Gefühlen, die einen nach einer Niederlage heimsuchen, mit dem Jubel, der über einen Boxer nach einem Sieg einbricht, all das ist mir bekannt. Ob es in jeder Situation vergleichbar mit Schmeling ist, ist sehr hypothetisch, allerdings nicht abwegig. Wie gut ich diese Eindrücke auf die Leinwand projizieren konnte, werden wir dann sehen.

Am Ende meiner Entscheidung stand die Haltung: „Warum eigentlich nicht?“, wie schon erwähnt. Nachdem ich das fertige Produkt nun kenne, kann ich mit Sicherheit behaupten: Es hat sich gelohnt. Wie früher nach meinen Kämpfen, bin ich nicht mit allem zufrieden und würde jetzt einiges anders machen. Aber ich bin überzeugt, das geht jedem kritischen Menschen beim Betrachten seiner Arbeit ähnlich.

Heute bin ich natürlich gespannt auf die Reaktionen des Publikums. Ich hoffe, es werden viele sein. Darunter wünsche ich mir Menschen, die Max Schmeling seinerzeit noch erleben konnten. Wenn diese sagen: „Ich habe unseren Max wiedererkannt!“, dann hat es sich wirklich gelohnt.

Und nun kommt das vielleicht Wichtigste bei diesem Projekt: Danke zu sagen. Mein Dank gilt zunächst den Menschen, die neben der Filmförderung Hessen diesen Film erst ermöglicht haben, indem sie das Vorhaben großzügig unterstützten. Sodann danke ich dem gesamten Filmteam, angefangen bei unseren Kameramännern bis hin zu den Damen und Herren vom Catering. Alle haben, wenn er nicht schon von Anfang an vorhanden war, den besonderen Spirit Max Schmelings aufgenommen und für die Zeit des Filmdrehs in sich getragen. Mein besonderer Dank geht an Uwe Boll. Er war es, der sich mit seinen Leuten an dieses Thema herangewagt hat. Einen Schauspieler für die Hauptrolle zu verpflichten wäre sicher ein Leichtes gewesen. Doch diesen Film mit mir als Max Schmeling abzudrehen, setzt enormes Vertrauen in meine Person voraus. Ich wünsche mir, dass dieses Vertrauen gerechtfertigt war.

Ihnen, liebe Zuschauer, wünsche ich mindestens so viel Freude beim Anschauen des Films, wie ich beim Drehen gehabt habe. Möge der Mensch und Sportler Max Schmeling mit all seinen ganz besonderen Leistungen und vor allem mit seinen einzigartigen Charaktereigenschaften erkennbar werden.

Euer Henry Maske

Vorwort Heino Ferch


Einer der größten Sportler aller Zeiten, ein Weltstar, eine Legende, ein Vorbild – dies alles ist Max Schmeling für mich.

Als ich den Anruf erhielt, dass ein Skript über Max Schmeling auf dem Weg zu mir sei, bekam ich erst einmal eine Gänsehaut. Selbstverständlich war meine erste Frage, wer Schmeling darstellen sollte, und als der Name Henry Maske fiel, dachte ich: Volltreffer!

Denn obwohl Henry kein Schauspieler ist, so hat er doch ausreichend mediale Erfahrung und Sensibilität, um sich guten Gewissens in diese große Herausforderung zu stürzen. Voraussetzung ist für ihn sicherlich seine tiefe Bewunderung und die enge Freundschaft mit Max Schmeling, der zu Lebzeiten wollte, dass nur er – Henry Maske – ihn darstellen sollte, falls sein Leben je verfilmt werden würde – was für ein wunderbares Kompliment für Henry!

Meine zweite Frage galt der Regie. Uwe Boll hat bei einem sehr persönlichen Treffen keinen Zweifel aufkommen lassen, dass mit seiner Leidenschaft als Regisseur und seinem boxerischen Know-how dieses Thema bei ihm in besten Händen ist.

Drei Monate später war es dann so weit: Henry hatte darum gebeten, sämtliche Boxkämpfe zu Beginn der Dreharbeiten drehen zu können, und als Schmelings Trainer Max Machon, den ich im Film darstelle, hatte ich das Vergnügen, zehn unglaubliche Tage erleben zu dürfen – zehn Tage, in denen ich nicht nur die große körperliche und darstellerische Leistung von Henry Maske bewundern konnte und das intensive Gefühl bekam, hautnah bei Schmelings großen Kämpfen dabei zu sein. 

Ich wurde auch Zeuge von Begegnungen, die einmalig waren: Aktive und ehemalige Champions gaben sich ein Stelldichein, um insgesamt zehn große Kämpfe nachzufighten, die Schmeling in deutschen und amerikanischen Hallen geboxt hatte. 

Mehrere hundert enthusiastische Komparsen verwandelten die Zagreb-Arena in diesen Tagen in einen historischen Hexenkessel und trugen dazu bei, großartige Szenen für diesen Film herzustellen – diese Zeit gehört zu den beeindruckendsten Drehtagen, die ich bis heute erleben durfte.

Heino Ferch

Schmeling – Drehtagebuch