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VERKEHRSUNFÄLLE

Max Hold, geboren 1985 auf einem kaum bevölkerten Landstrich Süddeutschlands, ist hauptberuflicher Musiker und lebt heute in Berlin. Er studierte Anglistik und Politik in einer mittelgroßen Studentenstadt, die auf -burg oder -berg endet. Sein unstetes Künstlerleben bietet nur eine Konstante: Sexdates in allen Städten, die er auf Tour besucht hat. Und Geschichten darüber.

MAX HOLD

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Schräge schwule
Sexgeschichten

… und ein bisschen Liebe

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1. Auflage
© 2016 Bruno Gmünder GmbH
Kleiststraße 23 - 26, D -10787 Berlin
info@brunogmuender.com

Vorwort

Die Reinigungskraft

Biolek

Teenagerliebe

Horny, horny, horny

Letzter Schultag

Versteckspielen

Statistik

Ricky’s Holy Relax

Sportlich zu dritt

Man sieht sich immer

Zweimal

In der Praxis

Start-up

Blaues Wasser

Das Dorffest

Suppe 3000

Marathon

Outdoor Fun

Zirkus

Wir trafen uns in einem Garten

Sommer in der Stadt

Vorwort

Zunächst ein paar Worte zum Wichtigen: zu mir.

Ich bin Max. Auf den Schwulenplattformen im Internet bin ich 27 Jahre alt. Seit fünf Jahren. Ich spiele in einer Band. Wenn man das in meinem Alter noch tut, ist man entweder gescheiterter Berufsjugendlicher oder irgendwie erfolgreich geworden. Wir sind erfolgreich. Ich schreibe die meisten unserer Songtexte, aber keiner kennt mich, weil immer nur alle auf den Sänger schauen. Das kann auch sehr angenehm sein. Man kommt viel rum und trifft viele Leute. Das ist eine gute Voraussetzung, um Erfahrungen zu sammeln. Meine Erfahrungen aus dem Liebesleben, vor allem Sexdates, schreibe ich seit ein paar Jahren auf, aus diesen Geschichten ist dieses Buch entstanden. Ich erspare euch die langweiligen Episoden, wer will schon was über perfekte Dates hören? Das Leben ist kein Schnulzenfilm, es hängt voller unförmiger Penisse und Weirdos auf der Suche. Wonach? Wer weiß das schon. Geschichten über das Scheitern trotz Höhepunkt, über fatale Missverständnisse im Zwischenmenschlichen und über durch hereinplatzende Mütter unterbrochene Analpenetrationen, das will der anspruchsvolle Leser haben. Bitteschön!

Es handelt sich hier um wahre, erlebte Geschichten. Natürlich sind die Namen aller Leute in diesem Buch geändert. Schutz der Privatsphäre und dergleichen. Wenn sich trotzdem jemand wiedererkennen sollte: Glückwunsch, du hast es zu einer literarischen Figur gebracht! Da ich aber glaube, dass die meisten der Kerle, mit denen ich im Bett war, noch nie ein Buch in der Hand hatten, sind die Chancen gering. Viel Spaß.

Die Reinigungskraft

Wie schön ist es denn, wenn man so ziemlich zeitgleich abspritzt, danach erst mal Arm in Arm, tief schnaufend, den Moment und die Nachwehen der außerordentlichen Anstrengung genießend, zusammen da liegt und einfach nichts sagt? Sehr schön! Es schafft Geborgenheit für einen begrenzten Zeitraum. So lange eben, bis beide wieder zum klaren Denken fähig sind und man irgendeinen neuen Programmpunkt in Angriff nimmt: Sich sofort trennen oder zusammen eine rauchen und sich kennenlernen; eine Partie Mühle spielen oder mit einem schönen Döner den Energieverlust ausgleichen.

Im schlimmsten Fall schläft einer ein, direkt nachdem er abgespritzt hat. Wenn es gut läuft, ist es der andere. Dann hat man ein bisschen freie Zeit und kann per detaillierter Nahbetrachtung die Fehler am fremden Äußeren suchen, die eine längere Bindung eindeutig unmöglich machen – oder gleich ohne weiteren Aufwand nach Hause gehen.

Wie auch immer: Der Mann ist direkt nach dem Sex nun mal kein Arbeitstier, sondern in der Hauptsache demoliert und schlapp. Erst der zweite Gedanke nach dem Orgasmus sollte den Konsequenzen gelten: Das Sperma hängt irgendwo herum und sieht dort vielleicht nicht sehr schön aus.

Es hat sich ja so eingebürgert, dass man gerne auf den anderen draufspritzt. Keine Ahnung, ob das schon immer und bereits zu Urzeiten der Menschheit ein Dominanzritual war, oder ob man sich einfach den ausgewählten Filmen angleicht, die man in einsamen Nächten zum Einschlafen schaut. Jedenfalls machen es alle. Jeder spritzt auf jeden drauf.

Wenn du einen freundlichen Typen erwischst, fragt er vorher, ob es okay für dich ist, dass die Ladung ins Gesicht gehen soll. Die unfreundlichen packen dich an den Haaren und erledigen das ungefragt. (Ich manchmal auch, kommt auf die Stimmung und das Gegenüber an.) Die bevorzugte Zielscheibe ist aber der erweiterte Torso. Damit kann jeder leben und schnell weggewischt ist es auch. Aber bitte nicht zu schnell! Genau dieses Problem hatte ich mit Danny.

Ich hätte es eigentlich schon ahnen können, als er bei mir reinkam. Für gewöhnlich gilt der erste Blick dem Gastgeber. Man checkt sich ein bisschen ab, macht Komplimente für die Wohnung, einen Scherz, grinst sich vielsagend an, zwinkert unpassend und findet so ziemlich schnell heraus, ob es eine gute Idee war, sich mit diesem Typen verabredet zu haben, um einzelne seiner Körperteile in den Mund zu nehmen. Die Bilder auf GayRomeo können unter Umständen ja auch aus dem letzten Jahrzehnt stammen, und eine dumme Ausrede ist immer schnell gefunden, um das Ganze doch noch abzubrechen.

Beispiel? »Du, ich hab ganz vergessen, dass ich heute Geburtstag habe und die Gäste gleich kommen. Also würdest du vielleicht wieder … du kannst die Schuhe auch direkt anbehalten, ist das nicht praktisch?«

Danny kam rein, streifte meine Hand eher, als dass er sie schüttelte, und hing mit den Augen schon in den Bodenritzen, auf den Regalen und in den Deckenecken. Er suchte Staub und Schmutz. Als er die leeren Flaschen und benutzten Teller auf dem Esstisch sah, die auf mehr als eine Mahlzeit hindeuteten, schüttelte er anklagend den Kopf.

»Ich räume auf, wenn ich Gäste empfange«, sagte er ermahnend.

Ich entgegnete, dass es halb drei Uhr nachts sei und er mir nicht grade viel Zeit zum Aufräumen gegeben habe, da er mich vor zwanzig Minuten noch auf Grindr angefleht hatte, ihn so hart wie möglich durchzuficken. Er akzeptierte das Argument notgedrungen und verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, dass das Bett frisch bezogen sei.

»Klar«, sagte ich und ging voran ins Schlafzimmer. Man merkt es mir leicht an, wenn ich lüge, daher war es gut, ihm den Rücken zuzudrehen.

Ich fickte ihn, wie er es haben wollte, und legte mich richtig ins Zeug. Er sah nicht schlecht aus, sehr gut sogar, und solange er den Mund hielt und nichts tat, außer sich gut zu bewegen, konnte ich nichts gegen ihn haben. Er lag dann irgendwann auf dem Rücken und hatte die Beine auf meinen Schultern platziert. Ich rammte so hart wie möglich in ihn rein – wie gewünscht – er schrie bei jedem Anschlag immer ziemlich herum, dabei wichste ich ihn auch noch, Multi-Tasking.

Ohne Vorankündigung spritzte er eine ziemlich große Ladung ab. Es ging bis zu seinem Hals hoch und ein bisschen auch auf sein Kinn, der weitestgeflogene Klecks landete auf seiner Nasenspitze. Das Zeichen für mich, nun auch auf die Zielgerade zu kommen.

»Äh, soll ich raus?«, fragte ich.

»Nein«, keuchte er, »mach weiter, aber langsamer.«

Also machte ich eben langsamer, hörte aber ziemlich bald ganz mit den Anstrengungen auf, weil ich nicht fassen konnte, was er tat. Keine Ahnung, woher er das Päckchen Taschentücher hatte. Er war nackt, logisch, und unsere Klamotten lagen auf dem Boden verstreut herum. Irgendwoher hatte er es hervorgezaubert und wischte sich in aller Ruhe sein Sperma ab, während ich noch fickte, eher so für mich.

»Mach doch weiter!«, sagte er ziemlich beiläufig, mit akribischem Blick auf seinen Bauch, um keinen Klecks übrig zu lassen. Seine Säuberungsaktion törnte mich so sehr ab, dass nichts an mir noch in Ficklaune war. Er war schon beim dritten Taschentuch und faltete sie nach dem Aufwischen auf Kante wieder zusammen. Ich zog meinen Schwanz nach der üblichen netten Vorwarnung (»Obacht, jetzt«) aus ihm raus, schmiss das Kondom auf den Boden, was er mit einem Augenrollen kommentierte, und machte mit Handbetrieb und seiner Unterstützung weiter. Er kraulte lustlos dort an mir rum, wo er es sollte.

Als es sich andeutete, fragte er »Kommst du?« Ich verzog das Gesicht bejahend. Sofort packte er mich und rollte uns beide herum, sodass ich unter ihm lag. Ich war etwas überrascht, aber unterbrach meine Tätigkeit nicht, dafür war es zu spät. Ich kam auf mir selbst. Es war etwas weniger, als er vorher abgeschossen hatte, dafür war die Flugbahn schöner. Ich war zufrieden, schloss die Augen, legte den Kopf tief zurück ins Kissen und atmete langsam und schwer. Was will man mehr? Da überfiel er mich mit seinen Taschentüchern.

Solange mein Schwanz noch zuckt und nachpumpt, direkt nachdem ich gekommen bin, will ich nicht, dass der Putztrupp schon anrückt und auf mir herumwischt. Was mir durch den Hautkontakt erst auffiel war, dass er feuchte Tücher benutzte, wie man sie beim Hähnchenessen bekommt. Sie rochen auch nach Zitrone. Das alles vorher bei ihm mit anzusehen war schon komisch genug, aber da hatte ich nicht direkt was mit zu tun, wenn man so will. Spätestens, als er damit anfing, mir den Bauchnabel auszuwischen, war der Bogen überspannt. Ich hatte nicht das Fuck-and-Clean-Angebot bei ihm gebucht. Also drängte ich ihn von mir weg und sagte, dass er sich bitte kurz von mir fernhalten soll.

»Das Zeug muss aber weg!«, sagte er. Und wie er das sagte. In einem Ton, als ob es um den Abtransport von atomarem Restmüll ginge. Ein Ton, der keinen Widerspruch zuließ.

»Warum muss es denn weg, nach zwei Sekunden?«, fragte ich genervt und ein klein bisschen laut.

»Ich kann den Geruch nicht ausstehen!«, schrie er fast. Er war nah an einer Panik.

»Aha!«, beschloss ich das Gespräch.

Es kam, wie es kommen musste. Ich sagte ihm, dass ich ihn hauen würde, wenn er mir noch einmal mit seinen Wischtüchern käme, er konterte, dass er vorhin in einem der Teller auf dem Tisch Schimmelsporen gesehen hätte, ich erklärte ihn für völlig verrückt, er mich für ein verdrecktes Schwein, er zog sich sehr schnell an und ging. That escalated quickly.

Ich machte mir nicht die Mühe, aufzustehen, ließ die paar Tropfen Wichse, die er mir gelassen hatte, aus Trotz antrocknen und schlief sofort ein.

Zusammengefasst: Ein ziemlich normales Sexdate.

Biolek

Bevor es GayRomeo gab, war ich auch schon schwul. Man mag es sich kaum vorstellen. Die ersten Erfahrungen online machte ich auf reiner Fantasiebasis. Erst im BTX-Chat (ja wirklich), dann auf der Plattform Gaychat, wenn ich mich recht erinnere. Niemand hatte Profilbilder, nichts war durch bestätigte Kontakte abgesichert, es war ein Paradies für Faker und Pädos, mit erntereifen Bäumen voll knackiger, junger, naiver Früchte. Der erste Schritt, um sich eine Ebene näher zu kommen, war es, zu telefonieren. Anhand der Stimme und des kurzen Gesprächs merkt man ja, ob man prinzipiell miteinander kann, oder ob der andere vielleicht doch ein paar Stufen zu tuntig, zu »hetero«, zu alt, zu weird oder irgendwas sonst ist.

So wie heute die beliebteste Fake-Ausrede ist, dass man überhaupt keine Bilder von sich habe und auch kein Smartphone, mit dem man eines machen könne, war sie damals, dass der Telefonanschluss ja durch das Internet besetzt sei (was Ende der Neunziger tatsächlich noch glaubwürdig war), dass man gar kein Telefon habe, oder sogar: »Ich muss meine Stimme schonen, ich bin schwer erkältet.«

Im Selfie-Zeitalter schwer vorstellbar: Ich fuhr auch mal 50 Kilometer mit dem Auto durch die schwäbische Provinz, um einen Typen zu treffen, von dem ich nicht mal wusste, wie er aussah.

Irgendwann, als die Bilder sich auch im schwulen Netz etwas mehr durchgesetzt hatten, erschien es mir nicht mehr zeitgemäß, vorher mit den Typen zu telefonieren. Das hätte mich dann eher in eine eigenartige Ecke gerückt. Es lief auch eine Zeit lang ziemlich gut.

Bei Pedro habe ich überhaupt nicht mehr an den vorherigen Telefoncheck gedacht, ich war so weit, mir keine Fehlgriffe mehr zuzutrauen. Es hätte auch eigentlich nicht viel passieren können. Für meine Erwartungen war er das Idealbild eines Mannes: stark spanischer Einschlag, kurze Raspelhaare, geiler Körper, breite Schultern, um die eins achtzig. Perfekt. Was kann da schiefgehen?

Genau genommen können drei Sachen schiefgehen:

1. Er redet komisch.

2. Er hat einen Mikropenis.

3. Er riecht unangenehm.

Pedro roch herrlich und hatte auch einen sehr schönen Schwanz, kein Riesenteil, durchschnittlich, fleischig, beschnitten, in allen Zuständen nett anzusehen. Ich durfte ihn schon vor dem Treffen begutachten. Blieb nur noch Punkt 1, um die Sache irgendwie schiefgehen zu lassen.

Wir stellten uns nicht lange vor und kamen direkt zur Sache. Am Anfang fand ich die Töne, die er von sich gab, auch noch ziemlich geil, weil sie mich an einen Torero denken ließen. Als ich ihn rimmte, rief er »Arrrrrrrr! Arrrrrrrr!«, ziemlich oft und ziemlich laut. Irgendwann war es mir zu viel und ich sorgte dafür, dass er erst mal was im Mund hatte und Ruhe gab. Ich hatte auch ein bisschen Angst um mein Standing vor meinen Mitbewohnern, ich hatte grade mit dem Studium angefangen und war frisch in eine WG eingezogen. Mein Ruf sollte nicht unter Pedros Rufen leiden.

Ich genoss dann eine Zeit lang die Ruhe und den Anblick, wie er an mir herumschleckte und saugte, er war ja immer noch ein sehr geiler Kerl und hatte eine ausgereifte Lutschtechnik. Ich kam wieder ziemlich auf Touren. Dann fing er mit dem Dirty Talk an. Eine Sache, die ich absolut nicht leiden kann. In Pornos mag ich es auch lieber, wenn die Kerle einfach ordentlich und authentisch stöhnen, statt »SUCK MY BIG FAT COCK« oder »GIVE IT TO ME, FUCK ME HARD, FUCK MY DIRTY HOLE« herumbrüllen. Das Offensichtliche muss man doch nicht extra aussprechen und sich selbst auch noch kommentieren. Ich hab das noch nie verstanden. Aber Pedro schien genau so drauf zu sein.

»Willst du mich ficken?«, keuchte er, ich nickte sofort und fasste Richtung Kondomdose. Aber das schien ihm nicht genug Einverständnis zu sein.

»Wie sehr willst du mich ficken?«, ging es weiter, und »Ooooh, ich habe es so nötig«, »Mein geiles Loch will verwöhnt werden« und »Fick mich, fick mich, fick mich« und so weiter. Das alles, bevor ich überhaupt dazu kam, irgendwas in der Richtung zu unternehmen. Es war grotesk. Er sah mich nicht mal an, sondern wälzte sich vor mir herum, mit geschlossenen Augen, fummelte sich am Arsch und setzte immer noch einen drauf, obwohl mir das schon sehr früh unmöglich erschienen war.

»Ramm ihn mir hart rein, deinen Presslufthammer! Oh jaaaa, du geiler Bauarbeiter!«

Ich dachte darüber nach, kurz das Zimmer zu verlassen, bis er sich etwas beruhigt hatte.

Schon seit dem ersten vollständigen Satz, den er von sich gegeben hatte – viele waren es ja nicht gewesen – musste ich darüber nachdenken, an wen oder was mich seine eher schrille Stimme erinnerte. Als ich etwa eine Minute in ihm drin war und er wieder irgendwas Unpassendes brüllte, ich glaube, es war »Dein Zauberstab tut mir so gut«, fiel der Schleier der Erkenntnis: Alfred Biolek! Er klang wirklich eins zu eins wie Alfred Biolek. Er redete und schrie nur mit Kopfstimme, rollte das R eigenartig und betonte jedes Füllwort völlig über. Nicht dass ich was gegen Alfred Biolek hätte, der kann ja reden wie er will, bei ihm finde ich das auch passend, aber wenn ein heißer 20-jähriger Spanier in meinem Bett und mit meinem Schwanz im Arsch herumkreischt wie Alfred Biolek, wenn er begeistert übers Kochen referiert – ich muss das nicht weiter ausführen. Ich presste meine Hand auf seinen Mund und machte weiter. Ich versuchte, an irgendwas anderes zu denken. Ashton Kutcher und der Werwolf aus Twilight zusammen in der Sauna. Leider kam dann Alfred Biolek dazu, setzte sich in ihre Mitte und fragte ganz kritisch: »Wie gefällt wie es Ihnen denn in Deutschland? Wissen Sie, dass ich damals Monty Python hier grroß gemacht habe? Schmeckt Ihnen Sauerrrkrrraut?« Ich schauderte.

»Was ist denn los?«, fragte Alfred, also Pedro, und ich merkte, dass ich seit einer Weile wohl irgendwie ins Leere fickte. Das war mir vorher auch noch nicht passiert. Ich hatte mich einfach weiterbewegt, obwohl mein Schwanz schlaff geworden und rausgerutscht war. Da kann man noch so gut schauspielern, das lässt sich nicht verbergen.

»Tut mir leid, ich musste eben an den Krieg im Nahen Osten denken«, sagte ich, und überraschenderweise fand Pedro das überhaupt nicht verwunderlich. Er setzte sich auf, schwang den Zeigefinger und intonierte, wie es der große Biolek nicht besser hätte hinbekommen können, mit Betonung auf jedem einzelnen Wort: »Ich frrage mich, ob das Anderren genauso oft passierrt wie mir. Ständig müssen die Typen an irrgendwasss denken, wenn sie mich durrchficken.«

Ich hätte ihm genau sagen können, woran das lag, aber ich war gnädig. Ich entschuldigte mich dafür, dass es nicht geklappt hat. Er startete keinen zweiten Versuch, mich geil zu machen. Ein Glück.

Wir rauchten noch eine Tüte zusammen, was mich müde und ihn noch geschwätziger machte. Das Gute an ihm war, dass es ihm offenbar egal war, ob der Andere irgendeine Reaktion zeigte. Er wollte kein Gespräch führen, sondern einen Vortrag halten. Ich glaube, über – ach, keine Ahnung. Ich hörte ihm einfach nicht zu, beobachtete eine Spinne an der Decke und sagte ihm irgendwann, dass ich mich jetzt zur Nachtschicht fertig machen müsse und es besser wäre, wenn er ginge. Das tat er dann auch.

Dass man morgens früh raus müsse, lässt sich immer noch irgendwie auskontern, aber wenn man mit der Nachtportier-Story ankommt, hat man gewonnen. Das kann ich, unter uns, nur jedem empfehlen, falls man sich vorher noch nicht ausführlichst über die berufliche Laufbahn ausgetauscht hat. Es funktioniert immer, zieht ein paar Nachfragen nach sich, die man aber mit der Zeit so routiniert beantworten kann, als wäre man wirklich Nachtportier. Angeführt natürlich von: »Was machst du denn die ganze Nacht, wenn im Hotel nichts los ist?« (Lesen.)

Was ich in der Nacht machte, nachdem ich Pedro hinauskomplimentiert hatte, weiß ich noch ganz genau: Ich sah mir auf YouTube zwei Folgen »Boulevard Bio« an.

Teenagerliebe

Mein allererster Typ war Eric, der Torwart meiner Handballmannschaft. Ich war 15, er ein Jahr jünger. Seitdem habe ich mir das Prinzip beibehalten, mir jüngere Liebhaber zu halten. Eric war meine erste große Liebe, und alles startete im Wilden Osten.

Alle zwei Jahre fuhren ein paar Jugendmannschaften, Trainer und Obere unseres Handballvereins in ein Dorf bei Budapest. So viele, wie eben in den Reisebus passten. Der Trip war auch bei nicht mehr ganz aktiven Spielern sehr beliebt. Wir spielten zwei Turniere, mussten uns Brücken und Kirchen und einmal ein Atomkraftwerk anschauen und hatten größtenteils einfach Spaß. In den ausgelassenen Jahren kamen die Ungarn zu uns, gleiches Programm, bis auf das Atomkraftwerk. Es ging immer hoch her, nicht wenige erlebten auf einer der Freizeiten ihr erstes sexuelles Abenteuer, zudem interkulturell, sehr weltmännisch war das.

Vor allem die jungen Ungarinnen in unserem Alter waren ziemlich frühreif, was sie auch von uns erwarteten. Im Jahr vor dem Torwart-Vorfall zog mich eine von ihnen in den Sanitätsraum unserer Turnhalle, um an sich herumdoktern zu lassen. Wir sprachen keine gemeinsame Sprache, aber sie vermittelte ihr Anliegen recht verständlich, als sie ihr Trikot auszog und meine Hand an ihre sich in der Aufknospung befindlichen Brüste drückte. Den Reiz an der Sache verstand ich nicht so recht, tat aber mein Bestes, um ihre Wünsche zu erfüllen. Mein Pieps war noch genauso im Wachstum wie alles andere an mir, deshalb wollte ich ihn ihr nur ungern vorführen. Sie sah auf eigene Faust nach. Ihre Enttäuschung war ihr deutlich anzumerken. Wir einigten uns also irgendwie darauf, einfach nur herumzuknutschen und uns ein wenig aneinander zu reiben – was weder sie noch mich davon abhielt, später weit abenteuerliche Geschichten über die Vorgänge zu erzählen.

Ich dachte damals, mein Desinteresse läge vielleicht daran, dass es einfach keine passend scharfen Mädchen gab, die mich irgendwie auf Touren bringen könnten. Die Verwirrtheit der Pubertät eben. Ich war, wie alle Teenager, einfach ziemlich beschränkt, mein Horizont so wenig geweitet, dass es fast schon ins Negative ging.

Seit es das erste Mal geklappt hatte, mit zwölfeinhalb, holte ich mir täglich bis zu fünf Mal einen runter. Auch öfter in der kleinen Pause auf der Schultoilette, das war ein großes Hobby von mir. Was dabei in meinem Kopf abging, war immer gleich: Zuerst stellte ich mir eines der heißen Mädels aus unserer Klasse, oder noch besser: einer darüber, vor. Das gehört sich eben so, dachte ich. Sie wurde aber ziemlich schnell gegen einen Typen aus meiner Klasse, oder einer darunter, ausgetauscht. Und dann kam ich ziemlich schnell. Trotzdem zog ich nie ernsthaft in Erwägung, ich könne schwul sein. Homosexualität war bei uns auf dem Dorf einfach nicht existent. Es gab keine Schwulen. Also war es ein Ding der Unmöglichkeit, ein Ding für die Großstadt. In meinem Zimmer hing ein Pamela-Anderson-Kalender, weil er bei meinen Freunden auch hing. Trotzdem schaute ich mir bei Baywatch viel lieber Hobie an und stellte mir vor, wie er mich aus dem Ozean retten und wachbeatmen würde. Aber all diese Zeichen, von denen Hobie wohl nur das ausdrucksstärkste war, interpretierte ich erst sehr viel später ins passende Bild hinein. Ich dachte, ich sei wie alle. Das denkt man meistens. Eric kam bis zur besagten Reise gar nicht in meinen Wichsfantasien vor.

Als wir in unserer ungarischen Unterkunft ankamen, glaubten wir erst einmal nicht, dass das Hotel, vor dem wir standen, tatsächlich von uns bewohnt werden sollte. Selbst die Trainer und Betreuer waren sich uneins. Es sah aus wie ein Vorzeigeprunkbau für den Sozialismus. Glatter brauner Marmor, hohe Säulen, ein roter Teppich vor dem Eingang. Von innen betrachtet, war die ganze Sache gar nicht mehr so luxuriös wie vermutet, überall bröckelte der Putz, es waren nasse und schwarze Flecken an den Wänden und in den Ecken, es roch auch nicht sonderlich frisch, mehr so nach nasser Katze. Aber, und das war nach einer Nacht in einer Turnhalle auf der Durchreise in der Slowakei das große Upgrade für uns: Es gab Sechser-, Vierer- und sogar Zweierzimmer. Eric war als einer der Ersten im zweiten Stock angekommen, wo meine Mannschaft untergebracht war, hatte sich, eigenmütig wie Tormenschen nun mal sind, ein Zweierzimmer gesichert – und es von innen verschlossen, was niemandem aufgefallen war. Ich ging mit drei anderen auf ein Viererzimmer. Eric verriet mir beim Abendessen sein Geheimnis, erzählte von einer riesigen Badewanne im Zimmer und ich kaufte mich für eine Schachtel Zigaretten bei ihm als Untermieter ein.

Nach meinem Umzug und dem Abendessen stand als nächster Programmpunkt die Besichtigung eines Weinguts an. Nebst interkulturellem Austausch. Im Klartext: Alle über 16 durften mit rein in die gute Stube des Weinbauers und soffen sich mit trockenem Roten aus Kanistern voll, alle anderen spielten draußen Handball, Karten oder Doktor. Dass wir zu den anderen gehörten, fuchste mich und meine Mannschaft ziemlich, aber wir unterhielten gute Kontakte in die A-Jugend. Ben, Rückraum links, hatte einen Kanister rausgeschafft, zehn Liter Rosé. Da wir keine Gläser hatten, legten wir uns abwechselnd unter den Zapfhahn. So schufen wir ein ziemlich gutes Gemeinschaftsgefühl und luden die jungen Ungarinnen ein, beim heiteren Trinkspiel mitzumachen. Genauso leicht, wie sie dazu zu bringen waren, ließen sie sich zum Flaschendrehen mit Ausziehen überreden. Wir, die deutsche Mannschaft, hatten dabei Vorteile, weil es bei uns üblicher zu sein schien, Unterwäsche zu tragen. Die durchschnittliche Ungarin trug zwei Kleidungsstücke an sich. Nach zehn Minuten war die erste nackt.

»Schau dir das mal an, wie blank die untenrum ist«, staunte Jörg. Tatsächlich war es nicht nur bei der ersten so. Alle von ihnen waren komplett rasiert. Das war wohl nicht weiter unüblich, da es für die meisten von uns aber die ersten Mösen waren, die wir zu Gesicht bekamen, waren wir sehr begeistert. Über Fabian, der nach einer Stunde neben seinem stumpfigen Schwanz auch seinen wuchernden Schamhaarbusch präsentieren musste, rümpften die feinen Ostblock-Mädchen dagegen die Nase. Es herrschte eine ziemlich lockere Stimmung. Die Geschlechter redeten untereinander in verschiedenen Sprachen, wir lachten aber zusammen, wenn wir vermuteten, dass die anderen etwas Witziges gesagt hatten. Mich hatte die Flasche noch gar nicht getroffen, aber die Hälfte meiner Mitspieler war nackt. Eric saß neben mir und trug nur noch seine Boxershorts. Noch interessierte mich das nicht. Ich steigerte mich wie alle anderen in die Begeisterung hinein, von so vielen nackten jungen Frauen umgeben zu sein. Zu Hause gab es das nicht. Unsere deutschen Mädchen waren prüde! Und wir auch, um ehrlich zu sein. Den klassischen Propeller-Move führt man in der Dusche schließlich erst vor, wenn es wirklich etwas zu schleudern gibt. Das Mannschaftsduschen während der Körperentwicklung war immer von einer gewissen Krampfigkeit und Scham begleitet. Und nun saßen wir zwischen blanken Ungarinnen und schauten angestrengt weg, wenn sie uns ansahen und angestrengt zwischen ihre Beine, wenn sie miteinander redeten.

Es war schon dunkel geworden, das Gesaufe ging fröhlich weiter und irgendwann ließ uns Michael lautstark wissen, seine Mutter habe ihn davor gewarnt, die Ungarinnen zu ficken, weil sie alle nur darauf aus seien, sich ein Kind machen zu lassen, um in Deutschland ein schöneres Leben zu haben. Aber er habe einen Jumbopack Kondome im Rucksack, falls doch jemand wolle. Das löste unter den Beteiligten aller Länder große Aufregung aus. Seine Rede wurde anscheinend von einem der Mädchen übersetzt, was die Damen ihre wenige Wäsche wieder anlegen ließ. Sie verabschiedeten sich sehr abrupt. Michael wurde ein bisschen geschlagen. Ich merkte auch Eric die große Enttäuschung über den Abgang an. Er war den ganzen Abend lang ungewohnt still gewesen und hatte recht oft aus dem Kanister getrunken. Da die Mädchen nun weg waren, war der logische Programmpunkt, nun tabulos über sie und ihre schönen Körper zu reden. Michael wurde noch mehr verprügelt, er und seine Mutter als Verräter beschimpft.

Nach und nach stolperten unsere Betreuer aus dem Weingut heraus und bedeuteten uns, ins Bett zu gehen; so gut sie das eben noch konnten. Den Kanister Rosé, der noch zu einem Viertel gefüllt war, nahm keiner von ihnen wahr, wirklich interessiert hätte sie es aber eh nicht. Eine Gruppe von ihnen wollte noch in die Stadt in den Puff gehen, wie bei jedem Besuch.

Mein Schädel war schon ausreichend dick, also schlug ich Eric vor, ins Hotel zu verschwinden. Er war einverstanden, konnte das aber nur noch beschwerlich ausdrücken. Er musste wirklich viel Rosé getrunken haben. Der noch immer warmen Temperaturen halber verzichtete er darauf, sich wieder ganz anzuziehen. In Boxershorts und Schuhen, die restlichen Klamotten in der Hand, wankte er neben mir her. Dann schlang er seinen Arm um meinen Hals, um etwas stabiler gehen zu können. Ich hatte nichts dagegen, stützte ihn und packte ihn an der Hüfte. Der Weg dauerte nur drei, vier Minuten. Eric laberte vor sich hin, wie scheiße es gewesen sei, dass die Mädchen sich wieder angezogen hätten, sie seien doch so geil gewesen, währenddessen merkte ich kaum, wie meine Hand wie von selbst in den Bund seiner Shorts rutschte und ich nun seine Arschbacke in der Hand hatte. Er schien es auch nicht zu bemerken.

Wenn man schon selbst nicht kapiert, was man will, Freund Alkohol hilft dir, es herauszufinden. Ich schaute verwundert über mich selbst seitlich auf Eric, wie er an mir hing und daherschwafelte, und wurde so geil, als würden mich bei Baywatch drei Hobies auf einmal aus dem Wasser ziehen. Eric war verdammt heiß. Wieso war mir das vorher nie aufgefallen? Und warum überhaupt … ein Junge? Da er so ziemlich nichts mehr bemerkte, würde er wohl auch meinen steifen Schwanz übersehen, der in der Trainingshose doch ganz gut sichtbar war.

Einen Nachtportier hatte unser Hotel nicht, oder er hatte Besseres zu tun, also erregte unser Ankommen keinerlei Aufmerksamkeit. Wir nahmen die Treppen etwas beschwerlich, aber aufrecht, und waren schließlich in unserem Zimmer. Erst da ließ Eric mich los und warf sich auf unser Bett. Hatte ich erwähnt, dass es ein Doppelbett war?

»Was machen wir jetzt?«, fragte er, mit geschlossenen Augen.

Ich stand vor dem Bett und dachte, dass alles, was ich jetzt sagen und vorschlagen würde, ziemlich dumm klingen würde. Meine Sicht auf ihn hatte sich schlagartig verändert. Von dem Kumpel im Tor zu dem Kerl, den ich haben wollte. Haben. Ich wusste nicht mal genau, wofür.

»Was sollen wir machen? Schlafen, denke ich«, sagte ich.

»Ich will noch nicht schlafen, es ist viel zu früh«, lallte er, die Augen noch immer geschlossen.

»Du bist doch schon total besoffen.«

»Stimmt … Ich wollte eine von denen ficken.«

Nach einer etwas zu langen Pause sagte ich wenig überzeugend: »Ich doch auch.«

»Und was machen wir jetzt?«, fragte er noch mal und öffnete die Augen. »Sag mal, hast du ’ne Latte?«

Ich sah an mir runter. Er hatte recht. Sie hatte sich nicht aufgelöst.

»Huch«, sagte ich. Es war mir ziemlich peinlich. Ich sah mich schon auf der Heimreise nach der Freizeit durchgemobbt und allein auf einem Zweierplatz im vorderen Teil des Busses sitzen, von Schmähgesängen umringt. Jede Äußerung und jede Tat kann die Falsche sein, wenn man in der pubertären Gruppenhierarchie nicht ganz oben steht. Eric stand höher als ich.

»Na ja, warum eigentlich nicht?«, sagte er.

Ich sagte: »Hä?«, und dachte: Das kann jetzt nicht sein. Ich denke mir zum ersten Mal, dass ich irgendwas mit einem Kerl … und dann will der auch … oder was hat er gemeint?