Inhalt
Was trauen wir Gott zu?
Kapitel 1: Wenn ich Angst und Sorgen habe
Keine Macht den Sorgen
Der Angst ins Gesicht schauen
Liebe ist stärker als der Schmerz
Der Traum
Kapitel 2: Wenn es anders läuft als geplant
Unser Überraschungsbaby
Gott hat den besten Plan für mich!
Er lässt uns nicht allein
Schlaflos
Reich beschenkt
Kapitel 3: Wenn Gott mich überrascht
Von Gott angestupst
Eine geführte Begegnung
Die himbeerfarbene Tasche
Du bist ein Gott, der mich sieht
Das himmlische Telefon
Kapitel 4: Wenn alles aussichtslos erscheint
Perfektes Timing für die Autopanne
Definiert durch meine Hautfarbe?
Bewahrt in letzter Sekunde
Versöhnung mit meiner alkoholkranken Mutter
Kapitel 5: Wenn ich Schritte ins Ungewisse gehe
Schöne Aussichten
Verborgenes Wirken
Gott handelt spätestens pünktlich
Kapitel 6: Wenn ich krank bin
Wundertaten in stürmischen Zeiten
Abschiedsschmerz und Neuanfang
Mein Plan für dich heißt Leben!
Wir beteten wie nie zuvor
Doppelt und dreifach geschenkt
Kapitel 7: Wenn ich mich einsam fühle
Die 19-Jahre-Liebesgeschichte
Das größte Geschenk
Hilfe von oberster Stelle
Ein harter Überlebenskampf
Kapitel 8: Wenn ich Angst vor der Zukunft habe
Ein neuer Anfang
Kleiner Stein mit großer Botschaft
Der Umzug
Kapitel 9: Wenn das Leben schwer zu ertragen ist
Und ich vertraue dir trotzdem!
Wie ein bunter Mantel auf dem Grab
Gott bleibt derselbe
Segenswunsch
Danksagung
Gottes Macht ist nicht unsichtbar. Sie ist real.
Wenn wir stets auf ihn blicken,
holt er uns aus Zwängen heraus,
die uns in Furcht gefangen halten.
Wir schaffen das Unmögliche,
indem wir uns auf Gott konzentrieren,
bei dem alle Dinge möglich sind.
CHRISTINE CAINE
Wer an Gott glaubt, ist nicht vor Krankheit und Leid geschützt.
Aber: Gott lässt uns nicht damit allein.
ELLEN NIESWIODEK-MARTIN
Was trauen wir Gott zu?
Ich bin keine Vertrauensheldin, sondern neige dazu, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Vermutlich ist das der Grund, warum Gott mir gelegentlich kleine Hausaufgaben in Sachen Vertrauen gibt …
Im vergangenen Jahr waren wir im Urlaub auf einer Nordseeinsel. Auf der Rückfahrt war die Fähre sehr voll, wir standen an der Reling und schauten etwas wehmütig auf das Meer.
Wir waren nicht mehr weit von der Hafeneinfahrt entfernt, als meine kleine Tochter schrie: „Mama, mein Hundi …!“ Ihr Kuscheltier war über die Reling gefallen. Wir konnten es nicht sehen und liefen zum Heck des Schiffes. Dort hinten schwamm es auf den Wellen davon … Unsere Sechsjährige konnte sich nicht mehr beherrschen. Der Hund war ihr liebstes Kuscheltier. Sie schluchzte und schluchzte …
Wir waren ratlos, was wir tun könnten. Dann schipperte auch noch die Fähre in Richtung Insel an uns vorbei. Vermutlich würde das große Schiff den Hund unter Wasser drücken.
Als wir am Hafen ankamen, erkundigten wir uns bei den Angestellten der Fährgesellschaft, ob wir auf dem Steinwall, der neben der Fahrrinne aufgeschüttet ist, hinauslaufen dürften, um nach dem Hund zu suchen. Das durften wir, aber die erfahrenen Hafenarbeiter machten uns keine Hoffnung: Die zweite Fähre habe das Kuscheltier vermutlich aufs Meer hinausgezogen.
Mit dem immer noch schluchzenden Kind an der Hand überlegten wir: Am besten wäre es, das Tier abzuschreiben und uns auf die Heimfahrt zu machen. Es regnete und war ziemlich kalt. Aber das fiel uns irgendwie schwer. Also beschlossen wir, es doch zu versuchen.
Am Hafen gab es ein Museum der Seenotrettung. Ob die auch Kuscheltiere retten würden, bezweifelte ich. Mein Mann ging hinein und kam mit einem Besen mit extralangem Stiel zurück. So ausgerüstet, machte er sich auf den Weg über den glitschigen Steinwall.
Wir standen am Rand des Hafens und schauten ihm zu. Ich kam auf die Idee zu beten. Wir beteten häufig für die Anliegen unserer Kleinen. Aber ich fand, die Chancen auf eine Gebetserhörung standen schlecht, sehr schlecht sogar. Ich überlegte, was ich meinem Kind sagen würde, wenn wir den Hund nicht zurückbekämen. Welches Bild würde sie von Gott bekommen, wenn wir diesen Kuschelhund nicht wiederfänden? Und Gott hatte momentan sicher andere Probleme: Flüchtlinge, IS, Kriege …
Dann merkte ich, was ich da eigentlich dachte. Dass ich mit meinem menschlichen Verstand beurteilte, was Gott tun würde. Dass ich die Chancen auf eine Gebetserhörung berechnete.
So wollte ich nicht denken. Also beschloss ich zu vertrauen. Ich dachte: In Ordnung. Gott, du hast versprochen, dass wir dich um alles bitten dürfen. Dann tun wir das jetzt. Und ich vertraue dir, dass du dieses Kind nicht enttäuschst! Dann beteten wir zusammen.
Nachdem wir gebetet hatten, fuhr die nächste Fähre aufs Meer hinaus. Mein Mann balancierte auf den glitschigen Steinen langsam dahin. Es regnete. Es war eisig kalt.
Inzwischen waren wir so durchgefroren, dass wir ins Hafenlokal gingen und uns etwas Warmes zu essen bestellten. Meinen Mann konnten wir nicht mehr sehen. Ich betete im Stillen weiter. Nach etwa 20 Minuten sah ich ihn: Er hielt ein tropfendes braunes Etwas in der Hand!
Gott hat die Tränen und das Vertrauen meiner kleinen Tochter gesehen. Er hat ihr gezeigt, dass sie ihm wichtig ist. Und dass es in seiner Macht steht, ein Kuscheltier zu retten.
Manchmal hilft Gott erst, wenn die Sache nach menschlichem Ermessen bereits verloren ist. Er gebraucht Situationen, die uns unmöglich scheinen, um uns seine Macht zu zeigen. Dadurch können wir erkennen, wie groß Gott ist. Und wie viel wir ihm bedeuten.
Davor steht unsere Entscheidung, Gott zu vertrauen. Die Entscheidung, unsere Sorgen vor seine Füße zu legen.
Die Autorinnen dieses Buches haben das getan. Ich wünsche Ihnen, dass die unterschiedlichen Vertrauensgeschichten Sie ermutigen und Ihnen eine Hilfe sind für die Situation, in der Sie gerade stecken.
Ihre Ellen Nieswiodek-Martin
Die Zeit bleibt stehen
Fassungslos stehe ich da.
Meereswellen gleich überspülen mich Trauer,
Schmerz und tiefe Verzweiflung.
Sie reißen mich mit voller Wucht in die Tiefe.
Eine lähmende Stille umhüllt meine verwundete Seele.
Mitten in diesem Wirrwarr der Gefühle,
mitten in der Ohnmacht der Gedanken
höre ich eine leise, sanfte Stimme, die zu mir spricht:
„Komm her zu mir.
Lege deine Last ab und ruhe dich bei mir aus.
Ich werde dir Ruhe geben und dein aufgewühltes
Herz mit meinem Frieden erfüllen.
Ich bin der Anker im Sturm dieser Zeit,
ein starker Fels inmitten der Brandung.
Ich verlasse dich nicht und lasse dich nie im Stich.
Denn ich bin der Herr, dein Gott, der dich liebt.“
JRENE BIRCHER
Keine Macht den Sorgen
Katja Bieneck
Ich mache mir oft im Vorfeld Gedanken darüber, was alles schiefgehen könnte. Das Leben ist schließlich kein Ponyhof! Beziehungen, die schmerzhaft scheitern; Operationen, die misslingen; berufliche Probleme – jeder kann ein Lied davon singen.
Vor einigen Jahren befand ich mich in einer Situation, in der ich mir viele Sorgen machte. Ich hatte eine neue Stelle angetreten und musste erleben, dass mein Arbeitsstil nicht auf Gegenliebe stieß. Es gab einige ältere Mitarbeiterinnen, die sehr klare Vorstellungen davon hatten, wie dieses oder jenes getan werden musste, ich dagegen war eher unkonventionell und innovativ in meinem Tun.
Im Nachhinein ist mir bewusst, dass ich als Neuling sicherlich an mancher Stelle zu schnell vorgeprescht bin, ohne meine Kolleginnen angemessen miteinzubeziehen. Aber keiner sprach mich darauf an, keiner sprach mit mir, sondern nur über mich. Es gab auch vieles, was ich gut machte, aber das fand keine Resonanz.
Später erfuhr ich, dass vor mir schon etliche Mitarbeiterinnen gemobbt worden waren. Eine schwangere Angestellte hatte unter großem zwischenmenschlichen Druck sogar von sich aus gekündigt. Ein Verwaltungsmitarbeiter hatte mich schon im Vorfeld vor diesem Arbeitsplatz gewarnt. Aber da ich von solchen Dynamiken keine Ahnung hatte, hatte ich dem keine Bedeutung beigemessen und war mit Optimismus in die neuen Aufgaben gestartet.
Kurz nach Arbeitsantritt begann das Mobbing. Gespräche verstummten, wenn ich den Raum betrat. Kollegen beeinflussten den Abteilungsleiter gegen mich und verbreiteten Zerrbilder von mir (wovon ich allerdings zunächst nichts mitbekam).
Als ich allmählich bemerkte, wie die unterschwellige Feindseligkeit zunahm, wehrte ich mich nicht. Ich war unerfahren in solchen Dingen und dachte, unterschwellige Konflikte ließen sich durch Freundlichkeit und berufliche Anstrengung lösen. Die Tragweite des Ganzen erfasste ich nicht. Als ich zwei Wochen vor Ende der Probezeit einen Krankenhausaufenthalt hatte, wurde mir genau in dieser Zeit gekündigt. Da ich durch eine schwierige OP insgesamt recht mitgenommen war, traf mich dieser Schlag schwer und hinterließ tiefe Spuren in meiner Seele.
Ich war ein halbes Jahr arbeitslos und suchte nach neuen Perspektiven. Schließlich zog es mich zu einem Studium, für das ich mich sehr interessierte, und ich bekam auch einen Studienplatz.
Während des Studiums machte ich mir Sorgen, wie es hinterher weitergehen würde. Ich hatte große Angst, dass mich niemand einstellen würde, nachdem mir in meiner letzten Anstellung in der Probezeit gekündigt worden war. Ich war in meinem ganzen Auftreten sehr verunsichert. Keine guten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bewerbung! Oft war ich schon „prophylaktisch verzweifelt“, weil ich davon ausging, dass sich die schlimme Erfahrung wiederholen würde und meine ganze Art verkehrt sei. Ich betete viel und brachte meine vielen Fragen vor Gott.
In einem Gottesdienst, den ich in dieser Zeit besuchte, wurden wir dazu aufgefordert, das, was uns beschäftigte, auf Zettel zu schreiben und vor das Kreuz zu legen. Auf meinem Zettel stand, dass ich Angst hatte unterzugehen – das klingt ein bisschen dramatisch, aber es entsprach meinem Gefühl in dieser Zeit. So legte ich Gott diese Angst im Stillen hin.
Kurze Zeit nach diesem Gottesdienst lasen wir im Hauskreis einen Psalm. Von meinem Gebetszettel und dass ich Angst hatte unterzugehen, wusste mein Hauskreis nichts. Wir lasen reihum Psalm 103, den irgendjemand bei der Vorbereitung des Abends ausgewählt hatte. Einer fing an und dann ging es Vers für Vers im Uhrzeigersinn weiter. Als ich mit Vers 4 an der Reihe war und die Worte laut vorlas, fiel mir beim Lesen fast die Bibel aus der Hand. Da stand in meiner Bibelübersetzung, dass Gott mein Leben vor dem Untergang rettet! Gott hatte mein Gebet wortwörtlich aufgegriffen. Diese Aussage fiel in mein Herz, als hätte Gott persönlich mit mir gesprochen.
Ich spürte, dass Gott mich gehört hatte und mir Mut machte, keine Angst zu haben, weil er für mich sorgen würde. Ich konnte mir zwar überhaupt nicht vorstellen, wie das aussehen könnte, aber die Worte prägten sich mir ein.
Und es kam genau so, wie er es versprochen hatte. Am Ende meines Studiums wurde eine Stelle bei einem guten Träger in meinem Wunscharbeitsfeld neu eingerichtet und ausgeschrieben. Eigentlich wurden in diesem Arbeitsfeld keine Berufsanfänger genommen, aber Gott öffnete mir diese Tür. Kein Problem ist für ihn zu groß. Das Team, mit dem ich die nächsten zwölf Jahre verbringen durfte, entpuppte sich als Traumteam: Wir verstanden uns gut, lachten viel miteinander und standen uns bei Schwierigkeiten zur Seite. Jeder wurde so angenommen, wie er war. Meine Verunsicherung wich mit der Zeit und ich blühte auf.
Ich glaube, dass Gott damals eingehend Ausschau gehalten hat, wo ein geeignetes Plätzchen für meine besondere Ausgangslage wäre, und dass er diese wunderbare Stelle dann für mich persönlich geschaffen hat.
Ich bin dadurch kein anderer Mensch geworden, und das Leben ist immer noch kein Ponyhof, aber ich habe einen wertvollen Schlüssel für den Umgang mit Herausforderungen gefunden: die tiefe Gewissheit, dass Gott für mich sorgen wird. Und ich mache immer wieder eindrückliche Erfahrungen mit Gott, die mir helfen, diesen Zuspruch auch auf andere Lebensbereiche und Situationen zu übertragen.
Die christliche Schriftstellerin Corrie ten Boom sagte einmal: „Mut ist Angst, die gebetet hat.“ So geht es mir auf meinem Weg vom Sorgen zum Vertrauen: Meine Gespräche mit Gott und die Erfahrung, wie seine Fürsorge mich trägt, helfen mir, aktuelle Krisen und Nöte in seine Hände zu legen und an seiner starken Hand weiterzugehen.
Ich bin Gott sehr dankbar für seine Treue und Geduld und wünsche mir, dass auch andere Gottes Nähe und seinen mächtigen Beistand spürbar erfahren.
Katja Bieneck ist ein Pseudonym.
Der Angst ins Gesicht schauen
Esther Lieberknecht
Lange Zeit geriet ich jedes Mal in Panik, sobald ich die ersten Anzeichen einer möglichen Erkrankung bemerkte. Ich sah mich schon im Krankenhaus, den schlimmsten Behandlungen ausgeliefert. Viele Jahre lang war mir diese extreme Reaktion ein Rätsel. Bis ich meine erste Kindheitserinnerung näher unter die Lupe nahm …
Ich liege in einem Gitterbett aus kaltem, glänzendem Metall. Ich kann nicht weg, bin eingesperrt. Ich bin allein im Zimmer. Schreien hilft nichts. Ich bin krank und der Welt des Krankenhauses ausgeliefert. Ich bin ein vierjähriges Mädchen und wegen Scharlach in Quarantäne. Da sich niemand anstecken soll, darf nur eine Krankenschwester ins Zimmer. Es ist niemand da, der mich tröstet, in den Arm nimmt, mit mir spielt. Sie haben mich vergessen!, denke ich immer wieder. Wo ist meine Mama? Wo ist mein Papa? Wo sind meine Geschwister?
Endlich tut sich etwas vor der großen Fensterscheibe zum Flur hin. Leute laufen vorbei. Aber sie bleiben nicht stehen. Da, ein Klopfen an der Scheibe. Meine Mutter steht davor. Sie hat mich doch nicht vergessen!, denke ich. Meine Mutter lächelt und winkt. Sie holt eine Puppe hervor und zeigt sie mir. Das ist deine Puppe, gibt sie mir zu verstehen. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht.
Nachdem meine Mutter gegangen ist, kommt die Krankenschwester und bringt mir die Puppe. Glücklich nehme ich die Puppe in den Arm. Sie haben mich doch nicht vergessen, denke ich immer wieder. Meine Mama ist da. Wenn ich wieder gesund bin, holt sie mich ab. Die Puppe ist das Zeichen dafür.
Dieses Erlebnis hat sich tief in mein Herz gegraben. Deshalb die überdimensionale Angst bei den kleinsten körperlichen Symptomen, die eine Krankheit ankündigen könnten. Ich spulte immer wieder das gleiche Programm ab: das Angst-Programm.
Die Angst trennte mich von anderen Menschen. Ich hatte das Gefühl, ganz allein zu sein auf dieser Welt. Manchmal schaffte ich es noch nicht mal, mit meinem Mann über meine Gefühle zu sprechen. Die Angstgefühle traten besonders dann auf, wenn ich körperlich erschöpft war.
Ja, dieses Kindheitserlebnis hat mich geprägt. Doch heute bin ich erwachsen und kann mich entscheiden, wie eine erwachsene Frau damit umzugehen. Für mich war es wichtig, den Schmerz der Trennung von meiner Mutter noch einmal zu spüren. Als ich diese Kindheitserinnerung in meiner Schreibgruppe vorlesen wollte, war mir das fast nicht möglich, weil ich mit den Tränen kämpfte. Diese Trauer habe ich zugelassen und bewusst empfunden.
Nach der Trauer kam die Wut: „Warum hat meine Mutter das zugelassen? Gab es keine andere Möglichkeit, als mich allein zu lassen?“ Auch dieses Gefühl habe ich mir erlaubt: „Ja, ich bin wütend darüber, wie sie damals mit mir umgegangen ist!“ Um die Erfahrung neu zu bewerten, wollte ich etwas über die Sicht meiner Mutter erfahren. So traf ich mich mit ihr zu einem Gespräch über all meine Fragen: Wie hatte sie diese Situation erlebt? Hatte sie auch darunter gelitten? Hatte es keine andere Lösung gegeben? Warum nicht? Ihre Perspektive hat meine Sichtweise relativiert.
Meine Beziehung zu Gott hat Vergebung ermöglicht. In dem von Gott geschenkten Frieden konnte ich meiner Mutter verzeihen und selbst Frieden bekommen über dieser Erinnerung.
Meine Ängste sind zwar noch immer nicht restlos verschwunden, aber ich habe eine Strategie entwickelt, damit umzugehen:
Der Angst ins Gesicht schauen. Ich versuche so früh wie möglich zu erkennen: „Achtung, du hast Angst!“ Wenn ich es schaffe, in dieser Phase zu meinem Mann zu sagen: „Ich habe Angst!“, stelle ich mich diesem Gefühl in den Weg. Ich schaue ihm ins Gesicht und durchbreche die Isolation, in die ich sonst geraten würde. Wir können dann darüber reden und die Angst verliert ihre Macht über mich.
Der Angst einen Namen geben. Wenn ich der Angst einen Namen gebe, kann ich inzwischen manchmal sogar darüber lächeln. Zum Beispiel sage ich dann: „Hallo, da bist du ja wieder, meine ‚Ich bin krank‘-Angst! Oder meine ‚Ich kann das nicht‘-Angst! Oder meine ‚Es ist mir alles zu viel‘-Angst!“
In Bewegung bleiben. Mich in der Angstsituation hinzusetzen und zu grübeln hieße, mich der Angst zu überlassen. Deshalb frage ich lieber: „Wie kann ich mich jetzt entspannen und ablenken?“ Die Antwort kann zum Beispiel ein Spaziergang mit dem Hund oder ein Treffen mit einer Freundin sein. Oder ein spannendes Buch lesen. Oder Wäsche bügeln. Oder einen Brief schreiben. Durch diese Aktivitäten unterbreche ich die Spirale der Angst. Ich setze ihr eine Aktion entgegen, und sie hat keine Möglichkeit, Raum zu gewinnen.
Wenn ich Angst habe, fühle ich mich meist einsam und von Gott verlassen. Die Verbindung zu ihm ist wie abgeschnitten. Doch mit dem Gebet „Herr, ich habe Angst!“ stelle ich diese Verbindung wieder her. Ich erinnere mich an Gottes Zusagen. Zum Beispiel: „Ich werde dich nie verlassen und dich nicht im Stich lassen“ (Hebräer 13,5; Neues Leben). Oder: „Ich bin jeden Tag bei euch, bis zum Ende der Welt“ (Matthäus 28,20; Neue Genfer Übersetzung). Oder: „Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine schützende Hand über mir“ (Psalm 139,5; Hoffnung für alle). Ein Vers aus dem Buch Hiob macht mir Gottes Nähe und Schutz besonders bewusst: „So reißt er auch dich aus dem Rachen der Angst in einen weiten Raum, wo keine Bedrängnis mehr ist“ (Hiob 36,16; Luther). Dieses Bibelwort ist zu einem Anker in meinem Leben geworden.
Das Thema „Angst“ begleitet mich bis heute. Den „weiten Raum“ zu erobern ist ein Prozess. Doch dieser Prozess hält mich in der Nähe zu Gott. Ich lerne ihn und mich selbst besser kennen. Dafür bin ich dankbar, und ich will darauf vertrauen, dass Gott jeden Tag bei mir ist. Und stärker als die Angst.
Esther Lieberknecht ist verheiratet und Mutter von drei Kindern. Sie schreibt gern und ist in ihrer Gemeinde aktiv.
Liebe ist stärker als der Schmerz
Daniela Gäbel
Wir hatten mit großer Vorfreude auf unser Baby gewartet. Schon lange wünschten wir uns ein zweites Kind. Nach zwei Fehlgeburten durften wir unsere Tochter nun stolz und glücklich in Empfang nehmen. Sie war so winzig. Ein rundes, zerdrücktes Babygesicht, nur eine Locke auf dem Kopf: unsere Emmi.
Doch schon am nächsten Tag wurde sie wegen Atmungsauffälligkeiten auf die Säuglingsintensivstation verlegt. Die Ärzte redeten von „fazialen Dysmorphiezeichen“. Zu Deutsch: „Sie sieht behindert aus!“ Ich war fassungslos und wütend. Meine Emmi sah doch aus wie jedes andere kleine Baby auch! Leider irrte ich mich; es war doch nicht alles in Ordnung.