Autor: Wladimir Lukonin und Anatoli Iwanow

Redaktion der deutschen Ausgabe: Klaus H. Carl

 

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Gegebenenfalls bitten wir um Benachrichtigung.

 

ISBN: 978-1-78310-696-7

Wladimir Lukonin und Anatoli Iwanow

 

 

 

DIE KUNST PERSIENS

 

 

 

 

 

 

 

Inhalt

 

 

 

Die Kunst Persiens: vom Altertum bis zum 19. Jahrhundert

Katalog

Bibliografie

Abbildungsverzeichnis

Bemerkungen

Interieur der Blauen Moschee. Isfahan, Iran.

 

 

Die Kunst Persiens:
vom Altertum bis zum 19. Jahrhundert

 

 

Der dem Leser hiermit vorliegende Bildband besteht aus zwei Teilen. In einer umfassenden Einleitung wird, wenn auch nur in ganz allgemeinen Zügen, der Versuch unternommen, die Entwicklung der Kunst Persiens, beginnend mit dem ersten Eindringen persischer Völker in das iranische Hochland während des 10. bis 8. Jahrhunderts v. Chr. bis in das 19. Jahrhundert hinein, zu beschreiben. In den ausführlichen Erläuterungen zu den im Bildteil des Buches wiedergegebenen Kunstgegenständen werden nicht nur allgemeine Angaben wie Entstehungszeit, Beschreibung des Objekts, Fundort, Technik der Herstellung usw. gemacht, sondern häufig werden auch kurze wissenschaftliche Berichte über die in verschiedenen Museen der ehemaligen UdSSR aufbewahrten Gegenstände der persischen Kunst eingefügt, die unserer Meinung nach besonders typisch sind und somit besondere Aufmerksamkeit verdienen. Ein Teil dieser Objekte wird in diesem Band erstmals veröffentlicht.

Wir haben uns bemüht, nach Möglichkeit nur die für die Kunst Persiens charakteristischen Werke auszuwählen, und keine, die außerhalb der Grenzen des heutigen Iran entstanden sind (in Transkaukasien, Mittel- und Zentralasien usw.), auch dann nicht, wenn dies unter starkem Einfluss der persischen Kultur geschah.

Der Bildteil soll unsere Idee anschaulich machen. Wir sind davon überzeugt, dass die Kunst des Iran, die sich vom 10. bis zum 7. Jahrhundert v. Chr. herausbildete und natürlich auch Zeiten des Aufschwungs und Niedergangs kannte und ungeachtet stürmischer und oft tragischer politischer Veränderungen, trotz grundlegender ideologischer Wechsel, trotz ausländischer Invasionen und der mit ihnen einhergehenden Umwälzungen in der Wirtschaft des Landes im Verlauf ihrer gesamten Entwicklung bis in das 19. Jahrhundert hinein einheitlich, individuell und zutiefst traditionell war.

Bei unserem Versuch, einen allgemeinen Abriss der Entwicklung der Kunst des Iran in einem derart umfassenden Zeitraum zusammenzustellen, konnten wir auf kunstgeschichtliche Charakteristiken und Analysen nicht eingehen. Die Besonderheiten von „Morphologie“ und „Syntax“ der Kunst des Nahen Ostens, die sich grundlegend von denen des Westens unterscheiden, das Fehlen von ausreichendem Quellenmaterial, die unzureichende Auswertung von Kunstgegenständen ganzer Epochen, die Verschiedenheit der kunsthistorischen Begriffe und eine Reihe anderer Argumente dienen als Beweis für die unbestreitbare Tatsache, dass es gegenwärtig noch nicht möglich ist, eine vollständige und ernsthafte Analyse der Kunstdenkmäler des Nahen Ostens zu geben. Jetzt geht es vor allem darum, die Kunstgegenstände historisch zu interpretieren, sie somit als Quellen zur Kulturgeschichte dieser oder jener Epoche auszuwerten, sie als Hilfsmittel zum Schließen vorhandener Lücken in unseren Kenntnissen über die Ideologie der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung des Iran zu verwenden. Die in dieser Form gestellte Aufgabe führt (zumindest beim gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse) unausweichlich zur Schaffung von Näherungsmodellen der Kunstentwicklung. Trotzdem lassen sich unschwer Parallelen zu anderen, vor allem schriftlichen Zeugnissen der entsprechenden Periode erkennen. Bei kunstgeschichtlichen, den Iran betreffenden Forschungen jedoch treten einige schwer lösbare Probleme auf, denn es gibt nur sehr wenige Kunstdenkmäler des Altertums, d. h. vom Entstehen der iranischen Kunst bis zum Ende der Herrschaft der Sassaniden-Dynastie. Die Hauptgefahr bei der Erarbeitung von Modellen für die Kunst dieser Zeit besteht somit darin, dass man geneigt ist, die Verbindungslinien zwischen den wenigen Fakten zu gerade zu ziehen.

Die Charakterisierung wird somit stark vereinfacht, wodurch wiederum neue Probleme entstehen. Die Schaffung derartiger Modelle ist ziemlich schwierig, da man gezwungen ist, alle vorhandenen Zeugnisse auszuwerten, beginnend mit der Ikonographie der Kulturdenkmäler bis hin zu linguistischen Studien, und nur wenn sich die verwendeten Bausteine in keinem Fall widersprechen, kann eine gewisse Überzeugung von der Richtigkeit des erhaltenen Modells entstehen. Mit anderen Worten: Es ist notwendig, ein sehr umfangreiches und vor allem verschiedenartiges Quellenmaterial auszuwerten.

Anders verhält es sich mit der Schaffung von Modellen des Mittelalters. Eine sehr große Anzahl von Kunstgegenständen verführt dazu, die sie verbindenden Linien zu sehr abschweifen zu lassen. Das Material selbst und der Vergleich der schriftlichen Quellen mit den Informationen, die aus eventuell vorhandenen Inschriften hervorgehen, verleiten den Forscher dazu, an jedem einzelnen Gegenstand alle Seiten seiner Entwicklung zu berücksichtigen. Im Endeffekt besteht die Gefahr, im Meer der Fakten, seien es auch solche, die von niemandem angezweifelt werden, zu ertrinken, ohne gewisse Haupttendenzen der Entwicklung der entsprechenden Periode überhaupt erkannt zu haben.

Eine andere Gefahr besteht darin, in den „wissenschaftlichen“ Fehler zu verfallen, bedeutende politische oder ideologische Veränderungen einerseits (zum Beispiel die Ablösung der zoroastrischen Religion durch den Islam oder die Eroberung des Iran durch die Seldschuken) und Veränderungen in der Kunst andererseits in einem zu engen Zusammenhang zu sehen. Weitere Schwierigkeiten, vor denen die Wissenschaftler stehen, sind Ungenauigkeiten in der Datierung von Objekten, das Fehlen von Angaben über ihren Fundort u. v. a. m.

Wir haben den Versuch unternommen, genau zwischen den beiden verschiedenen Arten der Kunst zu unterscheiden: den Prestigeobjekten, die ideologische, offizielle, dynastische und andere derartige Konzeptionen widerspiegeln und den handwerklichen oder, besser gesagt, kommerziellen Werken, an denen der Geschmack derer, die diese Werke bestellt haben, bzw. bestimmte lokale Traditionen des Kunsthandwerks oder Veränderungen und Weiterentwicklungen handwerklicher Methoden bedeutend besser zu erkennen sind. Es ist selbstverständlich, dass diese beiden Kategorien eng miteinander verbunden sind und dass ihr zeitgleiches Vorkommen dazu beitragen kann. Man muss sich aber auch darüber im Klaren sein, dass die Prestigeobjekte Veränderungen in der gesellschaftlichen Struktur deutlicher aufzeigen, während die handwerklichen eine wichtige Stütze (manchmal beinahe die einzige) bei der Datierung und Lokalisierung der Gegenstände darstellen. Außerdem bringen letztere die Veränderungen in der Wirtschaft des Landes besser zum Ausdruck als die sozialen Veränderungen, die nur teilweise erkennbar sind.

Im Altertum (beginnend spätestens mit der Epoche der Meder) sind die Prestigeobjekte diejenigen, die unmittelbar mit der herrschenden Dynastie verbunden sind, die auf Bestellung der Herrscher des Iran direkt an deren Höfen angefertigt wurden und somit ihren Geschmack und die zu dieser Zeit vorherrschende Ideologie reflektieren. Man sollte sie vielleicht besser „proklamativ” nennen. Sie gehören alle zu einer bestimmten Periode in der Geschichte des Alten Orients, zur Periode der „Weltmächte“, und vermitteln ein umfassendes Bild vom Niveau der Kunst in diesem Gebiet und nicht nur einzelner Dynastien. Für diesen Zeitraum ist die zeitliche Einordnung in Abhängigkeit von den Dynastien jedoch die einzige Möglichkeit wissenschaftlicher Periodisierung. Im Mittelalter kam die Rolle der „proklamativen“ Kunstwerke anderen Objekten zu als im Altertum. Das lag in den grundlegenden Veränderungen des staatlichen Charakters, der Struktur und der Ideologie der Gesellschaft begründet. Man kann nicht sagen, dass im Mittelalter die Periodisierung nach Dynastien ihre Bedeutung ganz verloren hatte. Doch Dynastien zerfallen, haben nur noch lokale Bedeutung, und die Vielfalt der Themen wie auch die technischen Fertigkeiten verringern sich natürlich. Ebenso verändert sich der Prestigebegriff. Nicht mehr die Darstellung der Ideen der herrschenden Dynastien, sondern die Demonstration des sozialen Status spiegelt sich in den Kunstgegenständen wider. Ansehen wird nicht mehr durch Herkunft, sondern durch Reichtum und Einfluss bestimmt.

Für diese Epoche ist es bedeutend schwieriger, allgemeine Modelle der Kunstentwicklung zu schaffen. Grund dafür sind die zunehmende Dezentralisierung, die Erweiterung des Umfangs der Prestigeobjekte, die neu auftretenden Schwierigkeiten bei ihrer Interpretation und schließlich die Annäherung der Prestigeobjekte an die handwerklichen Erzeugnisse. Es ist derzeit nur möglich, die Kunstgegenstände nach „technischen“ Merkmalen chronologisch einzuordnen, d. h. auf der Grundlage der Auswertung der Massenprodukte, vor allem der handwerklichen Objekte. Wenn wir bestimmte Etappen der Kunstentwicklung des Iran im Mittelalter beobachten, können wir dabei nicht sagen, wodurch die bedeutenden Veränderungen in verschiedenen Kunstrichtungen hervorgerufen wurden, ja wir wissen nicht einmal in allen Fällen, ob es sich überhaupt um solche Veränderungen oder nur um einen Wandel technischer Verfahren oder des Zeitgeschmacks handelt.

Die in dieser Einführung getroffenen Feststellungen sind längst nicht alle ausreichend begründet, viele von ihnen sind umstrittene Hypothesen. Somit kann es ohne Weiteres geschehen, dass es uns genau so geht wie dem Sohn eines Padischah in einer Geschichte von Dschalal ad-Din ar-Rumi. Der Sohn dieses Padischahs beschäftigte sich einst mit dem Studium der Magie und lernte, Gegenstände, die er nicht sehen konnte, zu erraten. Sein Vater hielt einen Ring mit einem Edelstein in der Hand und fragte: „Was ist das?“ Der Sohn antwortete, dass der Gegenstand rund sei, eine Beziehung zu Mineralien hätte und in der Mitte mit einer Öffnung versehen sei. „Was ist es denn aber nun?“ wollte der Vater genauer wissen. Nach langem Überlegen antwortete der Sohn: „Ein Mühlstein…“

Seit mehr als hundert Jahren wird in der Fachliteratur die Frage diskutiert, wann und auf welchen Wegen die iranischen Völker, vor allem die Meder und Perser, auf das Iranische Plateau gekommen sind. Die Namen dieser Völker tauchen erstmals in assyrischen Texten des 9. Jahrhunderts v. Chr. auf (die früheste Erwähnung finden sie in einer Inschrift aus der Zeit des assyrischen Königs Salmanasar III., um 843 v. Chr.). Wissenschaftler haben jedoch die iranischen Namen einiger Herrscher und Orte bereits in noch früher entstandenen Keilschrifttexten gefunden.

Entsprechend einer der meist diskutierten Theorien erfolgte die Ansiedlung der iranischen Stämme auf dem Gebiet des heutigen Iran im 11. Jahrhundert v. Chr., wobei die Wanderungswege, zumindest des größten Teils dieser Stämme, über den Kaukasus führten. Eine der anderen Theorien geht davon aus, dass die iranischen Stämme aus dem Territorium Mittelasiens ihren Weg zur Westgrenze des Hochlands des Iran gefunden haben (um das 9. Jahrhundert v. Chr.). In jedem Fall handelte es sich um ein allmähliches Eindringen einer neuen ethnischen Gruppe in ein in sprachlicher Hinsicht außerordentlich zersplittertes Gebiet. Außer den von Assyrien und Elam beherrschten Territorien gehörten zu ihm auch noch Dutzende kleiner Fürstentümer und Stadtstaaten.[1] Die iranischen Stämme, Viehzüchter und Ackerbauern, die sich als erste in diesen zu Assyrien, Elam, Urartu und dem Land der Mannäer gehörenden Gebieten niederließen, gerieten unter die Herrschaft der Machthaber dieser Staaten.

Miniatur: Rostam belagert die Festung von Kafur,

Persische Teppiche (Nahaufnahme).

 

 

Diese beiden Probleme, die Wege des Vordringens der iranischen Stämme in das Hochland und die Formen ihrer Einbürgerung in die verschiedenartigen Urbevölkerungsgruppen des heutigen Iran im 12. und 11. Jahrhundert v. Chr. scheinen nur indirekt mit der Kulturgeschichte und der Entwicklung der Kunst des Landes verbunden zu sein. Doch gerade sie waren es, die die Anregung zu einem gezielten und territorial sehr breit gefächerten Forschungsprogramm der vor- und frühiranischen Epoche oder, um einen archäologischen Begriff zu verwenden, der Eisenzeit des Iran, gaben. Als Ergebnis intensiver Forschungen im Iran von Archäologen vieler Länder, beginnend in den 50er Jahren bis hin zur heutigen Zeit, kam der Großteil der Forscher zu der Ansicht, dass die in den westlichen Gebieten des Iran (Zagros) in der Periode der Ersten Eisenzeit (etwa 1300 bis 1000 v. Chr.) auftauchenden neuen Stämme den Charakter der materiellen Kultur dort einschneidend veränderten. Einige Wissenschaftler sind der Meinung, dass dieses Eindringen „sehr deutlich und in einer dramatischen Art und Weise“ vor sich ging. Es treten markante Veränderungen in Form und Ornamentik der Keramik auf; anstelle bemalter Gefäße erscheinen in völlig neuen Formen solche aus grauem oder rotem Ton, so genannte „Teekannen“, Pokale mit hohem Fuß, Tripoden, usw. Die Begräbniszeremonien veränderten sich: außerhalb der Stadtmauern entstanden ausgedehnte „Friedhöfe“, erstmals erfolgen Beisetzungen in so genannten „Steinkästen“ oder Zisten u. a. m.

Später, in der Epoche der Zweiten (1000 bis 800 v. Chr.) und Dritten Eisenzeit (800 bis 550 v. Chr.) vollzogen sich die Veränderungen allmählich innerhalb dieser einheitlichen Kultur, deren tragende Elemente von außen kamen. Ihre zunächst räumlich begrenzte Verbreitung in Zagros scheint dem Prozess der Ansiedlung iranischer Stämme, die uns aus schriftlichen Quellen bekannt sind, im Prinzip nicht zu widersprechen. Noch später (während der Dritten Eisenzeit) eroberte sich diese Kultur ein umfangreiches, praktisch den gesamten westlichen Iran umfassendes Gebiet. Diese Verbreitung hängt möglicherweise mit der Entstehung und Expansion des medischen und des persischen Staates zusammen.

Eine detaillierte Analyse aller bis heute herausgegebenen Materialien zu diesem Thema scheint dieses Bild jedoch zu zerstören. Erstens existieren keine schlüssigen Beweise dafür, dass neue Formen der Keramik und ihre Ornamentierung wirklich und ausschließlich mit ethnischen Veränderungen zusammenhingen; es könnten auch andere Einflüsse (Veränderungen der Bearbeitungstechniken, des Zeitgeschmacks u. ä.) eine gewisse Rolle gespielt haben. Zweitens erscheint auch das Bild der Begräbniszeremonien, ein Faktor, der doch bedeutend enger mit einem bestimmten Ethos verbunden zu sein scheint, verwischt, wenn man die überaus unterschiedlichen Begräbnisriten im gesamten Gebiet des Iran betrachtet. Schließlich führt auch eine genaue Betrachtung der Fakten der „archäologischen Revolution der Eisenzeit“ zu der Schlussfolgerung, dass es sich am Beginn dieser Periode keineswegs um eine plötzliche Veränderung oder um eine umfassende, einheitliche Kultur handelt.

Dem Vorgang, wie er aus der Auswertung schriftlicher Quellen hervorgeht, würde vielmehr eine allmähliche Anhäufung neuer Merkmale der materiellen Kultur entsprechen, die Jahrhunderte in Anspruch nahm. Es mag scheinen, dass die Probleme, die mit archäologischen Modellen der frühen Geschichte des Iran oder mit Veränderungen in der Gestaltung der Keramik und des Brauchtums verbunden sind, nur indirekt mit der Kultur- und Kunstgeschichte des Iran zusammenhängen. Aber es waren doch gerade die archäologischen Ausgrabungen in den 50er bis 70er Jahren, die uns eine völlig neue und unerwartete Seite der frühen iranischen Kultur aufzeigten, die uns herrliche, bis dahin noch völlig unbekannte Kunstdenkmäler, vor allem Metalltreibarbeiten, zugänglich machten. Diese Objekte werden mit wechselndem Erfolg datiert; davon abhängig ist jedoch, wem sie zugeordnet werden können (der Urbevölkerung des Gebietes oder den Iranern) und was sie darstellen (altorientalische Kompositionen der Urbevölkerung oder neue Werke iranischer Meister), auch die Lösung der Frage nach dem Ursprung der iranischen Kultur ist damit verbunden.

Im Sommer des Jahres 1958 stieß der Archäologe Robert Dyson beim Freilegen eines Raumes in der Festung Hasanlu (in der Nähe des Sees Urmia) auf die Überreste der Hand eines Menschen, die mit dem grünlichen Oxid eines Bronzehandschuhs bedeckt war. Er schrieb darüber Folgendes:

„Als ich das Skelett freizulegen begann, blitzte plötzlich Gold auf. Zuerst dachte ich, es handele sich um ein goldenes Armband, aber das Gold reichte immer tiefer, bis ich schließlich auf ein goldenes Gefäß stieß. Die gründliche Reinigung zweier weiterer Skelette, die neben dem ersten gefunden wurden…, zeigte folgendes: das Gefäß wurde von einem dieser drei Menschen aus dem brennenden Gebäude getragen; alle drei befanden sich zur Zeit des Ausbruchs des Brandes in der ersten Etage des Gebäudes. Als die Zwischendecke einstürzte, fiel der erste der drei mit dem Gesicht nach unten auf seine ausgestreckten Arme, sein eisernes Schwert mit einem goldbeschichteten Griff verletzte ihn dabei an der Brust. Der zweite, der das Gefäß trug, fiel auf die rechte Seite, so dass seine rechte Hand in dem Bronzehandschuh an eine Wand gedrückt wurde; das Gefäß fiel neben ihm zu Boden, und der Schädel wurde ihm durch seinen schweren Bronzehelm eingedrückt. Als der Träger des Gefäßes nach unten fiel, befand sich der dritte Krieger links von ihm. Dieser fiel ebenfalls hinunter, nachdem er über das Bein des Gefäßträgers gestolpert war, und von oben stürzten die Reste des Daches und der Wände herunter“.[2]

Die Festung Hasanlu, die Residenz eines hier ansässigen Fürsten, wurde offensichtlich am Ende des 9. oder ganz am Anfang des 8. Jahrhunderts v. Chr. belagert und zerstört. Das goldene Gefäß, welches die Palast- oder Tempelwächter retten wollten, hatte offensichtlich eine sakrale Funktion. Im oberen Teil des Gefäßes (20,6 x 28 cm, Gewicht: 950 g) sind drei Gottheiten abgebildet, die sich in Wagen befinden, von denen einer mit einem Stier und zwei mit Maultieren bespannt sind. Vor dem Stier steht ein Opferpriester mit einem Gefäß in der Hand. Bei den Götterbildern handelt es sich wahrscheinlich um den Herrscher des Gewitters, des Regens und des Himmels (aus dem Maul des Stieres fließt Wasser), den Gott des entsprechenden Landes mit einer Krone mit Geweih auf dem Kopf und um den geflügelten Sonnengott mit der Sonnenscheibe. Auf dem Gefäß sind über 20 verschiedene Gestalten abgebildet, darunter Götter, Helden, wilde Tiere und Ungeheuer sowie Opferszenen, der Kampf eines Recken mit einem Drachen in Menschengestalt, das Ritual einer Kindestötung und der Flug eines Mädchens auf einem Adler. Höchstwahrscheinlich haben wir es hier mit mythologischen Darstellungen der Hurriter zu tun (die uns durch die hethitischen Überlieferungen „Das göttliche Königreich“ und „Die Lieder der Ullikummi“ bekannt sind), in denen als Hauptfigur Kumarbi der Drachentöter, der Sohn der hurritischen Gottheit Anu, auftritt. Von Sujet und Komposition des Gefäßes lassen sich Parallelen zu den Reliefs der Hethiter von Malatya und Arslantepe und zu altassyrischen und babylonischen Siegeln ziehen.

Das Gefäß aus Hasanlu ist das erste in einer Reihe von getriebenen Gefäßen, deren Ausführung und Stil von einer neuen lokalen Schule, einem neuen kulturellen Zentrum zeugen, das im Nordwesten des Iran um die Wende vom 2. zum 1. Jahrtausend v. Chr. entstand. Schon seit langem führten im Iran Bauern illegale archäologische Ausgrabungen durch und in den Antiquariaten tauchten manchmal bedeutende Kunstwerke auf, leider ohne jegliche wissenschaftliche Dokumentation. Das kommt auch heute noch vor. In der Mitte der 50er Jahre erschienen in Antiquariaten und privaten Sammlungen goldene und silberne Pokale, die irgendwo in Gilan in der Nähe von Amlasch (Hauptstadt des Gebietes, in dem sich die Begräbnisstätte Marlik befindet) gefunden worden waren. Zur gleichen Zeit wurden hervorragende zoomorphe Keramikgefäße in Gestalt zebuartiger Stiere oder Antilopen zum Kauf angeboten. Daraufhin entsandte im Jahre 1962 der Archäologische Dienst des Iran eine wissenschaftliche Expedition nach Gilan, 14 Kilometer östlich von Rudbar. Die Archäologen entdeckten auf dem Hügel Marlik 53 Grabstätten mit vier verschiedenen Typen von „Steinkästen“. Dort wurden goldene Pokale gefunden, von denen einige bis zu 20 Zentimeter hoch sind und ein Gewicht von mehr als 300 Gramm haben (einer davon war eine Zeit lang sogar auf gültigen iranischen Banknoten abgebildet); weiterhin fand man silberne und bronzene Gefäße, Bronzewaffen, Teile des Pferdezaumzeugs, Keramik (darunter eine Vielzahl zoomorpher Gefäße in Gestalt zebuartiger Stiere), Schmuck und anderes mehr. Leider wurden bisher nur vorläufige Auswertungen dieser Funde veröffentlicht und eine Reihe populärwissenschaftlicher Arbeiten herausgegeben.

Unter den Funden von Marlik gibt es einige hervorragende Metalltreibarbeiten, die noch nicht genau datiert sind.[3] Nach der Herstellungstechnik und einer Reihe stilistischer Details können sie zweifellos der Schule zugeordnet werden, aus der auch das Gefäß von Hasanlu stammt. Der entstehungszeitliche Unterschied ist jedoch offensichtlich. Auf den Gefäßen aus Marlik fehlen thematische Kompositionen gänzlich. Es sind vor allem Vögel und Tiere, sowohl reale als auch Fabelwesen, abgebildet.

Hier ein Beispiel eines solchen Gefäßes: ein goldener Becher (Höhe: 20 cm, Gewicht: 229 g), der die „Geschichte einer Ziege“ erzählt.[4] Der Leiter der Grabungen von Marlik, Ezzat Negahban, beschreibt die Darstellungen auf dem Gefäß folgendermaßen:

„In der unteren Reihe (A) ist ein bei seiner Mutter saugendes Zicklein abgebildet. In der zweiten Reihe (B) nagt die junge Ziege, der gerade die Hörner zu wachsen beginnen, an den Blättern des Lebensbaumes; in der dritten Reihe (C) ist ein wilder Eber abgebildet. Die vierte Reihe (D) zeigt den ausgestreckten Körper der bereits gealterten Ziege, erkennbar an ihren langen, gebogenen Hörnern, ihre Innereien werden von zwei riesigen Raubvögeln herausgerissen. In der fünften Reihe (E) schließlich sitzt ein kleines Wesen, ein Embryo oder vielleicht ein Affe, vor einem Gegenstand. Wenn es ein Embryo ist, so bedeutet das eine neue Geburt, sollte es jedoch ein Affe sein, so ist er offenbar der Erzähler der Geschichte. Für alte iranische Märchen ist es typisch, dass sie von einem Tier, meistens von einem Affen, erzählt werden“.

Nach unserer Meinung handelt es sich in der Reihe A (Mutterziege) überhaupt nicht um eine Ziege, sondern um einen Hirsch. Diese Komposition (ein Hirsch mit saugendem Jungtier) ist eine fast genaue Kopie einer Plakette des assyrischen Provinzstils, die aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. stammt. Genau die gleiche Komposition findet sich auf den Plaketten des berühmten Schatzes von Ziwiye. In der Reihe B ist ein gewöhnlicher Ziegenbock abgebildet; die Komposition richtet sich streng nach assyrischen Vorbildern, die wir von vielen Beispielen her kennen, vor allem von Rollsiegeln. Diese Darstellung hatte bei den Assyrern eine bestimmte symbolische, religiöse Bedeutung. Die Reihe D zeigt einen Steinbock, aber die Darstellung (Vögel, die eine Ziege zerreißen) ist aus der kassitischen Glyptik (14. bis 13. Jahrhundert v. Chr.) bekannt, wir finden sie auf elamitischen Zylindern und Steinreliefs der Hethiter. In den genannten Kulturen ist dieses Motiv mit der Symbolik einer siegreichen Auseinandersetzung verbunden: „Erfolg im Kampf“.

Zu dem Eber der Reihe C und zu dem etwas seltsam erscheinenden „Embryo“, obwohl dieser vor einem typisch assyrischen Lebensbaum dargestellt ist, gibt es keine direkten ikonographischen Bezüge. Nur allein darin besteht die kreative Individualität des Schöpfers dieses Bechers.

Somit haben wir vier Beispiele vor uns, die zur Symbolik von vier verschiedenen Religionen gehören (die der Assyrer, der Elamiter, der Kassiten und der Hethiter), die jedoch aus ihrem Zusammenhang herausgerissen und auf einem Gefäß vereinigt sind. Dort erzählen sie eine einfache Geschichte vom Leben und Tod, deren einzelne Bilder der komplizierten Symbolik und des Sinnes entbehren, die sie in den Sprachen trugen, aus denen sie stammen. Wer war dieser Schöpfer? Ein Iraner? Ein Meder? Auf keinen Fall war es ein Assyrer, Hurriter oder Elamiter, denn er verstand die Sprache ihrer bildenden Kunst nicht. Bei der Zusammenstellung seiner Erzählung nutzte er Schnitzereien in Elfenbein, Siegel, vielleicht auch Darstellungen auf anderen Gefäßen, aber er verwendete keine Objekte der „höfischen Kunst“ o. ä. Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Darstellung auf dem Gefäß von Hasanlu und dem von Marlik besteht somit im Folgenden: Auf dem Gefäß von Hasanlu stellen alle Einzelbilder eine in sich geschlossene Komposition dar, die wir ausgehend von einer religiösen oder epischen Kultur (Mythen der Hurriter) ohne innere Widersprüche interpretieren können.

Khaju-Brücke, Isfahan, Iran.

Persischer Teppich.

 

 

Auf dem Becher von Marlik jedoch wird eine neue Geschichte mit Hilfe sehr verschiedener Einzelbilder erzählt. Der Schöpfer des Bechers von Marlik verwendete fremdsprachige Ideogramme, um daraus seinen eigenen Text zu schaffen. Vielleicht stehen wir hier erstmals vor einem Beispiel, das die Formierung der Kunst des Iran als Ganzes dokumentiert. Wir werden diese Frage später ausführlich erörtern, benötigt man doch dazu noch viele andere Beweise. Bereits an dieser Stelle jedoch lässt sich vermuten, dass der Ursprung der Kunst des Iran in verschiedenen Kulturen zu suchen ist. Teile von ihnen, Elemente religiöser Darstellungen verschiedener alter orientalischer Zivilisationen, wurden aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang herausgerissen und von ortsansässigen Kunsthandwerkern in ihrer Art interpretiert und zur Illustration ihrer eigenen Mythen oder (später?) zur Darstellung ihrer Gottheiten verändert und angepasst. Dieses Modell setzt die Möglichkeit einer iranischen Interpretation solcher Gegenstände voraus, die noch vollständig aus Ideogrammen anderer Kulturen bestehen; das gilt aber nur für diejenigen Objekte, bei denen diese Ideogramme aus verschiedenen künstlerischen Sprachen stammen.

Beim Gefäß von Hasanlu besteht keine Notwendigkeit, nach einer iranischen Interpretation für die Darstellung hurritischer Mythen zu suchen; der Becher von Marlik jedoch ist ein Beispiel, bei dem die verschiedenen Details aus verschiedenen Sprachen und Zeiten stammen; hier erscheint somit die Suche nach einem neuen, iranischen Inhalt möglich.

An einem hohen Hügel, etwa 40 Kilometer östlich der Stadt Saqqiz (unweit von Hasanlu), wurde 1946 zufällig ein bedeutender Schatz gefunden. Schon bald verwandelte sich die Geschichte seines Fundes in verschiedene, sich widersprechende Legenden. So erzählte man zum Beispiel von zwei Hirten, die während der Suche nach einer Jungziege zufällig auf den Rand eines bronzenen Gefäßes gestoßen wären. Beim Versuch, dieses Gefäß auszugraben, stießen sie angeblich auf einen großen Bronzesarkophag, der mit Gegenständen aus Gold, Silber, Bronze, Eisen und Elfenbein geradezu voll gestopft war. Diese Gegenstände teilten die Bauern des nahe liegenden Ortes Ziwiye untereinander auf, wobei viele wertvolle Dinge zerteilt, zerbrochen oder zertreten wurden. Ein Teil dieser Gegenstände tauchte dann in Teheran in den Händen verschiedener Antiquitätenhändler auf. Einer von ihnen, der zuerst eine Absprache über den Erhalt eines Anteils aus den Funden der wissenschaftlichen Ausgrabungen getroffen hatte, teilte den Fundort André Godard mit, dem damaligen Generalinspektor des Archäologischen Dienstes des Iran. Godard veröffentlichte 1950 einen Teil dieser Objekte aus Gold, Silber und Elfenbein, gab eine Beschreibung der Geschichte dieses Fundes (übrigens eine ziemlich widersprüchliche) und schlug als Entstehungszeit des Hauptanteils des Fundes das 9. Jahrhundert v. Chr. vor. Er ordnete sie dem „Tierstil“ von Zagros unter Verwendung von Kunstelementen Assyriens und seiner anliegenden Gebiete zu, einem Kunststil, der später dann von den Skythen und den Persern der achämenidischen Periode übernommen wurde. Godard bemerkte, dass Gegenstände dieses Stils bereits früher in diesem Gebiet gefunden worden waren, namentlich in einer großen Stadt des Altertums, die er mit Izirtu, der Hauptstadt des Reiches der Manäer, gleichsetzte.

Im Jahr 1950 begannen die Fundstücke aus Ziwiye „modern“ zu werden. Ein lebhafter Handel mit ihnen führte dazu, dass sie sich bald in privaten Sammlungen der ganzen Welt sowie in Museen der USA, Englands, Frankreichs, Japans und Kanadas befanden. Ein großer Teil des Fundes wurde bis dahin im Archäologischen Museum von Teheran aufbewahrt. Roman Ghirshman, einer der ersten, die sich näher mit der Sammlung befassten, stellte eine Liste der Objekte zusammen. Er zählte 341 Gegenstände, darunter 43 aus Gold, 71 aus Silber und 103 aus Elfenbein.

Eine derartige Vielfalt an Objekten führte zu einigen Zweifeln. Schon Godard wies darauf hin, dass dem Schatz Dinge zugeschrieben wurden, die rein zufällig aus benachbarten Gebieten oder sogar aus dem Süden Aserbaidschans stammen. In den letzten Jahren verschärften sich die Diskussionen auf diesem Gebiet. Einige Wissenschaftler behaupten sogar, dass der Hauptanteil der Gegenstände nicht aus Ziwiye stammt und dass ein Teil von ihnen Fälschungen unserer Tage sind. Diese Behauptungen entbehren nicht einer gewissen Logik, brachten archäologische Forschungen am Berg Ziwiye, die allerdings erst zehn Jahre nach dem Fund des Schatzes durchgeführt wurden, doch keinerlei Ergebnisse, da der Berg vorher bereits vollständig von Schatzsuchern durchwühlt worden war. Auf dem Berg erhob sich einst eine Festung (es wurden Reste von Mauern gefunden), die, der Keramik nach zu urteilen, zwischen dem Ende des 8. und der Mitte des 7. Jahrhunderts errichtet wurde. Es ist jedoch auch möglich, dass der Schatz nicht mit der Festung im Zusammenhang steht. Ein Forscher bemerkte einmal, dass „leider alles, was im Pferdestall nach dem Diebstahl des Pferdes zurückblieb, uns nur darüber informiert, dass hier irgendwann einmal ein Pferd war, aber nicht darüber, wie es ausgesehen hat“[5].

Dieser ironischen Bemerkung kann man eine gewisse Bedeutung nicht absprechen. Hängt doch davon, ob es in Ziwiye ein Pferd gegeben hat (diesmal aber ein echtes und kein metaphorisches), die Antwort auf die Frage ab, was wir hier vor uns haben, einen Schatz oder die Reste des Begräbnisses eines iranischen oder möglicherweise eines skythischen Herrschers mit seinem Pferd, seinen Waffen und persönlichen Dingen (wie zum Beispiel beim skythischen Kelermes-Hügel). Ghirshman behauptet mit aller Bestimmtheit, dass es sich bei diesem Hügel um die Begräbnisstätte des skythischen Herrschers Madias, Sohn des Partatua, handelt, der ein König der Skythen und ein mächtiger Bundesgenosse Assyriens war. Er starb um 624 v. Chr. Welche Rolle spielen dann aber die Reste der Festungsmauern? Wie bereits erwähnt, gelangten gemeinsam mit den anderen Gegenständen aus Ziwiye auch Reste des Randes und der Seitenwände eines Bronzebeckens in das Archäologische Museum von Teheran und in das Metropolitan Museum in New York.

Sheikh-Lotf-Allah Moschee, Isfahan, Iran.

 

 

Derartige Erzeugnisse, die ohne Zweifel aus Assyrien stammen (etwa aus der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr.), fanden sich auch an anderen Stellen. Sie wurden zum Teil als Becken (zum Beispiel in Zincirli), teilweise als Sarg (in Ur) verwendet. Auf jeden Fall jedoch, ob es sich nun um eine Begräbnisstätte oder um einen in einem Bronzegefäß versteckten Schatz handelt, wurden die Gegenstände von verschiedenen Orten zusammengetragen. Unter ihnen befinden sich zahlreiche Elfenbeinplaketten mit verschiedenartigen Abbildungen. Ein Teil von den mit erstaunlicher Kunstfertigkeit hergestellten Plaketten ist zweifellos assyrischer Herkunft, sie ähneln denen, die in den assyrischen Palästen von Arslan Tasch, Nimrud und Kuyunjik gefunden wurden. Eine andere Gruppe, die den Einfluss assyrischer Kunst zeigt, erinnert in einigen Zügen an den Provinzstil der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr. Diese Plaketten lassen außerdem einen gewissen Einfluss der Kunst Phöniziens, Nordsyriens und möglicherweise auch Urartus erkennen. Auch das bereits erwähnte Bronzebecken stammt aus Assyrien. Ein Teil des gefundenen Schmucks ist weder zeitlich genau bestimmbar noch ist der genaue Entstehungsort bekannt; derartige Ohrringe, Halsbänder und Armreifen sind für weite Gebiete Vorderasiens typisch.

Unter den Bronzegegenständen (Möbelbeschläge, Glöckchen, Nadeln, Tierfiguren) wurden einige ganz sicher in Urartu hergestellt. Daher und aus Assyrien des 8. und 7. Jahrhunderts v. Chr. stammen auch einige keramische Gefäße, die angeblich in demselben Schatz gefunden wurden. Das größte Interesse rufen jedoch die Gegenstände aus Gold und Silber hervor. Ein Teil von ihnen (vor allem diejenigen aus Silber) stammt ebenfalls aus Urartu. Ein Großteil der goldenen Objekte gehört zum sogenannten Mischstil, in dem sich zweifellos urartäische und assyrische Stilelemente, vermutlich aber auch solche aus Kleinasien und sicherlich syrische finden lassen, die mit neuen, lebhaften Stilelementen und technischen Verfahren verbunden sind. Das und die Motivwahl bestimmen die von uns hier als „lokal“ bezeichneten Objekte. Alle Fundstücke gehören zu den Prestigeobjekten; im Einzelnen handelt es sich um reich verzierte Waffen und Machtinsignien von Herrschern und anderen Würdenträgern (ein Pektorale, ein Diadem, ein goldener Gürtel u. a. m.).

Die Darstellungen auf fast all diesen Gegenständen sind nach heraldischen Prinzipien aufgebaut. Auf beiden Seiten des Lebensbaumes Iaufen symmetrisch Handlungen fantastischer Geschöpfe ab. Der Lebensbaum von Ziwiye, der in mindestens zehn verschiedenen Formen auftritt, besteht aus gleichartigen, in komplizierter Weise miteinander verflochtenen s-förmigen Schnörkeln. Von dieser Darstellung lassen sich am ehesten Parallelen zu urartäischen Gürteln des 8. und 7. Jahrhunderts v. Chr. ziehen. Die Anzahl der fantastischen Geschöpfe zu beiden Seiten des Lebensbaumes ist auf etwa ein Dutzend begrenzt.

Unter den goldenen Gegenständen (wie auch auf denen aus Elfenbein) tauchen ebenfalls rein assyrische Kompositionen auf, so zum Beispiel ein Herrscher, der mit dem Schwert einen auf den Hinterbeinen stehenden Löwen besiegt. Darüber hinaus sind auf den goldenen Gegenständen und sogar auf Bruchstücken keramischer Gefäße fünf zoomorphe Darstellungen zu finden. Im Einzelnen sind dies ein Hirsch mit untergeschlagenen Beinen und ausgebildetem Geweih, ausgeführt in typisch skythischer Manier, der fast genauso aussieht wie die Hirsche auf den in den skythischen Grabhügeln von Kelermes und Melgunow gefundenen Schwertern oder auf der Streitaxt von Kelermes; ein Panther als Rolltier, täuschend ähnlich dem berühmten Panther von Kelermes oder dem Panther auf dem goldenen Rahmen des Spiegels aus diesem Fundort; der Kopf eines Greifs, ganz genau wie der auf dem Schwert von Kelermes; ein Widder mit untergeschlagenen Beinen, dessen Ausführung und Haltung sich in nichts von denen des Hirsches aus Kelermes unterscheidet, und schließlich ein Hase.

Unter den in Ziwiye gefundenen Gegenständen gibt es solche, auf denen nur Fantasiewesen abgebildet sind (ein goldener Brustpanzer, der goldene Beschlag eines Köchers u. a.) oder nur wirkliche Tiere (Hirsche und Widder auf dem goldenen Gürtel, Panther und Greifköpfe auf dem goldenen Diadem). Schließlich existiert ein Fundstück, auf dem beide Typen von Tieren abgebildet sind, nämlich das goldene Pektorale, das Machtsymbol eines Königs oder eines anderen hohen Würdenträgers.

Es gilt, ein weiteres wichtiges Detail zu erwähnen. Ausnahmslos alle Darstellungen, sowohl auf den goldenen und silbernen Gegenständen als auch auf einigen Objekten aus Elfenbein, tragen ein und dieselben Stilmerkmale (zum Beispiel die idiosynkratischen Gebilde auf den Körpern der Fabelwesen und des Panthers).

Zusammenfassend kann von den Meistern aus Ziwiye folgendes gesagt werden:

1. Sie schufen Prestigeobjekte, Machtinsignien eines Königs oder hohen Würdenträgers (Prunkwaffen, Pektorale, Diadem, Gürtel usw.).

2. Sie verwendeten die künstlerische Sprache Urartus, Assyriens, Elams, Syriens, Phöniziens und schließlich des Tierstils der Skythen.

3. Sie verwendeten viele bedeutend früher entstandene Verfahren der Metallbearbeitung (Marlik und das mit ihm zusammenhängende Fundgut).

4. Ihre künstlerische Sprache besteht aus eben jenen Zitaten, die aus ihren ehemaligen Zusammenhängen herausgerissen und zu einem neuen Text vereinigt wurden.

Hierbei sind folgende Umstände zu beachten: viele der Gegenstände aus Ziwiye wurden für Herrscher und angesehene Persönlichkeiten geschaffen; der für dieses Gebiet neue skythische Tierstil findet deutliche Ausprägung und außerdem verbinden viele Analogien (unter anderem der Lebensbaum oder die Fabelwesen) diese Gegenstände mit der Kunst Urartus.

Vase, 9. Jh. Eremitage, St. Petersburg.

 

 

Alle diese Parallelen werfen unausweichlich eine Reihe neuer Fragen auf, beispielsweise, wer die Auftraggeber der wertvollen Gegenstände von Ziwye waren. Wann sind sie entstanden? Wenn sie früher als die skythischen Fundgegenstände von Kelermes oder gleichzeitig mit ihnen hergestellt wurden, welche Bedeutung haben sie dann bei der Herausbildung des skythischen Tierstils und für die gesamte Kunst des Vorderen Orients? Wie können diese Funde gedeutet werden? Und schließlich, wie entwickelten sich diese Motive im Laufe der Zeit?

Zunächst wollen wir eine kurze Antwort auf die Frage nach der Entstehung des Tierstils geben. Die Herkunft der nomadisierenden Stämme, die den Autoren des Altertums unter den Namen Skythen oder Saken bekannt waren, ihr ursprünglicher Aufenthaltsort, ihre Migrationswege sowie ihre ethnische Zugehörigkeit rufen in der Wissenschaft ebenso viele Diskussionen hervor, wie die Frage nach der Urheimat und den Migrationswegen der Iraner. Für die Kulturgeschichte des Iran ist es jedoch wichtig zu wissen, dass Kampfabteilungen der Nomaden erstmals in schriftlichen Quellen des Nahen Ostens aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. (die älteste bekannte Erwähnung ist der Bericht assyrischer Spione aus Urartu aus den 20er Jahren des 8. Jahrhunderts v. Chr.) unter verschiedenen Bezeichnungen auftauchen, als „umman manda“ (Stamm der Manda), „gimmirri“ (Kimmerier?), „aschkuzai“, „ischkuzai“ (Skythen), „saka“ (Saken). In den 70er Jahren des 7. Jahrhundert v. Chr. spielten diese Stämme bereits eine aktive Rolle in der Außenpolitik Vorderasiens, und später schufen sie sogar im Süden Aserbaidschans, unweit von Manna, das „Skythische Königreich“, das jedoch nicht lange Bestand hatte.

Ebensolche Diskussionen ruft die Entstehung des skythischen Tierstils in der Kunst hervor. Darstellungen von Tieren in einer skythischen Stilisierung vereinigen eine Reihe von archäologischen Kulturen eines riesigen Gebietes, das sich von den Steppen der Mongolei bis hin zur Krim erstreckte. In den letzten Jahren hat sich in der russischen archäologischen Literatur der Begriff „skythisch-sibirischer Tierstil“ eingebürgert.

Man nimmt an, dass dieser Stil möglicherweise bereits am Ende des 9. Jahrhunderts v. Chr. im Osten des Steppengebietes entstand und dann (selbstverständlich gemeinsam mit seinen Trägern) in westliche Richtung wanderte. Auch für die Darstellungen von Ziwiye existieren typische Formen der skythischen Stilisierung, wie zum Beispiel die in der Regel in sich geschlossene Darstellung eines Tieres (zum Beispiel eines Rolltieres), die zu einer Deformation und Vereinfachung der Formen sowie zu einem Aufbau der Darstellung aus einigen deutlich hervorgehobenen, geometrisch fast regelmäßigen Oberflächen führt.

Die Frage nach der Datierung ist also von besonderer Wichtigkeit, aber beim gegenwärtigen Wissensstand bleibt sie ungelöst. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass es gerade die Skythen waren, die das Motiv des Hirsches mit untergeschlagenen Beinen und ausgebildetem Geweih, das Motiv des Panthers und die stilisierte Darstellung des Greifenkopfes mit sich brachten.[6]

Heute ist es nicht unmöglich, ein mit Sicherheit datiertes Objekt vorzuweisen, das unbestritten aus einem skythischen Fundort stammt und erwiesenermaßen älter als die Gegenstände aus Ziwiye ist.[7] Wenn wir die für die Kunst Vorderasiens bereits zum Ende des zweiten Jahrtausends v. Chr. typische Körperhaltung des Hirsches oder Widders einmal außer acht lassen, können wir feststellen, dass im Gebiet des Iran Gegenstände gefunden wurden, auf denen solche Tiere, wenn auch in einer anderen Stilisierung, abgebildet sind. Einen Greifenkopf finden wir auf einer Anzahl Beilrücken des 10. und 9. Jahrhunderts v. Chr. aus Luristan; einem Hirsch mit untergeschlagenen Beinen begegnen wir auf luristanischen Trensenknebeln aus dem Ende des 8. Jahrhunderts v. Chr.

Doch nehmen wir einmal an, Ziwiye sei zur gleichen Zeit wie die Kelermes-Hügel entstanden.[8] Trotz der großen Anzahl urartäischer und assyrischer Darstellungen kann kein assyrischer oder urartäischer Herrscher ihr Auftraggeber gewesen sein, da in der Reihe der abgebildeten Fabelwesen ein Durcheinander herrscht, das für die einheitlichen Systeme der religiösen Darstellungen Assyriens und Urartus unzulässig ist.[9] Folglich ist es notwendig, nach einem anderen Auftraggeber zu suchen. Er muss aus dem Iran stammen, denn nur hier wurden die „skythischen Tiere“ in die eigene Formsprache übertragen, als Totem oder Stammeszeichen verwendet und aus ihrem ursprünglichen Kontext herausgelöst (der Begriff „Sake“ zum Beispiel, unter dem alle skythischen Stämme des Vorderen Orients bekannt sind, bedeutet nach Ansicht von Wladimir Abajew „Hirsch“)[10].