Cover

Mit Unterstützung der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg sowie von Bundesarchiv, Berlin, Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, Berlin, und Deutsches Filminstitut – DIF, Frankfurt und Wiesbaden.

Abbildungen: Bundesarchiv-Filmarchiv, Berlin (1); Thomas Brandlmeier, München (1); CineGraph, Hamburg (4); DEFA-Stiftung, Berlin (3); Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, Berlin (9); Deutsches Filminstitut / Nachlass Otto Hunte, Frankfurt am Main (1); Deutsches Filminstitut – DIF, Frankfurt und Wiesbaden (12); Jan Distelmeyer, Berlin (4); Erdélyi Múzeum-Egyesület kézirattára, Janovics Jeno hagyatéka (Jordáky Lajos hagyatékában), Cluj (1); Réka Gulyás, Berlin (2); Kathrin Fahlenbrach, Hamburg (3); Michelle Koch, Wien (3); Österreichisches Filmmuseum, Wien (1); Tobias Haupts, Berlin (3); Leonardo Quaresima, Bologna (2); Sven Weidner, München (4)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Print ISBN 978-3-86916-521-9
E-ISBN 978-3-86916-523-3

Preis für dieses E-Book: € 27,99

© edition text + kritik im Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG
München 2016
Levelingstr. 6a
81673 München
www.etk-muenchen.de

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Umschlaggestaltung: Thomas Scheer / Konzeption: Dieter Vollendorf Umschlagabbildung: Am Set von ZWISCHEN GESTERN UND MORGEN (1947, Harald Braun) (Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, Berlin)

E-Book-Umsetzung: Datagroup int. SRL, Timisoara

Inhalt

CHECK-IN IM MIKROKOSMOS
Cineastische Hotelwelten

Alfons Maria Arns
LUXUS, HORROR, ILLUSIONEN
Das Universum des Hotels im Film

Michelle Koch
DREHTÜR IN EINE ANDERE WELT?
Täuschungen, Enttäuschungen und Verwandlungen im Film-Hotel

Heike Klapdor
DIE DRAMATURGIE DER BLICKE
Der Topos »Hotel« aus filmästhetischer und filmhistorischer Perspektive

Leonardo Quaresima
MENSCHEN IM HOTEL
Ein multipler Text

Réka Gulyás
VON LEMBERG NACH KAIRO
Die fünf Gesichter von »Hotel Imperial«

Michael Girke
TREFFPUNKT IM UNENDLICHEN
Das verfilmte Exil. Ottokar Runzes Adaptation von Klaus Manns Roman »Der Vulkan«

Thomas Brandlmeier
RAUMFLUCHTEN UND ZEITFLUCHTEN
Komplexe Strukturen im Hotelfilm

Evelyn Hampicke
DRESSCODE MIT ZEITBEZUG
Roben und Garderoben im Hotelfilm der NS-Zeit

Detlef Kannapin
RESERVIERT!
Verdichtete Räume und soziale Beziehungen im DEFA-Film

Hans J. Wulff
SEXUALISIERTE NICHT-ORTE
Hotelszenarien im deutschen Schlagerfilm

Kathrin Fahlenbrach
DAS HOTEL ALS BÖSES WESEN UND ALS GESELLSCHAFTLICHES RAUMBILD
Metaphorische Inszenierungen des Hotels im Film

Jan Distelmeyer
REALISIERTE UTOPIEN
Von Transiträumen über das Kino zu den Filmen Wes Andersons (und wieder zurück)

Sven Weidner
DAS HOTEL ALS BÜHNE
Anmerkungen zu Rainer Werner Fassbinders WARNUNG VOR EINER HEILIGEN NUTTE (1970/71)

Tobias Haupts
KEINE MENSCHEN IM HOTEL
Inszenierungen der Einsamkeit im Neuesten Deutschen Film

Register

Dank

Autoren

Film-Bühne Hotel
Begegnungen in begrenzten Räumen

Redaktion

Swenja Schiemann und Erika Wottrich

[39|40] Heike Klapdor

DIE DRAMATURGIE DER BLICKE
Der Topos »Hotel« aus filmästhetischer und filmhistorischer Perspektive

Universalität/Historizität – Gastfreundschaft

Das Hotel ist eine universelle Metapher. Sie gehört zum Bild-, Raum- und Erzählprogramm der Bildenden Künste, der Architektur, der Literatur und dann des Kinos. Im metaphorischen Feld der äußeren und inneren Bewegung in Zeit und Raum angesiedelt wie die Reise oder das Schiff, gilt die Raumfigur als narrative Schlüsselmetapher. Sie verweist in ihren kulturgeschichtlichen Varianten – etwa als Stall, Hütte, Herberge, Höhle – auf die religiös fundierte ethische Praxis der Gastfreundschaft, die den Gast, der ein Fremder und im »ellende« (mhd.) ist, und den Gastgeber in einem zivilisatorischen Akt zusammenführt. Schon Homer singt das hohe Lied der Hospitalität im 7. und 8. Gesang seiner »Odyssee«, wenn Alkinoos, der König der Phaiaken, den »arme(n), irrende(n) Fremdling«1 voraussetzungslos aufnimmt. Die dem Fremden wie einem Edelmann zugedachte Bewirtung und Beherbergung, eine interessierte Unterhaltung und das ihm entgegengebrachte Vertrauen veranlassen ihn und erlauben es ihm, seine Identität preiszugeben. Zweimal verknüpft Wolfram von Eschenbach in seinem höfischen Epos »Parzival« den Entwicklungsprozess seines Helden mit einem Akt der Gastfreundschaft. Beide Male ein Fremder, erfährt Parzival bei seinen Aufenthalten in der Burg des Ritters Gurnemanz die Vollendung seiner höfischen und in der Höhle des Einsiedlers Trevrizent die seiner religiösen Erziehung. Immanuel Kant nobilitiert in seiner moralphilosophischen Schrift »Zum ewigen Frieden« (1795) die »Hospitalität« als »das Recht des Fremdlings, seiner Ankunft auf dem Boden eines andern wegen, von diesem nicht feindselig behandelt zu werden«.2

Aristokratie/Bourgeoisie – Repräsentanz

Das Hotel ist eine Imitation. Im »hôtel particulier« residiert der im ländlichen Chateau ansässige französische Adel des 17. und 18. Jahrhunderts in der Nähe des Hofes in Paris. Bourgeoisie und Kapital, die Erben der feudalen Macht im 19. und 20. Jahrhundert, ahmen den aristokratischen Lebensstil nicht zuletzt durch die repräsentative Architektur für einen temporären Aufenthalt nach. Suiten mit Bädern, Fumoir, Bibliothek und Billardsaal, Speise- und Ballsaal [40|41]stellen eine »symbolische Topographie«3 dar. In der Halle und im Damensalon pflegt man mit dem Fünf-Uhr-Tee eine »Institution zur Förderung bürgerlicher Geselligkeit«.4 Treppen und Flure sind Schauräume und Laufstege, mit Konferenzsaal, Schreibzimmer und Telefon ziehen moderne Ökonomie und Kommunikationstechnik in die Grand Hotels ein. Außer zu schlafen und zu essen, lieben und tanzen die Gäste, rauchen, trinken und lustwandeln sie. Die kleinen Hotels imitieren die familiäre Atmosphäre alltäglicher Domizile. Man will »heimisch sein, aber nicht zu Hause«5. Man nimmt »urloup« (mhd.), man entfernt sich für eine Zeit geografisch, sozial oder kulturell vom alltäglichen Leben. Das zufällige »sogenannte (…) Kollektiv« der Hotelgäste6 regelt die soziale Distinktion über den Preis. Imitation, Projektion und die Omnipotenz des flüssigen Geldes aber erodieren die Abgrenzung der Klassen, treiben den Keim der Täuschung und Täuschbarkeit.

Ort/Raum – Transitraum

Hotels sind »Transit-Orte – Orte, an denen sich Menschen aufhalten, ohne zu bleiben«.7 Als Heterotopos, als anderer Ort bilden sie eine deterritoriale Ausnahmeregion, deren konstitutive Leere temporär und individuell mit Wünschen und Sehnsüchten aufgeladen wird. Die physischen, architektonischen oder geografischen, also äußeren Eigenschaften des Ortes Hotel sind leer, sie werden innen mit Raum gefüllt.8 Der kulturelle Raum ist eine Konstruktion, die die Subjekte relational zum Ort, zu anderen und zu ihren Intentionen durch soziales, normatives, diskursives und symbolisches, also kulturelles Handeln schaffen. Der andere Ort ist ein »Wunschraum«.9

Die Spannung zwischen stabilem physischem und konkretem Ort einerseits und dynamischem sozialem und universell gestaltbarem Raum andererseits entspricht der von Kommen und Gehen, von Innen und Außen, eines paradoxen Verweilens, das Walter Benjamin das Merkmal der Passagen des 19. Jahrhunderts genannt hat, jenes anderen transitorischen Orts und Raums der Moderne und der Großstadt. In seiner großstädtischen Gestalt ist das Hotel ein soziologisches Experimentierfeld, ein »Modell en miniature«.10 Es »verdichtet die Eigenschaften des großstädtischen Raums und schafft als Mikro-Raum oder Mikrokosmos die Möglichkeit, die Konflikte der Zeit an einem Schauplatz gebündelt zu diskutieren«.11 Außerhalb der sozialen Ordnung stehend, sie übernehmend oder womöglich außer Kraft setzend, bildet das Hotel ein paranormatives soziales Gefüge, es ist »wie die Welt«.12 Es bildet einen »Mikrokosmos eines freien Rollenspiels«.13

Die signifikanten topografischen Elemente des Hotels besitzen nicht erst in ihrer ästhetischen Gestaltung und imaginativen Form eine symbolische Qualität; hier wie in der Realität müssen sie die Betrachtenden wie die Gäste decodieren können: Die Drehtür ist eine technische Erneuerung und ein kaufmännisches [41|42]Kalkül, sie vereinfacht und erleichtert den Übergang zwischen außen und innen; als Motiv das Glücksrad der Fortuna zitierend, versinnbildlicht sie das Zufällige des Schwellenübertritts, das »wunderliche Spiel der Fügung«14 und funktioniert metonymisch als Stellvertreter der Hoffnung.15 Die Halle ist ein öffentlicher Platz innerhalb des Hotels mit organisatorischen und kommunikativen Funktionen und der theatrale Rahmen der die Beteiligten erregenden »Erwartungslosigkeit«.16 Die Treppe hat eine strukturierende und pragmatische, nämlich verbindende Funktion in vertikalen Raumstrukturen (effektiviert durch den Lift), sie gehört zum Repertoire repräsentativer Architektur und ist ein Ort der Begegnung, hinauf und hinab zu steigen demonstriert im übertragenen Sinn »Emporschweben«17 und Absturz. Spiegel haben eine raumgliedernde und eine Kontrollfunktion, sie dienen räumlichen Suggestionen, sie täuschen über Raumverhältnisse. Sie sind ein Medium der Fremd- und Selbstbeobachtung, im Spiegel tritt dem Subjekt das Ich als das Andere gegenüber. Den Betrügern, Hochstaplern und Heiratsschwindlern – Varianten aus der Typologie des Asozialen – dient der Spiegel als Instrument der Selbstkontrolle.

Sehen/Gesehen werden – Sehraum

Die »Spiegellandschaft«18 Hotel ist ein »Sehraum«,19 in dem die Bewohner bzw. die Figuren ständig beobachten und zugleich der Beobachtung ausgesetzt sind. Das Auge ist hier das dominierende Sinnesorgan. Die Lust, sich den Blicken anderer auszusetzen bzw. das Gefühl, an die Welt der Bilder ausgeliefert zu sein, konkurriert mit dem Anspruch auf visuelle Kontrolle. Subjekt und Objekt der Wahrnehmung treten mit Sehen und Gesehen werden auf Blickachsen in eine non-verbale Kommunikation codierter und zugleich indifferenter Zeichen.

Die Sprache der Blicke operiert identifizierbar mit Macht und Ohnmacht im initiierenden oder insistierenden Blick bzw. im ausweichenden oder beschämten Blick. Sie operiert zugleich in einem offenen Konnotationsfeld, denn sie lässt Raum für Illusionen, indem die individuelle Sinneswahrnehmung mit irrationalen assoziativen, imaginativen Vorstellungen aufgeladen wird. In den Augen, in den Blicken, auf den Blickachsen vollziehen sich Sehnsucht, Traum, Erwartung, Anziehung und Abstoßung innerhalb von Konventionen als Anbahnung oder Abwehr oder als Stellvertretung. Die Augenblicke sprechen die Sprache des Konjunktivs.

Es liegt im Wesen des visuellen Mediums Film, mittels der Dramaturgie der Blicke zu erzählen. Das Hotel bietet dem Film dafür nicht bloß ein »Requisit«,20 nicht bloß eine »Kulisse«,21 sondern einen »Schauplatz«, ein geeignetes Versuchslabor, ein ideales Experimentierfeld, auf dem das Auge bzw. die Kamera als Regisseur agiert. Die Zuschauer im dunklen Kinosaal sind Forscher und Voyeure, so wie die Figuren auf dem »Schauplatz« Film und mit ihnen geben sie sich der »Schaulust«22 hin, sie stillen ihren »Augenhunger«.23

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Otto Hunte: Hotel-Halle (Zeichnung zum Film »Die Vier vom Bob«, 1932, Johannes Guter)

Identität/Alterität – Spielraum

Der Heterotopos Hotel ist ein Spielraum der Identität. Dies teilt er mit dem Theater. In einer Artikelserie über die Welt des Hotels, die 1929 in der Frankfurter Zeitung erschien, schildert Joseph Roth eine Szene in der Hotelhalle: Der Mann »trat wie aus einer Kulisse. Er benahm sich überhaupt wie auf der Bühne.«24 Die Gäste nehmen das Hotel als Bühnenraum wahr, der es ihnen gestattet, sich selbst aufwertend zu inszenieren; ob es ihnen gelingt, überprüfen und erfahren sie anhand der Reaktionen der Hotelgesellschaft als ihrem Publikum. Das nuancenhafte Rollenspiel – Puder und Lippenstift, der abgelegte Ehering – unterscheidet sich dabei nicht wesentlich vom Rollentausch – die Ehefrau als Geliebte, der Saxofonspieler als Shell-Erbe, der Kontrabassist als Verlobte –, auch wenn das Erstere weniger riskant ist. Es ist das Spiel des Gattungswesens, von dem es in William Shakespeares Stück über Geschlechteridentitäten, »Wie es euch gefällt«, heißt: »Die ganze Welt ist Bühne, / Und [43|44]Schauspieler nur all die Fraun und Männer. / Sie treten auf und gehen auch wieder ab, / Und mit der Zeit spielt einer viele Rollen / Durch sieben Lebensakte hin.«25 Das temporäre Experiment auf Alterität unterscheidet sich allerdings vom Theater durch den Pakt zwischen Spieler und Publikum: Das Publikum weiß, dass es sich (im Theater, im Kino) in einer fiktiven Welt aufhält, die vom Gesetz des als bestimmt ist (Käte Hamburger),26 es kennt die Spielregeln, es erwartet, dass der Schauspieler für die Dauer des Spiels eine Rolle übernimmt, sich die Identität einer Figur anverwandelt, es verlangt Technik und Professionalität, Maske und Kostüm sind erkennbar, Täuschung ist ein durchsichtiges dramaturgisches Mittel, Schein und Sein verhalten sich transparent zueinander.

Schein/Sein – Schauplatz

Indem das Hotel Welt und »Scheinwelt« zugleich ist, verschwimmt das Verhältnis von Fiktion und Realität. Täuschung geschieht im Grenzbereich von Illusion und Betrug. Mit dem Pakt konkurriert der Coup. Maske, Kostüm und Spiel sind nicht mehr identifizierbar, da Gesten und Handlungen ein Äquivalent in der Wirklichkeit haben. Im Idealfall ist nämlich der »Unterschied zwischen virtuoser Verstellung und Echtheit (…) unermeßlich klein«.27 Authentizität, ein kulturhistorischer Begriff vom Beginn der Moderne, der auf der Identität von Schein und Sein fußte, ist nurmehr Schein. Durchsichtiges Spiel wird undurchsichtige, verborgen bleibende Verstellung. Es herrscht Skepsis: »Alles, was um dich herum vorgeht, kann auch gespielt sein.«28 »Auch ein Rauchfangkehrer kann ein Fumist sein. Und jeder immer alles.«29

Künstler/Verbrecher – Tatort

Wird aus Spiel Ernst, wandelt sich die Bühne Hotel zum Tatort. Will das Spiel als sozialer Akt auf Experiment aus psychologischen Motiven und auf Unterhaltung aus ästhetischen Motiven hinaus, liegen dem asozialen Akt der kriminellen Handlung niedrige Motive zugrunde. Auf der Grenze zwischen beiden agiert der Hochstapler. Wie auf einem Hochseil balanciert er als Artist die Fliehkräfte aus, die ihn einerseits an die Künstler- oder Schelmen-Figur binden und andererseits an den Gentleman-Verbrecher. Sein Verbrechen ist ein »ästhetisches Phänomen (…, ein) praktiziertes Kunstwerk«.30 Die Scheinwelt des Hotels ist ein kongeniales Operationsfeld für seine Manipulationen, denn »die Welt will betrogen sein. Sie wird aber sogar ernstlich böse, wenn du es nicht tust.«31 Mit dieser Coda schließt Walter Serner 1927 sein »Handbrevier für Hochstapler«, in dem er in sentenzartigen Paragrafen Verhaltensregeln, »Trucs«, für die »Als-ob-Existenz par excellence«32 notiert. 1926 hatte Walter [44|45]Serner dem »Handbrevier« ein Tat und Ort kurzschließendes »Gaunerstück« vorausgeschickt.33

»Autodidakt«34 qua Herkunft, lässt der Hochstapler soziale Niederungen hinter sich, indem er den Habitus des attraktiven haute vie adaptiert; seine »Betrügereien« sind »Strategien der Überlebenskunst«.35 Der Hochstapler ist ein »Mann ohne Eigenschaften« (Robert Musil), eine Hohlfigur, »das Ideal der Autonomie (tritt) nur noch in der Virtuosität zutage, mit der die Person die Masken wechselt«.36 Er imitiert perfekt soziale Regeln, nutzt Konventionen und Spielräume aus. Mit dem Schauspieler teilt er also die Lust am Maskenspiel, mit dem Artisten die virtuose Technik der Täuschung, mit dem Publikum die »Schaulust«. »Das große Publikum freut sich über Techniken, mit denen es ihm gelingt, die distinguierte Klasse mit ihren eigenen Verfahren der Distinktion zu täuschen.«37

Weil er der »permanenten Gefahr der Entlarvung«38 ausgesetzt ist, muss der Hochstapler gewissenlos sein, kalt, beherrscht und diskret, seine Affekte kontrollieren ebenso wie seine wahrnehmenden Blicke, denn das Auge ist das sensuelle Medium der Handlungsstrategien, und »Unaufmerksamkeit ist Todsünde«.39 Peter Sloterdijk hat den Hochstapler als den »Zeittypus par excellence«40 der »Hochstapler-Republik«41 Weimar bezeichnet. Die Matrix der Krise lässt eine verunsicherte Gesellschaft nichts anderes erwarten als Betrug und Täuschung, Komplexitätsschocks und Vereinfachungsprogramme beschleunigen eine »als ›bodenlos‹ erfahren(e) Situation«.42 In diesem Kontext wird das Hotel zum Wachsfigurenkabinett: Es stellt noch einmal wie unter einem Glassturz das her, was als Idee am Beginn der bürgerlichen Epoche stand: Einheit statt Zerfall, Kosmos statt Chaos. Der Hochstapler spielt mit und setzt sich dafür auf die Gehaltsliste der getäuschten und getäuscht werden wollenden Gesellschaft.

Männer/Frauen – Jagdrevier

Das Hotel ist ein Jagdrevier, das der Hochstapler instinktiv und zugleich berechnend mit den Blicken des erfahrenen Jägers vermisst. Seine Beute sind Bankiers, Notare, vermögende, sich langweilende Privatiers, Erfolg demonstrierendes, Ansehen einforderndes, tatsächlich von Deklassierung bedrohtes Bürgertum, vor allem verwöhnte Töchter und einsame, vernachlässigte Frauen.

Die Königsdisziplin des Hochstaplers ist die erotische Verführung. Ihr Bodensatz ist das virulente Potenzial der Geschlechterverhältnisse. Sie bedarf eines öffentlichen Raums, zu dem sich das Hotel als Erbe von Marktplatz und Kirche bestens eignet. Wie Goethes Gretchen und Lessings Emilia ist die Frau im Hotel die potenzielle Beute des Jägers, auf dem Jagdrevier Hotel, in Halle, Bar und Restaurant nimmt er Witterung auf und sucht die Fährte, die ihn als das aktive [45|46]und überlegene Subjekt der Jagd zu seinem passiven, unterlegenen Opfer führt. Das Opfer ist allerdings verführbar.

Die Frau im Hotel ist Partnerin in einem sie erregenden »Abenteuer«,43 einem »Spiel mit dem Feuer«.44 Die »versteckte Anarchistin«,45 die Walter Serner in jeder Frau vermutet, verbindet mit dem Aufenthalt im Hotel die Erfüllung eines Augenblicks heimlichen Begehrens, der verführerische Hochstapler »fasziniert« sie. Der Jäger bewegt sich unauffällig und geräuschlos im Revier des Hotels. Die Strategie des Bel-Ami ist die »kalte Romantik«,46 sein größter Fehler der Kontrollverlust, weswegen dieses »Monstrum von Gleichgültigkeit«47 jeder »Beziehungsfalle«48 ausweichen muss, sich weder verliebt – der Fehler, den Baron von Gaigern in Vicki Baums Roman »Menschen im Hotel« begeht – noch Liebesbriefe schreibt, noch sich ein »Après«49 gestattet. Seine Waffen sind Charme, ein »Blick im Vorübergehen«,50 der »jeder Frau in das Sinnliche greift«,51 Manieren, mit Eros aufgeladene Stimme, diskrete Galanterie, »wenn kein anderer in der Nähe ist«,52 sein Ziel: Eroberung, »das junge, frische Fleisch«.53 Wird die Jagd als Kunst betrachtet, entdeckt man die »leidenschaftlichen Instinkte« im Akt selber, »das Aufspüren, die Erregtheit und die seelische Grausamkeit«.54 Jäger sind Genussmenschen, »selten mordlüstern, aber sehr oft Gourmands«.55

BRENNENDES GEHEIMNIS

Diese Rolle ist wie der Smoking maßgeschneidert für Willi Forst. Der homme à femmes des Weimarer Kinos gibt in Robert Siodmaks Stefan Zweig-Verfilmung BRENNENDES GEHEIMNIS (1932/33) den Verführer als zeitgemäßen Mann: als einen Sportwagen lenkenden, Cocktails mixenden und Schlager singenden, virilen und unwiderstehlichen Rennfahrer und Flieger. Sein Beuteschema ist schlicht: Frauen.

Ihn reizen allerdings nicht die leicht zu habenden wie das kokette Dienstmädchen und die ungenierte junge Engländerin, sondern die verheiratete Frau, die dem Jäger und Gourmand nicht durch die Lappen gehen soll. Ihn reizt jene »eine halbe (…) unter tausend Frauen«,56 die ist, was sie scheint. Dass das Ziel der Ver-Führung, des Wegführens vom Pfade ehelicher Tugend, letztlich der physische sexuelle Akt ist, signalisiert der Film gleich zu Beginn, wenn unter den Augen des verständigen Liftboys und des verständnislosen kindlichen Gastes der Amerikaner aus dem Zimmer der Engländerin am Morgen auf den Flur des Hotels tritt. Edgar, ein 12-jähriger Junge an der Grenze zwischen Kindheit und Erwachsensein, die er durch die Entdeckung des »brennenden Geheimnisses« Sexualität in der Affäre seiner Mutter überschreitet, geht von Haller nicht etwa »aus dem Weg (…), wenn Du etwas erreichen willst«,57 wie es Walter Serner dem Hochstapler anempfohlen hatte. Von Haller benutzt den Jungen als Mittel zum Zweck, er ist das Medium des Kontakts.

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Brennendes Geheimnis (1932/33, Robert Siodmak): Willi Forst, Hans Joachim Schaufuß, Hilde Wagener

Anders als es die Uraufführungskritiken hervorhoben, ist Siodmaks Zweig-Film weniger eine »den Geist der Novelle« »getreu«58 bewahrende Verfilmung als vielmehr eine filmische Adaptation (Drehbuch: Robert Siodmak, Friedrich Kohner und Alfred Polgar). Sie ist eine moderne Transformation eines für die Literatur um 1900 typischen Stoffs, die Verschiebungen mit sich bringt: Statt des in den 1930er Jahren nicht mehr zeitgemäßen Pubertätsdramas, in dessen Mittelpunkt der Junge steht, erzählt der Film von der moralischen Krise der Moderne, in deren Zentrum die Frau rückt. Sie steht zwischen dem Verführer und dem Sohn und ist umstellt von kontrastierenden und komplementären Figuren: Ein mittelloser Baron sucht in einer Erpressung eine Krisenlösung; Hoteldirektor und Hoteldetektiv überwachen Ordnung und Ökonomie, verwerfen beides aber bereitwillig, wenn damit dem Hotel gedient ist: Ihren die Gäste unterhaltenden Lieblingsgast von Haller halten sie für »unbezahlbar, er dürfte auch ohne Bezahlung absteigen«. Die Welthaltigkeit des Hotels vertreten der Amerikaner und die Engländerin, sie wird als sozialer Heterotopos akzentuiert durch eine karikatureske Buffo-Partie: ein kleinbürgerliches Ehepaar mit monströsem Sohn, das die ihnen fremde Welt beobachtet, sie sind »keine richtigen Gäste«, denn sie haben den Hotelaufenthalt in einem Preisausschreiben gewonnen. Ihre dramatische Grundierung zieht die Story aus [47|48]verlässlichen Gegensätzen: von Vertrauen und Betrug, Freund und Feind, Vermögen und Konkurs, Spiel und Ernst, Liebe und Abenteuer, Moral und Amoral, Glück und Unglück.

Der Film visualisiert die Krise in einer zentralen Bildkomposition: Das Hotel – in einer tessiner Sommerfrische – ist ein Gebäude im Bauhaus-Stil, keine alpine Architektur, weit und breit kein Hirschgeweih oder Geranienbalkone; mit dem modernen »Kasten« korrespondiert die kühle Eleganz des Art-Deco-Stils der Innenräume. In diesen Räumen unterliegen die Figuren der Kultur des 19. Jahrhunderts: Die Konventionen der Höflichkeit, der Kleidung, der Tischsitten, der Unterhaltung, der Begegnung der Geschlechter stammen aus dem vergangenen Jahrhundert. Der Film glättet den Kontrast dieser beiden Fassaden bis zur Unkenntlichkeit, er poliert die Differenz von Vergangenheit und Gegenwart zur die Weimarer Epoche bezeichnenden »Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen«. Auf der spiegelnden Oberfläche agiert die Schaulust der Figuren und des Kinopublikums.

Schon Stefan Zweigs Erzählung wird beherrscht vom Motiv des Blicks, vom Zentralorgan Auge und der Metaphorik des Sehens: Blicke orientieren, wenn der Mann die Tische im Speisesaal »alle mit eiligem Blick überflog«,59 sie taxieren mit einem »Blick im Vorübergehen«60 oder indem sie »beobachten«,61 sie fixieren als »vorsichtig anschleichende(r) Blick des Barons«,62 mit dem er »diese Frau eine halbe Stunde fast unablässig mit dem Blick fest(hielt)«,63 das »nervöse Zittern der Augenlider«64 oder »Augen (…) ganz ohne Angst«65 signalisieren Gefühle; der Erkenntnismodus des Sehens scheint im »blinde(n) Vertrauen«66 des Jungen ebenso auf wie er den Verrat im Blick identifiziert: »wie falsch er immer schaut«;67 der »Blick des Einverständnisses«68 zwischen Mann und Frau zitiert den biblischen Urtext der Gleichsetzung von Sehen und Erkennen; das Sehen ist ein Kommunikationsmodus: das »Auge (des Barons suchte) ihrem Blick zu begegnen«,69 der Junge fragt sich: »Weshalb vermeidet Mama immer meinen Blick, wenn ich sie ansehe?«,70 die Sprache der Blicke muss gelesen werden, sie kommentiert, wenn mit »zwinkernd höhnischen Blicken«71 gesprochen wird, sie appelliert, wenn die Mutter die Entdeckung fürchtet: »Jetzt sah sie ihn (den Sohn) an, in ihren Augen war eine flehende Bitte.«72 Das Auge ist eine Waffe: Es »umkrallt«73 sein Objekt. Sehen ist ein Akt physischen Handelns und darin ein metonymisches Verfahren: Beute lässt sich mit Blicken »fassen«,74 sie entkommt, wenn sie den Blicken entgleitet. In Arthur Schnitzlers Erzählung »Fräulein Else« will Mr. Dorsday »nichts anderes, Else, als – Sie sehen«,75 nackt sehen. Der Blick sublimiert nicht, er produziert Lust, »Schaulust«. Das Hotel enthält ein Versprechen auf diesen Augen-Blick, es ist der Raum des Begehrens. In der kulturellen Tradition wird Blickregie als Männersache aufgefasst, aggressive Aktion und schamhafte oder erwidernde Reaktion sind geschlechterspezifisch konnotiert. »Der maskuline Blick vertritt metonymisch die sexuelle Inbesitznahme.«76 Diese Geschlechterdisposition öffnet sich im Prozess der Moderne auf eine interagierende und reziproke Dynamik von Sehen und Gesehen [48|49]werden: Die Frau, das traditionelle Objekt des männlichen Blicks, ist auch Subjekt des Blicks. Sie begibt sich in den Blick des Mannes, sie will gesehen werden. Der Mann, das traditionelle Subjekt des Sehens, ist ebenso Objekt des Blicks, nämlich Gegenstand der Betrachtung der Frau.

Siodmaks Film übersetzt diese Geschlechterdisposition in eine Dramaturgie der Blicke. Im Zentrum steht die Blickkonstellation zwischen dem Baron und der Anwaltsgattin. Sie gehorcht nur anfänglich dem kulturellen Muster: dem ledigen, berechnenden, gefährlichen, hedonistischen, zum Alleinsein unfähigen Spieler und Abenteurer einerseits und der verheirateten, reifen, beherrschten, Leidenschaft entbehrenden, verführbaren Frau andererseits. Als der Jäger die Frau zum ersten Mal auf der Hoteltreppe sieht, nimmt er Witterung auf. Im Speisesaal tritt er, der selber von den bewundernden Blicken der Gäste verfolgt wird, in Aktion: Er sucht ihren Blick im Spiegel, in den er sich mit dem Stuhl rückt, sie nimmt den Blick wahr und rückt ihrerseits aus der Blickachse des Spiegelbildes heraus. Das Spiegelbild im opulenten Rahmen dominiert das Filmbild. Die Blicke spielen über den Spiegel wie über die Bande eines Billardtisches. Der Spiegel ist kein Requisit, er ist ein Mitspieler. Die Filmkritikerin Lotte Eisner hatte in ihrer Uraufführungskritik seine Bedeutung wie überhaupt die »reizvolle (…), taktvolle« Dramaturgie der »Augenblicke« in einem »Kleine(n) Drama am Hotel-Tisch« benannt: Der »Spiegel ist der Kuppler«.77 Dass der als Liebe titulierte Erfolg einer Strategie geschuldet ist, bekennt der Verführer: »Gott sei Dank bin ich nicht abgefahren. Und wem verdanke ich das? Einem Spiegel.« Das Spiegel-Motiv wird variiert: Im intimen Raum des Hotelzimmers agiert der Spiegel wie eine verschwiegene Kammerzofe, die tatsächlich nicht mehr zur Entourage einer bürgerlichen Erholungssuchenden gehört. Der Spiegel produziert und potenziert Lust, wenn er den Blick des bewundernden Mannes auf die elegante Erscheinung der Frau um ihren eitlen eigenen verdoppelt. Stanley Kubrick hat das in der Spiegelszene des sich liebenden Paars in seiner Verfilmung von Schnitzlers »Traumnovelle« EYES WIDE SHUT (1996–99) radikal vorgeführt.78 Die Frau setzt den Spiegel ihrer Puderdose als Instrument der Kontrolle ein. Der Film reimt Blick auf Glück: »Nur ein Blick, / Und das Glück – ist da« lautet der Refrain eines Schlagers, den der »mit Musik arbeitende« (so die mit dem »gewohnten Ablauf« seiner Affären vertraute Direktion) Verführer singt und dem sich die Frau im schmeichelnden Licht der Bar nicht entziehen kann.

Den anzüglichsten Blick öffnet der Film am Ende. Nicht in der Gefahrenzone des Hotels, sondern im vermeintlich gesicherten familiären Raum. Um so skandalöser ist dieser gefährdende Blick: Eingeweiht in das »brennende Geheimnis«, hat der Sohn, der nun kein Kind mehr ist, die Affäre seiner Mutter dem strengen Vater nicht verraten. Der Vater nimmt »ganz fremde Augen« an dem Jungen wahr. Die Mutter bringt ihn zu Bett. Vor den Augen des Jugendlichen zieht sie, die als Schattenriss im Gegenlicht steht, langsam und nacheinander drei Vorhänge zu, bis das abnehmende Licht der Szene im Schwarzfilm aufgehoben [49|50]ist. Das Kinderzimmer verwandelt sich in ein chambre à coucher, der erotische »Wunschraum« Hotel ist in die Sphäre des Privaten eingezogen.

Die nationalsozialistische Premierenkritik in Der Angriff forderte ein »Verbot« des an »krankhafter Schwüle« leidenden Films,79 eine Maßnahme, die Stefan Zweig in einem Telegramm an den Drehbuchautor Friedrich Kohner unmittelbar nach der Premiere noch als einen »Luftschuß zur Warnung (verstehen wollte), in Hinkunft ›fremdstämmige‹ Stoffe zu vermeiden.«80 In der plumpen tendenziösen nationalsozialistischen Rhetorik von Dekadenz und Volksgesundheit steckt eine bemerkenswerte Erkenntnis, deren Quelle verborgen bleibt: Serners Erkenntnis nämlich, dass vom Kino »eine aufrührerische Wirkung aus(geht)«.81

FRÄULEIN ELSE

Elisabeth Bergner, die Darstellerin der Else, hielt Arthur Schnitzlers Erzählung für »etwas, was nur gelesen werden darf«,82 und Ernst Jäger ist einer der vielen Filmkritiker, die die literarische Vorlage überhaupt für eine »unfilmische Unterlage« ansahen und den Film für misslungen hielten.83 Wenn man Paul Czinners Film als literarische Verfilmung begreift, dann muss man den kritischen Urteilen zustimmen.84 Tatsächlich interessierte sich die filmische Adaptation nur für die »Motive von Arthur Schnitzler« – so der Untertitel –, aus denen sich nach den »eigene(n) Kompositionsgesetze(n)«85 des Films eine visuelle Erzählung entwickeln lässt. Das Drehbuch gibt dem um 1900 in einer von Schein und Sein bestimmten wiener Gesellschaft angesiedelten provozierenden Selbstgespräch einer verwöhnten Tochter aus dem jüdischen Bürgertum die Dimension einer Tragödie: eines für ein junges, unschuldiges und vom Vater verratenes Mädchen unlösbaren, also tragischen Konflikts. Will sie den geliebten Vater vor Ehrverlust und Skandal retten, muss sie sich prostituieren; will sie ihre Ehre retten, muss der Vater untergehen. Geistige Schwester antiker Frauenfiguren, wählt sie den Selbstmord, obwohl der den ersten Teil des Films dominierende Vater – ein seine Tochter liebender, hasardeurhafter Bourgeois und spekulierender Anwalt, gespielt von Albert Bassermann – ein Selbstmordkandidat ist. Aber er macht den Schal doch nicht zum Strang, und das Veronal rettet ihn nach seinem Herzanfall in den heilsamen Schlaf. Dann vergisst er Else, und der Film vergisst ihn. Das Veronal wird Else umbringen, aber es sieht so aus, als ob es sie rettet und sie schläft – der Mythos von Schlaf und Tod grundiert die Tektonik. Das Wesentliche also weicht von der literarischen Vorlage ab: Die Aufwertung der Vaterfigur, die für den Drehbuchautor unverzichtbar ist, um aus der zentralen Figur Else eine tragische zu machen, ihre psychologische Vereinfachung, die ihr die abgründige Ambivalenz der literarischen Figur nimmt, den Narzissmus, den »Lustreiz« erotischer Wahlfreiheit und öffentlicher Entblößung,86 ihre Modernisierung als Sporting Girl, die zeitliche Ausdehnung der nur wenige Stunden umfassenden erzählerischen Handlung auf mehrere Tage, der Verzicht auf Rückblenden und Traumsequenzen und die Auflösung der radikal subjektiven Form des Inneren Monologs, den Else in der Schnitzler’schen Novelle führt.

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Fräulein Else (1928/29, Paul Czinner): Elisabeth Bergner

Czinner übernimmt eigentlich nur die Mise en scène Hotel und das sich dort ereignende unerhörte Ereignis der Schnitzler’schen Novelle. Darauf läuft der Film hinaus. Sein finaler Blick ist ein ebenso skandalöser wie der in BRENNENDES GEHEIMNIS: Else entblößt sich in der Hotelbar vor den Augen der Gäste, sie lässt den weißen Pelz von den Schultern fallen und sinkt, vom Veronal vergiftet, mit ihm zu Boden. Ihren nackten Körper sehen die Kinozuschauer in den entsetzten, nicht abgewendeten Augen der anderen Hotelgäste, unter ihnen derjenige, der Else das unsittliche Angebot von 30.000 Schilling gemacht hatte, die ihren verschuldeten Vater vor einer Verhaftung retteten, wenn er, Dorsday, sie so sehen dürfe wie den antiken Akt der Venus pudica, der »schamhaften Venus« in einer Wandnische der Hotelhalle: nackt. In diesen tödlichen Anblick der »Venus im Pelz«87 mündet in der zweiten Hälfte des Films eine Dramaturgie der Blicke.

Paul Czinner lehnt seinen Film an das im Weimarer Kino beliebte Genre des Bergfilms an und bettet ihn ein in eine prospekthafte winterliche Naturkulisse [51|52]der Alpen und das wie für Tourismus werbende sportliche Treiben in St. Moritz. Das Grand Hotel, der Schauplatz des zweiten Teils, schließt sich gegen den offenen Außenraum ab. Das Hotel bildet ein undurchsichtiges System von Gängen und Fluren, die zwischen Säulen, über Treppen, Lifts und durch Glastüren in Säle, die Halle, eine Jazz Bar führen. In diesem labyrinthischen Raum bewegen sich nicht Individuen, sondern eine Masse, ein »hysterisches Gewimmel aufgescheuchter Mitmenschen«;88 ein Bild, das dem Grand Hotel bei Czinner einen spezifisch modernen Charakter gibt. Die Kollektivfigur der Hotelgäste bildet den Rahmen für die beiden Protagonisten, zugleich ist sie der voyeuristische Akteur des Geschehens.

Die unübersichtliche, verwirrende Raum- und Sozialstruktur ist der Schauplatz für zwei, dem tradierten Schema von weiblichem Opfer und männlichem Täter gehorchenden, individualisierten Figuren, die sich aus gegensätzlichen Beweggründen und aus gleichermaßen gefährdenden wie sanktionierten Motiven anzunähern suchen. Die Initiation gehört dem erfahrenen, souveränen, Vitalität begehrenden Jäger: Mr. Dorsday, der in der Hotelhalle La Vie Parisienne liest, nimmt fast instinktiv die frische Beute wahr; als Else – sehr jung, fast kindlich, ungestüm, natürlich, ungeschminkt, knabenhaft – erscheint, erfasst er sie im öffentlichen Raum physisch mit dem Blick – er taxiert sie durch sein Monokel – und dann mit seiner Hand. Diesen Übergriff wird er sich wiederholt erlauben. Else reagiert, gut erzogen und ebenso instinktiv abgeneigt. Dass sie sich ekelt, signalisiert der tote Fisch auf ihrem Teller, dessen Assoziation mit dem im Hintergrund speisenden Dorsday der Bildschnitt herstellt. Dass sie allein auf sich gestellt ist, visualisiert der Spiegel, durch dessen Projektion sie in einen Dialog mit sich tritt. Ihre »verzweifelte Selbstbefragung«89 richtet sie wie an eine andere, die ihr aus dem Spiegel entgegentritt. Auch hier ist der Spiegel eine Figur, vertrauenswürdig, trösten wollend, aber hilflos.

In der Hotelhalle, im Speisesaal – auf dem Terrain anonymer Staffagefiguren schlägt der Angreifer treffsicher die Blickachse und betritt sie mit schamlosem Blick, dem der niedergeschlagene ausweicht. Diese visuelle Beziehung zwischen Subjekt und Objekt des Begehrens wird dynamisiert, als Else gezwungen ist, aktiv zu handeln, Dorsday die väterliche Notlage vorzutragen. In drei sehr langen Sequenzen (jeweils ca. 10 Minuten im zweiten, ca. 45-minütigen Teil) inszeniert der Film Annäherung und Ausweichen auf der Blickachse dieser Figuren. Die Kamera nimmt wechselnde Perspektiven ein: Sie schaut im Speisesaal mit Else auf den von ihr abgewandten, sie aber in seiner Nähe spürenden Feind und folgt ihm mit ihr durch das Hotel, die Kamera registriert die beschleunigte, verlangsamte oder überraschende Raumerschließung der sich Verfolgenden, sie schaut dem Feind entgegen und behält dabei die ihn verfolgende Else im Auge, sie beobachtet beide, die einander gegenüber Macht und Ohnmacht visuell signifikant vermitteln, wenn etwa Dorsday durch sein Monokel blickt und Else die Augen niederschlägt oder sie mit den Händen verbirgt. Die Tiefenstaffelung der Räume – die Anordnung der Tische im Speisesaal, an denen [52|53]die Figuren sitzen, oder der Säulen entlang eines langen Flures – oder die Kadrierung – die diagonale Achse zwischen den Figuren, die Zentrierung, wenn sie die Bar betreten –, alle diese genuin filmischen Verfahren binden den Zuschauer als Beobachtenden, der diese Position mit den Hotelgästen teilt, suggestiv in das rein visuell vermittelte Geschehen ein. Angesichts der Preisklasse eines Grand Hotels erwarten diese Voyeure, auf ihre Kosten zu kommen; Elses letzter Auftritt im Pelz erfüllt ihre Schau- und Erregungslust, alle schauen sie an; der Film findet dafür am Ende das Bild einer älteren Dame, die sich durch ihr Lorgnon versichert, nichts übersehen zu haben, bevor das Personal die Türen schließt.

Flucht/Zuflucht – Schutzraum

Das Hotel ist die Lebensform des Exils. Nachdem der Schriftsteller und russische Emigrant Vladimir Nabokov Anfang der 1960er Jahre sein zweites Exil, Amerika, zugunsten eines dritten in Europa aufgibt, residiert er bis zum Ende seines Lebens im Palace Hotel in Montreux am Genfer See. Wer es sich leisten kann unter den »entthronte(n) Könige(n)« (Berthold Viertel) der Emigration aus dem nationalsozialistischen Deutschland, steigt im The Garden of Allah am Sunset Boulevard ab, im new yorker The Alden wie Albert Bassermann, Erika und Klaus Mann im Bedford an der 40. Straße. Auch das Mayflower on the Park am Central Park West gehört zu den besten Adressen von New York, Ernst Toller stürzt sich 1939 hier aus einem Fenster in den Tod. Das ist der Schatten der Flucht aus Deutschland nach 1933: Hoffnung und Verzweiflung, Rettung und Scheitern. Ernst Weiß’ Selbstmord 1940 nach der Besetzung Frankreichs im pariser Hotel Trianon Rive Gauche in der Rue de Vaugirard macht Anna Seghers zum Schlüsselereignis ihres Romans »Transit« (1944), der im nicht von den Deutschen besetzten Südfrankreich in Marseille und dort in den kleinen, billigen Hotels spielt. Das Hotel Aumage liegt »in der hässlichen Rue du Relais«,90 die Fassade ist »schmal und schmutzig«, die Gäste sind »lauter durchfahrendes Volk – wer hätte auch einen solchen Ort auf die Dauer gewählt? Es war ein Haus, von dem man sich sagt: Man hält es aus, weil man abfährt.«91

Im »elenden Leben der Emigration«92 lebt der Komponist Sepp Trautwein, Protagonist in Lion Feuchtwangers – 1978 von Egon Günther verfilmtem – Roman »Exil«, mit Frau und Sohn in der »vollgestopften Armseligkeit«93 »zwei(er) triste(r) Zimmer des Hotels Aranjuez«94 in Paris. Im Hotel Aumage bereiten die Bewohner in den Zimmern »Ersatzkaffee aus getrockneten Erbsen (zu), der Zucker war Sacharin. Der Spiritus war ein stinkender Ersatzspiritus, doch sein Flämmchen erfüllte unsere entleerten Herzen mit einem Ersatz von Heimat und Herd.«95 Die kleinen Hotels wie Joseph Roths pariser Domizil Le Tournon in der Rue de Tournon bedeuten Zuflucht und Schutz. Als Ort des Transits verbinden die Geflüchteten mit ihm Hoffnung: darauf, den Zeitraum des Exils zu [53|54]überleben und den Ort wieder verlassen zu können. Die »Absteigen«96 in der Nähe der Bahnhöfe annoncieren den Heimatlosen die Aussicht auf ein Ende des ungewollten Aufenthalts; dem Emigranten Benjamin Abel, einer Figur aus Klaus Manns Roman »Der Vulkan«, bedeutet die Nähe seines Hotels zur amsterdamer Centraal Station »ein Symbol für das Unverbindliche, Vorläufige seines Zustandes«.97

Doch schon früh interpretiert Walter Mehring im pariser Exil »die kleinen Hotels« als Topos des Scheiterns von Flucht und Rückkehr: »(A)uf lebenslänglich« ist das Lyrische Ich »verdonnert (…) / Zu den kleinen Hotels«, sie »verengen« sich »zum Sarg«.98 Die kleinen Hotels sind billig, dennoch zu teuer angesichts der »Schwindsucht deines letzten Geldes«:99 »Fünf Gulden am Tag, nur für Zimmer und erstes Frühstück – man kam sich ja wie ein Hochstapler vor. Die Ersparnisse, die (Benjamin Abel) noch besaß, waren gering; im wesentlichen war man auf eine kleine Pension angewiesen«.100 Unter den Dächern der kleinen Hotels »wimmelt es von Schicksalsgenossen«.101 Aus der Perspektive des Gastlands sind sie »unerwünscht«,102 ungebetene »trübe Gäste«,103 Fremde.

THE PASSING OF THE THIRD FLOOR BACK

In diesen Kontext lässt sich der britische Film THE PASSING OF THE THIRD FLOOR BACK (1935) nicht nur als Exilfilm einordnen, weil wichtige Mitwirkende Exilanten waren (Regie: Berthold Viertel, Kamera: Curt Courant, Set: O. F. Werndorff, Drehbuch-Mitarbeit: Anna Gmeyner), sondern er lässt sich als Exilfilm lesen: Er inszeniert die Begegnung des Gastlands mit dem Fremden. Gerd Gemünden und Anton Kaes haben den Film als Allegorie des Exils bezeichnet, »an allegory for the role exiles play within a host country«.104 Die Figur des Fremden (Conrad Veidt) fügt dem konventionellen Bild des Exils als traumatischer Erfahrung von Verlust, Ohnmacht und Entfremdung105 eine komplementäre Deutung hinzu: die Erfahrung kreativen und einflussreichen Handelns. Darüber hinaus schreibt der Film das Motiv »Hotel« als Raum entwurzelter Existenz und Nichtzugehörigkeit fort, wenn man den »transitory space typical of exile cinema«106 in den Horizont des Weimarer Kinos und zum Beispiel von Robert Siodmaks Film ABSCHIED. SO SIND DIE MENSCHEN (1930) rückt.

Der von Gaumont-British Picture Corp. produzierte und im September 1935 in London uraufgeführte Film basiert auf der 1907 publizierten Erzählung bzw. dem 1908 in London erschienenen Theaterstück von Jerome K. (Klapka) Jerome. In den Credits des Films wird unter den Autoren der Adaptation die österreichische Schriftstellerin Anna Gmeyner nicht genannt, die Drehbuchentwicklung lag in den Händen der Filmautoren Alma Reville und Michael Hogan. Der wiener Exilschriftsteller und Regisseur Berthold Viertel hatte die von ihm geschätzte und 1934 aus Paris nach England emigrierte Drehbuchautorin quasi inkognito verpflichtet: »Liebste Annie! Wenn Du inzwischen den englischen Schmoeker gelesen haben solltest, wirst Du selbst zu dem Schluss gekommen sein, dass zwar die Grundsituation annehmbar ist, dass man sogar einzelne Elemente behalten kann, dass man sie aber maechtig entwickeln muss.«107

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The Passing of the Third Floor Back (1935, Berthold Viertel): Conrad Veidt

Anna Gmeyner hat den um 1900 beliebten Magischen Realismus der literarischen Vorlage einerseits sozialkritisch überschrieben im Sinne einer Slice-oflife-Studie, einem dem Realismus des 19. Jahrhunderts entstammenden und filmisch attraktiven Narrativ, zum Beispiel in SOUS LES TOITS DE PARIS (UNTER DEN DÄCHERN VON PARIS, 1929/30, René Clair), DU HAUT EN BAS (1933, Georg Wilhelm Pabst), oder HÔTEL DU NORD (1938, Marcel Carné). Andererseits hat Gmeyner die mysteriöse Zeichnung des Fremden und seine magische Wirkung religiös umgeschrieben; in beiden Tendenzen ist im Übrigen die Handschrift der Dramatikerin der Weimarer Republik und Romanautorin des Exils, die sich in England religionsphilosophischen Themen zuwandte, zu erkennen.

Die »seltsame Geschichte«108 spielt in einem typischen londoner Boarding House mit dem metaphorischen Namen Belle Vue. Ein kleines Hotel, dessen Bewohner einen bescheidenen, gleichwohl gefährdeten materiellen Status und einen von Missgunst, Misstrauen, Feindschaft und Berechnung gezeichneten sozialen Typus repräsentieren: ein ruinierter Kaufmann, der mit dem Ein[55|56]verständnis seiner Frau die Tochter Vivian aus Kalkül dem sinistren, aber vermögenden Geschäftsmann mit dem sprechenden Namen Mr. Wright verloben will – eine FRÄULEIN ELSE ähnliche Konfliktkonstellation –; ein junger, erfolgloser Architekt, den Vivian liebt; Miss Kite, eine in boshaften Zynismus geflüchtete Frau »auf der falschen Seite der Dreißig«; ein Pianist, der die klassische Musik an den Swing verraten hat; eine im Dünkel aristokratischer Herkunft befangene Komische Alte; die hartherzige Besitzerin des Hotels und das von allen verachtete Dienstmädchen Stasia. Die Besitzerin nennt ihre Gäste einen »representative circle«. Das Hotel ist eine Arche Noah, so das positiv konnotierte Schiffs-Bild der literarischen Vorlage,109 aus dem im Filmdialog die negative Variante einer »strange galère« wird. Weniger auserwählt und gerettet also als zusammengezwungen und ausgeliefert, residiert im Hotel eine vom gesellschaftlichen Abstieg und vom individuellen Scheitern gezeichnete Mittelstandsgesellschaft. Deren krisenhafte Existenz manifestiert sich darin, dass niemand über einen Wohnsitz verfügt; sie alle leben im Hotel, dem transitorischen Raum schlechthin. Der Film macht das »boarding house not just the usual symbol for a slice of society, but also one of displacement and non-belonging«.110

Die Unbehaustheit teilen die Bewohner mit einem hinzukommenden Gast, der namenlos bleibt und nur als »the stranger«,111 der Fremde, bezeichnet wird. Seine Ankunft und seine Abreise bilden den Rahmen einer parabolischen Erzählung über moralische Alterität. Für einen Moment, so lange nämlich, wie sie unter einem Dach mit dem Fremden leben, entdecken die Hotelbewohner ihr verschüttetes anderes, besseres Ich, eine einen Augenblick lang blendende belle vue auf ein lebenswertes Leben. Der Film findet dafür unter anderem das leitmotivisch eingesetzte traditionelle Symbol einer Pflanze: Lieblos weggeworfen, verkümmert, nimmt sich Stasia einer wie sie kleinen, unbedeutenden, unter ihren Händen aufblühenden Topfpflanze an, die am Ende wieder verdorrt im leeren Zimmer des Fremden zurückbleibt. Die Pflanze verweist metonymisch auf das Dienstmädchen, die andere zentrale Figur des Films. Sie empfängt und verabschiedet den Fremden, sie wird von ihm heraufgehoben, in der Lesart des Fremden als einer »Jesus-artige(n) Figur«112 ist Stasia seine Maria Magdalena.

Der sich in physischen und vorgestellten Welten bewegende, zwischen Phantasie und Wirklichkeit agierende, mysteriöse Fremde ist eine romantische Figur. Insofern steht hinter der Besetzung der Figur mit Conrad Veidt werkbiografisch, rezeptionsgeschichtlich und ästhetisch die romantische Typologie des Fantastischen, die der Schauspieler im Weimarer Film verkörpert hatte: das Medium Césare in DAS CABINET DES DR. CALIGARI (1919/20, Robert Wiene), der sein Spiegelbild verkaufende Student in DER STUDENT VON PRAG (1926, Henrik Galeen) oder der dem Wahnsinn verfallende Pianist in ORLACS HÄNDE (1924, Robert Wiene).

Das romantische Interesse an Alterität interpretierte den Typus des Fremden im 19. Jahrhundert theologisch, mythologisch, psychologisch oder natur[56|57]wissenschaftlich; seiner Variante in THE PASSING OF THE THIRD FLOOR BACK liegt eine religiöse, genauer: christliche Idee zugrunde. Berthold Viertel hatte eine Passionsgeschichte vor Augen gehabt, wenn er Anna Gmeyner schrieb: »Hauptsache waere die Erfindung einer Handlung, die den Fremden aus der Rolle eines Beobachters und Wunderrabbiners in die eines leidenden Menschen verwandelt, der die Nachfolge Christi antritt und das Kreuz auf sich nimmt.«113 Eher wie in einem eschatologischen Mysterienspiel tritt der Fremde als Erzengel in den Kampf mit Satan um die Vollendung des Einzelnen als Schöpfungswesen Gottes.

Hinter der Figurenzeichnung der Gegenspieler und der Bildkomposition steht filmhistorisch das Vorspiel aus Murnaus FAUST. EINE DEUTSCHE VOLKSSAGE (1925/26): Die weiße Lichtgestalt des Erzengels, der den schwarzen Teufel des Himmels verweist. Von hohem Wuchs und alle überragend, ist der Fremde in THE PASSING OF THE THIRD FLOOR BACK eine mit dem »splendor imperii«, dem Glanz der Herrscherkraft und -tugend ausgestattete Lichtgestalt: Das Haupt mit dem weißen Haar leuchtet die Lichtregie so aus, dass die Illusion eines Heiligenscheins erzeugt wird, überdies trägt er einen hellen Anzug und im Knopfloch eine weiße Blume. Der erste und letzte Auftritt der asketischen Figur wird jeweils von sakraler gotischer Architektur gerahmt. Das Fenster im kleinen Dachzimmer des Fremden wirft als Schattenriss ein Kreuz.