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Über dieses Buch:

Wenn in dir das Herz einer Kriegerin schlägt … Claudia Martin ist eine ganz normale junge Frau, bis zu dem Tag, an dem ihr neuer Schwarm sie zu einem ganz besonderen Rendezvous einlädt: Alex zeigt ihr das uralte »Buch des Blutes«, die Heilige Schrift der Vampire. Zunächst kann Claudia nicht glauben, was sie da hört – doch dann werden die beiden von Untoten angegriffen. Im letzten Moment kann Claudia mit dem kostbaren Buch entkommen. Sie weiß, dass sie von nun an nie wieder in Sicherheit sein wird, wenn sie nicht lernt, den Geschöpfen der Dunkelheit mutig entgegen zu treten – und diese zu vernichten!

Über die Autorin:

Corina Bomann, geboren 1974, wuchs in Parchim auf, einem Dorf in Mecklenburg-Vorpommern; heute lebt sie in Berlin. Sie schrieb bereits zahlreiche erfolgreich Jugendbücher und historische Romane, bevor ihr mit dem Buch Die Schmetterlingsinsel, das wochenlang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste stand, der ganz große Durchbruch gelang.

Bei dotbooks veröffentlichte Corina Bomann eBooks, die eine ganz andere Seite ihrer Kreativität zeigen – Mystery- und Horror-Romane, die zu Beginn ihrer Karriere entstanden und die sie für die Neuausgabe überarbeitet hat: Der Fluch der Gräfin, Elixier der Nacht, Das Verlangen des Dämons, Die Geliebte des Teufelsritters, Die Zärtlichkeit des Bösen, Das Flüstern der Verdammnis und Die Verlockungen der Dunkelheit.

Die Website der Autorin: www.corina-bomann-buecher.de

Die Autorin im Internet: www.facebook.com/corina.bomann

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Überarbeitete eBook-Neuausgabe August 2016

Die ursprüngliche Fassung erschien 2000 unter dem Titel Das Ritual als BASTEI Mitternachts-Roman.

Copyright © der Originalausgabe 2000 Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach

Copyright © der überarbeiteten und mit einem Nachwort versehenen Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung von Bildmotiven von shutterstock/lipik und shutterstock/D_D

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95824-303-3

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Corina Bomann

Die Verlockungen der Dunkelheit

Roman

dotbooks.

Kapitel 1

Obwohl sie schon längst Feierabend hatte, saß Claudia Martin noch im Büro ihres Arbeitgebers, des Maklers Gero Hildebrand. Die junge Sekretärin musste mal wieder Überstunden machen. Gerade heute, wo ich mich mit Alex treffen will. Seufzend schaute sie zur Uhr. Zehn nach acht. Wenn diese Kundin nicht bald kommt, kann ich mein Rendezvous vergessen 

Da klopfte es. Endlich. Claudia erhob sich und ging zur Tür, um zu öffnen. Lächelnd zog sie den Türflügel auf und wollte die Kundin begrüßen, doch bei ihrem Anblick blieben ihr die Worte im Halse stecken.

Die Fremde mochte vielleicht Anfang 30 sein. Sie hatte braunes Haar, trug schwere goldene Ohrringe und ein schwarzes Samtkleid unter dem offenen Mantel. Die dunkle Kleidung betonte die blasse Haut, die im Neonlicht des Büros fast durchscheinend wirkte. Claudia hatte den Eindruck, sogar die darunter liegenden Adern sehen zu können. Und auch das Gesicht der Frau war mehr als ungewöhnlich: Ihre Augen leuchteten wie zwei glühende Flammen, und als sich die blutrot geschminkten Lippen zu einem Lächeln verzogen, kamen merkwürdig scharfe, wie Milchglas wirkende Zähne zum Vorschein.

Claudia starrte die Kundin mit großen Augen an und hatte plötzlich das Gefühl, als streife sie ein kalter Hauch, der hinter der unheimlichen Frau hervorwehte wie der eisige Atem des Todes. Sie unterdrückte mühsam ein Zittern und rief sich dann selbst zur Ordnung. Bilde dir nichts ein! Im bleichen Bürolicht sieht doch kaum jemand normal aus. Vielleicht war die Frau auch krank … Außerdem war es Herbst und ein kalter Luftzug nichts Ungewöhnliches. Claudia versuchte sich an einem Lächeln und sagte: »Guten Abend. Was kann ich für Sie tun?«

»Mein Name ist Clarissa Beheim«, antwortete die Kundin mit eisiger Stimme. »Ich habe einen Termin mit Herrn Hildebrand.« Das waren die Worte, mit denen fast jeder im Maklerbüro vorstellig wurde, doch Clarissa Beheim sprach sie aus, als sei sie eine Schlange, die gerade ihr Opfer fixierte.

Claudia spürte, wie sich ihre Nackenhärchen aufrichteten. »Ich werde es Herrn Hildebrand mitteilen«, sagte sie, und während ein Kälteschauer sie durchpulste, nahm sie der Kundin den Mantel ab. Er war aus einem sehr edlen Stoff, fühlte sich aber irgendwie klamm und kalt an. Als hätte ihn eine Leiche getragen, dachte Claudia erschauernd, hängte ihn an den Kleiderständer neben der Tür und schritt dann zur Bürotür ihres Chefs. Doch noch bevor sie anklopfen konnte, trat Gero Hildebrand bereits aus seinem Allerheiligsten, um die Kundin zu begrüßen.

»Ah, Frau Beheim, schön, Sie zu sehen«, rief er überschwänglich, ergriff ihre schlanken Finger und drückte ihr einen Handkuss auf. Dann führte er sie in sein Büro, aus dem der Geruch teurer Zigarren drang.

Claudia war froh, als sich die Bürotür geschlossen hatte und Clarissa Beheim außer Sichtweite war. Die Wärme kehrte in ihren Körper zurück, auch das Zittern hörte auf, und sie setzte sich zurück an ihren Platz. Sie verspürte Erleichterung. Es gab also tatsächlich Leute, die einem auf Anhieb unsympathisch waren, obwohl man sie gar nicht kannte. Sie wandte sich den Akten zu, die auf dem Schreibtisch lagen. Aber vielleicht tat sie ihr ja auch unrecht, und sie war sonst ein ganz netter Mensch … Claudia schüttelte den Kopf. Nein, das war bestimmt nicht der Fall. So wie die sie angeschaut hatte. Sie erinnerte sich an ein altes Sprichwort, das ihre Großmutter immer gebraucht hatte: Die Augen sind der Spiegel der Seele. Wenn das stimmte, dann war Clarissa Beheim das personifizierte Böse.

Mit solchen Gedanken im Kopf fiel es ihr schwer, sich wieder auf die Akten zu konzentrieren. Clarissa Beheims kalte Stimme drang durch die gepolsterte Bürotür und jagte ihr einen eisigen Schauer über den Rücken. Und in jedem Ordner, den sie aufklappte, und auf jedem Blatt Papier erschienen das bleiche Gesicht und die merkwürdig leuchtenden Augen.

Wie aus einem Horrorfilm, dachte Claudia erneut und schlug den vor ihr liegenden Aktenordner zu. Nur gut, dass ich nicht mit ihr verhandeln muss. Und sobald sie den Vertrag unterzeichnet und die alte Villa am Stadtrand gekauft hatte, würde sie das Büro wieder verlassen und ihr hoffentlich nie wieder über den Weg laufen.

Ein lautes Knacken in der Gegensprechanlage ließ sie aus ihren Gedanken schrecken. »Frau Martin, ich brauche Sie nicht mehr«, meldete sich Hildebrand. »Sie können nach Hause gehen. Schönes Wochenende.«

»Ja, Ihnen auch«, gab sie zurück. Sie konnte zunächst gar nicht fassen, dass er auf sie verzichten wollte. Doch bevor er es sich anders überlegen konnte, schnappte sie sich ihre Tasche, rief laut »Tschüss!« und verließ das Büro.

Als sich die Haustür des Maklerbüros hinter ihr geschlossen hatte, schaute sie auf die Armbanduhr und versuchte zu erkennen, wie spät es war. Im schwachen orangegelben Schein der Straßenlampe sah sie, dass die Zeiger auf zwanzig nach acht standen. Viel Zeit hatte sie nicht mehr, um sich zurechtzumachen. Und wenn sie rechtzeitig fertig sein wollte, musste sie sich sputen, denn um neun würde Alex vor der Tür stehen und sie abholen. Zu einem lauschigen Abend zu zweit, wie er gesagt hatte …

Claudia hatte keine Zeit zu verlieren. Sie lief zu ihrem Wagen, den sie in einer Querstraße in der Nähe des Büros geparkt hatte, stieg ein und startete den Motor. Während sie aus der Parklücke bog, schaute sie kurz noch in das hell erleuchtete Fenster des Büros und sah dort die Schatten ihres Chefs und seiner Kundin. Es schien, als beuge sie sich gerade über ihn, gerade so wie die Vampire im Film, wenn sie ihr Opfer beißen wollten. Claudia schüttelte den Kopf. Ach, Unsinn!, schalt sie sich. Vergiss die seltsame Frau ganz einfach und denk lieber an Alex. An seine schönen braunen Augen, den durchtrainierten Körper, das rotbraune Haar …

Sie stellte sich vor, wie sie in den Armen ihres Freundes lag und den »lauschigen« Abend genoss, ordnete sich in den abendlichen Verkehr ein und verdrängte die Gedanken an die eisige Schönheit in Hildebrands Büro.

Kapitel 2

Die Ampeln der Stadt hatten ein Einsehen mit Claudia; außerdem herrschte wenig Verkehr, die meisten Leute schienen an diesem Abend zu Hause geblieben zu sein, und so schaffte sie es tatsächlich, innerhalb von zehn Minuten zu Hause zu sein. Nachdem sie die Tür ihrer Erdgeschosswohnung hinter sich geschlossen hatte, warf sie Jacke, Tasche und Autoschlüssel von sich, sprang aus ihren Sachen und dann unter die Dusche. Als das warme Wasser angenehm über ihren Körper perlte, summte sie leise vor sich hin und stellte sich vor, wie es wäre, wenn es Alex’ Hände wären, die sie einseiften und dann den Schaum wieder abwuschen …

Doch allzu lange gestattete sie sich diesen erregenden Gedanken nicht. Wenig später kam sie aus der Dusche hervor, schlüpfte in ihre knappe schwarze Unterwäsche, die sie extra für das Treffen mit Alex gekauft hatte, und ging zu ihrem Schminktisch. Sie setzte sich auf den kleinen Hocker und begann, sich das blonde Haar aufzustecken.

Plötzlich erstarrte sie mitten in der Bewegung. Sie sah ein zweites Mal hin: Hinter ihr, zwischen den offenen Vorhängen, entdeckte sie plötzlich ein Gesicht im Spiegel. Sie schaute genauer hin und erschrak bis ins Mark. Es war das totenbleiche, narbige Gesicht eines Mannes, der sie von draußen durchs offene Fenster anstarrte. Er stand draußen im Garten und … Unwillkürlich dachte sie an die seltsame Kundin namens Clarissa Beheim. Auch die Augen dieses Mannes leuchteten wie zwei Höllenfeuer, und sein farbloser Mund war zu einem grausamen Lächeln verzogen.

Vor lauter Schreck konnte Claudia nicht mal schreien. O mein Gott, wer ist das und was will er von mir? Hatten heute etwa alle Verrückten Ausgang bekommen? Die Gedanken tobten wie ein Orkan durch ihren Verstand, und sie blieb wie gelähmt auf ihrem Platz sitzen. Was mache ich jetzt bloß? Vielleicht war es nur ein harmloser Spanner. Aber wenn es sich nun um einen Verrückten handelte, der um die Häuser alleinstehender Frauen schlich, um sie umzubringen?

Ihr Herz schlug hart gegen die Rippen, und sie senkte den Blick auf der Suche nach einem Gegenstand, den sie als Waffe gebrauchen konnte. Davon gab es nicht viel auf der Spiegelkommode; die Schminkutensilien einer Frau eigneten sich nicht besonders zum Nahkampf. Doch schließlich wurde sie fündig. Zwischen den kleinen Cremedöschen und Parfümflakons lag ihre silberne Haarnadel. Mit der würde sie den Angreifer wenigstens etwas auf Distanz halten können.

Langsam ließ sie ihre Hand vorwärtsgleiten, riss die Nadel an sich und drehte sich um. Doch der schreckliche Mann war verschwunden. Durch das Fenster sah sie nur noch die Dunkelheit, die wie ein schwarzes Auge in ihr Zimmer schaute.

Wo war der Kerl geblieben? Sie sprang vom Hocker und rannte zum Fenster, um es zu schließen. Ihre Hände zitterten, als sie den Fenstergriff losließen. Und wenn er nun schon im Haus war? Hatte sie die Haustür auch abschlossen? Waren die Fenster zu? Oder hatte sie sich den Kerl nur eingebildet? Während die Fragen durch ihren Kopf rasten und Angst ihre Kehle fest umklammerte, klingelte es plötzlich an der Haustür.

Claudia fuhr zusammen. Für einen Moment rasten Kälte- und Hitzewellen gleichzeitig durch ihren Körper. War es der Fremde? Wollte er sie aus dem Haus locken?

Sie schaute auf ihre Uhr. Viertel vor neun. Alex wollte um neun kommen. Sie blieb neben dem Fenster stehen. Es konnte also sein, dass er da schon klingelte – doch es war ebenso möglich, dass vor der Tür ein Mörder stand!

Es klingelte noch einmal. Diesmal folgte dem grellen Schrillen aber noch ein anderes Geräusch. Eine Stimme rief nach ihr. »He, Claudia, mach auf, ich bin’s, Sandra. Ist irgendwas passiert?«

Claudia atmete tief durch. Die Stimme gehörte ihrer zwei Jahre älteren Schwester. Was macht die denn hier? Sofort stieg erneut die Angst in ihr auf. Sandra war da draußen – und dieser merkwürdige Kerl mit dem bleichen Gesicht auch!

Wie von der Tarantel gestochen rannte sie los, aus dem Schlafzimmer, durch den Korridor zur Haustür. Ohne lange zu überlegen, schob sie den Riegel zurück und öffnete.

Gerade holte Sandra aus, um gegen die Tür zu hämmern, doch im letzten Moment zog sie die Hand zurück, bevor sie ihre Schwester traf.

»Sag mal, hast du geschlafen?«, fragte die Jurastudentin verwundert, doch bevor sie weitersprechen konnte, zog Claudia sie ins Haus. »He, was ist denn …?« Weiter kam sie nicht. Claudia packte sie recht unsanft am Arm und zerrte sie in den Flur, bevor sie die Tür mit hektischen Bewegungen verriegelte.

»He, warum benimmst du dich so merkwürdig?« Sandra strich ihr braunes Haar aus dem Gesicht. »Hast du anonyme Morddrohungen erhalten, oder warum verbarrikadierst du dich so?«

Claudia starrte sie an. »Ach, es ist nur …« Sie stockte und überlegte, ob sie ihr von dem Gesicht erzählen sollte. Wahrscheinlich würde sie es für Unfug halten und dann wieder lästern. »Es ist nur … weil hier in letzter Zeit so ein merkwürdiger Typ rumschleicht«, sagte sie dann. »Man sagt, er stellt sich an die Fenster und beobachtet Frauen beim Duschen oder Ausziehen.«

»Ach, der arme Kerl«, bemerkte Sandra mit einem spöttischen Grinsen. »Meinst du nicht, dass er sich bei deinem Aufzug die Augen verblitzen würde?«

»Du bist ja bloß neidisch«, gab Claudia giftig zurück und ging wieder ins Schlafzimmer, um die durch den Zwischenfall völlig zerrüttete Frisur zu ordnen. Sie kümmerte sich nicht weiter um Sandra, denn sie wusste, dass die sich schon einen Platz suchen würde. Immer wenn sie es bei ihrem Freund nicht mehr aushielt, floh sie zu Claudia. Und das geschah nicht gerade selten.

»Sag mal, Schwesterherz, warum hast du denn diese neckische Reizwäsche an?«, fragte Sandra aus der Küche, wo sie sich gerade über den Kühlschrank hermachte.

»Ich habe eine Verabredung.«

Claudia versuchte, ihre Haare wieder in Form zu bringen. Natürlich gelang ihr das nicht, denn der Schreck saß ihr immer noch in den Gliedern und ließ ihre Hände zittern.

»Oho, sieh mal einer an, wer ist es denn?« Sandra kam mit einem Joghurtbecher ins Schlafzimmer und machte sich auf dem Bett, direkt neben Claudias Kleid, breit.

»Vorsicht, mein Kleid!«, schrie Claudia, als sie im Spiegel sah, dass Sandra das gute Stück aus blauer Seide beim Hinsetzen nur haarscharf verfehlte.

»Jaja, ich pass schon auf. Aber nun raus mit der Sprache! Wer ist es? Kenne ich ihn?«

»Nein, ich glaube nicht.«

Nachdem der erneute Versuch, die Frisur wieder hinzukriegen, gescheitert war, warf sie die Haarnadel mit einem wütenden Fauchen auf den Schminktisch.

»Soll ich dir helfen?« Sandra stellte den Joghurtbecher auf den Nachttisch neben dem Bett und kam, ohne eine Antwort abzuwarten, herüber. Claudias Haare sahen aus, als hätte sie einen Stromschlag abbekommen. Dankbar nahm sie die Hilfe an und ließ sich die Frisur richten. Dafür beharrte Sandra darauf, zu erfahren, wer ihr Verehrer war.

»Nun spann mich nicht so auf die Folter«, drängelte sie und klemmte sich die Haarnadel zwischen die Zähne. »Wie heißt er? Wie sieht er aus? Was macht er und so weiter?«

Ein verträumtes Lächeln schlich über Claudias Gesicht, bevor sie antwortete: »Er heißt Alex Dahl und ist Kunsthändler. Er hat vor zwei Monaten ein Haus bei uns gekauft.«

»Das ist ja interessant.« Sandra stand ein schelmisches Funkeln in den Augen. »Die Frau Sekretärin baggert die Kunden ihres Chefs an. Das steht aber nicht in deinem Arbeitsvertrag, oder?«

Claudia lächelte unschuldig und zuckte mit den Schultern. »Ich war es ja nicht, der gefragt hat, ob ich mal mit ihm ausgehen könnte. Er hat mich angesprochen, wir haben uns ein paarmal getroffen … Bei diesem Mann konnte ich einfach nicht nein sagen. Das hättest du auch nicht getan.«

»Na ja, ich habe dafür meinen Olaf«, gab Sandra mit einem resignierten Lächeln zurück, während sie weiterfrisierte. »Er geht mir zwar manchmal tierisch auf den Keks, aber immerhin weiß ich, was ich an ihm habe. Was habt ihr denn heute vor?«

»Er holt mich ab – zu einem lauschigen Abend zu zweit.« Sie schaute auf ihre Armbanduhr. Neun Uhr. Gleich würde er da sein …

»Na, na.« Sandra hob den Zeigefinger und drohte ihr spielerisch. »Bei dieser Unterwäsche muss ich mir als ältere Schwester aber stark überlegen, ob ich dich mit ihm gehen lasse. Du hast doch bestimmt nichts Anständiges vor.«

Claudia lächelte süffisant, zog das Kleid über die schwarzen Seidendessous und schlüpfte dann in ihre blauen Pumps. »Och, was ist daran unanständig, dem Mann, den man mag, etwas Herzklopfen zu bereiten?«

»Und eine zu enge Hose.«

»Aber, Sandra! Wer von uns beiden ist verdorben, du oder ich?«, fragte Claudia mit gespielter Entrüstung. »Erzähl mir lieber was Anständiges – von deinem Auftritt auf unserer alten Glewenburg zum Beispiel.«

»Ach, erinnere mich bitte nicht daran!« Sandra nahm den Joghurt wieder zur Hand. »Ich musste eine Zeitreise machen, um zu verhindern, dass der rote Henker wiedererweckt wird.«

»Was?«, fragte Claudia ungläubig. »Bist du dir auch sicher, dass der Joghurt noch gut ist? Oder fängt er schon an zu gären? Hast du auf das Verfallsdatum geschaut?«

»Du denkst, ich spinne, wie?«, gab Sandra zurück.

»Allerdings«, antwortete Claudia, ging zum Schminktischchen, nahm den Parfümflakon und verteilte einige Tropfen der nach Rose duftenden Flüssigkeit hinter den Ohrläppchen und am Hals. »Den alten Henker wiedererwecken …« Sie schüttelte den Kopf. »Das ist doch nur ein Märchen!«

»Aber ich kann es beweisen«, wandte Sandra ein, griff in ihre Hosentasche und zog einen kleinen Stoffbeutel heraus.

»Was ist das?« Claudia nahm das Säckchen in die Hand. Es raschelte merkwürdig, doch außer einem merkwürdigen Geruch fiel ihr nichts auf.

»Das ist eine Kräutermischung gegen das Böse«, entgegnete Sandra geheimnisvoll.

»Eine Kräutermischung?« Claudia prustete los. »Und die soll gegen irgendwelche Monster oder so helfen?«

»Ja.«

»Und was ist da drin? Etwa Knoblauch?« Claudia roch an dem Beutelchen und gab ihrer Schwester die »Geheimwaffe« zurück. »Jedenfalls riecht es nicht so. Eher wie Mottenkugeln. Du solltest es mit heißem Wasser aufgießen und als Tee trinken.«

»Irgendetwas wird schon dran sein«, beharrte Sandra und steckte das Säckchen wieder in die Hosentasche. »Ich habe die Kräuter von einer richtigen Kräuterhexe, die muss ja wissen, welche Wirkung ihre Mittel haben.«

»Na ja, wenn du meinst …«, lenkte Claudia ein, als es plötzlich an der Tür klingelte.