Inhalt

In Rasha Abbas’ Kurzgeschichten trifft der Alltagstrott auf Absurdistan. Ähnlich wie Mark Twain in seinem Essay „The Awful German Language“ nähert sich die syrische Autorin der verflixten deutschen Grammatik und Sprache und allen anderen deutschen Strukturen mit Humor und Verzweiflung.

Sie verwebt die stinknormalen Erfahrungen des Einlebens in Berlin beim Asylantrag, im Jobcenter, beim Sprachkurs, zwischen Künstler-Inflation und Hipster-Invasion gekonnt mit anderen Genres: Slapstick, Zombiefilm, Cartoon, Computerspiel. Bewaffnet mit einer Narrenkappe erzählt sie die Wahrheit über „uns Deutsche“.

„Gelungenes Komödiendebüt. Und es gibt eine Geschichte, die so komisch ist, dass sie einem Tränen in die Augen treibt.“ der Freitag

„Ein modernes Narrenschiff.“ FAZ

„Humorvoller Bericht über das Neusein in Deutschland.“ Deutschlandradio Kultur

„Rasha Abbas erkundet sehr vergnüglich die Tücken der deutschen Grammatik.“ Süddeutsche Zeitung


Rasha Abbas

Die Erfindung der deutschen Grammatik

Geschichten

Aus dem Arabischen von Sandra Hetzl

ein mikrotext

Herausgeber: 10/11

Erstellt mit Booktype

Cover: Inga Israel

Covertypo: PTL Attention

www.mikrotext.de – info@mikrotext.de

ISBN 978-3-944543-30-7

Dieses E-Book wurde in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung produziert.
Die Stiftung ist nicht für die Inhalte verantwortlich.

Alle Rechte vorbehalten.

© mikrotext 2016, Berlin;  aktualisiert und mit neuem Cover, 2019

Rasha Abbas

Die Erfindung der deutschen Grammatik

Geschichten

Aus dem Arabischen von Sandra Hetzl

Wie der Versuch, einen deutschen Superhelden zu erschaffen, scheiterte

Es gab eine Sache, die ich mir beim besten Willen nicht erklären konnte: dass bis heute niemand einen berühmten deutschen Superhelden erschaffen hat. Mit Superheld meine ich natürlich das Gängige, so etwas wie Superman & Co., also einen Mann, der eine Unterhose über einer Leggings trägt und gegen Bösewichte kämpft.

Ich fand, dass diese Mammutaufgabe nicht länger warten konnte, und nahm die Sache selbst in die Hand. Ich wollte dem Land, das mich aufgenommen hatte, etwas zurückgeben. Es war mir unverständlich, warum meine Mitmenschen meiner Begeisterung für diese Idee fast so etwas wie Mitleid entgegenbrachten. Sie sagten mir, ich könne ja ruhig anfangen, schon einmal das erste Abenteuer jenes Superhelden zu schreiben, solle mich dann aber nicht wundern, falls  „der hiesige Lebensstil“ die Handlung eventuell ein wenig behinderte.

Was sollte das denn bitte heißen. Superhelden haben alle den gleichen Lebensstil: Sie retten Unschuldigen das Leben und lassen sich dabei von nichts aufhalten.

Es fiel mir nicht schwer, die Figur zu entwerfen. Bald schon hatte ich eine erste Skizze des deutschen Helden gezeichnet: mit breitem Kinn und makellos blondem Haar. Ich nannte ihn Jan, denn dies war der erste deutsche Name, den ich mir gemerkt hatte. Und siehe da, es war auch der perfekte Zeitpunkt für seinen ersten Einsatz, denn gerade war eine Bande von Straßenflegeln dabei, einer Dame auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Handtasche zu stehlen. Jan jedoch blieb störrisch auf seiner Straßenseite stehen und weigerte sich, zum Tatort zu eilen.

Aber Jan, was hindert dich denn?

Er begnügte sich damit, mir einen verächtlichen Blick zuzuwerfen und mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die Fußgängerampel zu zeigen, die rot war. Ja, aber Jan! Ist es denn sinnvoll, dass du jetzt hier solange wartest, bis die Ampel grün wird? Die Bande hatte es mittlerweile geschafft, sich die Handtasche zu schnappen, einer von ihnen hatte sich des Lippenstifts darin bemächtigt und sich die Lippen geschminkt, ein paar Ohrringe herausgenommen, sich an die Ohren gesteckt und ein Selfie geschossen, während die Dame weinend am Boden lag.

Jan erwiderte nichts. Er verschränkte die Arme fest vor der Brust und verweigerte jeglichen Kommentar. Bis die Ampel schließlich grün wurde. Inzwischen hatte sich die Band längst aus dem Staub gemacht, und es gab nicht mehr viel für Jan zu tun, außer der Dame wieder aufzuhelfen und sie zur nächsten Polizeistation zu begleiten.

Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.

Als Jan niedergeschlagen von seinem missglückten Abenteuer heimkehrte, versuchte ich, ihn wieder aufzubauen, indem ich ihm dieses Sprichwort in eine Sprechblase schrieb. Aber Jan blies sie weit von sich fort. Die einzige Möglichkeit, ihn zu motivieren, war eine erfolgreiche Heldentat. Nur so konnte ich ihm glaubhaft machen, dass er für diese Art Leben geschaffen war. Ich beeilte mich, ein Quadrat zu zeichnen, worin sich das Kundenservice-Center einer Bank befand. Dann fügte ich einen maskierten Bankräuber hinzu, der eine Bankangestellte mit einer Pistole bedrohte. Zum Glück stand Jan diesmal keine Ampel im Weg, denn ich hatte ihn direkt vor einer Fußgängerunterführung platziert. Es gab also nichts, was ihn hindern konnte, wie ein Turmfalke zur Bankfiliale zu stürzen und den Überfall zu verhindern. Gespannt hielt ich den Atem an und wartete, was passieren würde, während ich beobachtete, wie Jan in das Bankgebäude stürmte und den Dieb fest am Kragen packte. Plötzlich wurde die Szene von einer Bankangestellen unterbrochen, die mit einem Stift und einem Stapel Unterlagen an den Schalter kam. Zu Jan gewandt sagte sie:

„Guten Tag, entschuldigen Sie die Störung: Sie sind sicher der Herr, den man beauftragt hat, die Bankfiliale vor dem Überfall zu retten, richtig?“

„Ja, der bin ich.“

„Haben Sie denn auch eine Bankrettungsgenehmigung?“

„Nein, was soll das überhaupt sein?“

„Kein Problem. Ich bräuchte nur schnell ein paar Informationen von Ihnen. Dann lasse ich Sie auch gleich wieder zur Tat schreiten.“

„Natürlich.“

„Könnten Sie bitte dieses Formular ausfüllen? Ich brauche Ihren Vor- und Nachnamen und bitte hier auch die Postleitzahl.“

Jan hängte den Einbrecher an einen Kleiderständer und schrieb die Informationen in das Formular. Dann gab er es der Dame hinter dem Schalter wieder und wollte gerade den Einbrecher vom Haken nehmen.

„Oh, Verzeihung, es gäbe doch noch ein paar Dinge. Dürfte ich mir eine Kopie von Ihrer Anmeldebescheinigung machen?“

Jan zog das Papier aus der Brusttasche seines Superheldenanzugs und überreichte es der Angestellten, die damit für einige Minuten verschwand. Als sie wieder da war, sagte sie:

„Vielen Dank. Hier haben Sie Ihre Anmeldung wieder, und jetzt noch eine allerletzte Sache: Sie müssten mir noch Ihre Steuernummer geben. Und Ihre Rentenversicherungsnummer bräuchte ich auch noch. Dann lass’ ich Sie auch wirklich ungehindert zurück an Ihre Arbeit, versprochen.“

Jan zog wieder Unterlagen hervor, die er der Bankangestellten übergab. Während sie die Daten in das Formular eintrug, nutzte er die Gelegenheit, einen verstohlenen Blick auf den Kleiderständer zu werfen. Der war jetzt leer.

Schließlich kam die Bankangestellte zurück und gab ihm das gestempelte Formular:

„Vielen Dank für Ihre Mitarbeit, Herr Jan. Mit dieser von uns beglaubigten Genehmigung haben Sie jetzt komplette Bewegungsfreiheit bei der Rettung unserer Bank vor dem Überfall.“

Bevor sie wegging, drehte sie sich noch einmal zu ihm um und sagte mit einem Lächeln: „Ich habe mich persönlich dafür eingesetzt, dass Sie eine bessere Bankschutzgenehmigung bekommen. Das ursprüngliche Formular, das wir hier in der Filiale hatten, hätte Sie nämlich nur berechtigt, die Hauptfiliale zu retten, und das auch nur innerhalb der nächsten drei Monate. Dann habe ich ein wenig Druck auf die Kollegen ausgeübt, dass sie die Genehmigung doch bitte auf alle Filialen erweitern mögen. Ja, und jetzt ist sie ganze sechs Monate gültig. Ab jetzt wird Ihr Briefkasten zugespamt – Pardon! –, will sagen, durch die regelmäßige Post, die wir ab jetzt an Ihre Adresse schicken werden, haben Sie die einmalige Chance, all unsere Angebote und Sonderaktionen im Detail mitzuverfolgen.“

Jan reagierte auf keinen meiner Versuche, mit ihm zu kommunizieren, während er wütend, die Fäuste in den Hosentaschen seiner Leggings geballt, davonstapfte. Es war offensichtlich: Die Sache war für ihn ein für allemal erledigt. Ab heute würde er nicht mehr Teil des Projekts sein wollen.

Ich sah ihm hinterher, wie er lief und lief, bis er an der U-Bahnhaltestelle ankam, von der aus er nach Hause fahren würde, und dachte bei mir, dass dies wohl das letzte Mal war, dass ich ihn sah. Ich war kurz davor, das Handtuch zu schmeißen, als mir plötzlich eine letzte Idee kam, die mein Projekt vielleicht doch noch würde retten können. Schnell stellte ich drei böse Jungs vor den Eingang zur U-Bahn, die sofort einem Kleinkind die Schokolade aus der Hand rissen. Das Kind fing an zu weinen, während die Bande mit der Beute floh. Diesem Ruf würde Jan unmöglich widerstehen können, gibt es doch nichts, was das Gerechtigkeitsempfinden eines Menschen so in Wallung bringen kann, wie die zarte Unschuld der Kindheit. Tatsächlich war Jan gleich Feuer und Flamme und begann, der Bande hinterherzurennen. Doch, Moment, was geschah jetzt? Wieso blieb er plötzlich stehen? Die Bande sprang mit einem Satz in die gleich abfahrende U-Bahn. Währenddessen versuchte Jan nervös, Münzen in den Fahrkartenautomaten zu stecken. Das hatte ich nicht bedacht. Natürlich würde Jan nicht akzeptieren, Bösewichte in einem U-Bahn-Waggon zu verfolgen, ohne selbst vorher eine Fahrkarte entwertet zu haben. Doch bis er die Karte aus dem Automaten gezogen und abgestempelt hatte, war die U-Bahn mitsamt der Bande längst abgefahren und hatte Jan zurückgelassen, wie er, seine Fahrkarte in der Hand, verwirrt dem Zug hinterherblickte, während im Hintergrund weiter das Weinen des bestohlenen Kindes zu hören war.

An dieser Stelle klappte ich mein Zeichenheft zu. Ich setzte mich wütend ins Wohnzimmer und rauchte. Ich sah, wie die Rauchwolken dichter und dichter wurden, und sagte wieder einmal zu mir selbst, dass ich endlich mit dem Rauchen aufhören sollte. Oder wenigstens nicht so viel rauchen. Plötzlich löste sich aus dem Qualm eine Figur, die mir wohlbekannt war. Eine Figur, deren Abenteuer ich stets verfolgt hatte. Ich konnte nicht glauben, dass er jetzt wirklich hier vor mir stand, heftig hustend von all dem Rauch. Vor lauter Verwunderung fiel mir die Zigarette aus dem Mund, während ich ihn anstarrte.

„Oh mein Gott, Superman! Erscheinst du mir jetzt etwa auch, wie du es bei den allergrößten Cartoonisten tust, wenn sie in einem Schlamassel stecken?“

„Also, um ehrlich zu sein: Nein. Ich bin gerade zufällig hier vorbeigeschwebt und wäre fast erstickt bei all dem Qualm, der von hier aufsteigt. Deshalb bin ich schnell hergeflogen, um den Brand zu löschen und die Unschuldigen zu retten. Wo ist denn das Feuer?“

„Hier ist kein Feuer, Superman. Ich habe nur geraucht.“

„Oh! Verstehe“, sagte er zugleich beeindruckt und angewidert. „Vielleicht solltest du mit dem Rauchen aufhören. Hattest du gerade erwähnt, dass du Comics zeichnest und Schwierigkeiten hattest?“

„Ja, Superman.“

„Ich bitte dich, nenne mich einfach ‚Man‘, ohne das ‚Super‘. Ich mag es nicht so förmlich.“

„Okay, Man. Mein Problem ist folgendes: Ich habe versucht, einen Superhelden zu zeichnen, aber irgendetwas hielt ihn immer davon ab, einzugreifen und Unschuldige zu retten.“

„Ach was! Was könnte einen wahren Superhelden denn bitte von seiner Mission abbringen? Da hast du dir wahrscheinlich den Falschen ausgesucht. Ein Superheld, der im Dienste der Sterne des Banners steht und seine Landsleute retten will, braucht einen eisernen Willen.“

„Aber welche Sterne denn, Man? Mir scheint, du bist ganz schön weit geflogen, seit du das letzte Mal einen Blick auf die Ortstafeln an den Landesgrenzen geworfen hast ... “

„Was? Bin ich etwa in Mexiko gelandet?“ fragte er ängstlich.

„Nein, Man. Du befindest dich in Deutschland.“

„Oh, Deutschland. Und was hat das mit ...? Achsooo. Jetzt habe ich dein Problem verstanden. Leider kann ich dir in diesem Fall nicht behilflich sein. Aber eins will ich dir noch sagen, bevor ich wieder gehe: Lass deinen Helden nicht allein. Bau ihm eine Handlungsfläche, sei es aus noch so banalen Kleinigkeiten, innerhalb derer er Gutes für die Menschheit tun kann. Denn das ist es, wonach er letztendlich strebt.“

In diesem Augenblick löste sich eine zweite Figur aus der Rauchwolke. Sie trug eine schwarze Hornbrille und ein buntes T-Shirt.

„Ich habe wie verrückt nach dir gesucht! Was zum Geier machst du hier, du Tollpatsch? Ohoo, ich sehe. Du erscheinst wohl wieder irgendwelchen Leuten, machst einen auf weise und verkaufst dich als Offenbarung? Glaubst du wirklich, dass dich noch irgendjemand ernst nehmen kann, wenn du mit deiner roten Unterhose rumläufst? Hopp, schnell zurück mit dir ins Studio. Wir müssen noch vor Morgengrauen eine neue Abenteuergeschichte gedruckt haben.“

„Ach Mensch, James!“ An mich gewandt erklärte Superman: „Das ist der Herausgeber der Zeitschrift, in der ich erscheine.“ Und dann wieder an James: „Ich bin doch auch nur ein Mensch! Okay, vielleicht kein Mensch, aber immerhin bin ich auch ein Wesen mit Gefühlen. Ich will spüren, dass die Menschen mich nicht nur auf einen durch die Luft fliegenden Muskelprotz reduzieren! Ich will, dass sie auch meinen Geist zu schätzen wissen.“

Als Superman mitsamt seinem Herausgeber wieder durch den Qualm entschwunden war, klangen mir seine letzten Worte im Kopf nach. Ich eilte zu meinem Zeichenheft und arbeitete energisch bis Mitternacht durch, bis ich endlich guten Gewissens schlafen konnte. 

Jans Abenteuer kamen nie groß heraus. Als ich sie später veröffentlichte, wollte keiner sie kaufen. Warum, kann ich mir wirklich nicht erklären, habe ich doch alles daran gesetzt, seine Abenteuer so spannend wie möglich zu gestalten. Beispielsweise wie er als Bademeister auf das Kinderplanschbecken eines öffentlichen Schwimmbads aufpasst oder wie er die Hunde seiner greisen Nachbarn Gassi führt.

Wie die deutsche Sprache erfunden wurde

„Schreib auf: Protokoll der von Seiner Durchlaucht Herzog Karl und Seiner Durchlaucht Herzog Ludwig abgehaltenen Tagung zur Erfindung der deutschen Sprache.“

„Und in welcher Sprache soll ich das jetzt schreiben? Die Sprache ist doch noch gar nicht erfunden worden, oder?“

„Schreib in einem etwas verkorksten Englisch.“

„Okay. Aber Herzogtümer dürften doch eigentlich auch noch nicht existieren, wenn wir in einer Zeit leben, in der wir noch gar keine Sprache haben.“

„Du glaubst wohl jetzt wirklich, dass du ein Herzog bist? Mein Gedanke war einfach, dass die Leute uns ernster nehmen, wenn wir Adelstitel haben.“

„Na gut. Wir haben ja bereits ein paar Wörter ins Lexikon geschrieben, von daher wird sich unsere heutige Tagung eher mit der Grammatik der neuen Sprache befassen.“

„Ich schlage vor, dass das Genus jedes Substantivs streng festgelegt ist, dass ihm eine entscheidende Rolle im Satz zukommt und dass es sowohl Verben als auch Pronomen und Artikel beeinflusst.“

„Was den letzten Teil angeht, bin ich einverstanden, aber könnten wir die Wörter dann vielleicht wenigstens so gestalten, dass sie auf ihr jeweiliges Genus hinweisen? Damit es für Ausländer einfacher ist, die Sprache zu lernen?"

„Wie? Wörter, die auf ihr Genus hinweisen? Wie soll denn das gehen?“

„Na ja, eben Nomen, deren Geschlecht man von alleine erraten kann. Wie zum Beispiel Apfel. Ein Apfel ist ja wohl ganz eindeutig weiblich. Oder Mond. Ist auch weiblich.“

„Och, du bist aber auch zartfühlend, Eure Durchlaucht Herzog Karl! Ich hätte hier, offen gestanden, gleich wieder einiges gegen deine Vorschläge einzuwenden. Erstens stehen wir gerade noch knapp vor der Erfindung des Genus, das heißt, du kannst gar kein Bewusstsein für dieses Thema haben, außer vielleicht durch Hexerei und Zauberwerk, Stichwort: Häresie. Dein Verhalten macht unsere gesamte Tagung zu einem einzigen dramaturgischen Flop. Zweitens sehe ich keinen Grund, warum wir es uns ausgerechnet zur Aufgabe machen sollten, ausländischen Lernenden die Sache einfacher zu machen. Sehe ich etwa aus wie ein Reisebüro? ... Nein, ernsthaft, schau mich bitte mal an. Sag: Sehe ich in deinen Augen aus wie ein Reisebüro? Liegt das vielleicht an meiner koketten Perücke? Wie dem auch sei, ich finde, ehrlich gesagt, dass wir das genaue Gegenteil machen sollten. Ich finde, wir sollten die Wörter absichtlich irreführend in Bezug auf ihr Genus gestalten. Und nur um dich zu ärgern, wird Apfel jetzt maskulin.“

„Ich verstehe das nicht. Wozu denn diese Verbissenheit? Ist Seine Durchlaucht vielleicht ein wenig frauenfeindlich?“

„Wie kommst du denn darauf, Durchlaucht! Wir befinden uns nun einmal in einer Zeit, in der das feministische Bewusstsein noch nicht so ausgeprägt ist. Deshalb muss ich mich so verhalten. Lass mich noch eins draufsetzen, das verwirrt die Lernenden noch mehr: Das Wort Mädchen machen wir jetzt neutral und nicht weiblich.“

„Neutral? Werden wir jetzt etwa ein drittes Geschlecht einführen? Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir uns  auf so etwas geeinigt hätten. Wozu soll das bitte gut sein?“

„Willst du etwa, dass wir am Ende wie Englisch werden? Wo man, grammatikalisch gesehen, mit einem Tisch genauso umgeht wie mit einem Kind oder einem Hund, ohne den geringsten Unterschied zu machen? Deswegen habe ich doch die Sache mit dem Genus überhaupt vorgeschlagen: damit die deutsche Sprache so einfühlsam wie möglich gegenüber jedem einzelnen Substantiv ist.“

„Apropos Englisch. Ich wollte dich nur mal darauf aufmerksam machen, dass das Lexikon, das wir gemacht haben, voller Wörter ist, die wie eine lachhafte Verunstaltung des Englischen wirken.“