The Cover Image
 

 

Wenn Beschleunigung das Problem ist, dann ist Resonanz vielleicht die Lösung. Dies ist, auf die kürzestmögliche Formel gebracht, die Kernthese des neuen Buches von Hartmut Rosa, das als Gründungsdokument einer Soziologie des guten Lebens gelesen werden kann. An seinem Anfang steht die Behauptung, dass sich die Qualität eines menschlichen Lebens nicht in der Währung von Ressourcen, Optionen und Glücksmomenten angeben lässt. Stattdessen müssen wir unseren Blick auf die Beziehung zur Welt richten, die dieses Leben prägt und die dann, wenn sie intakt ist, Ausdruck stabiler Resonanzverhältnisse ist.

 Um dies zu begründen, präsentiert Rosa zunächst das ganze Spektrum der Formen, in denen wir eine Beziehung zur Welt herstellen, vom Atmen bis hin zu kulturell ausdifferenzierten Weltbildern. Dann wendet er sich den konkreten Erfahrungs- und Handlungssphären zu – etwa Familie und Politik, Arbeit und Sport, Religion und Kunst –, in denen wir spätmodernen Subjekte Resonanz zwar suchen, aber immer seltener finden. Das hat maßgeblich mit der Steigerungslogik der Moderne zu tun, die sowohl Ursache als auch Folge einer gestörten Weltbeziehung ist, und zwar auf individueller wie kollektiver Ebene. Denn auch die großen Krisentendenzen der Gegenwartsgesellschaft – Ökokrise, Demokratiekrise, Psychokrise – lassen sich resonanztheoretisch analysieren, wie Rosa in seiner Soziologie der Weltbeziehung zeigt. Als eine umfassende Rekonstruktion der Moderne in Begriffen ihrer historisch realisierten Resonanzverhältnisse wagt sie den Versuch, den Rahmen für eine erneuerte Kritische Theorie abzustecken.

 

Hartmut Rosa, geboren 1965, ist Professor für Allgemeine und Theoretische Soziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena sowie Direktor des Max-Weber-Kollegs in Erfurt.

 Im Suhrkamp Verlag sind erschienen: Beschleunigung und Entfremdung. Entwurf einer kritischen Theorie spätmoderner Zeitlichkeit (2013); Weltbeziehungen im Zeitalter der Beschleunigung. Umrisse einer neuen Gesellschaftskritik (stw 1977); Soziologie – Kapitalismus – Kritik. Eine Debatte (zus. mit Klaus Dörre und Stephan Lessenich, stw 1923) und Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne (stw 1760).

 

 

Hartmut Rosa

Resonanz

Eine Soziologie der Weltbeziehung

Suhrkamp

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:/ /dnb.d-nb.de abrufbar.

 

 

 

 

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2016

Der vorliegende Text folgt der Erstausgabe, 2016.

© Suhrkamp Verlag Berlin 2016

© Hartmut Rosa

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Für Inhalte von Webseiten Dritter, auf die in diesem Werk verwiesen wird, ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber verantwortlich, wir übernehmen dafür keine Gewähr.

Rechtswidrige Inhalte waren zum Zeitpunkt der Verlinkung nicht erkennbar.

Satz: Satz-Offizin Hümmer GmbH, Waldbüttelbrunn

Umschlaggestaltung: Hermann Michels und Regina Göllner

 

eISBN 978-3-518-74285-3

www.suhrkamp.de

Inhalt

 

 

Anstelle eines Vorworts: Die Geschichte von Anna und Hannah und die Soziologie

 

I.

Einleitung

 

1.

Die Soziologie, die Moderne und das gute Leben

 

2.

Die Grundidee: Gelingende und misslingende Weltbeziehungen

 

3.

Was ist die Welt? Wer ist ein Subjekt?

 

4.

Der Gang der Untersuchung

 

Teil 1
Die Grundelemente menschlicher Weltbeziehungen

 

II.

Körperliche Weltbeziehungen

 

1.

In-die-Welt-Gestelltsein

 

2.

Atmen

 

3.

Essen und Trinken

 

4.

Stimme, Blick und Antlitz

 

5.

Gehen, Stehen und Schlafen

 

6.

Lachen, Weinen und Lieben

 

III.

Weltaneignung und Welterfahrung

 

1.

Inskription und Expression: Der verweltlichte Körper als gestaltetes Selbst

 

2.

Medien der Weltbeziehung

 

3.

Von außen zurichten oder von innen gefügig machen: Der Körper als Ressource, Instrument und Gestaltungsobjekt

 

4.

Selbstentfremdung: Wenn der Körper zum Feind wird

 

IV.

Emotionale, evaluative und kognitive Weltbeziehungen

 

1.

Angst und Begehren als elementare Formen der Weltbeziehung

 

2.

Welterfahrung und Weltaneignung

 

3.

Kognitive Landkarten und kulturelle Weltbilder

 

4.

Landkarten der Bewertung und des Begehrens

 

5.

Psychoemotionale Grundierung und existentielle Problemdefinition

 

V.

Resonanz und Entfremdung als Basiskategorien einer Weltbeziehungstheorie

 

1.

Spiegelneuronen und Wünschelruten: Intersubjektivität als anthropologische Basis

 

2.

Intrinsische Interessen und Selbstwirksamkeitserwartungen

 

3.

Resonanz

 

4.

Entfremdung

 

5.

Die Dialektik von Resonanz und Entfremdung

 

Teil 2
Resonanzsphären und Resonanzachsen

 

VI.

Einleitung: Resonanzsphären, Anerkennung und die Achsen der Weltbeziehung

 

VII.

Horizontale Resonanzachsen

 

1.

Die Familie als Resonanzhafen in stürmischer See

 

2.

Freundschaft: Das menschliche Rühren und die Kraft der Verzeihung

 

3.

Politik: Die vier Stimmen der Demokratie

 

VIII.

Diagonale Resonanzachsen

 

1.

Objektbeziehungen: »Die Dinge singen hör ich so gern«

2.

Arbeit: Wenn das Material zu antworten beginnt

 

3.

Schule als Resonanzraum

 

4.

Sport und Konsum als Versuche, sich zu spüren

 

IX.

Vertikale Resonanzachsen

 

1.

Die Verheißung der Religion

 

2.

Die Stimme der Natur

 

3.

Die Kraft der Kunst

 

4.

Der Mantel der Geschichte

 

Teil 3
Die Angst vor dem Verstummen der Welt: Eine resonanztheoretische Rekonstruktion der Moderne

 

X.

Die Moderne als Geschichte einer Resonanzkatastrophe

 

1.

Was ist die Moderne?

 

2.

Das Weltverstummen in Literatur und Philosophie

 

3.

Auf dem Weg zu einer Soziologie der Weltbeziehung

 

XI.

Die Moderne als Geschichte gesteigerter Resonanzsensibilität

XII.

Wüsten und Oasen des Lebens: Moderne Alltagspraktiken, resonanztheoretisch interpretiert

 

Teil 4
Eine kritische Theorie der Weltbeziehung

 

XIII.

Soziale Bedingungen gelingender und misslingender Weltbeziehungen

 

1.

Kontextuelle Faktoren: Von Atmosphären und Stimmungen

2.

Kulturelle und sozialstrukturelle Faktoren: Ist Resonanz katholisch, weiblich, jung?

 

3.

Institutionelle Faktoren: Zwischen Schule und Börse

 

XIV.

Dynamische Stabilisierung: Die Steigerungslogik der Moderne und ihre Folgen

 

1.

Was heißt ›dynamische Stabilisierung‹?

 

2.

Wettbewerb und Beschleunigung: Individuelle Weltbeziehungen unter den Bedingungen eines eskalatorischen Regimes

 

3.

Unlesbarkeit: Die Welt als Gegner und als Kränkung

 

XV.

Resonanzkrisen der Spätmoderne und die Konturen einer Postwachstumsgesellschaft

 

1.

Die Krise und das Weltverstummen

 

2.

Konturen einer Postwachstumsgesellschaft

 

Anstelle eines Schlussworts: Verteidigung der Resonanztheorie gegen ihre Kritiker – und des Optimismus gegen die Skeptiker

 

Danksagung

Literatur

Verzeichnis der Gedichte

Register

 

 

Am Meer, am wüsten, nächtlichen Meer
Steht ein Jüngling-Mann,
die Brust voll Wehmut, das Haupt voll Zweifel,
Und mit düstern Lippen fragt er die Wogen:
[…]
Es murmeln die Wogen ihr ewges Gemurmel,
Es wehet der Wind, es fliehen die Wolken,
Es blinken die Sterne, gleichgültig und kalt,
Und ein Narr wartet auf Antwort.

Heinrich Heine, »Fragen« (aus dem Zyklus Die Nordsee)

 

 

Nichts auf der Erde und nichts im leeren Himmel ist dadurch zu retten, daß man es verteidigt. […] Nichts kann unverwandelt gerettet werden, nichts, das nicht das Tor seines Todes durchschritten hätte. Ist Rettung der innerste Impuls jeglichen Geistes, so ist keine Hoffnung als die der vorbehaltlosen Preisgabe: des zu Rettenden wie des Geistes, der hofft. […] Die Erwägung, ob Metaphysik überhaupt noch möglich sei, muß die von der Endlichkeit erheischte Negation des Endlichen reflektieren. Ihr Rätselbild beseelt das Wort intelligibel. […] Der Begriff des intelligiblen Bereichs wäre der von etwas, was nicht ist und doch nicht nur nicht ist. Nach den Regeln der Sphäre, die in der intelligibeln sich negiert, wäre diese widerstandslos als imaginär zu verwerfen. Nirgends sonst ist Wahrheit so fragil wie hier. Sie kann zur Hypostase eines grundlos Erdachten ausarten, in welchem der Gedanke das Verlorene zu besitzen wähnt; leicht verwirrt die Anstrengung, es zu begreifen, wiederum sich mit Seiendem. Nichtig ist Denken, welches das Gedachte mit Wirklichem verwechselt […]. Aber mit dem Verdikt über den Schein bricht die Reflexion nicht ab. Seiner selbst bewußt, ist er nicht mehr der alte. Was von endlichen Wesen über Transzendenz gesagt wird, ist deren Schein, jedoch, wie Kant wohl gewahrte, ein notwendiger. Daher hat die Rettung des Scheins, Gegenstand der Ästhetik, ihre unvergleichliche metaphysische Relevanz.

 

Theodor W. Adorno, Negative Dialektik