Impressum

1. Auflage 2016

© Goldfinch Verlag

 

Herausgeber: Goldfinch Verlag, Frankfurt am Main

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme vervielfältigt oder verbreitet werden.

Herstellung: Goldfinch Verlag, Frankfurt am Main

Lektorat: Kristina Frenzel, Berlin

Korrektorat: Birgit Rentz, Itzehoe

Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München (www.guter-punkt.de) © Kim Hoang, unter Verwendung von Motiven von Thinkstock

Satz: Goldfinch Verlag, Frankfurt am Main

 

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie, detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar

ISBN Print 978-3-940258-57-1, ISBN E-Book 978-3-940258-58-8

www.goldfinchverlag.de


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Ein Fehler mit Vergangenheit

 

Ein Oxford-Krimi

von Katharina M. Mylius

 

Mit einer kleinen Einführung in den Polosport und einem Besucher-Guide für das Barockschloss Blenheim Palace im Anhang

 

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Lesetipps

Heidi und Fredericks erster Fall in Oxford: "Die Toten vom Madgdalen College"


 

Goldfinch Verlag, ISBN Print 978-3-940258-39-7, ISBN E-Book 978-3-940258-42-7

 

Bei einem Alumni-Dinner im Magdalen College der Universität Oxford bricht ein wichtiger Lokalpolitiker tot zusammen. Er wurde vergiftet, doch keiner der Gäste an seinem Tisch will etwas gesehen haben.
Und auch bei ihren weiteren Nachforschungen stoßen Inspector Heidi Green und ihr neuer Kollege Frederick Collins von der Thames Valley Police auf eisernes Schweigen. Nur eins steht fest: Ein paar der Ehemaligen hüten ein dunkles Geheimnis aus der Vergangenheit. Bald gibt es eine zweite Leiche …
Ein Oxford-Krimi mit überraschenden Wendungen, der Einblicke in die Welt der altehrwürdigen Universitätsstadt Oxford gewährt.

 

 

Ermittlungen in Kent: "Canterbury Requiem"


 

Goldfinch Verlag, ISBN Print 978-3-940258-40-3, ISBN E-Book 978-3-940258-43-4

 

Es regnet und ein kalter Wind fegt durch Canterburys Straßen, als Ella sich nach der Chorprobe von Aileen verabschiedet. Am nächsten Morgen ist Aileen tot. Zunächst sieht alles nach einem Unfall mit Fahrerflucht aus, doch dann stellt sich heraus, dass Aileen starke Beruhigungsmittel im Blut hatte. Entschlossen beginnt Ella, die erst kürzlich nach Canterbury gezogen ist, in Aileens Leben nachzuforschen.
Dabei stößt sie auf Ungereimtheiten, häkelnde alte Damen, einen mürrischen Professor, einen pfiffigen Nachbarsjungen, einen ausgesprochen attraktiven jungen Mann im Pub und einen Detective Inspector, der ihr das Leben nicht unbedingt leichter macht …




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Für meine Schwester Johanna


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Sonntag, 2. November

 

Heidi biss genüsslich in ihr Hähnchen-Sandwich und lehnte sich an Richs Schulter, der sie daraufhin auf die Stirn küsste. Dann schaute sie zu ihren zweijährigen Zwillingen hinüber. Die beiden tollten quietschend mit ihrem Großvater auf der großen Picknickdecke herum, während ihre Großmutter verzweifelt versuchte, die gefüllten Pappbecher, die neben ihr standen, vor dem Umkippen zu bewahren. Heidi seufzte zufrieden. Es war der perfekte Sonntagnachmittag – recht mild, und es hatte in der letzten Woche kein einziges Mal geregnet, was für Oxfordshire im Spätherbst ungewöhnlich war. Ihr Blick wanderte zu ihrer Freundin Louise, die in einem bunten Wollkleid neben ihr saß und mit leicht geöffnetem Mund dem Polomatch folgte.

„So viele durchtrainierte Kerle in engen weißen Klamotten gibt es sonst nur auf Ibiza“, freute sich Louise. „Ich würde mit jedem Einzelnen von ihnen in den Sonnenuntergang reiten.“

„Dir ist schon klar, dass auch mein kleiner Bruder unter den Spielern ist?“, fragte Heidi pikiert und schaute ihre Freundin vorwurfsvoll an.

Dass Louise das bemerkte, war jedoch eher unwahrscheinlich, denn sie konnte ihren Blick einfach nicht von den Polospielern lassen.

„So klein ist Tom nun auch nicht mehr“, warf Rich amüsiert ein und trank einen Schluck Pimm’s. „Er wird immerhin bald dreißig.“

„Ja, du alte Glucke!“, schob Louise hinterher. „Und du musst schon zugeben, dass er sich äußerst gut entwickelt hat“, neckte sie Heidi.

„Hört auf! Ich will davon nichts hören!“, verlangte Heidi lachend und biss erneut in ihr Sandwich.

Gerade, als Louise etwas erwidern wollte, rief Francis Stephenson: „Dritter Chukker!“, und eröffnete damit die nächste Spielzeit. Siebeneinhalb Minuten dauerte ein Chukker normalerweise und bei einem Match gab es vier Spielzeiten.

Heidi war dankbar, dass die äußerst unangenehme Unterhaltung nun erst einmal beendet war. Für sie war Tom noch immer der kleine Tommy, auch wenn er seit ungefähr zehn Jahren darauf bestand, Tom genannt zu werden. Aber er war nun mal ihr kleiner Bruder, und das würde sich nicht ändern, ob er nun drei oder dreißig war.

Interessiert verfolgte sie, wie er sein Pony auf dem Spielfeld positionierte. Er war bereits seit seiner Jugend Mitglied im Poloclub hier in Kirtlington. Das kleine Dorf lag etwa fünfzehn Fahrminuten von Oxford entfernt inmitten von Wiesen und Wäldern. Obwohl Tom inzwischen in London bei einer Bank arbeitete, kam er – besonders zur Freude ihrer Mutter – während der Polosaison fast jedes Wochenende nach Hause, um hier zu trainieren.

Offiziell war die Saison nun zwar zu Ende, doch heute fanden die jährlichen Freundschaftsspiele unter den Clubmitgliedern statt. Hierzu waren die Familien und Freunde der Spieler eingeladen worden. Unter den alten Linden am Rand des Polofeldes hatten sie es sich mit ihren Picknickdecken, Klappstühlen und reichlich Proviant gemütlich gemacht. Außerdem brutzelten in einem Zelt in der Nähe des Parkplatzes drei Hog Roasts; die Schweine am Spieß hatte der Vorsitzende des Poloclubs gespendet. Und Blenheim Water gab als Sponsor des Poloteams Freigetränke aus. Heidi mochte die entspannte Atmosphäre. Man kannte sich und es war immer wieder nett, sich einmal im Jahr hier zu treffen.

Inzwischen galoppierten die Spieler auf ihren Ponys über das weitläufige Feld dem kleinen weißen Ball hinterher, während sie mit ihren langen Holzschlägern versuchten, ihn in das gegnerische Tor zu manövrieren. Heidi setzte sich gespannt auf, denn gerade platzierte sich Tom für den nächsten Schlag. Er drückte seine Lederstiefel fest in die Steigbügel und sah hoch konzentriert aus. Dann holte er mit seinem Stick in einer kreisenden Bewegung aus und versetzte dem Ball einen heftigen Stoß. Und tatsächlich – wenige Sekunden später landete er im Tor.

Die Menge klatschte und Heidi jubelte begeistert. Ihr entging nicht, wie Graham aus dem gegnerischen Team Tom bitterböse Blicke zuwarf. Die beiden waren schon als Jungen eiserne Konkurrenten auf dem Polofeld gewesen.

Francis Stephenson warf den Ball ein und Heidi beobachtete, wie sich Graham auf einmal krampfhaft am Zaumzeug seines Ponys festklammerte. Das Tier zog daraufhin den Kopf zurück und stockte. Ob das Taktik war? Doch Tom ließ sich offenbar nicht von Grahams ungewöhnlichem Manöver irritieren und nutzte die Gelegenheit, um Druck ins Spiel zu bringen. Er katapultierte den Ball mit einem harten Schlag erneut in Richtung Tor und galoppierte dann hinterher. Auch die übrigen Spieler jagten dem Ball nach, nur Graham blieb mit seinem Pony zurück.

„Was ist denn nur mit Graham los?“, fragte Heidi verwundert. „Der ist doch normalerweise nicht zu bremsen.“

„Vielleicht hat er schon einen im Tee“, mutmaßte Louise.

„Das passt nicht zu ihm, nicht während eines Matches.“

Einige Zuschauer feuerten Graham nun an, doch er reagierte nicht auf die Zurufe. Selbst als die Spieler ihm mit hoher Geschwindigkeit entgegengeprescht kamen, weil der Ball in seine Richtung geschlagen worden war, machte er keine Anstalten einzugreifen.

„Wieso haut er den Ball nicht vor dem Tor weg?“, fragte Louise und schüttelte verständnislos den Kopf.

Die Spieler galoppierten jetzt direkt auf Graham zu.

„Irgendetwas stimmt da nicht! Weshalb bringt sich Graham nicht aus der Schusslinie?“, rief Heidi aufgeregt.

Grahams Pony begann panisch zu wiehern, dann schlug es wild aus. Heidi stockte der Atem, als Graham durch die Luft geschleudert wurde und einige Meter weiter auf dem harten Untergrund landete. Um sich herum hörte sie erschrockene Schreie.

Francis Stephenson lief aufs Spielfeld. Er beugte sich über den bewegungslosen Graham und rief: „Wir brauchen einen Arzt! Schnell! Er atmet nicht mehr!“

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Frederick spazierte mit Blanche an der Themse entlang. Ein schmaler Trampelpfad führte durch dichtes Grün zu dem kleinen Yachthafen am Port Meadow. Er erinnerte sich, dass er schon einmal hier gewesen war, mit seiner Partnerin Heidi Green von der Thames Valley Police. Damals war er gerade nach Oxford versetzt worden. Einer der einflussreichsten Politiker der Stadt war bei einem Dinner im Magdalen College ermordet worden und sie hatten ermittelt. Sie waren einer Verdächtigen bis zu einem der Hausboote gefolgt, die hier links und rechts am Ufer lagen.

Doch heute wollte er eigentlich nicht an seinen Job denken. Er war hier mit Blanche. Seit einigen Wochen sahen sie sich regelmäßig. Auch wenn die Anfänge etwas holprig gewesen waren, hatte sie es geschafft, ihn aus einem dunklen Loch zu ziehen. Bevor er sie kennengelernt hatte, waren seine Gedanken nur um seine Ex gekreist, die Frau, die ihn belogen und betrogen hatte. Monatelang hatte er sich deswegen gequält und schlaflose Nächte gehabt. Er war in Selbstmitleid versunken gewesen und hatte sich gehen lassen.

Seit er mit Blanche liiert war, verließ er auch nach Feierabend wieder öfter das Haus. Und sein Ehrgeiz war zurückgekehrt, sich körperlich in Form zu bringen. Nun ging er regelmäßig joggen und hatte sich dem Fußballclub der Thames Valley Police angeschlossen.

Verstohlen blickte er auf sein Poloshirt hinunter und lächelte zufrieden. Sein Bauchansatz wich langsam wieder den Muskeln, für die er jahrelang so hart trainiert hatte – auch wenn die zusätzlichen Pfunde sich mit Mitte dreißig nicht mehr ganz so schnell abschütteln ließen wie noch mit zwanzig.

„Dort vorn ist das Perch Inn“, riss Blanche ihn aus seinen Gedanken. „Hast du Lust auf ein Pint?“

„Sehr gerne“, antwortete er.

Blanche lächelte ihn an, hakte sich bei ihm unter und sie gingen über eine rot gestrichene Fußgängerbrücke. Es fühlte sich so leicht und einfach an mit Blanche. Und er hatte das Gefühl, endlich wieder Kontrolle über sein Leben zu gewinnen.

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„Wir bringen die Kinder besser schnell weg von hier“, sagte Rich nervös. „Ich will nicht, dass sie das mit ansehen.“

Heidi nickte zustimmend und blickte dann zu Grahams Vater, der versuchte, seinen Sohn wiederzubeleben, während Grahams Mutter hilflos neben den beiden auf dem Boden kniete. Sie wollte irgendwie helfen.

„Ich muss herausfinden, was da auf dem Spielfeld passiert ist“, sagte Heidi.

„Der Junge war nicht er selbst, das war deutlich“, warf ihr Vater ein.

„Dann gehe ich dir mit den Zwillingen zur Hand, Rich“, bot Heidis Mutter an.

„Na los, Heidi!“, meinte Rich. „Francis ist garantiert dankbar für jeden, der in dieser Situation einen kühlen Kopf bewahrt.“

„Sicher?“

„Nun geh schon!“, drängte auch ihre Mutter. „Und nimm deinen Vater mit!“

„Ich packe derweil die Picknicksachen zusammen“, versprach Louise. „Lasst einfach alles liegen, ich kümmere mich darum.“

„Danke euch“, sagte Heidi und ging dann gemeinsam mit ihrem Vater in Richtung Unfallstelle.

In Gedanken spielte sie den Vorfall noch einmal durch. Ihr kriminalistischer Spürsinn sagte ihr, dass es dabei nicht mit rechten Dingen zugegangen war. Graham saß schon seit mehr als zwanzig Jahren im Sattel. Normalerweise war er ein flinker und ehrgeiziger Spieler. Sein Verhalten vor dem Abwurf passte einfach nicht dazu. Ihr Vater schien das ähnlich zu sehen.

Auf dem Polofeld herrschte inzwischen Chaos. Die Spieler waren von ihren Ponys abgestiegen und unzählige Schaulustige hatten sich unter sie gemischt. Einige versuchten, Grahams Pony zu beruhigen, das noch immer aufgeregt wieherte und sich nicht führen lassen wollte.

Mit lauten Sirenen kam ein Notarztwagen angefahren und hielt am Spielfeldrand. Der Arzt eilte zu Graham, doch bereits nach kurzer Zeit schüttelte er betroffen den Kopf. Grahams Mutter begann hysterisch zu schreien. Ihr Mann versuchte vergeblich, sie zu beruhigen. Heidis Magen zog sich zusammen. Graham war tatsächlich tot.

„Tom!“, rief Heidi, als sie ihren Bruder in der Menge entdeckte.

Er hatte den Helm abgesetzt und seine braunen Locken standen wild von seinem Kopf ab.

„Alles in Ordnung bei dir?“

„Ich kann nicht glauben, dass Graham tot ist“, antwortete er mit zittriger Stimme, als sie an ihn herantrat. Ihm war alle Farbe aus dem Gesicht gewichen. „Das kann doch kein Zufall sein.“

„Was meinst du damit?“, wollte Heidi wissen.

Tom schluckte, doch er sagte nichts.

Heidi spürte, dass ihn etwas umtrieb. „Tom, bitte, irgendetwas ist doch vorgefallen, oder?“

„Es gibt da so ein Gerücht“, presste Tom hervor, doch plötzlich ging ein Ruck durch ihn. „Ach, vergiss es, Heidi. Ich weiß nicht, was an der Sache dran ist, und ich will keine Gerüchte streuen. Schon gar nicht jetzt, da Graham tot ...“

„Was ist das für ein Gerücht?“, unterbrach ihn Heidi und blickte ihn auffordernd an.

„Tom, sag uns, was du weißt!“, verlangte nun auch ihr Vater.

„Also gut.“ Toms Stimme wurde leiser. „James hat mir erzählt, dass Graham bedroht worden sein soll.“ Er schaute sich um, so als ob es ihm unangenehm wäre, was er gerade gesagt hatte, und er hoffte, dass ihn sonst niemand gehört hatte.

„Von wem?“, fragte Heidi.

„Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass Graham kurz vor dem Polospiel einen Brief in seiner Sporttasche gefunden haben soll, in dem ihm gedroht wurde.“

„Womit?“

„Keine Ahnung.“

„Hast du den Brief gesehen?“, mischte sich ihr Vater ein.

„Nein“, antwortete Tom. „Und ich hab das mit der Drohung auch nicht besonders ernst genommen, wenn ich ehrlich bin. Ich war mir sicher, dass es wieder einer von Grahams schlechten Scherzen war. Ihr kennt ihn ja.“

Heidi nickte. „Weißt du, wo seine Sachen sind?“

„Du willst doch nicht etwa ...?“

„Wenn er tatsächlich bedroht wurde, müssen wir unbedingt herausfinden, von wem und warum. Sag schon, wo steht sein Wagen?“, drängte Heidi.

„Dort, neben seiner Pferdebox.“ Tom zeigte auf einen dunklen Jeep. „Seine Sachen müssten im Kofferraum liegen. Wir lassen die Autos immer offen.“

„Danke, Tom“, sagte Heidi, dann wandte sie sich an ihren Vater: „Kümmerst du dich bitte um die Unfallstelle, während ich mir den Jeep anschaue?“

Er nickte. Mehr brauchte sie nicht zu sagen. Sie wusste, dass ihr Vater nun den Toten und die Unfallstelle ganz genau in Augenschein nehmen würde. Wahrscheinlich würde er dem Notarzt und Grahams Eltern auch die eine oder andere Frage stellen. Er hatte mehr als fünfzig Jahre Erfahrung darin. Schließlich war er es gewesen, der ihr beigebracht hatte, wie man einen Tatort inspiziert. Vom ihm hatte sie auch die Leidenschaft geerbt, Kriminalfälle lösen zu wollen, nachzuvollziehen, was einen Menschen dazu trieb, ein Verbrechen zu begehen, und ihn dann seiner Tat zu überführen. Zwar war ihr Vater inzwischen pensioniert, doch bis vor wenigen Jahren war er Chief Inspector bei der Thames Valley Police in Oxford gewesen und er hatte sich nur schweren Herzens in die Rente verabschiedet.

Während ihr Vater den Notarzt routiniert in ein Gespräch verwickelte, ging Heidi zu dem Jeep hinüber, auf den Tom gezeigt hatte. Sie schaute sich um. Niemand schien sie zu bemerken, alle Blicke waren auf die Unfallstelle gerichtet. Sie zog den Ärmel ihres Shirts über die Hand, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen. Noch hatte sie nicht die offizielle Erlaubnis zu ermitteln und könnte sich mit ihren eigenmächtigen Nachforschungen in ernsthafte Schwierigkeiten bringen. Und ihr Vorgesetzter, Chief Inspector Meyers, war wahrlich keiner, mit dem man gerne Ärger hatte. Aber wenn sich herausstellen sollte, dass bei Grahams Tod nachgeholfen worden war, dann befand sich der Täter womöglich noch auf dem Gelände und versuchte sehr wahrscheinlich, seine Spuren zu verwischen.

Vorsichtig öffnete sie den Kofferraum. Darin lagen neben einer Sporttasche eine edle Lederjacke, eine Jeans, ein Hemd, ein Paar Bootsschuhe und eine dicke Armbanduhr. Graham hatte schon immer einen teuren Geschmack besessen.

Sie öffnete den Reißverschluss der Sporttasche, der nur halb zugezogen war. In der Tasche fand sie ein paar Handtücher und Polobälle. Keine Spur von einem Brief. Dann griff sie in die Seitentaschen, doch auch darin war kein Brief zu finden. Ob es ihn gar nicht gab und Graham sich doch nur hatte wichtigmachen wollen?

Heidi drückte die Kofferraumtür zu und warf einen Blick ins Innere des Wagens. Wenn sie Graham wäre, was hätte sie mit dem Brief gemacht? Sie öffnete die Beifahrertür und durchsuchte das Seitenfach, dann das Handschuhfach. Außer den üblichen Unterlagen war darin jedoch nichts zu finden. Ihr Blick fiel auf das Fach zwischen den Vordersitzen. Sie zog es auf. Darin lagen neben dem Autoschlüssel Grahams Geldbeutel und sein Handy. Sie steckte beides ein, dann sah sie hinauf zu den Sonnenblenden.

Als sie die Blende auf der Fahrerseite aufklappte, fiel ihr ein weißer Umschlag entgegen. Ihr Herz begann schneller zu schlagen. Vorsichtig öffnete sie den Umschlag und zog ein Blatt Papier hervor.

Handschriftlich stand darauf geschrieben: „Der Fuchs bellt nicht, wenn er das Lamm stehlen will.“ Das war Shakespeare. Sie las weiter: „Ich werde dein Leben zerstören. Cecilia.“

Heidi lief es kalt den Rücken hinunter, als sie den Namen las. Sie ließ den Brief in ihrer Hosentasche verschwinden. Dann schloss sie schnell die Tür des Jeeps. Während sie zurück zum Unglücksort ging, griff sie nach ihrem Handy und wählte die Nummer von Chief Inspector Meyers.

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Frederick trank einen großen Schluck Ale. Im urigen Garten des Perch Inn saß er Blanche gegenüber an einem der alten Holztische. Der Garten war von der Themse aus schwer ausfindig zu machen, denn dicht gewachsene Bäume und Sträucher umschlossen ihn wie eine grüne Mauer. Man erreichte ihn durch einen herrlich duftenden Laubengang und kam sich dabei vor, als habe man einen versteckten Schatz entdeckt.

Auf einmal vibrierte Fredericks Handy. Er schaute auf das Display und runzelte die Stirn.

„Das ist Sergeant Simmons.“

„An einem Sonntag?“, fragte Blanche.

„Das verheißt nichts Gutes“, erwiderte Frederick und nahm das Gespräch an.

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Stephanie Bradshaw von der Spurensicherung und Sergeant Simmons waren unter den ersten Kollegen, die in einem Polizeiwagen am Polo Club ankamen. Heidi erklärte ihnen kurz, was geschehen war, und wies Sergeant Simmons an, Verstärkung anzufordern, um das Gelände abzusperren. Dann holte sie vorsichtig Grahams Geldbeutel, das Handy und den Brief hervor und übergab alles an Stephanie Bradshaw.

„Hast du schon mal meinen Job gemacht?“, fragte die Forensikerin mit einem Augenzwinkern. Sie zog ein Paar Gummihandschuhe über, nahm Heidi die Gegenstände ab und verstaute sie in einer Plastiktüte.

„Ich hatte Angst, dass mir der Täter vielleicht zuvorkommt und die Sachen verschwinden lässt. Außerdem wusste ich nicht, in welcher Stimmung der Chief Inspector sein würde, wenn ich ihn bei seinem Sunday Roast störe“, erklärte Heidi. „Wenn es ums Essen geht, ist er ja bekanntermaßen nicht gerade zum Scherzen aufgelegt.“

„Nicht nur dann“, fügte Stephanie Bradshaw grinsend hinzu.

Heidi lachte. „Als ich ihn anrief, wollte er das Ganze doch tatsächlich zunächst als Unfall abtun. Das mit dem Drohbrief hielt er für einen Zufall. Erst als ich ihm erzählt habe, dass es sich bei dem Toten um Graham Spencer handelt, hat er eingelenkt.“

„Der Tote ist doch nicht etwa der Sohn des Werkzeugfabrikanten Spencer?“, fragte Stephanie Bradshaw aufgeregt.

„Genau der.“

„Über den habe ich in den letzten Monaten ständig was in meinen Klatschheftchen gelesen!“, rief Stephanie Bradshaw aufgeregt. „Jung, reich, attraktiv – der Mann war der David Beckham unter den Amateurpolospielern. Na ja, David Beckham vor zehn Jahren. Er hat jedenfalls nichts anbrennen lassen und stand sogar auf Rang acht der begehrtesten Junggesellen Südenglands.“

„Für so etwas gibt es tatsächlich ein Ranking?“

Dass Graham ein Frauenheld gewesen war, wusste Heidi von Tom. Aber dass er es damit sogar in die Klatschpresse geschafft hatte, war ihr neu. Das bedeutete, dass nicht nur die Lokalreporter, sondern auch die Schreiber der überregionalen Klatschblätter früher oder später auf der Matte stehen würden, wenn sie von Grahams Tod erfuhren. Und das verkomplizierte erfahrungsgemäß die Ermittlungen und erhöhte den Druck.

„Zuletzt hat er wohl eine Affäre mit einer jungen Frau gehabt, die weitläufig mit der Queen verwandt sein soll“, erzählte Stephanie Bradshaw weiter.

„Sagt dir der Name Cecilia etwas?“, fragte Heidi erwartungsvoll. „Hieß die Frau vielleicht so?“

Stephanie Bradshaw dachte kurz nach. „Nein, ich glaube nicht. Wenn ich mich richtig erinnere, ist ihr Name Penelope. Penelope Lancaster. Aber ich würde meine Hand nicht dafür ins Feuer legen.“

In diesem Moment waren laute Stimmen aus Richtung der Unfallstelle zu hören. Die beiden Frauen blickten hinüber. Sergeant Simmons war gerade dabei, alles abzusperren. Er fuchtelte nervös mit den Händen herum, denn die vielen Schaulustigen ließen sich nur schwer dazu bewegen, den gesperrten Bereich zu verlassen.

„Wie ist er denn gestorben?“, fragte Stephanie Bradshaw nach einer Weile.

„Er wurde von seinem Pony abgeworfen. Fremdeinwirkung auf dem Polofeld selbst können wir also ausschließen“, antwortete Heidi. „Allerdings hatte ich den Eindruck, dass er kurz vor dem Vorfall nicht er selbst war.“

„War vielleicht Koks oder ein anderes Aufputschmittel im Spiel?“

„Nein, ich denke nicht. Im Gegenteil, er schien nicht bei der Sache zu sein.“

„Hast du eine Trinkflasche bei seinen Sachen gefunden?“, wollte Stephanie Bradshaw wissen.

Heidi schüttelte den Kopf. „Blenheim Water hat heute alle Getränke ausgegeben.“

„Verstehe. Ich leg mal los, bevor mir die Beweise ganz zertrampelt werden. Das ist ja ein unglaublicher Menschenauflauf auf dem Polofeld! Ich habe noch nie verstehen können, was die Menschen so sehr anzieht, wenn ein Leben zu früh endet.“

„Wahrscheinlich ist es die Erleichterung darüber, dass es nicht sie selbst getroffen hat“, meinte Heidi und hob verständnislos die Schultern. „Ich hoffe, Simmons gelingt es, sie schnellstmöglich nach Hause zu schicken. Die Pferdebox dort vorne gehörte übrigens Graham, der schwarze Jeep daneben ebenfalls.“

„Dann fang ich damit an und kämpfe mich von dort aus durch die Menge. Ich melde mich bei dir, sobald ich mit meinen Untersuchungen durch bin.“

„Danke, Steph.“ Heidi sah ihr hinterher und blickte dann auf ihre Uhr. Es war kurz vor sechs und es dämmerte schon. Die Vorstellung, dass Graham tot im Halbdunkel auf dem Polofeld lag, gefiel ihr ganz und gar nicht.

Ihr Blick wanderte erneut zur Unfallstelle. Sie entdeckte den Pathologen Dr Goldberg, der vorsichtig über die Absperrung stieg, was von Sergeant Simmons sehr kritisch beäugt und von den Schaulustigen mit einem interessierten Zischen kommentiert wurde. Sie bahnte sich einen Weg durch die Menge.

Auch ihr Vater hatte Dr Goldberg entdeckt, trat auf ihn zu und begrüßte ihn mit einer herzlichen Umarmung.

„Hat man dich mal wieder auf einen Toten losgelassen?“, scherzte Dr Goldberg und klopfte Heidis Vater freundschaftlich auf die Schulter. „Ich dachte, die Zeiten wären endgültig vorbei.“

„Ich darf heute ausnahmsweise meiner Tochter assistieren“, antwortete Heidis Vater und schmunzelte.

„Lass das mal lieber nicht den Chief Inspector wissen!“, gab Dr Goldberg zurück und die beiden lachten.

Das Verhältnis zwischen Chief Inspector Meyers und Heidis Vater war nicht das beste. Meyers hatte jahrelang versucht, seinen Vorgänger bereits vor dessen Pensionierung abzulösen. Dabei war er jedoch auf erbitterten Widerstand gestoßen, denn Heidis Vater war Polizist mit Leib und Seele und außerdem bei seinen Kollegen überaus beliebt gewesen.

„Guten Abend, Dr Goldberg!“, unterbrach Heidi das Geplänkel. Sie wandte sich an ihren Vater: „Was hast du herausgefunden, Dad?“

Er räusperte sich und sagte: „Zunächst einmal hat der Notarzt festgestellt, dass Graham sich bei dem Sturz das Genick gebrochen hat. Er meinte, es sei sehr schnell gegangen, Graham sei sofort tot gewesen. Wenigstens musste er nicht leiden.“ Er hielt kurz inne. Obwohl er in seiner Berufslaufbahn unzählige Tote gesehen hatte, viele von ihnen sicherlich schlimmer zugerichtet als Graham, war ihm anzumerken, wie sehr ihn Grahams Tod berührte. „Hier habe ich den Totenschein und das entsprechende Schreiben.“ Er drückte Heidi zwei Papiere in die Hand. „Ich habe den Arzt gleich wieder nach Hause geschickt. Er konnte ohnehin nichts mehr für Graham tun und seine Frau hat mit dem Sunday Roast auf ihn gewartet.“

„Was ist mit Grahams Eltern, können die uns weiterhelfen?“, fragte Heidi.

„Die Spencers stehen unter Schock, die wirst du wahrscheinlich erst in ein, zwei Tagen befragen können. Ich habe ihnen unser Beileid ausgedrückt, ein Taxi bestellt und versprochen, dass du dich um alles Weitere kümmern wirst.“

Heidi nickte. „In der Zwischenzeit werde ich ihnen einen Polizeipsychologen vorbeischicken.“

Ihr Vater fuhr fort: „Ich habe mich lange mit Francis unterhalten. Er meinte, dass sich Leila, das ist Grahams Pony, heute äußerst ungewöhnlich verhalten hat. Graham hat das Tier schon seit Jahren geritten und die beiden kannten sich eigentlich in- und auswendig.“

„Willst du andeuten, dass das Pony das Ganze verursacht hat?“, fragte Heidi zweifelnd. Sie dachte an Tom, der ebenfalls eng mit seinem Pony verbunden war. Früher hatte sie ihn damit aufgezogen. Inzwischen fand sie diese einzigartigen Bande zwischen Tier und Reiter faszinierend und war immer wieder überrascht, wie sensibel die Ponys auf die Gemütslage ihrer Reiter reagierten. „Ich hatte eher den Eindruck, dass Graham heute nicht er selbst war“, sagte sie nach einer Weile.

„Da hast du auch recht. Francis sagte aber, dass Leila wahrscheinlich durch Grahams ungewöhnliches Verhalten verunsichert wurde. Anstatt sich aus der Gefahrenzone zu bringen, vertraute sie darauf, dass Graham wisse, was er tue. Als er dann doch nicht reagierte und die Spieler mit ihren Ponys immer schneller auf sie zugestürmt kamen, ist sie panisch geworden und hat heftig ausgeschlagen.“

„Er wurde also von seinem Pony abgeworfen und hat sich das Genick gebrochen“, nuschelte Dr Goldberg in seinen dunklen Bart und wandte sich der Leiche zu. „Das sieht tatsächlich nach einem Genickbruch aus.“ Er ging in die Hocke und zog ein Büschel Gras mit Wurzeln aus dem Bereich neben dem Kopf des Toten. „Es war ein heftiger Aufprall.“ Er schüttelte das Grasbüschel und Erde rieselte hinunter. „Der Boden ist völlig ausgetrocknet. Da hat der Helm auch nicht geholfen. Hätte es in der letzten Woche auch nur einmal geregnet, hätte er den Sturz womöglich überlebt.“ Er seufzte. „Das kann natürlich ein unglücklicher Zufall gewesen sein. Mich verwundert allerdings, dass seine Gesichtszüge so entspannt sind.“ Er blickte in Grahams gleichmäßiges Gesicht, über dessen Wange sich ein fingerlanger blutiger Kratzer zog. „Gibt es Hinweise darauf, dass er vor seinem Tod ein Beruhigungsmittel genommen hat?“

„Konkrete Hinweise gibt es bis jetzt nicht. Aber daran habe ich auch schon gedacht, weil er sich vor dem Abwurf so seltsam verhalten hat“, erklärte Heidi.

„Hast du denn einen Drohbrief im Wagen gefunden?“, wollte ihr Vater wissen.

Sie nickte. „Ihm wurde tatsächlich gedroht!“

„Womit?“, fragten Dr Goldberg und Heidis Vater gleichzeitig.

„Sein Leben zu zerstören.“

„Also keine direkte Todesdrohung“, überlegte Heidis Vater.

„Für mich klingt das schon nach einer Todesdrohung, zumindest nach einer indirekten“, warf Heidi ein.

„Vielleicht wollte er deshalb vor dem Spiel seine Nerven etwas beruhigen und hat es mit der Dosis übertrieben“, mutmaßte Dr Goldberg und ging einmal um den Toten herum.

„Möglich. Aber ich habe unter seinen Sachen keine Beruhigungstabletten gefunden“, gab Heidi zu bedenken.

„Ich werde ihn jedenfalls gezielt auf die entsprechenden Mittelchen untersuchen“, versprach Dr Goldberg.

„Hatte der Brief denn einen Absender?“, hakte Heidis Vater nach.

Heidi zögerte, denn sie ahnte, was der Name bei den beiden auslösen würde. „Er ist mit ‚Cecilia‘ unterschrieben“, sagte sie dann langsam.

Dr Goldberg und ihr Vater blickten sie entgeistert an.

„Aber das ist doch ...“, meinte Dr Goldberg verunsichert und stockte.

„... eigentlich unmöglich“, beendete Heidis Vater seinen Satz.

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Blanche bog mit ihrem kleinen Fiat auf das weitläufige Gelände des Kirtlingtoner Poloclubs ein und hielt schließlich neben den Pferdeboxen.

„Es wird wahrscheinlich länger dauern, du musst nicht auf mich warten. Ich melde mich später bei dir“, versprach Frederick.

Dann bemerkte er, wie eine dunkelhaarige Frau zu ihnen herübersah. Sie stand einige Meter entfernt und war gerade dabei, allerlei Picknickutensilien in ihren Land Rover zu laden. Blanche beugte sich zu Frederick herüber und küsste ihn. Plötzlich hörte er lautes Geklapper. Er löste sich von Blanche und sah in die Richtung, aus der der Lärm kam. Die Dunkelhaarige war gerade dabei, Flaschen und Dosen aufzusammeln, die vor ihr auf dem Boden lagen. Dabei fluchte und schimpfte sie. Für einen Moment durchzuckte es Frederick: War sie es wirklich, Heidis beste Freundin? Er stieg aus, schlug die Tür des Fiats zu und winkte Blanche kurz zum Abschied. Doch bevor er sich noch einmal zu der anderen Frau umdrehen konnte, kam Sergeant Simmons auf ihn zugestürmt.

„Inspector Collins, Sie sind spät dran!“, klagte er. „Dr Goldberg hat die Leiche schon mitgenommen, die Spurensicherung ist mit ihren Untersuchungen ebenfalls fertig und der Abschleppdienst ist gerade dabei, den Wagen des Toten aufzuladen.“

Frederick dachte kurz daran, Simmons in seine Schranken zu weisen. Er hätte es sich als junger Sergeant niemals herausgenommen, mit seinen Vorgesetzten in diesem Ton zu sprechen. Doch dann ermahnte er sich, denn es war ihm lieber, einen eifrigen Zuarbeiter zu haben als einen, der sich um nichts scherte. Die gab es schließlich nur allzu oft. Und Simmons hatte ihm in den letzten Monaten bewiesen, dass man sich auf ihn verlassen konnte. Vor allem scheute er weder Zeit noch Mühe, um bei der Aufklärung ihrer Fälle zu helfen. Dass er dabei manchmal über das Ziel hinausschoss, versuchte Frederick dem jungen Sergeant nicht übel zu nehmen.

„Worum geht es überhaupt, Simmons?“, fragte er daher in einem freundlichen Ton.

„Wir haben es hier mit einer schwierigen Geschichte zu tun“, erklärte der Sergeant. „Es handelt sich um einen toten Polospieler namens Graham Spencer. Also nein, er war kein Profipolospieler, sondern Polospielen war sein Hobby. Aber er soll ziemlich gut darin gewesen sein, einer der besten Spieler des Clubs. Er hat bei seinen Eltern auf deren Anwesen in Wantage gewohnt und war in ihrer Firma angestellt, der großen Werkzeugmanufaktur Spencer in Cowley. Kennen Sie die? Hier in der Gegend kennt die jeder, ist ein Traditionsunternehmen. Und die Spencers sind schwer reich damit geworden. Jedenfalls hat ihn sein Pony während des Spiels abgeworfen und er ist an einem Genickbruch gestorben. Schlimme Sache. Aber das ist ja auch ein gefährlicher Sport. Fieldhockey ist schon gefährlich mit diesen langen Schlägern, aber das Ganze dann auch noch auf Pferden“, sprudelte es aus ihm heraus.

„Da geben ich Ihnen völlig recht, Simmons“, meinte Frederick in der Hoffnung, so die Ausschweifungen des jungen Sergeants zu verkürzen.

Der blickte ihn überrascht an und schwieg tatsächlich für einige Sekunden. Dann zogen sich seine Mundwinkel nach oben und er strahlte übers ganze Gesicht.

„Nicht wahr, Inspector Collins? Also ich könnte das nicht. Polospielen meine ich. Reiten und dann auch noch einem Ball hinterherjagen, das wäre wirklich nichts für mich. Aber ich kann ja auch nicht reiten. Vielleicht ist es einfacher, wenn man reiten kann ...“

Ganz offensichtlich war Fredericks Versuch, den Redefluss des Sergeants zu dämmen, gescheitert. Erneut ermahnte er sich im Stillen: Lieber übereifrig als desinteressiert. Doch diesmal fiel es ihm weniger leicht.

„Simmons, kommen Sie bitte auf das Verbrechen zurück!“, verlangte er.

„Aber es steht noch gar nicht fest, ob es ein Verbrechen war oder nicht“, protestierte Sergeant Simmons. „Er ist ja schließlich selbst vom Pferd gefallen. Wobei, Inspector Green denkt, dass bei seinem Tod nachgeholfen wurde, deshalb hat sie uns schließlich alle hergerufen. Das würde sie ja nicht machen, wenn sie nicht denken würde, dass es sich um ein Verbrechen handelt, nicht wahr? Nicht an einem Sonntag!“

„Ganz sicher nicht, Simmons“, antwortete Frederick betont ruhig. „Gibt es denn schon Verdächtige?“

„Ja und nein.“

„Was soll das heißen, Simmons?“ Frederick atmete tief ein und aus.

„Inspector Green hat da einen Verdacht, soweit ich weiß.“

„Wo ist sie?“

„Die Verdächtige?“

Nun verlor Frederick die Geduld. „Inspector Green!“

„Dort vorne.“

„Danke, Simmons“, presste Frederick heraus und wünschte sich sehnlichst in den heimeligen Garten des Perch Inn zurück.

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„Collins, hallo! Na, hat Simmons Sie schon auf den neusten Stand gebracht?“ Heidi konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

„Wie immer in aller Kürze“, gab Frederick gequält lächelnd zurück. „Klingt nach einer vertrackten Angelegenheit. Es wird schwer nachzuweisen sein, dass da jemand seine Finger im Spiel hatte. Simmons meinte, Sie hätten einen Verdacht?“

„Ja und nein.“

„Fangen Sie jetzt bitte nicht auch noch so an!“, flehte Frederick lachend.