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Band 300-349 – König von Atlantis – Teil 1

 

Man schreibt das Jahr 2684, als auf der Erde urplötzlich ein gigantisches Objekt materialisiert. Mitten im Atlantischen Ozean erscheint ein riesiger Inselkontinent, der von einem gigantischen Schutzschirm überwölbt wird.

Zur gleichen Zeit trifft Atlan, der Lordadmiral der United Stars Organisation (USO), auf den geheimnisvollen Fremden Razamon. Dieser warnt ihn vor einer furchtbaren Gefahr, die angeblich von dem neuen Kontinent namens Atlantis ausgeht.

Gemeinsam gelingt es Razamon und dem unsterblichen Arkoniden, den Schutzschirm zu durchdringen. Dabei verlieren sie ihre gesamte Ausrüstung. Ohne Kontakt zur Außenwelt und nur auf sich und seine Erfahrung angewiesen, begibt sich das ungleiche Paar auf eine gefährliche Erkundungsmission – und in ein unglaubliches Abenteuer ...

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Nr. 300

 

Das neue Atlantis

 

Ein uralter Mythos wird Wirklichkeit

 

von William Voltz

 

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Auf Terra und den übrigen Menschheitswelten schreibt man das Jahr 2648. Frieden und Wohlstand herrschen im Solaren Imperium. Auf vielen tausend Welten der Milchstraße siedeln Menschen.

Doch es ist ein trügerischer Frieden. Eine neue Gefahr für die Menschheit zieht herauf – und Atlan, der unsterbliche Arkonide, ist der einzige, der ihr zu begegnen vermag. Zusammen mit einem mysteriösen Gefährten bricht der Mentor der Menschheit auf. Ihr Ziel: DAS NEUE ATLANTIS ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Carmel Sphinx und Purflinth – Zwei USO-Agenten auf den Spuren des Atlantis-Rätsels.

Tervor Aretosa alias Razamon – Ein Fremder auf der Erde.

Atlan – Der Lordadmiral der USO beginnt eine lange Reise.

Perry Rhodan – Der Großadministrator des Solaren Imperiums lässt Vorsichtsmaßnahmen treffen.

»Vor dem Eingang des Meeres, der, wie ihr sagt, Säulen des Herakles heißt, befand sich eine Insel, größer als Asien und Libyen zusammen.«

(Platon, »Timaios« Kapitel 3)

 

1.

 

Die trockene Hitze, die im Wettbüro herrschte, hatte Purflinth schläfrig gemacht, so dass er die Kontrolle über seinen nachempfundenen menschlichen Körper zu verlieren begann.

Carmel Sphinx, der den Eingang und die Schalter beobachtete, bemerkte die verräterische Veränderung erst, als eine Gesichtshälfte des Matten-Willys bereits wie eine Teigtasche herabhing.

Der USO-Spezialist zuckte zusammen und trat Purflinth gegen ein Schienbein. Das Bein gab nach und floss unter die Bank.

»Purflinth!«, zischte Sphinx wütend.

Das Plasmawesen zuckte zusammen und beeilte sich, die missratenen Körperstellen wieder zu korrigieren. Zum Glück waren alle Kunden an den Schaltern beschäftigt, so dass niemand den Zwischenfall bemerkt hatte.

»Ich hoffe, dass du dich etwas zusammenreißt«, warnte Sphinx seinen extraterrestrischen Begleiter. »Wenn hier jemand merkt, was du wirklich bist, gibt es einen Höllenspektakel und wir können unsere Nachforschungen getrost aufgeben.«

Mutwillig veränderte Purflinth eines seiner Augen, so dass es wie ein Spiegelei aussah.

Sphinx knirschte hörbar mit den Zähnen.

»Ich bin dein Assistent«, erklärte der Matten-Willy. »Trotzdem verlange ich, dass du mich höflich behandelst.«

»Drei Whisky?«, fragte Sphinx, der nur mühsam die Fassung bewahrte.

Purflinth leckte sich mit einer Zunge, die wie ein roter Schöpflöffel aussah, über die Lippen.

»Fünf!«

»Also gut«, gab Sphinx nach. »Fünf! Aber ich erwarte, dass du dich jetzt anständig beträgst.«

Purflinth normalisierte das Auge und blickte zur Tür.

»Er kommt sowieso nicht.«

»Abwarten!«, meinte Sphinx. »Klement hat gesagt, dass er jeden letzten Freitag im Monat kommt, um seine Wetten abzuschließen.«

Klement war der Besitzer des automatischen Wettbüros. Bei ihm wurden die unglaublichsten Wetten abgeschlossen. Die Tatsache, dass Klement eine Villa am Goshun-See und eine Raumjacht besaß, bewies deutlich, wer bei diesen Wetten zu gewinnen pflegte.

Seit ein paar Monaten war das anders.

Damals, am letzten Freitag im Februar des Jahres 2648, war Tervor Aretosa zum ersten Mal in Klements Wettbüro aufgetaucht. Aretosa hatte die Gründung einer Sekte mit dem Namen Jünger von Atlantis in Europa vorhergesagt und eine hohe Summe darauf gewettet, dass dieses Ereignis auch stattfinden würde. Klements Roboter, die trotz aller gründlicher Recherchen keine Anhaltspunkte für eine derartige Gründung finden konnten, hielten dagegen – und verloren.

In den vier Monaten März, April, Mai und Juni war Aretosa ebenfalls erschienen und hatte absurde Wetten angeboten, die alle mit dem Thema »Atlantis« in Zusammenhang standen. Auch diese vier Wetten hatte er gegen alle Wahrscheinlichkeitsrechnungen der Wettroboter gewonnen.

Klement hatte Nachforschungen angestellt und sogar eine Regierungsstelle benachrichtigt. Niemand schien Tervor Aretosa zu kennen oder zu wissen, wo er lebte.

In seiner Juni-Wette hatte Aretosa angekündigt, dass die Regierung sich genötigt sehen würde, zum Thema »Atlantis« eine Erklärung herauszugeben, und genau das war vor ein paar Tagen geschehen.

Carmel Sphinx ging der Atlantis-Rummel auf die Nerven, er war überzeugt davon, dass die wahrhaft epidemische Ausbreitung dieser Geschichten und Gerüchte von einigen geldgierigen Geschäftemachern ausgelöst worden war.

Wahrscheinlich arbeitete Aretosa mit diesen Leuten zusammen.

Der USO-Spezialist sah seinen Auftrag so, dass er etwas über Aretosa und dessen Hintermänner herausfinden sollte und nicht etwa etwas über den möglichen Wahrheitsgehalt der Atlantis-Geschichten.

Atlantis war vor zehntausend Jahren im Atlantik versunken. Atlan selbst hatte noch einmal in der Regierungserklärung darauf hingewiesen. Alles andere waren Hirngespinste.

Sphinx konnte sich vorstellen, dass die Regierung angesichts der Ausmaße, die die Atlantis-Euphorie angenommen hatte, beunruhigt war. Es wurde Zeit, dass man dieser Sache ein Ende machte. Sphinx war entschlossen, dieses Ende vorzubereiten.

Der USO-Spezialist war ein kleiner hagerer Mann mit einem freundlichen Gesichtsausdruck, der vor allem von den Lachfältchen um seine großen blauen Augen bestimmt wurde. In Sphinx' Stirn hing stets eine schwarze Locke, die er ab und zu durch ruckartige Bewegungen des Kopfes an ihren Platz zurückzubefördern versuchte.

Bisher war Sphinx mit Nachforschungen bei Rauschgifthändlern beschäftigt gewesen. Bei dieser Arbeit hatte ihm sein Assistent, der Matten-Willy Purflinth, stets gute Dienste geleistet. Diese Wesen konnten in die kleinsten Winkel und Spalten fließen und sie untersuchen, so dass man kaum etwas vor ihnen verbergen konnte.

Aber auch bei diesen Einsätzen war Purflinths ständige Müdigkeit eine Erschwernis gewesen.

»Wir sollten aufgeben und endlich den versprochenen Whisky holen«, unterbrach der Matten-Willy die Gedanken des USO-Spezialisten. »Ich bin fast bereit, eine Wette anzunehmen, dass Aretosa nicht kommt.«

Sphinx warf einen hilfesuchenden Blick zu Klement hinüber, der in einer Ecke stand und ebenfalls den Eingang beobachtete. Er wollte Sphinx ein Zeichen geben, sobald Aretosa erschien. Die Kunden, die hereinkamen, um bei den Robotbuchmachern ihre Wetten abzuschließen, kannten Klement nicht, denn er hielt sich nur selten in seinem Wettbüro auf. Klement war ein schwerfällig wirkender, ärmlich gekleideter Mann. Man hätte ihn eher für einen Kunden des Büros als für dessen Besitzer halten können.

Sphinx' Blicke wanderten zu den Robotbuchmachern hinüber, einfallslos bemalten Kästen, in denen vergleichende Positroniken eingebaut waren.

In diesem Augenblick wurde es still innerhalb des Büros. Die Männer und Frauen an den Schaltern hielten in ihrer Tätigkeit inne und starrten in Richtung des Eingangs.

Die Atmosphäre innerhalb des Raumes schien sich mit einem Schlag zu verändern.

Noch bevor Sphinx den Blick wandte, wusste er, dass Tervor Aretosa angekommen war.

Im Eingang stand ein überschlanker, etwa 1,80 Meter großer Mann.

Sphinx wurde vom Anblick des Fremden sofort gefangen, er spürte, dass er einem ungewöhnlichen Menschen gegenüberstand. Trotz seiner Hagerkeit wirkte Aretosa (und es hätte nicht mehr Klements Kopfnicken bedurft, um Sphinx davon zu überzeugen, dass es sich um diesen handelte) knochig und stark. Aretosa hatte mittellanges, blauschwarzes Haar und eng beieinander stehende Augen, mit denen er unstete und stechend wirkende Blicke auf die Umgebung richtete. Dichte schwarze Brauen ließen diese Augen noch düsterer wirken. Die Wangenknochen Aretosas traten hervor, seine scharfrückige und große Nase verliehen dem Gesicht zusätzliche Härte und Verbissenheit, genau wie die schmalen Lippen. Das massive Kinn war durch ein tiefes Grübchen unterteilt. Die Haut Aretosas besaß einen gelblichen Schimmer und stand in einem unheimlichen Kontrast zu den Augen und den Haaren.

Sphinx ertappte sich dabei, dass er dieses Gesicht nicht nur einfach studierte, sondern davon in Bann geschlagen wurde.

Erst, als ihn die Blicke des Ankömmlings trafen und sekundenlang auf ihm ruhten, als könnten sie ihn und seine Absichten mühelos ergründen, löste sich die Starre des USO-Spezialisten.

Sphinx sah verlegen zu Boden, als hätte man ihn bei einer unrechtmäßigen Handlung ertappt.

»Ist er das?«, flüsterte Purflinth.

Sphinx nickte.

Tervor Aretosa bewegte sich auf den äußersten rechten Schalter zu, und Sphinx konnte dabei sehen, dass der Mann das linke Bein etwas nachzog.

Nun begann Klement zu handeln. Ihr gemeinsames Vorgehen war zwischen Sphinx und Klement genau abgesprochen, aber plötzlich zweifelte der USO-Mann, dass es auch funktionieren würde.

Klement setzte sich in Bewegung und blieb zwischen dem Schalter und Aretosa stehen, so dass er seinem geheimnisvollen Kunden praktisch den Weg versperrte.

»Tervor Aretosa?«, sagte Klement mit sichtlicher Aufregung.

Aretosa wandte Sphinx den Rücken zu, doch der USO-Spezialist konnte sich vorstellen, dass dieser Mann Klement ansah und dass Klement unter diesen Blicken förmlich litt.

»Der bin ich!« Die Stimme besaß einen fremdartigen Akzent, den Sphinx niemals zuvor gehört hatte, und sie drückte eine ganze Skala mühsam beherrschter Gefühle aus.

»Ich bin Klement, der Besitzer dieses Wettbüros«, sagte Klement. Er drehte sich seitwärts, so dass Aretosa, um ihn weiter ansehen zu können, ebenfalls eine Drehung vollführen musste. Auf diese Weise gelang es Klement, das Gesicht Aretosas wieder in Sphinx' Blickfeld zu bringen. Sphinx hielt das jedoch für einen Zufall, denn er glaubte einfach nicht, dass Klement ruhig denken konnte – jedenfalls nicht in dieser Minute.

Aretosa lächelte, ein oberflächliches Lächeln, das in den Fältchen rund um die Augen steckenblieb und gleich wieder auseinanderbrach, als wäre es eine dünne, nicht zu diesem Körper gehörende Schicht.

»Sie haben viel Geld an mich verloren, Klement.«

»Eine Menge«, bestätigte Klement. »Deshalb möchte ich mit Ihnen sprechen.«

»Diesmal haben Sie Gelegenheit, alles zurückzugewinnen«, verkündete Aretosa.

Für Sphinx, der als stiller Beobachter fungierte, erhob sich die Frage, ob dieser Mann ein Spiel trieb.

»Sie wollen eine neue Wette abschließen?«, erriet Klement.

»Natürlich! Sind Sie interessiert?«

Inzwischen waren auch die anderen Kunden auf die Unterhaltung aufmerksam geworden. Sie umringten jetzt Klement und Aretosa, aber keiner von ihnen wagte, irgend etwas zu sagen.

Klement sagte nervös: »Es kommt auf den Inhalt der Wette an.«

Aretosa verschränkte die knochigen Arme über der Brust, und Sphinx fand, dass dieser Mann unglaublich überheblich wirkte – und einsam.

»Es ist sozusagen eine Doppelwette«, erklärte Aretosa. »In den nächsten zwei Wochen wird ein seltsames Artefakt aufleuchten, in das eine Botschaft über Atlantis eingraviert ist.«

»Das ist durchaus wahrscheinlich«, meinte Klement. Sphinx sah, dass der schwere Mann schwitzte. »Nach allem, was Sie bisher prophezeit haben, zweifle ich nicht daran.«

»Der zweite Teil meiner Wette«, fuhr Aretosa fort, »betrifft Atlantis selbst. Es wird am dreißigsten August im Atlantik auftauchen.«

Es blieb unheimlich ruhig, obwohl Sphinx erwartet hatte, dass jemand unter den Zuhörern lachen würde. Aretosas Behauptung war absurd, niemand konnte ernsthaft in Erwägung ziehen, dass ein solches Ereignis tatsächlich eintraf.

»Das ... das ist ja verrückt!«, brachte Klement schließlich hervor.

»Ich bin bereit, eine Million Solar einzusetzen«, sagte Aretosa mit einer Selbstverständlichkeit, als hätte er gerade einen Soli gewettet, dass am nächsten Tag die Sonne aufging.

»Eine Million Solar!«, ächzte Klement.

»Werden Sie darauf eingehen?«, drängte der Hagere.

»Nein ... nein! Selbst wenn ich wollte, kann ich das nicht. Ich verfüge nicht über soviel Kapital.«

Sphinx erhob sich und ging auf die Gruppe zu. Er versuchte, völlig ruhig zu sein, aber das gelang ihm nicht. Ihm war, als wanderte er am Rand eines Abgrunds, obwohl die Situation doch offensichtlich völlig ungefährlich war. Wahrscheinlich war es ihre Ungewöhnlichkeit, die ihn verunsicherte.

»Ich halte die Wette!«, hörte er sich sagen.

Aller Augen richteten sich auf Carmel Sphinx, der unwillkürlich darauf wartete, dass ihn einer der Anwesenden der Verrücktheit bezichtigen würde. Doch die Stille der Zuschauer hielt an, als würde die Ausstrahlung Aretosas ausreichen, um jede von ihm unerwünschte Aktivität zu ersticken.

Sphinx sah, dass Klement zitterte.

Aretosa sah Sphinx an, eher verächtlich als interessiert.

»Sie? Und wer sind Sie?«

In Sphinx entstand der übermächtige Wunsch, aufzugeben und das Büro zu verlassen. Irgend etwas warnte ihn, sich näher mit diesem Mann einzulassen, ein längst verloren geglaubter Instinkt, der vielleicht den Urmenschen vor seinen natürlichen Feinden geschützt hatte.

Gleichzeitig erwachte ein trotziges Gefühl in dem kleinen Mann.

Das war ja alles lächerlich!

Er durfte sich nicht von dem Gebaren eines Fremden beeindrucken lassen und schon gar nicht von dessen phantastischen Behauptungen.

»Mein Name ist Carmel Sphinx«, sagte der USO-Spezialist. »Ich war lange Jahre erfolgreich als Prospektor im Wega-Sektor tätig und habe mir dort ein Vermögen erworben. Nun vertreibe ich mir die Zeit mit Wetten. Ich habe bereits von Ihnen gehört, denn ich bin ein ständiger Kunde Klements. Nach allem, was ich von Ihnen weiß, mussten Sie heute hier auftauchen.«

Falls Tervor Aretosa auf den Gedanken kommen sollte, diese Geschichte nachzuprüfen, würde er sie als richtig anerkennen müssen, denn die USO hatte für Sphinx eine entsprechende Vergangenheit konstruiert.

»Spielen Sie gerne Vabanque?«, fragte Aretosa. Er schien amüsiert zu sein.

»Keineswegs!«, erwiderte Sphinx. »Aber keine noch so gut arbeitende Organisation kann Atlantis zurückbringen.«

Aretosa hob die Augenbrauen.

»So sehen Sie das!«

»Ja«, sagte Sphinx. »So sehe ich das.«

»Wollen wir beide das Geld bei Klement hinterlegen?«

Diese Frage bedeutet, dass Aretosa eine Million Solar besitzt!, dachte Sphinx betroffen.

»Ich bin dafür, dass wir dieses Geschäft privat abwickeln«, schlug der USO-Spezialist vor. »Wenn Sie damit einverstanden sind, suche ich Sie zusammen mit meinem Sekretär auf, dann erledigen wir alle Formalitäten.«

Er gab Aretosa seine Karte.

Der schlanke Mann nickte. Sphinx, der gehofft hatte, nun Aretosas Adresse zu erfahren, sah sich enttäuscht.

»Vielleicht rufe ich Sie an, dann machen wir einen Termin aus«, sagte Aretosa, dann ging er langsam auf die Tür zu.

Sphinx überlegte verzweifelt, wie er den Mann aufhalten konnte.

»Ihr Bein!«, rief er, weil ihm nichts Besseres einfiel. »Sind Sie verletzt? Soll ich Sie nach Hause fliegen?«

Aretosa blieb stehen. Er blickte auf sein linkes Bein. Es war, als würde er angestrengt versuchen, sich an irgend etwas zu erinnern. Er sah jetzt sehr traurig aus.

»Es ist nichts«, sagte er dann. »Lediglich ein Zeitklumpen.«

2.

 

»Dafür, dass du zehntausend Jahre alt bist, verfügst du über ungewöhnliche Fähigkeiten«, sagte Irsthya sanft und strich Atlan über die Haare. Dann glitt sie aus dem Bett und trat an das Fenster.

Atlan beobachtete sie und bewunderte ihre Schönheit, ihre vergängliche Schönheit.

Er hatte Irsthya vor zwölf Jahren kennen gelernt, damals war sie zweiundzwanzig Jahre alt gewesen.

In diesen zwölf Jahren war er um keine Sekunde gealtert.

Er musste zusehen, wie sie an seiner Seite alterte.

Nein, das war nicht das richtige Wort: Er erlebte, wie sie allmählich starb!

Zu Beginn ihrer Freundschaft hatten sie sich oft über dieses Problem unterhalten und Irsthya hatte behauptet, es würde ihr nichts ausmachen.

»Ich werde gehen, sobald es Zeit ist«, hatte sie gesagt.

Inzwischen sprachen sie nicht mehr darüber. Aber manchmal, wenn sie dachte, dass Atlan schlief, weinte Irsthya.

»Du bist schön«, sagte der Arkonide spontan. »Ich liebe dich!«

»Wie liebst du mich?«, fragte sie.

»Wie ein Mann eine Frau liebt«, erwiderte der Lordadmiral.

Sie warf den Morgenmantel über.

»Wann wirst du mich vergessen haben? In einem Jahr, in zehn Jahren oder in hundert Jahren?«

Atlan richtete sich bestürzt auf. Er kannte die Bedeutung dieser Worte, er hatte sie oft in dieser oder in jener Form gehört. Irsthya würde ihn verlassen.

Er war nicht in der Lage, irgend etwas zu sagen, sondern sah stumm zu, wie sie im Badezimmer verschwand. Als er ihr ein paar Minuten später dorthin folgen wollte, hatte sie die Tür von innen verriegelt.

Atlan orderte Kaffee und Toast in der Robotküche und wusch sich im Gästebad. Dann kleidete er sich an und begann zu frühstücken. Er war zu müde und zu enttäuscht, um die Morgennachrichten von Terra-Television anzuschauen.

Nach einer Weile hörte er eine Tür zuschlagen. Irsthya war gegangen.

Atlan schloss die Augen.

Warum muss es immer so enden?, dachte er.

Da erfolgte die Explosion.

Ein gewaltiger Donnerschlag erschütterte das Gebäude. Atlan wurde aus dem Stuhl geworfen und stürzte zu Boden. Das Frühstücksgeschirr fiel auf ihn herab. Seine Ohren dröhnten, halb betäubt tastete er umher und versuchte, sich irgendwo hochzuziehen.

Der Explosion folgte fast völlige Stille, nur das Knacken beanspruchten Metalls war zu hören und in einem der Nebenzimmer rieselte Mörtel auf den Boden.

Atlans Gedanken setzten wieder ein.

Irsthya!, dachte er betroffen.

Er kam auf die Beine. Unbewusst nahm er das Ausmaß der Zerstörung in der Küche wahr. Aber das Zentrum der Explosion hatte außerhalb des Hauses gelegen.

Atlan taumelte auf den Korridor hinaus, dann erreichte er die kurze Treppe, die zum Ausgang führte. Die Tür war zerborsten, ihre Trümmer lagen auf den Stufen verstreut.

Der Gleiter!, schoss es Atlan durch den Kopf.

Er gelangte ins Freie, und seine Vermutung bestätigte sich. Der vor dem Haus geparkte Fluggleiter Irsthyas war in die Luft geflogen. Ein Krater markierte die Stelle des Unglücks. Überall lagen Wrackteile, zum Teil waren sie in den Gärten der Häuser in der Umgebung niedergegangen.

Atlan, der benommen dastand, hörte Stimmen.

Von allen Seiten kamen Menschen gerannt. Das Gewinsel der Alarmsirenen der Robotfeuerwehr und des Unfallkommandos erklang.

Irsthya!, dachte Atlan.

Er hockte sich auf die untere Stufe vor der Eingangstür.

Allmählich bereitete sich die Erkenntnis in ihm aus, dass die Frau einem Anschlag zum Opfer gefallen war, der eigentlich ihm gegolten hatte.

 

*

 

Prohn Korum, der dunkelhäutige Chefredakteur des ASTRA, sah ein bisschen einfältig aus, aber er war es nicht. Unter Korums Leitung war der ASTRA zu einem Forum für innenpolitische Ereignisse geworden. Da er nur noch Schreibtischarbeit erledigte, hatte Korum Fett angesetzt, ein Vollbart sollte sein Doppelkinn verbergen.

Sein dreidimensionales Abbild blickte Perry Rhodan vom Visiphon herab an.

»Wir hielten die ganze Sache für einen schlechten Scherz der Atlantis-Fanatiker«, sagte er gerade. »Deshalb haben wir uns nicht darum gekümmert und auch keine Meldung gemacht. Wir hätten nicht einmal einen Bericht darüber gebracht.«

»Nun ist es zu spät«, sagte Perry Rhodan bitter. »Ein Mensch ist gestorben.«

Es entstand eine Pause, weil Korum sich mit jemand im Hintergrund des Redaktionsraums unterhielt. Als er sich wieder an Rhodan wandte, hielt er ein Blatt Papier in den Händen.

»Hier ist der genaue Text, den der Anrufer durchgegeben hat. Ich zitiere: Atlan will verhindern, dass Atlantis in alter Pracht entsteht, deshalb wird er sterben. Legion Atlantis.« Er schnaubte heftig. »Legion Atlantis, pah! Allmählich wird die ganze Sache bedenklich. Die Regierung sollte diesem Rummel ein Ende bereiten.«

Rhodan ging nicht darauf ein.

»Konnte festgestellt werden, woher der Anruf kam?«

»Aus dem Bezirk Xonis im Osten Terranias. Natürlich anonym, aus einer öffentlichen Sprechzelle. Der Anrufer hatte irgend etwas im Mund, um seine Stimme zu verstellen, außerdem war ein Tuch über das Aufnahmegerät gehängt, so dass wir nicht sehen konnten, wer gesprochen hat.«

»Ich möchte Sie bitten, vorläufig nicht darüber zu berichten«, sagte Rhodan. »Erfahrungsgemäß werden solche Taten nachgeahmt.«

»Gut«, sagte Korum. »Halten Sie mich auf dem laufenden.«

Die Verbindung wurde unterbrochen. Rhodan lehnte sich im Sitz zurück und sah Allan D. Mercant an, der ihm gegenübersaß. Der Chef der SolAb nickte nachdenklich.

»Es war zu erwarten, dass einige politische Wirrköpfe die Sache auf die Spitze treiben würden. Atlan muss aufgrund seiner Vergangenheit und seines Namens auf alle anziehend wirken, die sich der Atlantis-Hysterie angeschlossen haben. Denken Sie nur an diesen verrückten Propheten Casneur, der die Sekte der Ewigen Atlanter gegründet hat und Atlan als Gottheit verehren lässt.«

»Casneur bringt keine Menschen um!«

»Das nicht«, stimmte der unscheinbar wirkende Zellaktivatorträger zu. »Aber Casneur und seinesgleichen schaffen den Nährboden, auf dem die Saat der Gewalt schließlich aufgeht.«

»Wenn ich daran denke, wie alles begonnen hat, kann ich mir immer noch nicht vorstellen, dass diese Atlantis-Geschichte ein derartiges Ausmaß angenommen hat. Vielleicht steckt doch mehr dahinter, als wir annehmen.«

»Wir werden die Hintermänner, die das alles angezettelt haben, bald fassen«, versicherte der Halbmutant grimmig. »Dann wird dieser Spuk so schnell vorbei sein, wie er begonnen hat.«

Zweifellos glaubte Mercant fest an diesen Erfolg, überlegte Rhodan.

Und er selbst?

Fast wäre vor ein paar Stunden einer seiner besten Freunde bei einem Anschlag ums Leben gekommen.

Es sah also eher danach aus, als sollte die Entwicklung noch eskalieren.

All das geschah ausgerechnet in einer Zeit, da das Solare Imperium von keinen äußeren Feinden bedroht war. Seit im Jahre 2437 die Gefahr einer Invasion der Uleb aus M 87 endgültig gebannt worden war, hatte sich die Menschheit ganz dem Aufbau ihres Sternenreichs widmen können. Die Explorerflotten des Solaren Imperiums waren in allen Teilen der Galaxis unterwegs, um neue Welten zu erforschen. Planeten wurden kolonisiert, Verträge mit extraterrestrischen Völkern geschlossen und Handel mit anderen Sternenreichen betrieben.

Alles, was Rhodan bis zum Beginn der Gerüchte um Atlantis Sorgen bereitet hatte, waren die Autarkiebestrebungen einiger Kolonisten. Es wurde von der Gründung selbständiger Sternenreiche gesprochen. Dabei fielen Begriffe wie »Carsualscher Bund« und »Zentralgalaktische Union«.

Die Entstehung des Carsualschen Bundes war wahrscheinlich nicht mehr zu verhindern, denn die Ertruser, die diese Entwicklung förderten, standen dem Solaren Imperium in den letzten Jahren weitgehend ablehnend gegenüber.

Das waren die Probleme, um die Perry Rhodan sich eigentlich hätte kümmern müssen.

Statt dessen musste er sich mit Vorgängen beschäftigen, die, hätte sie ihm jemand vorausgesagt, nur ein ungläubiges Lächeln als Reaktion hervorgerufen hätten.

Wie war es möglich, dass zunächst Hunderte und nun Tausende von Menschen dieser Hysterie um Atlantis unterlagen?

Zuerst hatte Rhodan geglaubt, dass sich alles sehr schnell wieder legen würde. Als jedoch das Gegenteil geschehen war, hatte Perry Rhodan eine Erklärung abgegeben, um die Bürger Terras zu beruhigen. In dieser Botschaft hatte Atlan noch einmal berichtet, wie die Insel, der er den Namen gegeben hatte, untergegangen war und dass alle Spekulationen über dort existierende geheimnisvolle Zivilisationen aus der Luft gegriffen waren.

Doch auch der nüchterne Bericht des von allen Terranern als glaubwürdig anerkannten arkonidischen Augenzeugen der Katastrophe hatte nicht geholfen.

Die Gerüchte wollten nicht verstummen, der Name Atlantis tauchte immer häufiger auf.

»Atlan kommt!«, drang Mercants Stimme an Rhodans Ohren.

Rhodan stand auf, um den alten Freund zu begrüßen. Ein Blick in Atlans Gesicht genügte, um Rhodan erkennen zu lassen, welchen Schock der Arkonide erlitten hatte.

»Es tut mir schrecklich leid, Alter«, sagte Rhodan. »Ich trauere mit dir um Irsthya.«

»Ich hatte sie schon vorher verloren«, entgegnete der Lordadmiral der USO finster. »Aber das ist es nicht, was mir zu schaffen macht. Im Grunde genommen trage ich die Verantwortung für ihren Tod, denn mein Name beginnt sich als eine Art Fluch zu erweisen. Alle, die mich kennen, müssen damit rechnen, dass dieser Fluch sie trifft.«

»Ich habe Verständnis für Ihre Gefühle«, warf Mercant ein. »Trotzdem sehen Sie die Dinge falsch. Verbrecher sind für diesen tragischen Vorfall verantwortlich. Die eigentlich Schuldigen aber sind jene Menschen, die die Atlantis-Hysterie verursacht haben, um daraus Nutzen zu ziehen.«

Atlan sagte: »Ich verlasse die Erde!«

»Wohin willst du gehen?«, fragte Rhodan. »Du gehörst zu uns, und diese Welt ist deine Heimat.«

»Ich weiß noch nicht, wohin ich gehe, aber hier bleibe ich auf keinen Fall. Erst, wenn diese Sache ausgestanden ist, werde ich zurückkehren. Das ist die einzige Lösung, wenn ich verhindern will, dass durch mich und meinen Namen noch mehr Unheil angerichtet wird.«

»Niemand kann vor seinem Namen fliehen«, sagte Rhodan sanft. »Dein Name wird dich überall hin begleiten.«

 

*

 

Vor zwei Tagen war Roger Casneur von der Osterinsel zurückgekehrt. Dort hatte er zusammen mit seinen engsten Anhängern die alten Götter um eine Erleuchtung Atlans angefleht. Atlan war in Casneurs Augen ein schlafender Gott, der geweckt werden musste, um seine große Aufgabe in dieser Zeit zu erfüllen.

Als Casneur jetzt vor die Mitglieder der von ihm gegründeten Sekte trat, um über den Erfolg seiner Reise zu berichten, war er sich darüber im Klaren, dass sein Auftritt zum ersten Mal im Beisein von zwei SolAb-Agenten stattfinden würde. Die SolAb hatte diese Maßnahme angekündigt und sie mit den zunehmenden Unruhen begründet, die in Zusammenhang mit den Atlantis-Gerüchten überall auf der Erde ausgebrochen waren.

Casneur war klug genug, den wahren Grund zu erraten.

Die Verantwortlichen in der Regierung wollten endlich herausfinden, wer die ganze Entwicklung heraufbeschworen hatte. Roger Casneur gehörte zum Kreis der Verdächtigen.

Casneur wusste nicht, ob er über die Anwesenheit der beiden Agenten ärgerlich sein oder sie als sicheres Zeichen seines Popularitätszuwachses begrüßen sollte.

Das große Kunststoffzelt war bis auf den letzten Platz gefüllt, über dreitausend Menschen waren gekommen, um Casneur predigen zu hören.

Die Ewigen Atlanter waren in weiße Gewänder gehüllt, auf der linken Seite war das Emblem der Sekte aufgemalt: ein Stierkopf in einem roten Kreis.

Der Prophet war genauso gekleidet wie seine Anhänger.

Casneur ließ seine Blicke über die Versammlung gleiten. Wo mochten die beiden Agenten sitzen? Er lächelte unmerklich. Was wollten sie schon über ihn herausfinden?

Früher oder später, so hoffte Casneur, würde Atlan nachgeben und sich mit ihm auseinandersetzen müssen. Der öffentliche Druck auf den Arkoniden würde so stark sein, dass Atlan keine andere Wahl blieb.

Casneur hob mit einer theatralischen Gebärde beide Arme. Sofort trat innerhalb des Zeltes Stille ein.

»Das Licht von Atlantis leuchtet bis in unsere Zeit«, sagte Casneur mit seiner tiefen, weithin hallenden Stimme. »Es wird heller und dringt mit seiner wahrhaftigen Botschaft in die Herzen von immer mehr Menschen.«

Er wunderte sich, mit welcher Leichtigkeit ihm diese Worte über die Lippen kamen. Und es erstaunte ihn immer wieder, welchen Effekt er damit bei anderen Menschen erzielte.

Casneur war ein mittelgroßer schmalbrüstiger Mann. Er trug eine schwarze Perücke, die verbarg, dass er fast kahl war. Seinen wachsamen braunen Augen entging keine Reaktion der gebannt lauschenden Menge. Casneur hatte verschiedenen politischen Parteien angehört, ohne jemals einen entscheidenden Erfolg erzielt zu haben. Erst, nachdem er sich entschlossen hatte, auf der Atlantis-Welle mitzuschwimmen, hatte sich das geändert.

Casneur hielt eine kurze Predigt, in der er die Wiedererrichtung des Atlantischen Reiches ankündigte und Atlan als den unumschränkten Herrscher und Gott über dieses Reich ausrief. Danach wurde ein Film gezeigt, in dem Roger Casneur der Hauptakteur war.

Als die Lichter im Zelt erloschen waren und der Film lief, begab Casneur sich in sein großes Wohnmobil hinter dem Zelt, um neue Mitglieder seiner Sekte zu begrüßen.

Zu seiner Überraschung hatte Delk Massar, sein Manager, alle Bewerber unter einem Vorwand weggeschickt.

»Es gibt wichtige Nachrichten«, begründete Massar seine Maßnahmen. »Wir müssen darüber sprechen und Entscheidungen treffen.«

Casneur, der zunächst protestieren wollte, nickte und ließ sich in einen Sessel sinken. Er sah den schlanken Mann, der eigentlich wie ein sensibler Künstler wirkte, abwartend an.

»Es gibt ein neues Gerücht«, erklärte Massar. »Irgend jemand hat eine gute Idee gehabt, eine sehr gute Idee. Wenn wir nicht aufpassen, verlieren die Ewigen Atlanter den Vorsprung, den sie gegenüber anderen Vereinigungen haben.«

Casneur war alarmiert. Er wusste, dass er sich auf Massar verlassen konnte. Massar besaß einen untrüglichen Instinkt für alle Strömungen und Entwicklungen.

»Jemand hat das Gerücht in Umlauf gebracht, dass sich ein uraltes Artefakt außerirdischen Ursprungs auf der Erde befinden soll«, fuhr Massar fort. »Es soll sich um das Bruchstück einer Metallplatte handeln, in das eine Botschaft über Atlantis und den bevorstehenden Weltuntergang eingraviert ist.«

»Raffiniert!«, stieß Casneur hervor. »Natürlich wird dieses Gebilde früher oder später auftauchen. Wer immer es den Menschen präsentiert, kann sich als Erbe von Atlantis profilieren.«

»Eine Sekte, die sich im Besitz dieses Artefakts befindet, hätte großen Zulauf«, bestätigte Massar. »Ich hoffe jedoch, dass lediglich ein großes Geschäft gemacht werden soll. Wahrscheinlich wird bald jemand erscheinen, um uns dieses Ding anzubieten.«

»Sie meinen, es existiert wirklich?«

»Eine Idee allein ließe sich unter diesen Umständen schlecht verkaufen. Ich bin sicher, dass eine gut gemachte Fälschung existiert.«

Casneur sagte wütend: »Das wird uns viel Geld kosten!«

Massar entzündete ein Räucherstäbchen und inhalierte den Rauch.

»Wenn wir das Artefakt haben, holen wir uns das Geld doppelt zurück!«

In Casneur erwachte die Furcht, dass sie im Begriff standen, eine bestimmte Schwelle zu überschreiten, hinter der sich die Entwicklung nicht mehr unter Kontrolle halten ließ. Sekundenlang regte sich der Verdacht in ihm, Massar könnte die ganze Geschichte erfunden haben, um schließlich davon zu profitieren.

Massar erhob sich.

»Ich werde mich um diese Angelegenheit kümmern und Kontakte zu Personen aufnehmen, die uns helfen können.«

Casneur fühlte sich unentschlossen. Er dachte an die SolAb-Agenten drüben im Zelt. Auch sie waren ein Beweis für eine Eskalation.

»Manchmal denke ich, wir sollten aufhören«, sagte er nachdenklich.

»Aufhören? Jetzt?« Massar sah ihn ungläubig an. »Nachdem wir alles aufgebaut haben und anfangen, gut zu verdienen!«

»Und wenn wirklich etwas an dieser Atlantis-Sache ist?«

»Ich dachte mir, dass Sie früher oder später auf diese Idee kommen würden.« Massar lächelte ironisch. »Sie haben sich damit identifiziert und beginnen sich zu fragen, ob nicht alles einen realen Hintergrund haben könnte.«

»Könnte es nicht sein?«

»Dann wären Sie König von Atlantis«, spottete Massar.

3.

 

Carmel Sphinx starrte auf die Tür, durch die Tervor Aretosa vor wenigen Augenblicken verschwunden war. Von den Besuchern des Wettbüros schien ein starker Druck abzufallen, denn sie begannen plötzlich alle gleichzeitig zu reden.

»Ein Zeitklumpen«, sagte Klement verwirrt. »Was kann er damit gemeint haben?«

Sphinx zuckte mit den Achseln.

»Ich werde versuchen, ihm zu folgen!« Er blickte zu der Bank, wo Purflinth noch immer saß und verschlafen blinzelte. »Komm, mein Freund! Es gibt Arbeit.«

»Ich wusste, dass der Whisky noch auf sich warten lassen würde«, bemerkte der Matten-Willy entsagungsvoll und folgte Sphinx auf die Straße hinaus.

Das Wettbüro befand sich im Vergnügungsviertel von Terrania, auf der anderen Straßenseite lagen der Traumpalast und ein Bürgerzentrum. Dazwischen gab es eine Transmitterstation. Sphinx hatte angenommen, dass Aretosa sich dorthin wenden könnte, aber jetzt sah er, dass der geheimnisvolle Mann die Straße in Richtung des Stadtkerns hinaufging. Der leicht humpelnde Gang war unverkennbar. Sphinx fragte sich, warum Aretosa nicht das Transferband in der Straßenmitte benutzte.

»Wir folgen ihm unauffällig«, sagte er zu Purflinth. »Vielleicht finden wir heraus, wo er wohnt.«

»Er sieht nicht danach aus, als würde er überhaupt irgendwo wohnen«, stellte Purflinth übellaunig fest. »Er wird uns eine Zeitlang an der Nase herumführen und sich dann auflösen.«

»Unsinn!«, rief Sphinx.

Sie überquerten die Straße und benutzten die andere Seite des Gehwegs. Dort waren sie vor einer Entdeckung durch Aretosa sicherer. Um diese Zeit war das Vergnügungsviertel nicht übermäßig besucht, nur wenige Passanten kreuzten ihren Weg. Aretosa hielt kein einziges mal an oder sah sich um. Er schien keinen Verdacht geschöpft zu haben.

»Sein Name gibt mir zu denken«, bemerkte Sphinx. »Er gibt Anlass zu Wortspielereien.«

»Wie meinst du das?«

»Aretosa klingt nach Esotera oder Satorin.«

»Satorin?«

»Eine Insel, die auch Thera genannt wurde. Früher spekulierte man, dass Satorin identisch mit Atlantis gewesen sein könnte. Du brauchst nicht erstaunt zu sein, mein Freund. Ich weiß das auch erst, seit ich diesen Auftrag bekommen habe. Es gibt eine unübersehbare Literatur über Atlantis.«

Purflinth kicherte und vergaß dabei, die Kontrolle über sein Gesicht aufrechtzuerhalten. Seine Nase zerfloss und sank bis zum Kinn hinab.

»Pass auf!«, herrschte Sphinx ihn an. »Ich kann nicht Aretosa im Auge behalten und gleichzeitig dich beobachten.«

Purflinth brachte den Fehler wieder in Ordnung, bevor einer der Vorbeikommenden auf ihn aufmerksam wurde.

Sie erreichten die Kaufhauszone. Aretosa bog in eine Seitenstraße ein und bestieg ein Flugtaxi. Sphinx stieß eine Verwünschung aus und rannte los. In der Straße war kein zweites Taxi zu sehen, aber diesmal erwies Purflinth sich als reaktionsschnell und winkte eine Maschine herbei.

Aretosa hatte ein Robottaxi bekommen, aber der Gleiter, der neben Sphinx landete, besaß eine menschliche Pilotin.

Sphinx und der Matten-Willy zwängten sich auf den Rücksitz.

Der USO-Spezialist kam sich ein bisschen lächerlich vor, als er auf das startende Robottaxi deutete und sagte: »Folgen Sie dieser Maschine!«

Die Frau drehte sich im Sitz um. Sie musterte Sphinx misstrauisch.

»Solche Sachen mache ich nicht«, erklärte sie.

Sphinx seufzte und zog seine Identitätskarte hervor. Die Pilotin studierte sie so gründlich und lange, dass Sphinx zu befürchten begann, Aretosa würde ihnen entkommen.

»Besitzt die USO keine Maschinen?«, erkundigte sich die Frau.

»Sie sind alle in Reparatur!«, versetzte Sphinx freundlich.

»Ich mag keine USO-Agenten«, sagte die Pilotin. »Aber ich weiß, dass ich Schwierigkeiten bekommen kann, wenn ich Ihnen nicht helfe.«

Sphinx hätte gern etwas zur Aufbesserung seines Images getan, aber da ihm keine Zeit blieb, nickte er nur. Endlich startete die Frau ihren Gleiter. Sphinx konnte das Robottaxi nicht mehr sehen, aber die Tatsache, dass die Pilotin sofort einen festen Kurs programmierte, bewies ihm, dass sie die andere Maschine nicht aus den Augen verloren hatte.

Wenige Augenblicke später befanden sie sich in einer Flugschneise, die aus Terrania hinausführte. Sphinx entdeckte den Gleiter mit Aretosa darin wieder.

Purflinth kuschelte sich eng an ihn und schloss die Augen. Sphinx versetzte ihm einen Rippenstoß.

»Werden Sie bezahlen?«, fragte die Frau am Steuer.

Sphinx zog einen Zehn-Solar-Schein aus der Tasche und legte ihn auf die Kontrollen.

»Dafür mache ich einen Rundflug!«, erklärte die Pilotin.

Purflinth beugte sich nach vorn und bekam dabei einen unnatürlich langen Hals.

»Haben Sie zufällig Whisky an Bord?«, erkundigte er sich begierig.

»Ist das auch ein USO-Agent?«, wollte die Pilotin verächtlich wissen.

»Aber ja!«, beteuerte Sphinx. »Der Beste!«

Danach verlief der Flug schweigsam. Am westlichen Rande der Stadt verließ das Robottaxi die Flugschneise und verlor an Höhe. Sphinx sah, dass es auf eine Vorstadtsiedlung zuflog.

»Kreisen Sie hier und warten Sie, ob die Maschine landet!«, ordnete Sphinx an.

Die Pilotin tat, was Sphinx von ihr verlangt hatte. Der USO-Spezialist überlegte, ob Aretosa tatsächlich in einem dieser kleinen Häuser lebte. Er schien nicht in diese friedlich wirkende Umgebung zu passen. Vielleicht würde es interessant sein, einmal seine Nachbarn zu fragen, welche Meinung sie von ihm hatten.

Das Taxi landete auf einem öffentlichen Parkplatz, der zur Siedlung gehörte. Aretosa kletterte heraus und bewegte sich zielstrebig auf eine der schmalen Straßen zu. Hier gab es keine Transferbänder, und die nächste Transmitterstation war ein paar hundert Meter weit entfernt.

Sphinx klopfte der Pilotin auf die Schulter.

»Das wär's dann«, sagte er. »Landen Sie!«

Als sie aus der Maschine stiegen, war das Robottaxi bereits wieder gestartet. Sphinx und der Matten-Willy rannten auf die Straße zu, in der Tervor Aretosa verschwunden war. Sie kamen gerade noch rechtzeitig, um den geheimnisvollen Mann eines der Häuser betreten zu sehen.

»Das sieht nicht sehr vielversprechend aus«, bemerkte Purflinth. »Ein ganz normales Haus in einer ganz normalen Umgebung.«

Sphinx schwieg und ging langsam weiter. Hinter einer großen Ulme blieben sie stehen. Sphinx sah, dass alle Vorhänge an den Fenstern von Aretosas Haus zugezogen waren. Der Vorgarten sah ungepflegt aus. Am Eingang befand sich kein Namensschild.

Sphinx sah auf die Uhr.

»Jetzt bist du an der Reihe«, sagte er zu Purflinth. »Du musst in das Haus eindringen und dich im Innern umsehen. Pass auf, dass er dich dabei nicht erwischt.«

»Und was machst du?«

»Ich werde inzwischen mit einigen Bewohnern aus den Häusern in der Umgebung sprechen. In einer Stunde treffen wir uns hier wieder.«

Purflinth schaute sich um. Als er sicher war, dass sie von niemand beobachtet wurden, trat er an die Umzäunung eines Gartens und ließ sich zusammensinken. Als unförmige Masse floss er auf das Grundstück hinüber und war gleich darauf aus Sphinx' Blickfeld verschwunden. Der USO-Spezialist wusste, dass Purflinth eine Ritze finden würde, durch die er in Aretosas Haus gelangen konnte. Er wartete ein paar Minuten, dann überquerte er die Straße und drückte auf den Bildmelder am Eingang eines Hauses.

»Es ist niemand hier«, sagte eine mechanische Stimme. »Sie können eine Botschaft hinterlassen.«

Sphinx verzog das Gesicht und ging weiter, um an der nächsten Tür sein Glück zu versuchen. Diesmal hatte er mehr Erfolg. Eine Frauenstimme fragte nach seinen Wünschen.

Sphinx hielt seine Identitätskarte vor den Aufnahmeteil des Bildmelders.

»Ist etwas passiert?«, fragte die Frau im Haus erschrocken.

»Aber nein!«, beruhigte sie Sphinx. »Es handelt sich nur um ein paar Routinefragen und betrifft nicht Sie.«

Eine große blonde Frau kam aus dem Haus. Sie öffnete und sah Sphinx misstrauisch an. Der USO-Spezialist trat in den Vorgarten.

»Es handelt sich um einen Ihrer Nachbarn«, eröffnete er. »Tervor Aretosa! Wissen Sie etwas über ihn?«

Die Frau blickte in die Richtung von Aretosas Haus, drehte dann aber sofort wieder den Kopf.

»Ich habe diesen Namen nie gehört«, behauptete sie.

»Schon möglich«, gab Sphinx zu. »Aber Sie wissen zweifellos, wer gemeint ist.«

»Niemand kümmert sich um diesen Mann«, erklärte die Frau. »Aber uns wäre wohler, wenn er wieder von hier wegziehen würde.«

»Weshalb?«

»Er spricht mit niemand und bekommt niemals Besuch. Er sieht auch so merkwürdig aus. Manchmal dringen nachts Geräusche aus seinem Haus.«

Sphinx hob die Augenbrauen.

»Geräusche?«

»Als würde jemand etwas zertrümmern.«

Sphinx überlegte, was das zu bedeuten hatte. Er bezweifelte, dass irgend jemand mehr über Aretosa wusste als diese Frau.

»Wie lange wohnt er schon dort drüben?«, wollte er wissen.

»Knapp zwei Jahre.« Sie sah ihn aufmerksam an. »Ist er ein Krimineller?«

»Nein«, sagte Sphinx. »Sie brauchen sich keine Gedanken zu machen.«

Er wollte sie noch ermahnen, mit keinem ihrer Nachbarn über diese Unterhaltung zu sprechen, aber er bezweifelte, dass das viel Erfolg haben würde, und so ließ er es sein.

Es begann allmählich dunkel zu werden. Sphinx verabschiedete sich und begab sich wieder zu dem mit Purflinth verabredeten Treffpunkt. Er hatte noch über eine halbe Stunde Zeit. Die Frau kam auf die Straße und sah zu ihm herüber. Sphinx fragte sich, ob seinem Begleiter in Aretosas Haus Gefahren drohten. Wenn Purflinth nicht pünktlich zurückkam, würde er seine passive Rolle aufgeben und Aretosa offiziell verhören müssen.

Sphinx lauschte angestrengt, aber kein Geräusch drang aus Aretosas Haus. Ein paar Minuten später wurde die Straßenbeleuchtung eingeschaltet. Das Licht aus den Scheinwerfern vorbeifliegender Gleiter huschte über die kleinen Gebäude beiderseits der Straße hinweg und tauchte sie ab und zu in Helligkeit. Ein paar Häuser weiter straßenaufwärts verließen zwei Halbwüchsige ihre Wohnung, sie kamen an Sphinx vorbei, ohne ihn zu beachten. Auch Aretosas Haus schenkten sie keine Aufmerksamkeit.

In dem Haus, vor dem Sphinx Posten bezogen hatte, öffnete sich ein Fenster. Ein Mann blickte heraus. Musik drang an Sphinx' Ohren. Er lehnte sich gegen den Baum und wartete.

 

*

 

Purflinth war durch einen Spalt unter der Terrassentür in Aretosas Haus geglitten. Das Zimmer, in das er auf diese Weise gelangte, war dunkel. Obwohl kein Zweifel daran bestand, dass der Mann sich irgendwo aufhielt, war es vollkommen still. Purflinth wartete, bis seine Sinne sich soweit an die Dunkelheit gewöhnt hatten, dass er sich orientieren konnte. Das Zimmer, in dem er sich befand, war mit einfachen Möbeln eingerichtet, aber ihm fehlte jede Behaglichkeit. Purflinth lebte schon seit vielen Jahren auf Terra und kannte die Mentalität der Menschen. Er vermochte sich nicht vorzustellen, dass sich hier jemand wohl fühlen konnte.

Von Aretosa war noch immer nichts zu sehen oder zu hören.

Purflinth floss über den glatten Bodenbelag bis zur Tür. Dort hielt er inne. Unmittelbar vor ihm lag der Korridor, von dem aus die anderen Zimmer erreicht werden konnten. Der Matten-Willy drang in den Korridor ein. Die Tür rechts von ihm stand offen und gestattete einen Blick in die Robotküche. Sie schien nicht benutzt zu werden.

Aß Aretosa niemals zu Hause?, fragte sich Purflinth.

Er wandte sich in die andere Richtung. Dort lag das Schlafzimmer. Die Tür war geschlossen.

Ob Aretosa sich dort aufhielt?

Während Purflinth unentschlossen wartete, vernahm er plötzlich einen dumpfen Laut. Es hörte sich an, als schlage jemand mit einem stumpfen Gegenstand gegen eine weiche Masse. Das Geräusch kam von unten, aus den Kellerräumen.

Purflinth setzte sich wieder in Bewegung. Die Tür zur Kellertreppe stand spaltbreit offen, durch den Spalt war ein Lichtschimmer zu sehen. Purflinth hörte jemand stöhnen, aber er war nicht in der Lage, zu beurteilen, ob das ein Fremder oder Aretosa selbst gewesen war. Auf jeden Fall war dieser Lärm beunruhigend.

Wieder gab es ein paar dumpfe Schläge.

Purflinth bildete jetzt einen breiten flachen Fladen, und in dieser Form floss er die Kellertreppe hinab. Das Licht drang aus einem Raum im hinteren Teil des Kellers.

Alles deutete daraufhin, dass Aretosa dort mit jemand kämpfte.

Purflinth beeilte sich, vielleicht brauchte ein Mensch seine Hilfe. Er kroch durch den schmalen Gang auf den hinteren Raum zu.

 

*

 

Die Minuten verstrichen mit quälender Langsamkeit, aber je näher der Zeitpunkt rückte, zu dem Purflinth zurückkommen sollte, desto unruhiger wurde Sphinx und desto wilder wurden seine Vorstellungen, die er sich in seiner Phantasie von den Vorgängen in Aretosas Haus ausmalte.

Noch vor Ablauf der einen Stunde verließ der kleine Mann seinen Platz und näherte sich dem Gebäude, in dem Purflinth verschwunden war. In keinem der Zimmer schien Licht zu brennen. Vielleicht war Aretosa zu Bett gegangen, und der Matten-Willy nutzte die Gelegenheit, um die gesamte Wohnung nach Whisky zu durchstöbern. Diese Wesen von der Hundertsonnenwelt waren oft unberechenbar und kamen auf die verrücktesten Einfälle.

Am Eingang von Aretosas Haus blieb Sphinx stehen.

Da hörte er ein platschendes Geräusch. Purflinth ließ sich von der Grundmauer der Umzäunung fallen und bildete hastig einen hässlichen Klumpen, der entfernt wie ein Kopf aussah. Seine Stimme klang quäkend.

»Schnell!«, rief er. »Aretosa braucht Hilfe!«

Sphinx spürte die Erregung des Matten-Willys und handelte, ohne weitere Fragen zu stellen. Er griff nach dem Türöffner, aber das Schloss war verriegelt. Seine Hände umschlossen den oberen Teil des Türrahmens. Er zog sich hoch und schwang sich in den Vorgarten. Purflinth kroch hinter ihm her.

Sphinx stürmte die Treppe zum Hauseingang hinauf. Auch diese Tür war verschlossen. Sphinx zog seinen kleinen Thermostrahler aus der Tasche, um das Schloss aufzuschweißen, als im Innern des Hauses plötzlich Licht anging.

Die Tür wurde geöffnet. Verblüfft und sprachlos sah Sphinx Aretosa im Eingang stehen.

Er sagte sich, dass er einen ziemlich unglücklichen Eindruck machen musste. Aretosas Augen funkelten, er wirkte ein bisschen außer Atem, aber seine Stimme klang beherrscht.

»Der Prospektor! Kommen Sie herein, Sphinx, und bringen Sie Ihren seltsamen Assistenten mit, sofern er sich inzwischen von seinem Schrecken erholt hat.«

»Ich dachte, Sie brauchen Hilfe«, stammelte Sphinx, der sich nicht gerade geistreich vorkam. Er sah sich nach Purflinth um und entdeckte den Matten-Willy ein paar Schritte neben der Treppe, wo er versuchte, in aller Hast einen menschlichen Körper zu bilden. In seiner Aufregung gelang ihm das jedoch nur unvollständig.

Sphinx verwünschte Purflinth im Stillen, aber nun war das Unheil passiert und ließ sich nicht rückgängig machen.

Aretosa trat zur Seite, um Sphinx hereinzulassen. Wie unter einem inneren Zwang kam der USO-Spezialist der Aufforderung nach. Der Korridor, den er betrat, war spartanisch eingerichtet. Sphinx sah weder Bilder noch einen Spiegel.

Purflinth folgte seinem terranischen Freund, er hatte sich zwei verschieden lange Beine geschaffen und taumelte mehr als er ging. Die Kleider schlotterten um seinen deformierten Körper.

Sphinx schloss einen Moment die Augen und holte tief Atem.

»Es tut mir leid«, krächzte das Plasmawesen. »Offensichtlich habe ich die Situation falsch eingeschätzt und einen Fehler gemacht.«

Aretosa warf die Tür zu. Er lächelte kalt.

»Es ist überhaupt nichts passiert«, erklärte er. »Ihr Begleiter hat mich bei meiner sportlichen Betätigung beobachtet und dabei offenbar die Nerven verloren.«

Sphinx, der überhaupt nichts mehr verstand, wünschte nur noch, dass er möglichst schnell einen Vorwand finden und sich zurückziehen konnte.

»Sportliche Betätigung!«, echote Purflinth. »Carmel, du musst dir diese stählerne Zelle im Keller ansehen. Er hat darin getobt wie ein Ungeheuer. Ich musste annehmen, dass er sich umbringen wollte.«

Aretosa sah Sphinx durchdringend an.

»Für wen arbeiten Sie? Für die SolAb?«

Sphinx zeigte ihm seine Karte, denn er sah keinen Sinn darin, sich weiter als Prospektor auszugeben.

»Es handelt sich um eine allgemeine Untersuchung der Atlantis-Angelegenheit«, sagte er matt und versuchte, den Blicken des Hageren auszuweichen. »Die Regierung will herausfinden, wer die Sache inszeniert hat.«

»Und da ist man auf mich verfallen?«

»Sie sind nur einer von vielen Verdächtigen!«

Aretosa breitete die Arme aus.

»Sie können sich gern umsehen.«

»Was ist das für eine Zelle, von der Purflinth gesprochen hat?«

»Ich werde Sie hinführen.« Aretosa ging voraus und stieg die Kellertreppe hinab. Obwohl es keine Anzeichen für Gefahr gab und Aretosa sich friedlich verhielt, schnürte eine nie gekannte Furcht Sphinx die Kehle zu. Er hätte am liebsten die Flucht ergriffen und wäre aus dem Haus gerannt. Aber irgend etwas anderes trieb ihn voran und veranlasste ihn, dem geheimnisvollen Mann in den Keller zu folgen.

Aretosa wartete mit verschränkten Armen im Eingang eines Kellerraums.

»Das ist alles«, bemerkte er mit einem Kopfnicken.

Sphinx starrte in den Raum.

Die Wände bestanden aus Metall, ebenso der Boden und die Decke. Ein paar stählerne Säulen befanden sich in der Mitte des Raumes. Dazwischen lagen Steinbrocken, zerbrochene Holzbalken und verbogene Eisenstangen.