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Nr. 217

– ATLAN exklusiv Band 78 –

 

Duell mit dem Donnergott

 

Chapat in Gefangenschaft – Atlan und Ischtar kämpfen um ihren Sohn

 

von Harvey Patton

 

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Im Großen Imperium der Arkoniden steht es nicht zum Besten, denn es muss sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren.

Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums durch überraschende Schläge schwere Verluste zufügen. Die inneren Feinde Arkons sind Habgier und Korruption der Herrschenden, die – allen voran Imperator Orbanaschol III. – nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und das Gemeinwohl völlig außer acht lassen.

Gegen diese inneren Feinde des Imperiums ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, der eine stetig wachsende Schar von verschworenen Helfern um sich sammeln konnte, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen.

Auch jetzt, nach seiner abenteuerlichen, strapaziösen und gefahrvollen Rückkehr aus dem Mikrokosmos, ist der Kristallprinz natürlich sofort bereit, den Untergrundkampf gegen Orbanaschol, den Usurpator und Brudermörder, persönlich weiterzuführen. Doch die Möglichkeit dazu ist Atlan und seinen Gefährten noch nicht gegeben.

Sie, die dem Untergang von Yarden entronnen sind, gelangen zu einer der Versunkenen Welten, weitab aller bekannten Raumflugrouten. Wenn sie wieder in das Geschehen im Reich der Arkoniden eingreifen wollen, müssen sie den Planeten verlassen.

Außerdem müssen sie einen Kampf gewinnen – das DUELL MIT DEM DONNERGOTT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan und Ischtar – Der Arkonide und die Goldene Göttin kämpfen um ihren Sohn.

Chapat – Ein Baby wird entführt.

Fartuloon, Corpkor, Eiskralle und Crysalgira – Atlans Gefährten.

Wamloyt – Herr des Großen Donners.

Gitgur und Hotgor – Anführer der Herroffs.

1.

 

In meinen Gliedern war jener unangenehm ziehende Schmerz, wie er als unliebsame Begleiterscheinung von Transitionen aufzutreten pflegte, und in meinem Kopf schien sich ein riesiger Schwarm brummender Insekten eingenistet zu haben. Obendrein war mir übel, und mich erfüllte eine Benommenheit, die meine Sinne völlig ausschaltete. Selbst mein Extrahirn, das sonst auch in Extremsituationen stets den Überblick behielt, schien wie paralysiert zu sein, denn es meldete sich nicht.

Was war nur mit mir?

Ich versuchte es zu ergründen, doch ich brachte nicht einen einzigen klaren Gedanken zustande, und selbst das Zeitgefühl schien mir abhanden gekommen zu sein. Ich befand mich in einem Zustand vollkommener Desorientierung und wusste nicht einmal, ob ich lag, saß oder stand.

Doch nun sprang mein Unterbewusstsein ein, von einem dumpfen Drang getrieben, mir Klarheit über die Lage zu verschaffen. Es bewirkte, dass ich rein automatisch die rhythmischen Atemübungen durchführte, die mir mein alter Lehrer Fartuloon quasi als Allheilmittel eingebläut hatte. Das half.

Nach und nach ließen Schmerz und Übelkeit nach, doch ich war noch immer weit vom Normalzustand entfernt. Auch das Brummen in meinem Schädel schwand allmählich, doch dafür nahmen nun meine Ohren ein Geräusch auf, dessen Tonlage und Intensität mich aufs neue peinigten.

»Warum stellt denn eigentlich niemand die Sirene ab?«, murmelte ich schwach vor mich hin. »Tun Sie doch etwas, Morvoner Sprangk – das kann doch kein Mensch aushalten!«

Der Kommandant der FARNATHIA antwortete nicht, die Sirene plärrte unentwegt weiter. Dann mischte sich auch noch ein klagendes Stöhnen in diese Geräuschkulisse, das zusätzlich an meinen gepeinigten Nerven zerrte. Es schien wirklich schlecht um unser Schiff zu stehen, aber noch erinnerte ich mich an nichts.

Ein höhnisches Gelächter klang auf, und ich fuhr zusammen, doch dann merkte ich, dass es nicht von außen kam, sondern in meinem Kopf entstanden war. Mein Extrahirn war wieder erwacht und machte sich auf diese wenig taktvolle Weise bemerkbar. Auch seine erste Äußerung klang so überheblich wie meist.

Steht es so schlimm um dich, dass du schon das simple Geschrei eines Kindes für eine Alarmsirene hältst, Kristallprinz?, fragte es spöttisch an.

Plötzlich schien in meinem Gehirn förmlich ein Relais einzurasten, übergangslos kehrte mein volles Bewusstsein zurück. Natürlich – ich konnte mich ja gar nicht an Bord meines Schiffes befinden! Eben war ich doch noch in Yarden gewesen, in der Eisigen Sphäre und in Vargos Raumer, wo dieser Vargane versucht hatte, mich und mein kleines Gefolge in Sicherheit zu bringen.

Ob es ihm gelungen war?

Nun konnte ich endlich auch die Augen öffnen, doch ich sah so gut wie nichts. Um mich herum war es fast völlig dunkel, ich erkannte nur undeutlich einige Schemen, die mich umgaben. Dafür erkannte ich die vermeintliche Sirene jetzt als das klägliche Schreien meines Sohnes Chapat, doch auch das schmerzliche Stöhnen war keine Einbildung gewesen. Es stammte zweifellos von Corpkor, der einige Schritte entfernt am Boden zu liegen schien. Doch wo waren die anderen?

»Ischtar, Fartuloon?«, fragte ich mit krächzender Stimme. »Seid ihr da?«

»Dumme Frage!«, meldete sich umgehend der Bauchaufschneider. »Wo sollen wir denn sonst sein, he? Meinst du, wir hätten uns um dich bemüht, nur um dich wieder allein zu lassen?«

Ich reagierte nicht, sondern wandte mich zur anderen Seite, denn dort vernahm ich das Summen Ischtars, die unseren Sohn zu beschwichtigen versuchte. »Was ist mit Chapat?«, fragte ich drängend. »Ist ihm etwas zugestoßen?«

Das Summen hörte auf, und gleichzeitig verstummte auch das klagende Geschrei des Kleinen. »Chapat ist in Ordnung, Atlan«, gab Ischtar leise zurück. »Er hat nur Hunger, das ist alles.«

Das war verständlich, denn ich selbst spürte auch eine gähnende Leere in meinem Magen. Zuletzt hatten sich die Ereignisse derart überstürzt, dass keine Zeit mehr zum Essen geblieben war, und auch Chapat hatte nichts bekommen. Meine Befürchtung war also gegenstandslos, doch dafür tauchte sofort eine andere drängende Frage auf.

»Wo befinden wir uns hier?«, forschte ich unruhig. »Meinst du, dass es uns gelungen ist, dem Chaos in Yarden zu entkommen?«

»Es scheint so«, gab die Varganin zurück. »In Vargos Schiff befinden wir uns jedenfalls nicht mehr, und die reichlich unangenehmen Begleiterscheinungen sprechen dafür, dass wir durch den Umsetzer gegangen sind. Ich glaube mit ziemlicher Sicherheit, dass wir uns wieder im Makrokosmos befinden.«

»Ich weiß es bestimmt!«, behauptete Fartuloon, der sich niedergebeugt hatte und mit dem verletzten Corpkor zu beschäftigen schien. »Das sagt mir mein sechster Sinn, und der hat mich noch selten getrogen.«

Die beiden haben recht!, meldete sich nun auch der Logiksektor meines Extrahirns. Wir befinden uns hier auf einem Planeten, davon zeugt die Schwerkraft, die eindeutig höher ist als in den Schiffen der Eisigen Sphäre. Für einen Transport zu einer Welt im Mikrokosmos ist der Umsetzer nicht geeignet, also kann es gar keinen Zweifel mehr geben.

Ich atmete erleichtert auf, und das Gefühl unbeschreiblicher Erleichterung durchströmte mich. Wo wir waren, wusste ich zwar noch immer nicht, aber in gewisser Weise war ich nun doch wieder zu Hause, in dem Universum, in das ich gehörte!

 

*

 

In den nächsten Minuten klärte sich die Lage weiter.

Es wurde zunehmend heller um uns herum. Ich erkannte einige große Fenster in etwa zwanzig Meter Entfernung, durch die das Licht einfiel, das von einem aufsteigenden Mond zu stammen schien. Wir befanden uns also in einem Gebäude und in einem ziemlich großen Raum.

Außerdem waren wir vollzählig, denn nun meldeten sich auch Crysalgira und Eiskralle, die etwas länger gebraucht hatten, um die Folgen der Transmission aus dem Mikrokosmos zu überwinden. Der Chretkor begann prompt zu zetern und überschüttete uns mit Fragen, aber Fartuloon bremste ihn rasch.

»Lass das unnütze Geschwätz«, knurrte er verweisend. »Hilf mir lieber, Corpkor ins Licht zu bringen, damit ich mich um seine Wunden kümmern kann.«

Das wirkte, die Sorge um den Gefährten war stärker als Eiskralles Wissbegier. Die beiden nahmen den Tiermeister vorsichtig auf und trugen ihn zu einem der Fenster. Chapat war eingeschlafen, und Ischtar unterrichtete Crysalgira über die Lage, während wir uns ebenfalls zur Außenfront des Raumes begaben. Die junge arkonidische Prinzessin hielt sich bewundernswert. Ihre Liebe zu Chergost, die sie in Abenteuer getrieben hatte, an denen manches andere Mädchen zerbrochen wäre, musste wirklich groß sein.

»Ich nehme stark an, dass wir uns hier auf einer der Versunkenen Welten befinden«, meinte Ischtar abschließend. »Vargo hat den Umsetzer zweifellos auf ein Ziel eingestellt, das ihm von früher her bekannt war.«

Ich nahm dasselbe an, doch ich dachte auch schon weiter.

»Das Schlimmste haben wir überstanden, doch wie soll es nun weitergehen?«, warf ich ein. »Wir haben zwar Waffen, dafür aber nichts zu essen, und ob die Anlagen in diesem Stützpunkt noch etwas hergeben, ist zumindest fraglich. Nun, irgendwie werden wir uns wohl helfen können, draußen dürfte es jagdbare Tiere geben. Nur für Corpkor sieht es schlecht aus, ohne Medikamente und sonstige Hilfsmittel kann auch Fartuloon keine Wunder vollbringen. Schon seinetwegen müssten wir schleunigst weg von hier und Kraumon aufsuchen – aber wie?«

Ischtar zuckte mit den Schultern und wollte etwas entgegnen, doch im gleichen Moment geschah etwas, das uns die künftigen Probleme nachhaltig vergessen ließ.

Plötzlich wurde es hell um uns herum – an der Decke des Raumes gingen zahlreiche Leuchtflächen an. Wir fuhren herum und blinzelten in die Helligkeit, doch vorerst gab es nicht viel zu sehen. Der Raum war rechteckig und durchmaß etwa fünfzehn mal zwanzig Meter, wir waren direkt an seiner rückwärtigen Wand herausgekommen, als wir aus dem Mikrokosmos auftauchten. Er war vollkommen leer, nur einige große Türen an der Innenfront und den seitlichen Wänden zeigten an, dass es dort ins Innere der Station ging.

Fartuloon richtete sich blitzschnell auf und griff nach seiner Waffe, und auch wir zogen die varganischen Strahler, mit denen uns Vargo ausgerüstet hatte. Naturgemäß konzentrierte sich unsere Aufmerksamkeit auf die Türen – doch die Gefahr kam ganz woanders her.

Plötzlich klangen hohl knarrende Geräusche durch den Raum, und plötzlich schien dort, wo wir zuerst gestanden hatten, der Fußboden lebendig zu werden. Zahlreiche Steinplatten hoben sich und kippten nach hinten weg, und in den so entstandenen Öffnungen tauchten die Köpfe von etwa einem Dutzend Varganen auf!

Doch es blieb nicht bei den Köpfen – Schultern und Arme folgten, und dann richteten sich die Abstrahlpole von Impulswaffen auf uns ...

»Hinlegen!«, brüllte Fartuloon und riss den Chretkor zu Boden. Die beiden deckten Corpkor mit ihren Körpern, und Ischtar folgte ihrem Beispiel, indem sie sich schützend über Chapat warf. Ich zog Crysalgira zu Boden, und das geschah keinen Augenblick zu früh, denn schon zuckten die ersten Schüsse der Angreifer auf.

Sie waren zu hoch gezielt und zerstörten nur das Glas der Fenster, von denen sich ein Splitterregen über uns ergoss. Ich achtete nicht darauf, sondern nahm denjenigen Mann aufs Korn, der sich mir am nächsten befand. Mit einem gurgelnden Laut kippte er nach unten weg, Ischtar und Fartuloon trafen zwei weitere Angreifer und töteten sie.

Trotzdem war unsere Lage mehr als schlecht, denn es gab nicht die geringste Deckung für uns. Ich zielte und schoss ein zweites Mal, aber ich rechnete mir kaum Chancen für uns aus. Erst als ich nach zehn Sekunden immer noch lebte und auch keiner der anderen aus unserer Gruppe getroffen worden war, wurde ich stutzig.

Mit den Varganen, die es auf uns abgesehen hatten, stimmte etwas nicht! Die Koordination ihrer Bewegungen schien äußerst mangelhaft zu sein, denn nach der ersten Salve brauchten sie unverhältnismäßig lange, um neu zu zielen. Nach dem zweiten Schuss, der wieder einen der Angreifer erledigte, rollte ich mich ganz automatisch zur Seite weg, und Fartuloon und die sportlich trainierte Crysalgira taten es mir gleich. Das schien die Varganen vollkommen zu verwirren, die Läufe ihrer Strahler schwankten unschlüssig hin und her, wogegen wir sofort wieder schossen.

Plötzlich hatten wir nur noch drei Gegner vor uns, die zwar schossen, aber wiederum nicht trafen. Die Strahlbahnen ihrer Waffen verfehlten uns, denn sie gingen dorthin, wo wir Sekunden zuvor gelegen hatten, und schmolzen lediglich Löcher in die Wand des Raumes. Mein Logiksektor, der blitzschnell die Folgerungen daraus zog, brachte mir die Aufklärung.

Mangelhafte Reaktionsfähigkeit der Gegner infolge körperlicher Indisposition!, raunte er mir zu. Offenbar handelt es sich hier um uralte Körper, die in Lebenserhaltungssystemen der Station gelegen haben und eben erst von Flüchtlingen aus dem Mikrokosmos geistig übernommen worden sind.

Ich nickte unwillkürlich, denn diese Erklärung war durchaus einleuchtend. Es war nicht das erste Mal, dass ich mit dieser Art lebender Leichname konfrontiert wurde, die vielleicht schon seit Jahrtausenden einem künstlichen Erhaltungsprozess unterlagen. Sie waren eben erst wieder beseelt worden, und darum schien bei ihnen noch »Sand im Getriebe« zu sein, wie Fartuloon es ausdrücken würde.

Auch die letzten drei vergingen in unserem Feuer, und trotzdem hatten wir nicht wirklich getötet. Nur die Körper waren gestorben, die Egos der aus Yarden gekommenen Varganen dagegen hatten immer noch die Möglichkeit, sich neue Wirtskörper zu suchen, vorausgesetzt, dass es sie noch gab.

In dieser Station schien dies jedoch nicht mehr der Fall zu sein, denn es tauchten keine weiteren Angreifer auf.

Nach einer Minute angespannten Wartens erhob sich Fartuloon als erster und klopfte sich den Staub vieler Jahrhunderte von der Kleidung. »Diese Burschen haben zu früh angegriffen!«, meinte er sachverständig. »Wenn sie noch eine Weile gewartet hätten, bis ihre Körper hundertprozentig kontrolliert werden konnten, hätten sie uns mühelos erledigen können.«

»Warum wollten sie uns eigentlich töten?«, fragte Crysalgira und strich sich ihr Haar zurecht. »Sie hatten doch überhaupt keinen Grund dafür.«

Ischtar zog eine Grimasse.

»Sie wollten die Herrschaft über die Anlagen hier übernehmen, und dabei waren wir ihnen im Weg – das ist alles.«

»Sie müssen schon einige Zeit vor uns angekommen sein«, überlegte ich. »Das ist die einzige Erklärung dafür, dass sie sich bereits mit Waffen versehen hatten, als wir eingetroffen waren. Vermutlich kannte mindestens einer von ihnen diese Station von früher her, deshalb konnten sie so zielstrebig handeln.«

»Wir müssen umgehend in die Station vordringen«, meinte der Bauchaufschneider mit einem Blick auf den am Boden liegenden, jetzt bewusstlosen oder schlafenden Corpkor. »Wenn ich seine Wunden nicht bald richtig versorgen kann, könnte es zu bösen Komplikationen kommen.«

»Ausgeschlossen«, wehrte Ischtar sofort ab. »Ich kenne mich hier nicht aus, und es ist durchaus möglich, dass der Stützpunkt von einem varganischen Rebellen beherrscht wird, von dem wir ebenfalls kaum etwas Gutes zu erwarten hätten. Die Tatsache, dass es hier noch Energie gibt, spricht dafür. Doch auch im gegenteiligen Fall sollten wir abwarten, bis es Tag geworden ist. In diesen alten Bauten kann es zahlreiche Fallen geben, die wir im Dunkeln übersehen würden.«

»Leider hast du recht«, seufzte ich. »Gut, warten wir also ab, bis der Morgen kommt, ehe wir etwas unternehmen. Die paar Stunden muss Corpkor eben noch so durchstehen, und wir können uns inzwischen erholen und etwas schlafen.«

Dabei blieb es dann auch.

Die anderen ließen sich dort, wo der Steinboden frei von Glassplittern war, nieder und lehnten ihre Oberkörper gegen die Wand, während ich die Wache übernahm. Ich sah mich um und entdeckte neben einer Tür eine Schaltplatte. Ich ging darauf zu und warf dabei einen Blick in die Öffnungen im Boden, die aber dunkel waren und nicht erkennen ließen, was sich unter uns befand.

Ich löschte das Licht in dem Raum und kehrte zu der Wand mit den Fenstern zurück, durch die wohltuend kühle Luft hereindrang, die den Gestank von verbranntem Fleisch allmählich verschwinden ließ. Schon nach kurzer Zeit zeigten die tiefen Atemzüge der anderen, dass sie eingeschlafen waren. Das war kein Wunder, denn wir alle hatten in der letzten Zeit im Mikrokosmos allerhand durchgemacht. Nur Chapat wimmerte zuweilen leise im Schlaf, ab und zu stöhnte auch Corpkor auf, sonst war alles ruhig.

Doch es war eine trügerische Ruhe – schon der kommende Tag konnte uns wieder neue Ungelegenheiten bringen!

Wir waren dem Chaos in Yarden glücklich entronnen, doch der unfreundliche Empfang hier in unserer Dimension hatte meine Freude darüber bereits sehr gedämpft. Ich ahnte, dass uns auch hier schwere Tage bevorstanden, denn wir befanden uns auf einer Welt, über die wir nicht das geringste wussten.

Ich lehnte mich auf eine Fensterbrüstung und sah durch den leeren Rahmen nach draußen.

Zwei große silberne Monde zogen ihre Bahn über den Himmel, doch ihr Licht reichte nicht aus, um mich viel von der Umgebung dieses Gebäudes erkennen zu lassen. Nicht weit davor schien der spärlich bewachsene Boden stark abzufallen, dort befand sich offenbar eine Schlucht oder Senke, die ich nicht einsehen konnte. Dahinter türmten sich steile Felsen auf, die vom Mondlicht übergossen waren. Wie weit sie entfernt waren, ließ sich bei dem diffusen Licht nicht abschätzen.

Dumpfe Laute von Nachttieren erschollen zuweilen und waren die einzige Abwechslung während meiner einsamen Wache. Die Monde sanken langsam dem Horizont entgegen und verschwanden aus meinem Sichtbereich, und bald darauf kam draußen Nebel auf, der hereinwehte und mich frösteln ließ. Wie auch Crysalgira, trug ich noch immer den flexiblen tejonthischen Metallanzug, der kaum Schutz gegen Kälte bot.

Nach etwa vier Stunden kam der Morgen, und als die ersten Sonnenstrahlen in die Fenster fielen, weckte ich die anderen.

2.

 

»Wie geht es Ihnen, Corpkor?«, fragte Fartuloon besorgt. Der ehemalige Kopfjäger sah schlecht aus, doch er schien sich inzwischen wieder leidlich erholt zu haben. Der Bauchaufschneider hatte irgendwo in seiner Kleidung noch eine schmerzstillende Kapsel gefunden und sie ihm gegeben; nun setzte er sich auf und lächelte schwach.

»Machen Sie sich keine Sorgen, ich halte schon durch«, sagte er leise. »Ich habe in meinem Leben schon viel mitgemacht, also werde ich auch das noch überstehen.«

Das klang zwar gut, aber er konnte uns nicht täuschen. Die Eisnarben, die er während seines selbstlosen Einsatzes für uns im Mikrokosmos davongetragen hatte, bedurften einer baldigen Behandlung, wenn er mit dem Leben davonkommen sollte.

Ischtar war an eines der Fenster getreten und winkte mich zu sich heran. Ich trat hinter sie und legte einen Arm um sie und unseren noch immer schlummernden Sohn. Sie schmiegte sich an mich und zeigte nach draußen.

»Der Nebel verzieht sich, man kann jetzt schon Einzelheiten erkennen. Die Station muss direkt in einen Berghang hineingebaut sein, wir befinden uns ganz an ihrer Peripherie. Sieh doch, da unten im Tal scheint es eine Ansiedlung zu geben!«

Ich strengte meine Augen an und sah dann tatsächlich tief unter uns eine Anzahl von Hütten liegen. Sie waren primitiv aus Holzstämmen, Lehm und Stroh errichtet, doch ihre Anordnung verriet einiges System. Die Wesen, die sie bewohnten, schienen bereits über eine beachtliche Intelligenz zu verfügen.