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Nr. 76

 

Das zweite Attentat

 

Ein Toter lebt gefährlich – Kennon auf der Spur seines Partners

 

von Hans Kneifel

 

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Auf Terra, den Welten des Solaren Imperiums und den Stützpunkten der United Stars Organisation schreibt man Mitte November des Jahres 2841.

Dieses 29. Jahrhundert ist eine Zeit, in der die solare Menschheit oder die Menschheit von den Welten der ersten Siedlungswelle wieder nach den Sternen greift und sich weiter im All ausbreitet. Es ist eine Zeit der großen Erfolge und großen Leistungen – es ist aber auch eine Zeit voller Gefahren und Überraschungen.

Mit einer solchen Überraschung werden die USO und ihre Staragenten Ronald Tekener und Sinclair M. Kennon konfrontiert.

»Tek« und »Ken«, die bislang unangefochten unter ihrer Deckadresse als Chefs der UHB, der »Unabhängigen Hilfsinstitution für Bedrängte«, ihr eigenes kleines Sonnensystem regiert haben, bekommen es mit Verbrechern zu tun, die Tekener in seinem eigenen Herrschaftsbereich zum Gefangenen machen.

Der Aktivatorträger, der sich bisher in Hunderten von schwierigen Einsätzen brillant geschlagen und in seiner wildbewegten Karriere eigentlich nie versagt hat, wird auch noch als USO-Agent entlarvt und durch einen Doppelgänger ersetzt.

Doch jetzt greifen Lordadmiral Atlan, Chef der USO, und S. M. Kennon, Tekeners Partner, ein. Sie wissen inzwischen, dass etwas faul ist im System der UHB – und den endgültigen Beweis dafür erbringt DAS ZWEITE ATTENTAT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Sinclair M. Kennon – Der USO-Spezialist lässt sich ›ermorden‹, um in eine neue Haut zu schlüpfen.

Hatkor Moromat – Chef der Internpolizei von Satisfy.

Incani Kerosab – Kapitän eines schnellen Handelsraumers.

Atlan – Der Lordadmiral trifft sich mit einem Gegner.

Goss Repalio – Ein Mann stellt sein Wissen zur Verfügung.

Corco Bennary – Geheimdienstchef der Tarey-Bruderschaft.

1.

 

Es war kurz vor Mitternacht am vierzehnten November des Jahres, als der Kapitän der NUTRIA ARGENTA die Zentrale betrat. Er bot einen Anblick, wie er in Schiffen der Flotte undenkbar war – hier bedeutete er nur eine weitere malerische Verzierung eines seltsamen Zweihundert-Meter-Kugelschiffes. Die Mannschaft, das Schiff, der Kapitän und die Gesellschaft, der dieses Schiff gehörte ... alles war gleichermaßen untypisch und seltsam. Incani Kerosab, neunundneunzig Jahre alt, wandte sich an seinen Ersten Navigator.

»Zwischenfälle, Idler?«

»Keinerlei Zwischenfälle, Käpten. Wir erreichen in zehn Minuten Satisfy, wie geplant.«

»Ausgezeichnet!«, sagte Kerosab und grinste. »Dann kann ich ja meinen Gast wecken.«

»Tun Sie das, Skipper!«, murmelte der Erste und wandte sich wieder seinen Instrumenten zu. Obwohl das Schiff die beste Tarnung besaß, die man sich denken konnte, verrieten seine schnellen, präzisen Bewegungen etwas von der Unruhe, die über den Männern lag. Die NUTRIA ARGENTA war, ebenso wie eine Anzahl ihrer Schwesterschiffe, Bestandteil einer kleinen Holdinggesellschaft, die Pelze und Felle von exotischen Planeten importierte und sie an die Großhändler verkaufte, die sie ihrerseits an die Produzenten verkauften. Mit diesem Auftrag bewegten sich die relativ kleinen, aber hochmodernen Schiffe durch die Galaxis. Nur einige untypische Einrichtungen und der Umstand, dass häufig Gäste befördert wurden, die niemand kannte und noch viel weniger jemand sehen durfte, war gefährlich. Die Einrichtungen konnten die zusätzliche Mission des Schiffes verraten: ein geübter Mann entdeckte dies mit einem Blick, wenn einmal die unauffälligen Verkleidungen abgenommen worden waren. Und der Gast, den sie heute beförderten – getarnt durch einen völlig unauffälligen und regulären Anflug des Schiffes am Sitz der Holding –, nun, es gab nur wenige Passagiere, die wichtiger waren.

Incani Kerosab drehte sich um, nachdem er auf den Schirmen der Panoramagalerie gesehen hatte, dass sich Satisfy näherte, oder dass sich, besser gesagt, das Schiff dem Planetoiden näherte.

»Das erinnert mich«, sagte er zu sich selbst, als er die Zentrale verließ und den kurzen Weg zu den Mannschaftsquartieren einschlug, »an die Geschichte, die ich neunundzwanzig erlebte, während der grünen Dämmerung. Dieser Mann mit den Röntgenaugen ...«

Er murmelte noch vor sich hin, als er den breiten Summerknopf neben einer Kabinenschott-Tür drückte.

»Herein!«

Kerosab zog die Stahlplatte zur Seite und schob sich in die Kabine. Es war eine der drei Gästekabinen. Ein großer, schlanker Mann saß in dem schweren Sessel vor der Schreibplatte und arbeitete. Er sah dem Kapitän ruhig entgegen und deutete auf den anderen Sessel.

»Was führt Sie zu mir, Incani?«, fragte er ruhig.

»Mister Kennon«, sagte der Kapitän, denn der Mann vor ihm war der beste Freund und Geschäftspartner seines Chefs, des großen Tekener, »in zehn Minuten oder so landen wir.«

»Tadellos!«, sagte Kennon und lachte kurz. »In diesem Zusammenhang, Skipper, eine Frage. Sie ist nicht als Kritik aufzufassen, sondern als eine Frage eines immer sehr neugierigen Menschen.«

»Ja, bitte?«

Kennon kam von seinem Einsatz auf einem der Wega-Planeten zurück. Die Schwierigkeiten, die der United Stars Organisation dort erwachsen waren, existierten nicht mehr. Für den Verstand Kennons war es nicht weiter schwer gewesen, das Wirtschaftsverbrechen aufzuklären. Er besaß nicht nur die Fähigkeit, kriminologische und kriminalistische Aspekte schneller und klarer zu durchdenken als fast jeder andere lebende Mensch, sondern auch die Erfahrung, die ihm in Jahrhunderten zugewachsen war. Das Schema war stets gleich, und die Variationen waren nicht unendlich groß. Da sie eine durchaus endliche Menge darstellten, handelte es sich hauptsächlich darum, Möglichkeiten miteinander zu kombinieren und zu versuchen, sich in die Psyche des Verbrechers zu versetzen. Dieser Auftrag war beendet, und bis vor einigen Minuten hatte Sinclair Marout Kennon daran gearbeitet, seinen Abschlussbericht an Atlan abzufassen und zu kodieren. Beim Eintreten des Kommandanten hatte er gerade die Kodierung überprüft. Er war fertig und konnte der nächsten Stunde auf Satisfy beruhigt entgegensehen. Aber eine unbestimmte Ahnung – die er im Laufe des langen Lebens, das sein Gehirn in dem perfekten Hilfskörper verbracht hatte, entwickelt hatte – sagte ihm, dass Ruhe und Gelassenheit Begriffe waren, die ihm, je älter er wurde, immer mehr unbekannt wurden.

»Diese reichlich aparte Kleidung, die Sie tragen, Skipper ... hat das eine besondere Bewandtnis?«

Während er sprach, packte Kennon seine Unterlagen sorgfältig in eine raumfeste Tasche, deren Verschluss er ebenso exakt zuzog.

»Eigentlich schon«, sagte Incani und lachte auf. Er entblößte eine Doppelreihe strahlender Zähne. »Ich liebe das Besondere.«

»Man sieht's«, gab Kennon zu. »Lieben Sie es so sehr?«

Incani machte eine ausholende Geste, die einen Großteil des bekannten Universums umfasste.

»Sie sollten erst einmal meinen Zwillingsbruder Scanu sehen. Er ist noch viel malerischer. Und noch farbenfroher als ich.«

»Zugegeben, Sie fallen damit nicht einmal mehr in Kuppel Zwei auf!«, sagte Kennon und grinste bei der Vorstellung, dass Incani einen Zwillingsbruder hatte. »Aber warum?«

Kerosab seufzte.

»Ihre Frage erinnert mich an den Bewohner von San Pantaleo«, sagte er und strich selbstgefällig über das Fell seiner Dreivierteljacke. Es bestand aus Prokyon-borealis-Fellen, den Pelzen einer sehr exotischen Waschbärenart. »Der Mann wohnte in einem Turm, der unten konisch zulief, ernährte sich von gerösteten Insekten und wurde gefragt, warum er dies täte und darüber hinaus sich noch dem Studium alter Schriften widme. Wissen Sie, was er geantwortet hat?«

Kennon stand auf, vergewisserte sich, dass er nichts vergessen hatte und zog die Schranktür auf. Dahinter hing in den Spezialklammern ein neuer, hochmoderner Raumanzug. Kennons Waffe befand sich in einem Extrafach.

»Ich weiß es nicht, werde es aber von Ihnen gleich erfahren haben!«, erwiderte er. Sein Gefühl der Unruhe und Besorgnis nahm zu.

»Er sagte: Erstens gefällt es mir so. Zweitens werde ich auf diese Weise beachtet, ohne dafür etwas ausgeben zu müssen. Und drittens wird das, was ich eines Tages zu sagen habe, weitaus stärker beachtet. Deswegen bin ich so, wie ich bin. Von mir als Pelzsachverständigem, Lederspezialist und Fellaufkäufer erwartet jedermann, dass ich exotische Dinge möglichst billig einkaufe. Also werde ich nicht auftreten wie ein Maschinenmaat mit tropfender Ölkanne. Sie würden es nicht wollen, Mister Kennon, und Mister Tekener erst recht nicht, weil dann nämlich die NUTRIA ARGENTA keine so gute Bilanz ausweisen könnte. Ist Ihre Frage damit beantwortet?«

Kennon grinste ihn breit an. Ihm gefiel dieser Mann, der ihn sicher hierher geflogen und ihm viele unterhaltsame Stunden bereitet hatte.

»Eine klare Antwort auf eine klare Frage!«, stellte er fest. »Wenn alles im Leben so einfach wäre ...«

»... dann trügen Sie auch eine solche Jacke. Sie hält übrigens im Sommer warm und im Winter kühl.«

Kennon lachte schallend.

»Das kann eine ausgefallene Heizungsanlage ebenfalls!«, sagte er. »Aber Sie haben recht: Sie sieht nicht im entferntesten so originell aus.«

»Wie wahr!«, murmelte der Kapitän. »Gehen wir zusammen zur Schleuse Zwei?«

»Selbstverständlich!«

Der Skipper nickte, stand auf und verließ den Raum, nachdem er Kennon zugenickt hatte. Er war mittelgroß und hatte auffallend stark nach innen gekrümmte Beine. Sie steckten in einer uralten Hose aus abgewetztem Exotenleder und dicken Pelzstiefeln, deren oberer Rand umgeschlagen war. Dass sich in den Stiefeln ein kleines Arsenal wichtiger und geradezu kostbarer Ausrüstungen verbarg, wusste niemand – außer Scanu Kerosab, dem Zwillingsbruder. Ein breiter Gürtel hielt die Hose über den breiten Hüften des Käptens fest. Darüber spannte sich ein weißes Hemd aus dickem Stoff mit zahllosen Taschen, in denen kleine und geheimnisvolle Dinge das Dasein versteckter Schätze führten. Darüber hing die Jacke, deren Pelz ein Muster zeigte, das in der Galaxis einmalig war. Darum waren auch die Felle so teuer und selten. Auf einem vielfarbig schillernden Grund, der bei Tag irisierte und nachts leuchtete, befanden sich ineinander verschachtelte geometrische Figuren, die aus einem bestimmten Sichtwinkel dreidimensional wirkten. Kennon sah auf die bizarr wirkenden Konstruktionen, hob die Schultern und zog den Raumanzug an.

»Ich ziehe doch mehr den konservativen Stil vor!«, murmelte er.

Das kleine, überraschend schnelle Schiff näherte sich Satisfy. Das Licht der Sonne Startek fiel schwach auf die Bordschirme und ließ die silberne Kugelzelle aufschimmern. Es waren lediglich Identifizierungsfunksprüche gewechselt worden. Es gab weder Zollkontrollen noch Passkontrollen. Satisfy war für jeden Händler, der den Satelliten anflog, absolute Freihandelszone. Das war der blendende Einfall Tekeners gewesen, damals, als sie diesen Satelliten ausbauten. Jeder konnte kommen und verkaufen, tauschen, handeln, kaufen. Und Tekener und Kennon konnten eine Vielzahl von Kontakten knüpfen, die sich ausnahmslos eines Tages als überraschend nützlich erwiesen. Die gigantischen Investitionen der USO hatten sich bereits amortisiert, und diese Geheimwelt fiel nicht mehr dem Steuerzahler zur Last. Wie immer, wenn Kennon unvorbereitet war und wenig Informationen besaß, war er unruhig – die Erfahrung gab ihm recht. Nur dann, wenn man überrascht werden kann, bestand Grund zu echter Furcht. Bekanntes oder Erwartetes verlor so, wenn es dann tatsächlich eintrat, sehr an Schrecken oder Überraschungseffekt. Er ließ die Helmöffnung unverschlossen, schnallte die Waffe um und strich die Handschuhe glatt. Er war wieder »zu Hause«.

Flüchtig dachte er, als er mit seinem Gepäck zur Zentrale ging, an die prall gefüllten Laderäume des Schiffes. Incani Kerosab hatte mit Sicherheit ein gewaltiges Geschäft gemacht. Für Tekener, ihn selbst und die festen Kosten von Satisfy fiel eine Menge Geld dabei ab. Die Form, die jedermann von Tekeners Geschäften erwartete, blieb gewahrt.

Und die völlige Unauffälligkeit ...

Die Landesirene summte auf. Die kleine Mannschaft befand sich vollzählig in der Zentrale, als Kennon eintrat.

»Alles klar?«, fragte er.

Statt einer Antwort hob der Kapitän die Hand und machte das »In-Ordnung-Zeichen«.

Die Landelichter und die unsichtbaren Landehilfen des kleinen Raumhafens waren zu sehen. Der Hafen befand sich abseits der Kuppeln und verfügte über alle Einrichtungen, die eine Landung auf einem fast schwerelosen Himmelskörper ermöglichten und erleichterten. Diffus leuchtete das Licht aus den beiden Kuppeln, die man in diesem Anflugwinkel sehen konnte. Draußen unhörbar, im Schiff selbst durch ein stöhnendes Fauchen ausgewiesen, fuhren die Landestützen mit den Auflagetellern aus der Kugelzelle und richteten sich aus.

Das Band der offiziellen Begrüßung, das Kennon mit entwickelt hatte und buchstäblich bis auf den Augenaufschlag der bildhübschen Sprecherin auswendig kannte, lief über die Schirme. Incani Kerosab gähnte ostentativ.

»Eines Tages könnten sie sich etwas Neues einfallen lassen!«, knurrte er.

»Gern. Wenn Sie die Ansprache halten möchten!«, gab Kennon ruhig zurück. Es gab für ihn eigentlich nicht den geringsten Grund zur Unruhe. Trotzdem fühlte er sich unbehaglich.

Er warf einen zweiten Blick auf die Schirme. Alles sah normal aus. Keine Einzelheit, die ihn stören konnte oder erschrecken ließ. Das Schiff landete ruhig, und diejenigen Männer, die das Schiff verlassen wollten – die Mehrzahl der Besatzung –, gingen hinunter in die Mannschleuse der unteren Polgegend.

Und fünf Minuten später geschah das, was Kennon befürchtet hatte. Sie waren mitten in einem Hexenkessel gelandet ...

2.

 

Sieben Männer in normalen Raumanzügen gingen auf dem relativ breiten Pfad auf die Kuppeln zu. Dieser Pfad war nur eine der vielen Möglichkeiten, vom Raumhafen des Satelliten Satisfy in die belebten, geschützten Zonen zu kommen. Seine Bodenplatten waren mit Schwerkraftaggregaten ausgerüstet, so dass man sich auf ihnen innerhalb einer ein-g-Zone bewegte. Die beiden sichtbaren Kuppeln und das Raumschiff waren schon nach wenigen Schritten hinter der Krümmung des kleinen Felsbrockens verschwunden. Indirektes Licht fiel auf den Pfad, der an beiden Seiten durch molekular umgeformte Felsmauern abgegrenzt wurde. Kein Gleiter kam ihnen entgegen, als sie schweigend und schnell geradeaus gingen.

»Eines Tages sollten Sie die Spalten und Klüfte mit kleinen Kuppeln versehen und darunter Grünpflanzen ausbringen. Zusammen mit effektvollen Beleuchtungsquellen gäbe es einen allerliebsten Anblick!«, sagte der Käpten über Funk.

»Für gewisse Raumkapitäne werden wir auch Männerchöre hier installieren – für die Willkommenslieder!«, gab Kennon zurück.

Auf beiden Seiten des Pfades hatten sie den Asteroiden so belassen, wie er aufgefunden worden war. Der Steinbrocken besaß Tausende und aber Tausende von kleinen Höhlen, die wie die Löcher und Blasen in Lava aussahen. Die geringe Oberflächenschwerebeschleunigung verhinderte, dass sich der Sand, der in kleinen, streifigen Zonen zwischen den Felsen lag, ins All hinaus bewegte. Im roten Licht der Sonne Startek boten die Felsbögen und die messerscharfen Grate, die kleinen, aber tiefen Schluchten einen wilden, urtümlichen Eindruck. Kennon betrachtete das halbdunkle Panorama einige Sekunden lang, dann murmelte er:

»Sie haben mich auf eine Idee gebracht, Käpten Kerosab. Sollte jemals jemand auf den Einfall kommen, auf einen anfliegenden Mann ein Attentat zu verüben ... hier wäre der beste Platz dafür.«

Sie gingen weiter. Vor ihnen tauchte hinter der Krümmung des Horizontes bereits die Polkalotte der Kuppel Zwei auf. Milchiges, leicht gelbes Licht blendete sie, durch das Fehlen der Lufthülle war es stechend klar. Kennon verfolgte seinen letzten Gedanken zu Ende und überlegte, dass tatsächlich die Oberfläche des Asteroiden oder kleinen Mondes eine Masse idealer Verstecke ermöglichte, als er aus dem Augenwinkel eine verdächtige Bewegung wahrnahm. Es war nur eine winzige Veränderung; ein kaum sichtbarer Reflex, eine Verschiebung zweier kleiner Flächen gegen das Licht der Kuppel ...

Die blendende Helligkeit eines Strahlschusses tauchte das Gelände in kalkiges Licht.

Kennon blieb stehen und bewegte sich blitzschnell. Seine Hand fuhr hinunter an den Gürtel und zog die Waffe aus der Tasche. Gleichzeitig entsicherte sein Daumen den Strahler.

Neben ihm brach ein Maat des Schiffes zusammen.

Der weiße, glutheiße Strahl zischte an Kennons Kopf vorbei und beschrieb eine Diagonale über den Brustteil des Raumanzuges. Das Gewebe wurde zerfetzt und an den Rändern glühend heiß, dann zerschmolz es. Gleichzeitig erfolgte die schwache Explosion einiger Anzugsaggregate. Die Luft entwich aus der Schutzhülle, der Lufttank zerplatzte, und der Mann starb an Druckverlust. Noch während der schlaffe Körper nach vorn fiel, streckte Kennon seinen linken Arm aus und fing ihn auf. Gleichzeitig ging er in die Knie, während die anderen Männer nach allen Seiten hechteten.

Kennons Hochleistungsgeräte hatten den Ausgangsort des Strahlenschusses genau angemessen. In derselben Bewegung, mit der er nach der Waffe gegriffen hatte, hob der Halbroboter seinen Arm. Er brauchte nicht zu zielen; das besorgten wiederum andere Geräte, die ohne sein bewussten Denken funktionierten. Der Lauf des schweren Strahlers richtete sich auf die bewusste Stelle, augenblicklich fauchte der Schuss aus der Projektoröffnung. Alles ging vollkommen lautlos vor sich. Nur die Erschütterungen pflanzten sich durch das starre Anzugsmaterial fort. Mit dem linken Arm ließ Kennon die Leiche des Maates zu Boden gleiten, dann sprang er auf und wechselte in einer Serie schneller Zickzacksprünge seinen Standort. Seine Augen blieben ständig auf den mutmaßlichen Punkt gerichtet, von dem aus der Schuss abgegeben worden war. Seit dem tödlichen Treffer waren keine zwei Sekunden vergangen, als die Trümmer einer Felsbarriere durch das Vakuum segelten. Die aufschlagende Energie des Schusses zerstrahlte in einem Feuerwerk weißer, langer Funken.

»Vorsicht, Mister Kennon!«, schrie jetzt Incani Kerosab.