cover.jpg

img1.jpg

 

Nr. 53

 

Alarm im Computerzentrum

 

Mit dem »Freundschaftskommando« in Bangkok – USO-Agenten stehlen ihre eigenen Geheimnisse

 

von Hans Kneifel

 

img2.jpg

 

Auf Terra, den Welten des Solaren Imperiums und den Stützpunkten der USO schreibt man Ende Januar des Jahres 2481 Standardzeit. Somit sind seit dem Ende der Condos Vasac rund 432 Jahre vergangen.

Oberst Ronald Tekener und Oberstleutnant Sinclair M. Kennon, die beiden Asse der USO, sind noch immer am Leben und aktiv im Einsatz – Tekener dank seinem lebenserhaltenden Zellaktivator und Kennon aufgrund der weit fortgeschrittenen Biochemie, die seinem organischen Gehirn im Robotkörper eine nach Jahrhunderten zählende Lebenserwartung verschafft.

Beide Männer operieren seit etwa zwanzig Jahren unter einer neuen Tarnung. Auf einem autonomen Planetoidensystem haben sie die Zentrale der UHB, der »Unabhängigen Hilfsorganisation für Bedrängte« errichtet, und sie greifen überall dort in der Galaxis ein, wo Aktionen von Großmächten aus politischen Gründen nicht möglich oder opportun sind.

Jetzt sind die Spezialagenten im Auftrag Lordadmiral Atlans dem »Projekt Planetentöter«, einer neuen, heißen Sache, auf der Spur. In der Maske von verbrecherischen Wissenschaftlern versuchen sie, ihre eigenen Geheimnisse zu stehlen.

Dabei lösen sie den ALARM IM COMPUTERZENTRUM aus ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Aarlon DeVanten und Fodor Tarinow – Ronald Tekener und Sinclair M. Kennon in der Rolle von verbrecherischen Wissenschaftlern.

Noc Tetro – Tekeners und Kennons Begleiter.

Han-Paitu – Ein unangenehmer Zeitgenosse.

Durbin Hoykalare – Ein Mann, nach dem ein Sonnensystem benannt ist.

Ota Otako – Ein Menschenschmuggler.

Hadra Yhm – Chef einer Burg in Kaschmir.

1.

 

Ronald Tekener alias Aarlon DeVanten lag entspannt in einem Kontursessel. Vor den Augen des Mannes erschienen die Sterne auf den kreisförmig angeordneten Bildschirmen der Steuerzentrale. Tekener kniff die Augen zusammen und sah zu, wie sich aus dem wimmelnden Hintergrund der Sterne eine mittelgroße rote Sonne hervorschob. Das schien das Ziel zu sein. Tekener atmete tief ein und aus, griff nach dem Becher, in dem sich heißer Kaffee und Alkohol befanden, und trank einen tiefen Schluck. Tekeners beziehungsweise DeVantens Gedanken waren nicht gerade sehr hoffnungsvoll. Er begann jetzt, nach den überraschenden Ereignissen während der Gerichtsverhandlung, sich unsicher zu fühlen.

Ich besitze zuwenig Informationen, dachte er. Und da war auch wieder jene Anspannung der Nerven. Sogar die Magenmuskeln verkrampften sich.

»Ich glaube nicht, Han-Paitu«, sagte er, »dass ich diese Sonne kenne, dieses Sonnensystem. Ist das unser Ziel?«

Der Terra-Chinese, ein bulliger Typ mit einem breiten Gesicht, strich sein Haar glatt und erwiderte knurrend:

»Das werden Sie unter Umständen selbst herausfinden, DeVanten!«

»Ihre Freundlichkeit, Meister des Schweigens«, sagte DeVanten sarkastisch, »ist unübertroffen. Sie halten uns drei für Idioten, nicht wahr?«

Der Kosmogeologe grinste kalt. Sein Gesichtsausdruck war wenig anziehend. Aus den starren dunklen Augen und dem harten Kinn mit der senkrechten Falte darin sprachen Brutalität und Rücksichtslosigkeit. Er war einer der Typen, die sich einfach nahmen, was sie wollten, rücksichtslos und ohne Skrupel. Der Terra-Chinese schien hier der Kommandant zu sein, jedenfalls wurde jedem seiner Befehle schnell gehorcht. Er sagte knapp:

»Nicht für Idioten. Nur für verdammt unsichere Vögel.«

Fodor Tarinow, beziehungsweise Sinclair Marout Kennon, bewegte sich unruhig, als die Sonne auf dem Bildschirm größer und heller wurde. Das rote Leuchten der Chromosphäre wurde von einem Satz spezieller Filter gemildert, so dass sich die Lichtmenge in der Zentrale in Grenzen hielt. Trotzdem wurde es stechend hell, und von den Kanten vieler Gegenstände gingen helle Strahlen aus.

Kennon hatte gerechnet:

Dieses Planetensystem war von der Erde sehr weit entfernt. Fast vierzigtausend Lichtjahre weit, wusste Kennon, der sich ständig in der Nähe der Schaltpulte aufgehalten und dort die Kursrechnungen blitzschnell festgestellt hatte. Genau 39.836 Lichtjahre und wenige Lichtstunden. Von dem letzten Planeten aus, von Pellet-II, war die rote Sonne 31.719 Lichtjahre entfernt. Das System lag somit weit im Blues-Sektor der Milchstraße, in der Eastside der Galaxis.

Kennons positronischer Speicher verwahrte die Daten. Ein langer Rundblick hatte die zahlreichen Lichtpunkte festgestellt. Ein Bild war angefertigt und dessen Information war gespeichert worden. Anhand dieser Bytes konnte ein größeres Rechengerät genau feststellen, wo dieses Sonnensystem wirklich lag. Ein schneller Seitenblick zu DeVanten sagte ihm, dass sein Freund ebenfalls solche oder ähnliche Berechnungen oder Überlegungen anstellte. Beide Männer, und noch mehr der Ertruser Noc Tetro, das schwächste Glied ihrer Kette, spürten auf einmal, dass sie sich einem entscheidenden Punkt ihrer Mission näherten.

Wir befinden uns auf der Spur, dachte Tekener.

Zwar wird dieses System – oder werden die Planeten dieses Systems – mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht der tatsächliche und ständige Aufenthaltsort der gesuchten verbrecherischen Wissenschaftler sein. Aber die Spur wird heiß und heißer. Wir nähern uns zweifellos dem Punkt, an dem wir mit dem geheimnisvollen Durbin Hoykalare zusammentreffen müssen.

Diese Wissenschaftler ... sagte sich Tekener. Es wäre interessant, einmal festzustellen, wie sehr jeder einzelne Mensch dieses Jahrhunderts und auch anderer Zeiten von der persönlichen Macht zu faszinieren ist. Trotz Studium, trotz der Kenntnisse und des Wissens, trotz des Umstandes, dass diese Menschen tiefer in einige Dinge hatten eindringen können als andere Menschen, ließen sie sich von der Macht korrumpieren. Oder vom Versprechen der Macht, denn bisher konnten sie ihre Macht nicht ausnutzen. Immer wieder stellte sich ihm diese Frage; er selbst war zwar anfällig für ein gutes Leben nicht unter einem gewissen Standard, aber der Wunsch, ein Planetensystem zu beherrschen, war noch nicht einmal im Traum aufgetaucht. Und wegen solcher Träume griffen diese Männer zu verbrecherischen Mitteln. Sie erpressten, umgingen die Gesetze, mordeten und vernichteten. Und trotz der unzweifelhaft hohen Intelligenz konnten sie sich einfach nicht vorstellen, dass sie letzten Endes doch ergriffen und verurteilt werden würden. Sie dachten einfach nicht daran!

»Jedenfalls kenne ich dieses System nicht«, sagte er laut.

Han-Paitu drehte sich um. Er musterte den hochgewachsenen Mann, der entspannt im Sessel lag und die Rücken der Männer an den Pulten, die Einrichtung und die Bildschirme betrachtete.

»Ich auch nicht!«, meinte Fodor Tarinow mit merkwürdiger Betonung.

Das war für DeVanten ein Signal. Kennon hatte seinen positronischen Speicher befragt und feststellen müssen, dass dieses System der Menschheit bis heute unbekannt war. Dank der gespeicherten neuen Informationen war dieses Geheimnis kein Geheimnis mehr. Das Schiff, das zweihundertfünfzig Meter durchmaß, bremste ab. Leise Kommandos wurden gegeben, und DeVanten erkannte auf den Instrumenten, dass die Sonne fünf Planeten in ihrem Schwerefeld eingeschlossen hatte. Es war in wenigen Minuten selbst für Noc Tetro, der dank seines Mikrogravitators sich in der 1-g-Zone des Schiffes wohl fühlen konnte, ganz eindeutig klar: Das Raumschiff raste quer durch das System und auf die Position des fünften Planeten zu. Es war der äußerste – also würden sie eine kalte Welt vorfinden. Wenn ...

»Es war auch nicht beabsichtigt«, sagte der Chinese leise, »Ihnen alle unsere Geheimnisse auf einem silbernen Tablett zu präsentieren!«

Seine Stimme passte zu seinem Erscheinungsbild. Sie war seltsam unbetont und hart. Er sprach zwischen den Zähnen und öffnete seinen Mund nicht weit. Der Ertruser schauderte jedes Mal, wenn Han sprach.

»Ich beabsichtige auch nicht«, konterte DeVanten mit einem falschen liebenswürdigen Lächeln, »Ihnen die Geheimnisse des Daseinslöschers auf einer entsprechend würdigen Unterlage zu präsentieren.«

Noc Tetro lachte laut und schallend auf. Han-Paitu drehte sich wieder um und hantierte wütend an seinen Instrumenten.

Der Mann mit dem Robotkörper sah sich wachsam um.

Atlan hatte aus Gründen der Vorsicht darauf verzichten müssen, dieses kleine Kugelraumschiff zu verfolgen. Die Space-Jet, mit der sie auf der ersten Etappe geflohen waren, dürfte aller Voraussicht nach von dem Vertrauensmann der Wissenschaftler gesprengt und somit vernichtet worden sein – aber die United Stars Organisation hatte Pellet-II sicher entdeckt. Vermutlich war dort eine kleinere Einheit als Relaisstation gelandet.

»Warum sind Sie eigentlich so argwöhnisch und misstrauisch, Han-Paitu?«, erkundigte sich der Ultradruckphysiker Tetro.

»Es ist nicht meine Aufgabe, Ihnen als Fremdenführer zu dienen«, erwiderte der Kommandant, ohne sich umzudrehen. Er schien wütend geworden zu sein. Seit drei Tagen ertrug er diese drei Männer. Sie waren ihm ein halbes Rätsel, besonders die unerschütterliche Ruhe und Gemessenheit des DeVanten störte ihn.

»Sondern?«, fragte DeVanten und grinste vergnügt.

»Ich soll Sie lediglich mit diesem Schiff befördern!«, teilte ihm der Kommandant mit. »Damit ist mein Aufgabenbereich fest umrissen.«

»Trotzdem könnten Sie ein wenig freundlicher sein, mein Herr!«, sagte Tarinow und schnippte mit den Fingern.

»Dafür werde ich nicht bezahlt!«, stellte Han-Paitu fest.

»Ihrer Laune nach zu urteilen, werden Sie überhaupt schlecht bezahlt«, sagte DeVanten und stand auf. Der Sessel knarrte ein wenig, und die Hydraulik leckte. Der hochgewachsene, schlanke Mann ging auf das Steuerpult zu und tippte mit dem Finger auf einen Bildschirm. Er zeigte eine mäßig scharfe Vergrößerung eines weit entfernten Objekts. Es war mit großer Sicherheit der Planet, den sie anflogen. Der äußerste der fünf Körper. Schwach reflektierte er die Strahlen der Sonne, die sich genau auf der Flugbahn des Schiffes befand. Auf dem Schirm zeichnete sich ein runder, heller Körper mit einer hohen Albedo ab.

DeVanten setzte sich auf die Kante eines nicht benutzten Funkpultes und ließ ein Bein baumeln. Er warf einen schnellen Blick hinüber zu Tarinow, der schweigend dasaß und nachzudenken oder zu dösen schien.

»Wir landen also auf dem fünften Planeten!«, sagte DeVanten.

»Woher wissen Sie das?«, schnappte Han-Paitu aufgeregt.

»Ich kann schließlich rechnen!«, meinte DeVanten. »Wir werden unsere Pelze anziehen müssen, wie?«

Der Mann neben ihm zuckte mit den Schultern und bequemte sich schließlich, etwas zu sagen.

»Das ist richtig. Archäo ist eine Eiswelt. Atembare, aber eisige Sauerstoffatmosphäre.«

DeVanten nickte. So hatte er sich das auch vorgestellt. Wenn die Wissenschaftler auf Archäo lebten und arbeiteten, dann würde dies für ihn die größte Überraschung sein.

»Haben Sie vielleicht die Güte, mir weitere Daten über diese Eiskugel mitzuteilen, Meister?«, erkundigte er sich, indem er sich vorbeugte und Han-Paitu von der Seite anstarrte.

»Aus welchem Grund?«

Die anderen Männer, die seit Tagen meist schweigend ihre Arbeit verrichteten, wagten nicht, sich zu rühren. Sie hörten aber jedes Wort dieser merkwürdigen Unterhaltung.

»Weil es mich ebenso interessiert wie Ihren Herrn und Meister mein Daseinslöscher!«, sagte DeVanten.

Han-Paitu lehnte sich zurück und deutete auf den weißen Planeten, dessen Oberfläche leicht im fernen Licht der Sonne glühte. Als DeVanten den Blick hob und den rückwärtigen Teil der Panoramagalerie betrachtete, sah er einen großen, roten Stern aufglühen.

»Dieses System ist so gut wie unbekannt!«, sagte Han-Paitu mit seiner rostigen Stimme. »Wir nennen das Sonnensystem Durbin.«

»Aha!«, meinte DeVanten. »Eine Huldigung an Durbin Hoykalare!«

»So ist es. Den Namen des fünften Planeten kennen Sie bereits. Er heißt nicht ohne Grund so. Er beschreibt eine sehr weit gespannte Ellipsenbahn, eine sehr flache Ellipse. Der Gesamtumlauf liegt bei achtundachtzig terranischen Normjahren. Die Jahreszeiten sind verschoben.

Nur neun Jahre lang haben wir eine Art Sommer, dessen Name auch eine Übertreibung ist. Die mittlere Tagestemperatur beträgt dann um zehn Grad über Null. Der lange, kalte Winter, neunundsiebzig Jahre lang, hat Temperaturen von minus achtzig und mehr Grad. Der kälteste Punkt ist auch zugleich der sonnenfernste, also derjenige, der dem heißesten Punkt antipodisch liegt – Cape Crozier Nova. Dort hat es bis zu einhundert Kältegrade.«

Tekener merkte, dass das Schiff langsam abgebremst wurde. Es flog gerade auf den Planeten zu, der jetzt auch auf den großen Schirmen auftauchte und von Minute zu Minute deutlicher wurde. Es gab so gut wie keine markanten Oberflächenmerkmale.

»Rotation?«, fragte Fodor Tarinow scheinbar gleichgültig.

»Ja!«, sagte Han-Paitu und nickte. Für seine Begriffe war er geradezu übersprudelnd mitteilsam.

»Welche?«

»Archäo rotiert in vierzehn Stunden, vierundfünfzig Minuten, drei Sekunden einmal. Ihr zentnerschwerer Mitarbeiter wird seinen Gravitator eingeschaltet lassen müssen, denn die Oberflächenschwerebeschleunigung beträgt eins Komma neun Hundertstel g.«

Aarlon DeVanten betrachtete die Maßeinteilung auf einem der Bildschirme, die den Eisplaneten in allen Größen und unter verschiedenem Licht zeigten.

»Durchmesser mehr als dreizehntausend Kilometer? Habe ich recht?«

Überrascht blickte der Kommandant auf.

»Ja. Ziemlich genau dreizehntausendvierhundertelf Kilometer!«, bekannte er.

Es war deutlich zu erkennen, dass Archäo eine im Sinn menschlichen Überlebens extreme Eiswelt war. Es herrschten etwa dieselben Verhältnisse wie auf dem Südpol Terras. Während des langen, sonnenfernen Winters waren die Kontinente unter mächtigen Eisschichten verborgen.

»Die Eiskruste im Winter ist bis zu vierzehntausend Meter dick!«, sagte Han-Paitu unaufgefordert.

»Stattlich, stattlich!«, sagte der Ertruser und stand ächzend auf. Seine gewaltige Gestalt überragte alle Männer in der Zentrale. Seine Schultern besaßen die Breite von zwei normalen Männern, und wenn er den Kopf bewegte, zitterte seine prachtvolle Haarlocke, die sich in den Sichelkamm fortsetzte.

»Gibt es Meere?«, erkundigte sich Tekener.

Er wusste, dass jedes Wort und jede weitere zusätzliche Information von Kennon zuverlässig gespeichert wurden. Aus diesem Grund und um der USO weitere Nachforschungen und Aktionen zu erleichtern, fragte er selbst so ausdauernd.

»Ja. Es gibt zahlreiche Meeresbecken. Sie sind aber bis auf wenige Ausnahmen bis auf den Grund hinunter zugefroren und sozusagen eine massive Eisschicht.«

Noc Tetro lachte leise auf und sagte:

»Verteufelt unangenehm für die Fische. Andererseits bleiben sie länger frisch.«

»Witzbold!«, knurrte der Terra-Chinese.

Ronald Tekener stand auf, stieß sich von der Kante des Pultes ab und ging hinüber zu einem Gerät, das ein Bild des Planeten im Infrarotbereich wiedergab. Daneben war ein Schirm, der die Wärmestrahlung registrierte. Tekener konnte erkennen, dass es auf dieser Dauerfrostwelt offensichtlich unterirdischen Vulkanismus gab. Die dunklen Flecken deuteten darauf hin, dass unter der Eisschicht Vulkane tätig waren, die starke Heißwasserströmungen hervorriefen. Aus den Spalten des Sial-Materials, der dünnen Kruste, sickerte Wärme und schmolz das Eis zu Wasser, das seinerseits in Dampf verwandelt wurde und sich niederschlug. Es gab eine ganze Anzahl solcher Wärmelöcher auf der beleuchteten Tagseite des Planeten.

Einer der Männer hob die Hand, als die Fläche des Planeten scheinbar auf das Schiff zustürzte, als sich die Ränder des Bildes über den Erfassungswinkel der Linsen hinausschoben.

»Wir landen in einer Viertelstunde, meine Herren!«

»Besten Dank!«, sagte DeVanten höflich.

Er wusste, dass ihnen jetzt eine üble Situation bevorstand. Während er und Fodor, durch viele ähnliche Situationen genügend geschult und vorbereitet, sich ganz bestimmt zu helfen wussten, während die Siganesin Gracia Monet verborgen blieb, würde der nicht mentalstabilisierte Ertruser der schwache Punkt sein und bleiben. Das bedeutete, ihn unwichtig und nebensächlich zu halten – Durbin Hoykalare musste jedenfalls diesen Eindruck erhalten.

Das Schiff bremste weiter ab, fuhr die Landestützen aus und stürzte sich durch die dünne, eisige Lufthülle auf den Planeten zu.

Das Ziel schien, noch halb hinter einer hauchdünnen Nebeldecke oder der Fahne eines Schneesturms verdeckt, ein ungeheures Eismassiv zu sein. Ob es das gefrorene Wasser eines Meeres war oder die Eisschicht über dem Festland, konnte Tekener nicht ausmachen.

»Ich hoffe«, sagte er mit einem kleinen Lächeln zu Han-Paitu, »dass Sie warme Kleidung an Bord haben. Ungern würde ich mir eine Grippe holen.«

»Sie haben einen anmaßenden Humor, Herr«, sagte der Kommandant. Er deutete das Lächeln richtig; es war eine Art Signal, dass Tekener bereit war, mit den anderen mitzuarbeiten und seinen passiven Widerstand vorläufig aufzugeben.

An den Schirmen zog sekundenlang der Eisschleier in der Lufthülle vorbei, dann breitete sich ein einzigartiges Panorama unter dem Schiff aus. Es schwebte in einer falschen Parabel der ebenen Eisfläche entgegen. Die Fläche war in einem offenen Dreiviertelkreis von einem Gebirge aus aufeinandergetürmten und von Schneeansammlungen zugewehten Eisschollen umgeben. Die Erhebungen schienen alle höher als zweitausend Meter zu sein.

»Ganz nett!«, sagte DeVanten zu Han-Paitu. »Aber ungemütlich.«

»Wir haben die Möglichkeiten, es gemütlicher zu machen!«, stellte der Kommandant fest. »Aber, wie gesagt: Ich bin weder ermächtigt noch willens, Ihnen sämtliche Geheimnisse von Archäo mitzuteilen.«

DeVanten zog die Brauen in die Höhe und wartete auf den leichten Ruck, mit dem das Schiff aufsetzen würde. Er kam nicht, denn dicht über der Oberfläche stob die glänzende Kugel dahin. Der Sog der aufgewirbelten Luftmassen riss einen langen Schleier aus Schnee und Eisnadeln hoch, der sich langsam senkte. Das Schiff flog, immer langsamer werdend, auf das Ende der Eisfläche zu. Dort war sie durch drei aufragende Pyramiden aus gezacktem Eis abgeschlossen. Zwischen ihnen entstand eine kleine, annähernd runde Platte, auf der das Rot eines Ballons zu erkennen war.

»Ich will sie auch gar nicht wissen«, meinte DeVanten ruhig. »Wissen belastet nur!«

Der Kommandant warf ihm einen langen Blick zu und zuckte schließlich mit den Schultern. Fodor und Noc standen jetzt hinter dem Sessel des Kommandanten und sahen zu, wie das Schiff tiefer ging, wie die Eisplatte näherkam, wie sich im unteren Teil des mittleren Berges eine weiße Schleuse langsam aufschob. Alles war blendend weiß; nur sämtliche Kanten zeigten einen blassen Rotschimmer. Die Schatten wurden länger. Entweder war es später Vormittag oder früher Nachmittag. DeVanten brauchte nicht lange, um an der Sonnenstellung nachzurechnen, dass es später Vormittag über diesem Gebiet war.