Internet – Segen oder Fluch

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Inhaltsübersicht

Impressum

Rowohlt Digitalbuch, veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, Oktober 2012

Copyright © 2012 by Rowohlt · Berlin Verlag GmbH, Berlin

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages

Umschlaggestaltung Frank Ortmann, Berlin

Schrift DejaVu Copyright © 2003 by Bitstream, Inc. All Rights Reserved. Bitstream Vera is a trademark of Bitstream, Inc.

ISBN Buchausgabe 978-3-87134-755-9 (1. Auflage 2012)

ISBN Digitalbuch 978-3-644-11301-5

www.rowohlt-digitalbuch.de

ISBN 978-3-644-11301-5

Fußnoten

1. Null oder Eins? – Ja.

Was absurde Netzanbindungen betrifft, ist es gar nicht so einfach, einen Scherz zu machen, der nicht ein paar Monate später Realität wird. Das Züricher Start-up Koubachi gibt endlich Pflanzen die Gelegenheit, am Netzgeschehen teilzunehmen, und zwar mit Hilfe von Blumentopfsensoren, die E-Mails verschicken, wenn die Pflanze Durst hat. Im Mai 2011 stellte ein Google-Mitarbeiter auf einer Konferenz eine Glühbirne mit WLAN vor.

2. Das Internet ist ein rotes Auto

Dass die Metapher noch dazu so schief ist wie ein im Dunkeln aufgebautes Ikea-Regal, fällt auf, wenn man sich den Sinn eines Stoppschilds vergegenwärtigt: anhalten, umschauen und dann weiterfahren, und zwar genau dorthin, wo man eigentlich hinwollte. Das erscheint nicht unbedingt wie das damals mit Netzsperren angestrebte Ziel.

3. Das missverstandene Neue

Manche sagen, ja.

Das ist uns in diesem Buch nicht immer gelungen. Aber versuchen Sie’s mal selbst, es ist gar nicht so einfach.

Der Schriftsteller Wolfgang Herrndorf schlägt unsere Warnungen in den Wind: «Den für ihre Technikfeindlichkeit nicht gerade bekannten Japanern ist es bis heute nicht gelungen, einen Go-Rechner zu bauen, der auch nur einen starken Amateur in Schwierigkeiten bringt. Man jubelt stattdessen einem Programm zu, das einen Profi mit neun Steinen Vorgabe versenken konnte. Um in eurem Buch vorzukommen, prophezeie ich hiermit, dass es ein solches Programm auch niemals geben wird, solange ich lebe. In den folgenden hundert Jahren auch nicht.»

4. More forwards please

Grays britischer Verlag bewirbt die Taschenbuchausgabe mit diesem Zitat.

6. Faster, Pussycat!

1931: eine Stunde und achtunddreißig Minuten. 2012: eine Stunde vierzig. Redlichere Menschen als wir würden zugeben, dass es sich bei der Fahrzeit von 1931 um einen einmaligen, vom Schienenzeppelin aufgestellten Geschwindigkeitsrekord handelte, aber dann wäre ja der Witz dahin.

7. Das Bücherrad neu erfinden

Mit «zitieren» ist bei Wissenschaftlern so etwas wie «verlinken» gemeint.

Alles zulassen, Hilfreiches gemeinsam herausfiltern

Eine reine Mutmaßung, wir würden niemals behaupten, dass die Bewertungen tatsächlich gefälscht seien, schon weil es nur sehr wenig Demütigenderes geben dürfte als die Unterlassungsklage eines Kauknochenherstellers.

9. Generation Swimmy

Der Vergleich ist ein wenig ungerecht, denn genauso verhielt es sich nicht nur mit den heiligen Büchern, sondern lange Zeit auch mit der Wissenschaft.

Kann man dem Volk über den Weg trauen?

Nach einer repräsentativen Umfrage des Sterns im Jahr 2011 hält etwa ein Drittel der Bürger Volksbefragungen für nicht wünschenswert.

Kann man dem Netz über den Weg trauen?

In den Köpfen einiger Piraten mag es natürlich reaganhafter zugehen als im Parteiprogramm.

Was ist und was kann Digitale Demokratie?

Natürlich wurde – wie an vielen anderen Stellen – diskutiert, ob man hier wegen der extremen Naheliegendheit McLuhans Halbsatz «The medium is the message» einbauen sollte. Sascha Lobo war dafür, Kathrin Passig war dagegen. Im Zweifel entscheidet in solchen Fällen Privatlektor Michael Brake, und der fand es «peinlich», Lobo solle es in seine Zitatschleuder Mensch-Maschine auf Spiegel Online einbauen, wo es hingehöre.

Dieser Slogan ist ein polithistorisches Zitat. Ein späteres Abgeordnetenhausmitglied der Piratenpartei, Christopher Lauer, nutzte ihn auf einem Plakat im Wahlkampf 2011 in Berlin.

Sommer 2012 gemeinsam über 145716 Follower auf Twitter.

Einsamkeit vs. Gemeinschaftsbildung

Oder beides gleichzeitig (Besuchsraum im Gefängnis, Café Keese).

Narzissmus vs. Empathie

Siehe Fußnote auf S. 176.

14. Die Urheberrechthaber

Es hat uns viel Überwindung gekostet, an dieser Stelle keinen Kalauer mit Vermehrungskontext einzubauen. Aber es hat sich gelohnt.

 Das ist natürlich vollkommen richtig, lässt sich aber einfach und preiswert ändern! Für nur 29,99  (Paypal oder Überweisung) teilen wir Ihnen gern mit, wie man auch als Autor oder Anderurheber schnell und unkompliziert an Geld kommt.

Ja, das geht schon. Nein, es sieht nicht gut aus.

14. Die Urheberrechthaber

Reid ist im Nebenberuf Gründer des Musik-Streamingdienstes Rhapsody. Sein Entwurf taucht hier vor allem auf, weil uns in diesem Kapitel ein geklauter geteilter kopierter Schlussgag angemessen erschien.

Zukunftsszenarien

Internetsprache für «Haha, da ist die Tür».

Mit unverwirrbarem Kabel.

15. Mark Zuckerbergs Brille

Das muss nicht viel heißen, es ist nicht die Sorte Frage, die üblicherweise in weniger als fünfhundert Jahren beantwortet wird. Man könnte ein Expertensystem entwickeln, das … nein? Na gut, dann nicht.

16. Maschinenherz

Eine Sonderform davon ist die Systemadministrokratie. Denn nur der Systemadministrator hat Wissen, Fähigkeit und Macht, die Maschine zu beherrschen. In beinahe jedem Büro ist regelmäßig zu erleben, wie sich Computer nicht um die hierarchischen Strukturen kümmern und gegen den Willen eines Vorgesetzten die Arbeit einstellen. Selbst der Vorstandsvorsitzende ist dann gezwungen, eine nachlässig gekleidete Person anzurufen, die in der Regel bloß den Rechner neu startet, der anschließend wieder so gut oder schlecht wie zuvor funktioniert.

Schreiben Sie einfach mal ein Buch mit einem Verlag und Koautoren, dann wissen Sie, was wir meinen.

Subjektiv gefärbte Darstellung aus Sicht der Autoren.

Und der ganze Rest

Wir haben es dem Verlag vorgeschlagen. Aber hat man auf uns gehört? Immerhin konnten wir im Kapitel über Urheberrecht mehrere Einhörner unterbringen.

Anmerkungen

Einleitung

Zitiert nach der Projekt-Gutenberg-Version; den Hinweis auf die Stelle verdanken wir Lothar Müllers uns auf Papier vorliegendem Buch «Weiße Magie: Die Epoche des Papiers» (Hanser, 2012).

1. Null oder Eins? – Ja.

Phlogiston war der Name eines theoretischen, feurigen Elements. Es hätte eine Substanz sein sollen, die den Vorgang der Verbrennung erklärt, gewissermaßen der heiße Scheiß im 17. Jahrhundert.

Und zwar die «Internet Exceptionalists», «Social Engineers», «Free Marketers», «Moral Conservatives», «Old Economy Regulators», «Tech Companies & Trade Associations» und «Bricks-and-Mortar companies». Was Atkinson damit im Einzelnen meint, ist im Sammelband «The Next Digital Decade» nachzulesen, gratis als PDF unter nextdigitaldecade.com.

Das wusste bereits Charles Darwin, der in seiner Autobiographie schrieb: «Ich hatte auch viele Jahre lang eine goldene Regel befolgt, nämlich dass ich, sobald ich nur immer einer veröffentlichten Thatsache begegnete oder mir eine neue Beobachtung oder ein Gedanke vorkam, welcher mit meinen allgemeinen Resultaten in Widerspruch stand, ohne Aufschub und auf der Stelle mir eine Notiz davon machte; denn ich hatte aus Erfahrung gefunden, dass derartige Thatsachen und Gedanken viel mehr geneigt sind, dem Gedächtnisse wieder zu entfallen, als günstige.»

Es lohnt sich, beide Listen zur Erinnerung ungefähr einmal pro Woche durchzulesen. Strategien zum Umgang mit der menschlichen Neigung zu Fehl- und Vorurteilen werden in den beiden Blogs overcomingbias.com und lesswrong.com diskutiert. Auf Deutsch eignet sich als Einstieg das Buch «Denken hilft zwar, nützt aber nichts: Warum wir immer wieder unvernünftige Entscheidungen treffen» von Dan Ariely.

Aus Haidts Studien ging das Internetprojekt yourmorals.org hervor. Freiwillige können dort ihre moralischen Geschmackspapillen testen und dabei die Forschung voranbringen.

2. Das Internet ist ein rotes Auto

Im Netz wird oft kolportiert, dass Al Gore behauptet habe, er hätte das Internet erfunden. Darin ist zumindest ein Fünkchen Wahrheit enthalten. Gore trieb schon in den 1970er Jahren als Kongressabgeordneter mehrere Initiativen für ein Hochgeschwindigkeitsdatennetz voran, um Wirtschaftswachstum und Bildung zu stimulieren.

Als in den 1960er Jahren in Deutschland Arbeitskräfte knapp wurden, wurden vor allem Arbeiter aus Italien und der Türkei angeworben. Der Begriff «Gastarbeiter» zeigt, wie sehr Diskussionen durch Metaphern gesteuert werden können. Ein Gast hat sich zu benehmen und muss irgendwann ja auch wieder gehen – dieser durchaus problematische Subtext prägte die Diskussion über viele Jahre, teils bis heute noch.

Die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen hatte ein Gesetzesvorhaben mit dem Namen «Zugangserschwerungsgesetz» auf den Weg gebracht, das von ihr als Mittel für den Kampf gegen Kinderpornographie bezeichnet wurde. Kritiker dagegen waren überzeugt, dass blablabla, das steht nun wirklich überall.

Der Name der Gruppe lautete vollständig und wörtlich: «KINDERSCHÄNDER, für EUCH eröffnen wir wieder MAUTHAUSEN!!!»

Fjordman war das Pseudonym eines rechtsradikalen Bloggers, den Breivik in seinem über tausend Seiten starken Manifest häufig zitierte, Breivik sah in ihm ein Vorbild.

Nähere Informationen finden sich im 11. Kapitel.

Der Hut aus Aluminiumfolie ist das inoffizielle Insignium des Verschwörungstheoretikers, um zu verhindern, dass die Gedanken von der CIA per Strahlung ausgelesen werden. Und es scheint zu wirken: bisher ist nicht belegt, dass die CIA es geschafft hätte, die Gedanken eines Aluhutträgers auszulesen.

3. Das missverstandene Neue

Noch detaillierter steht das im Essay «Standardsituationen der Technologiekritik» (Merkur 2009, Link zum Volltext unter kathrin.passig.de). Die Autorin entschuldigt sich für die einseitige Sichtweise des Artikels, sie wusste es damals nicht besser.

Ein Pariser Journalist erwartete 1895 nach einer Filmpremiere von Louis Lumière: «Wenn diese Geräte in die Hände des Volkes geraten, wenn jeder die ihm nahestehenden Menschen fotografieren kann, nicht nur im unbewegten Zustand, sondern mit ihren Bewegungen, Handlungen, vertrauten Gesten und den Worten, die sie sprechen, dann wird der Tod nicht länger absolut und endgültig sein.»

In: «Geschichte der Eisenbahnreise», Hanser Verlag, 1977.

Die typische Alpenwiesenflora ist das, was das Vieh nicht fressen konnte, und die Bewaldung der Berge wurde von oben und unten zugunsten von Weidewirtschaft und Ackerbau reduziert. Mehr zum menschlichen Ursprung naturbelassen wirkender Landschaften steht in Hansjörg Küsters «Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa», C. H. Beck Verlag, 1999.

Michael Giesecke: «Der Buchdruck in der frühen Neuzeit», Suhrkamp 1991.

Das «Technium» ist ein von Kevin Kelly erfundener Begriff für die Gesamtheit der Technologie, die uns umgibt. Jedes kleine Gerät ist in Entstehung und Betrieb auf eine Vielzahl anderer Technologien angewiesen. Dieses Netzwerk voneinander abhängiger Technologien formt eine Art virtuellen Superorganismus, dessen Eigenschaften mehr sind als die Summe seiner Teile: das Technium. Im Kapitel über die Herrschaft der Maschinen taucht das Technium noch einmal auf.

Für jüngere Leser: Den automatischen Sicherheitsgurt gab es von den späten siebziger bis in die frühen neunziger Jahre als Sonderzubehör. Er brachte sich beim Schließen der Tür selbsttätig in eine auffordernde Position.

3. Das missverstandene Neue

Missbrauch von Immaterialgüterrechten, Bedrohungen der Privatsphäre, «digitaler Vandalismus», Softwarepiraterie, Datendiebstahl, das Verschwinden bestimmter Arbeitsplätze, das Ende der Festanstellung auf Lebenszeit, die Ausgrenzung von Teilen der Bevölkerung.

Suchstichwort «quantified self». Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Geräten und Internetangeboten, die Nutzer bei der detaillierten Aufzeichnung ihres Alltags unterstützen: von den zurückgelegten Strecken bis zur Anzahl der Wörter, die ein Baby täglich zu hören bekommt.

Gold lässt sich heute durch Bestrahlung von Platin oder Quecksilber herstellen. Das Verfahren hat zwei Nachteile: Man braucht einen Kernreaktor, und es ist teurer als der Einkauf vorhandenen Goldes.

4. More forwards please

Wobei Lorenz’ Fähigkeit, die Welt «mit wachen Augen» zu betrachten, sich bekanntlich in Grenzen hielt: «Ich war als Deutschdenkender und Naturwissenschaftler selbstverständlich immer Nationalsozialist» (1938). Das Buchkapitel von 1973, aus dem das Zitat stammt, trägt den Titel «Genetischer Verfall».

Michael Bittman, James Mahmud Rice, Judy Wajcman: «Appliances and their impact: the ownership of domestic technology and time spent on household work», The British Journal of Sociology 2004, Band 55, Nr. 3. Die erwähnten Wäschetrockner verlängern die mit der Wäsche verbrachte Zeit übrigens nur um drei Minuten, die die Hausfrauen vermutlich damit zubringen, im Internet die Bedeutung blinkender Flusensieb-Fehlermeldungen zu recherchieren.

Und zwar in den meisten deutschsprachigen Gegenden erst ab den 1970er Jahren. Die nostalgischen Erinnerungen der Großeltern, früher habe man ja im örtlichen Fluss noch gebadet, stammen aus den Zeiten der ungeklärten Abwässer.

Obwohl der Begriff «Bruttonationalglück» wirkt wie von der Titanic-Redaktion auf dem Evangelischen Kirchentag ausgedacht, gibt es ihn wirklich. Er geht zurück auf den König von Bhutan, einem der ärmsten, aber auch glücklichsten Länder der Welt (wenn man die Bewohner fragt). Die 2011 eingesetzte Enquetekommission «Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität» des Bundestages arbeitet in einer ähnlichen Richtung.

Zwei seiner Bücher sind auf Deutsch erschienen: «Politik der Apokalypse – wie die Religion die Welt in die Krise stürzt» und «Von Menschen und anderen Tieren – Abschied vom Humanismus».

5. Disruption ist kein Kindergeburtstag

Außer Helium und noch ein paar Kleinigkeiten.

Insofern lügt die Überschrift, und Disruption ist eben doch eine Art Kindergeburtstag.

Der Transport aktueller Nachrichten zu den Lesern erfordert nicht mehr das Herumfahren großer Mengen Zellulose. Werbetreibende können ihr Geld nicht mehr nur bei ein paar Verlagen ausgeben, sondern auf Millionen Seiten. Das Netz bietet bessere Alternativen zum bis dahin lukrativen Kleinanzeigenmarkt. Leser wollen nicht mehr nur Leser sein, sondern selbst mitreden. Die Zeitung von heute wurde gestern gedruckt und ist damit immer älter als das Internet von heute.

6. Faster, Pussycat!

Der Wired-Wissenschaftsblogger Rhett Allain ist dieser pressewirksamen Meldung auf den Grund gegangen und kommt zu dem Schluss, dass die Twitterwelle die Erdbebenwelle nach knapp 200 Kilometern überholt. 200 Kilometer vom Epizentrum entfernt passiert aber nicht mehr viel, die Nachricht hat dann lediglich Unterhaltungswert. (Bei Seebeben mit anschließendem Tsunami sähe es anders aus.)

Zitiert nach «Das Tempo-Virus: Eine Kulturgeschichte der Beschleunigung» von Peter Borscheid, einem Buch, das wir im Übrigen nicht gelesen haben, keine Zeit.

Deshalb ist auch die oft empfohlene Geräteabstinenz eher nicht die Lösung. Beim beschleunigungskritischen Vorwurf, eine bestimmte Technik mache alles automatisch und unausweichlich schneller, handelt es sich um eine klassische technikdeterministische Idee. Woran man sieht, dass der Technikdeterminismus sich willig zu Fortschrittsskeptikern wie Optimisten ins Bett legt.

7. Das Bücherrad neu erfinden

Ein Terabyte entspricht einem 25 Kilometer hohen Papierstapel (beidseitig bedruckt).

Siehe z.B. www.readwriteweb.com/cloud/2011/02/are-we-really-creating -as-much.php. Eine ähnliche Rechnung wie Eric Schmidt stellte Johannes Kepler im Jahr 1606 an: «In jedem Jahr, insbesondere seit 1564, werden auf jedem einzelnen Gebiet mehr Schriften veröffentlicht als insgesamt im Jahrtausend zuvor.»

Er tat es auf Französisch, in einem Manuskript ohne Titel, das man unter dem Suchbegriff «horrible masse de livres» an verschiedenen Stellen im Netz finden kann. Alle Hinweise auf die historischen Zitate stammen aus dem Journal of the History of Ideas, Band 64, Nr. 1, Januar 2003, das mehrere schöne Beiträge zur Informationsüberflutung in der frühen Neuzeit enthält. Falls Sie sich bereits informationsüberflutet fühlen und höchstens einen davon lesen wollen, empfehlen wir «Early Modern Information Overload» von Daniel Rosenberg.

Diese Variante wurde erstmals 1976 von Gabriel Pinski und Francis Narin vorgeschlagen. Eigentlich ist die PageRank-Idee sogar noch ein bisschen älter, sie taucht 1953 zum ersten Mal in der Literatur auf. So reich wie Larry Page und Sergei Brin könnte man heute sein, wenn man nur in den richtigen Fachzeitschriften geblättert hätte.

In der englischen Wikipedia-Kategorie «Lists» gibt es die Unterkategorie «Lists of lists» und darin den Eintrag en.wikipedia.org/wiki/List_of_lists_of_lists. Diese Liste verzeichnete Mitte 2012 knapp 500 Listen von Listen.

8. Das Gute, das Schlechte und das Hässliche

Ein bisschen mehr zur Brecht’schen Radiotheorie und zu den mit ihr verbundenen Hoffnungen steht in Kapitel 10.

Erst verbessern, dann veröffentlichen

Wenn man zum Beispiel von gar nicht so wenigen Lesern darauf hingewiesen wird, dass Wasser bei vier Grad Celsius nicht die geringste, sondern die höchste Dichte hat (Kathrin Passig/Aleks Scholz: «Lexikon des Unwissens», Rowohlt Berlin 2007, 1.–4. Auflage). Der Text war vor der Drucklegung von nicht weniger als fünf Personen durchgesehen worden, darunter hauptberuflichen Physikern. Weitere Fehlleistungen der Autoren sind unter lexikondesunwissens.de verzeichnet.

Open Access bedeutet, dass alle Beiträge frei zugänglich und kostenlos nutzbar sind. Das ist im Wissenschaftsbetrieb nicht selbstverständlich, normalerweise veröffentlichen Wissenschaftler in Fachzeitschriften, die so teuer sind, dass keine Universität alle relevanten Zeitschriften abonnieren kann. Ausführlicheres findet sich im Wikipedia-Eintrag «Open Access».

Erst veröffentlichen, dann verbessern

Der Wikipedia-Eintrag «Fingierter Lexikonartikel» enthält unterhaltsames Partywissen über Nihilartikel und Plagiatsfallen sowie eine Liste bekannter falscher Einträge aus Papiernachschlagewerken von Apopudobalia (einer erfundenen Vorform des Fußballspiels) bis zur Gemeinen Steuer-Zecke.

Näheres ist im Eintrag «Wikipedia:Relevanzkriterien» nachzulesen.

Einem Stand, der seinerzeit als großer Fortschritt gefeiert wurde: Immerhin brauchten Nutzer kein HTML mehr zu können.

Stundenlanges Lesevergnügen bietet der Eintrag en.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Lamest_edit_wars

Alles zulassen, Hilfreiches gemeinsam herausfiltern

Loretti I. Dobrescu, Michael Luca, Alberto Motta: «What Makes a Critic Tick?», Harvard Business School Working Knowledge, 2012. Passend zum Thema dieses Kapitels handelt es sich um ein «Working Paper», also eine Vorarbeit zu einer wissenschaftlichen Veröffentlichung, die noch nicht durch das Peer-Review-Verfahren gegangen ist.

Amazon äußert sich so wenig zu den Details dieses Filtersystems wie Google zu seinem PageRank-Verfahren, um Missbrauch und Nachbau nicht zu einfach zu machen. Einige Erkenntnisse bietet aber zum Beispiel peterdurwardharris.blogspot.de (auf Englisch).

Ersatzhalber könnten Sie einen 2011 im Merkur erschienenen Artikel von Kathrin Passig lesen, der den Titel «Sümpfe und Salons» trug und unter kathrin.passig.de verlinkt ist.

9. Generation Swimmy

Ein Googledoc ist wie ein normales Textdokument, das von mehreren Autoren gleichzeitig editiert und kommentiert werden kann, weil es webbasiert ist, also im Browser bearbeitet wird. Dieses Buch ist so entstanden.

reddit.com ist ein Social News Aggregator, eine Plattform, auf der Nutzer gemeinsam Beiträge aus verschiedenen Quellen zusammentragen und diskutieren.

Aus der einen Million wurden fünfzig, weil jedes Bild mehreren Nutzern vorgelegt wird. An der Übereinstimmung der Urteile lässt sich auch ablesen, wie zuverlässig die jeweilige Einstufung ist.

Das geschieht nicht nur dort, wo es ohnehin keinen Markt für eine professionelle Übersetzung gäbe. Auch einige Harry-Potter-Bände wurden von Mitgliedern der «Harry auf Deutsch»-Community übertragen, die nicht auf die deutsche Übersetzung warten wollten.

Der Droemer Knaur Verlag lässt seit 2010 unter neobooks.de Leser vorfiltern, welche Manuskriptvorschläge sich Verlagsmitarbeiter genauer ansehen sollten. Der amerikanische O’Reilly-Verlag bietet ein «Open Feedback Publishing System» an (ofps.oreilly.com), mit dessen Hilfe Leser existierende und entstehende Bücher kommentieren können.

In den frühen hierarchischen Systemen im Web wie der Sortierung von Usenetgruppen oder den Rubriken der «Internetverzeichnisse» kostete die Diskussion über benötigte Kategorien und sinnvolle Einordnungen viel Zeit.

Das ist kein ausgedachtes Beispiel: 50000 US-Dollar wurden für das Denkmal veranschlagt, 67436 im März 2011 bei Kickstarter eingesammelt. Die Statue war 2012 noch im Bau und wird voraussichtlich auf dem Campus der Wayne State University aufgestellt.

Lanier ist kein technikferner Hardliner, sondern steht mit beiden Füßen fest auf dem Boden der virtuellen Realität, die er in den achtziger und neunziger Jahren selbst entwickeln half.

Diese Frage ist wiederum nur die Neuauflage einer Diskussion aus dem 15. Jahrhundert: Sollte man Handschriften auf Pergament bevorzugen, da sie haltbarer sind, oder besser auf eine große Menge gedruckter Bücher setzen, die vielleicht bald wieder zerfallen, aber zeitgleich zirkulieren und das Wissen einem viel breiteren Publikum zugänglich machen?

Seine Kritik stammt aus dem Jahr 2006, als MySpace noch eine große Rolle spielte. Heute gilt MySpace als das MySpace unter den sozialen Netzwerken.

Kann man dem Volk über den Weg trauen?

Lanier glaubt, dass «der Erfolg von Wikipedia und der Reichtum von Google» dazu geführt hätten, dass Behörden, Unternehmensstrategen und Universitäten sich «mit dem Parasiten» Kollektivismus infiziert hätten.

Kann man dem Netz über den Weg trauen?

Nicolas Sarkozy hatte unter anderem das sogenannte Hadopi-Gesetz eingeführt, das zur Bekämpfung illegaler Downloads vorsieht, nach zwei Verwarnungen mit dem dritten Verstoß die Netzverbindung der schuldigen Person auf eine bestimmte Zeit zu kappen.

Mit Ruanda ist hier der Völkermord gemeint, den in Ruanda vor allem Angehörige der Hutu-Mehrheit an der Tutsi-Minderheit verübten. Von April bis Juli 1994 wurden nach Schätzungen von Historikern etwa eine Million Menschen ermordet, bis zu drei Viertel aller in Ruanda registrierten Tutsi.

Beides zitiert nach Rolf Peter Sieferles auch sonst sehr lesenswertem Buch «Technikfeinde? Opposition gegen Technik und Industrie von der Romantik bis zur Gegenwart» (C. H. Beck Verlag, 1984).

11. Regulierungsbeschwerden

Transmission Control Protocol, auf Deutsch: Übertragungskontrollprotokoll.

«Packet Radio», für die anderthalb Leser, die sich daran noch erinnern.

Es geht hierbei eher um die Möglichkeiten der Fach- und Sachkundigen, der normale Endverbraucher muss in jedem Fall auf irgendjemanden warten.

Hier zitiert nach Tim Wu, «The Master Switch – the Rise and Fall of Information Empires», New York: 2011. Lee de Forest hat später eine der wichtigsten elektronischen Erfindungen des 20. Jahrhunderts beinahe aus Versehen gemacht, nämlich die Triodenröhre, bekannt aus frühen Radios oder Gitarrenverstärkern.

Stand: Juli 2012.

Videokassetten waren im ausgehenden 20. Jahrhundert ein analoger Datenträger für Filme. Das bekannteste Format hieß VHS, dabei handelte es sich um eine zigarrenkistengroße, meist schwarze Plastikbox, in der ein wiederbeschreibbares Magnetband zwischen zwei Spulen hin- und hergewickelt wurde. Die Bildqualität war schlecht und die Technik störanfällig, sie wurde bei ihrer Einführung dennoch gefeiert.

12. Die Nackten und die Daten

Die Einführung des Personenkennzeichens scheiterte zunächst am Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages, der das Vorhaben für unzulässig erklärte. Die Kennzahl kam erst 2007 in Form der neuen Steuer-Identifikationsnummer. Der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück erhielt dafür im selben Jahr den «Big Brother Award» in der Kategorie «Politik».

Facebook war 2007 in Deutschland noch kein Thema, in dem Artikel ging es vor allem um Kreditkartendaten, Schufa-Einträge, Bonusprogramme und RFID-Chips.

«Post Privacy: Prima leben ohne Privatsphäre», C. H. Beck, 2011. Das Postprivatleben des Autors ist recht ausführlich unter www.plomlompom.de/PlomWiki/ dokumentiert.

Wobei es mit dieser Anonymisierung nicht allzu weit her ist. In den letzten Jahren zeigten mehrere Studien, dass sich aus der Kombination einiger weniger Daten wie etwa den üblicherweise zurückgelegten Wegen, den Lieblingsbands, dem Geburtsdatum oder den Kontakten in den verschiedenen Netzwerken in vielen Fällen genau bestimmen lässt, um welchen Nutzer es sich handelt.

Im Fall der Homosexualität haben die Bürger durchaus von der Veröffentlichung sehr privater Daten profitiert: So wurden sie von unsichtbaren Einzelnen zu einer sichtbaren Gruppe und damit einem Kommunikationspartner des Staates.

Das Bundesverfassungsgericht erklärte in seinem Volkszählungsurteil von 1983: «Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen.» Er werde womöglich auf die Ausübung von Grundrechten verzichten, was nicht nur die Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtige, sondern auch das Gemeinwohl.

Eine der frühen Auflagen der Privatsphärendebatte fand tatsächlich um 1900 herum anlässlich der Entdeckung der Röntgenstrahlen statt. Journalisten beschäftigten sich mit der Frage, ob jetzt die letzten Bastionen der Privatsphäre kapitulieren müssten, mit der Aussicht auf «ständige und unentrinnbare Öffentlichkeit» und der Unmöglichkeit, noch «irgendeine Zuflucht vor der Außenwelt zu finden». Es gab Kampagnen zum Verbot des «Röntgen-Opernglases» und röntgendichte Unterwäsche aus dem Versandhauskatalog.

13. Entfremdung und Nähe

Steven Berlin Johnson hat es 2005 in «Everything bad is good for you» benutzt. Quelleninteressierte mögen dieses gute Buch auf Englisch lesen, die deutsche Übersetzung hat sich so vergaloppiert wie der deutsche Titel «Neue Intelligenz».

Die Daten basieren auf einer Umfrage von Fittkau & Maaß von Ende 2010. Befragt wurden 37728 sogenannte Intensivnutzer. Allerdings ist dieser Begriff recht mutig gewählt angesichts der konkreten Definition von Intensivnutzer: «mindestens wöchentliche Nutzung».

Einsamkeit vs. Gemeinschaftsbildung

Bei praktisch allen größeren Veranstaltungen mit Netzthematik brechen Internet- und Mobilfunkversorgung auch 2012 noch wegen Überlastung zusammen.

«Piranhas sind sehr schreckhafte und schüchterne Tiere, die Konfrontationen lieber aus dem Weg gehen. Bei uns im Aquarium gehören sie zu den ängstlichsten Fischen», sagte Rainer Kaiser, Kurator des Berliner Zooaquariums, der Zeitschrift Focus 2008.

Einsamkeit vs. Gemeinschaftsbildung

Nach einer Studie des Tierpsychologischen Instituts der Universität Melbourne gehören Wombats zu den glücklichsten Tieren überhaupt.

14. Die Urheberrechthaber

Jeanette Hofmann hat schon 2006 im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung die Textsammlung «Wissen und Eigentum: Geschichte, Recht und Ökonomie stoffloser Güter» herausgegeben, deren Lektüre die Lektüre aller anderen Texte zum Urheberrecht überflüssig macht. (Eigentlich auch dieses Kapitels, aber wir haben die besseren Fußnoten.) Sie können den Band kostenlos unter bpb.de als PDF herunterladen oder für 4,50 Euro auf Papier bestellen.

1985 wurde die Leerkassettenabgabe aber doch beschlossen, Tonkassetten und Videobänder verteuerten sich um etwa 20 bis 60 Pfennig. Die Musikindustrie hatte ursprünglich das Zehnfache gefordert.

Allein im Jahr 2010 wurden über eine halbe Million Menschen in Deutschland wegen Urheberrechtsverletzungen abgemahnt und entrichteten dafür fast eine halbe Milliarde Euro. Diese Zahl beruht auf Erhebungen des «Vereins zur Hilfe und Unterstützung gegen den Abmahnwahn e.V.», der natürlich ein Interesse an möglichst alarmierenden Zahlen hat; dass die Größenordnung stimmt, gilt aber allgemein als unstrittig.

Ach, schauen Sie halt selber irgendwo nach, dafür ist es ja erfunden worden, das Internet.

«Mashup – Lob der Kopie» (Suhrkamp, 2011) ist ein Manifest für einen runderneuerten Urheberrechtsbegriff. Dirk von Gehlen untersucht nicht nur, was die digitale und damit verlustfreie Kopie für den Werksbegriff bedeutet, sondern betrachtet auch den kulturhistorischen Kontext, zum Beispiel die Entstehung des «Originals», einer Idee, die im Buch der «Mythos vom Original» heißt. Der Autor plädiert für ein reformiertes Urheberrecht mit einem deutlichen Drall in Richtung «Fügung in die technische Unvermeidbarkeit». Das Buch ist gut. Kopieren Sie es.

Ganz so weit ist es noch nicht: 1837 wurde in Deutschland eine Schutzfrist von zehn Jahren nach Erscheinen eines Werkes eingeführt, 1845 verlängerte man sie auf dreißig Jahre nach dem Tod des Urhebers, später auf fünfzig. Seit 1965 gilt in Deutschland eine Schutzdauer von siebzig Jahren.

Im Moment ist international eine Mindestschutzdauer von fünfzig Jahren vorgeschrieben.

Ausnahmen: Dominastudios, Internetkolumnen, Monopolisten.

Die erste Version dieses Kapitels sollte eine vollständige Auflistung aller Argumente pro und contra Urheberrechtsreform enthalten. Sie wurde aufgegeben, als sie die Größe Australiens erreicht hatte (8-Punkt-Schrift, beidseitig bedruckt).

Zukunftsszenarien

Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V.

Quelle für diese Zahlen: www.informationisbeautiful.net/2010/how-much-do-music-artists-earn-online/

Das haben wir uns nicht ausgedacht, es existiert wirklich.

Die Wikipedia dazu: «Im Vorfeld und auch nach Einführung des Gesetzes war die Diskussion sehr emotionsgeladen, da die Autoren sich ausgebeutet und die Verlage sich ihrer Wirtschaftlichkeit beraubt sahen.»

www.dklevine.com/general/intellectual/againstfinal.htm

Der Verbraucherzentrale Bundesverband vzbv fordert zum Beispiel, dass Abmahnungen generell maximal 100 Euro kosten dürfen, wenn urheberrechtlich geschützte Inhalte ohne Gewinnabsicht genutzt werden. Auch das Bundesministerium der Justiz plant einem Anfang 2012 veröffentlichten Dokument zufolge eine Senkung des Streitwerts bei der Verletzung von Urheberrechten. (Bisher werden für den Upload eines einzelnen urheberrechtlich geschützten Werks Streitwerte bis zu 10000 Euro angesetzt.) Bei unberechtigten Abmahnungen sollen die Abgemahnten die Kosten für ihren eigenen Anwalt zurückerstattet bekommen. Der Entwurf wird von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion blockiert, die stattdessen weitere Verschärfungen fordert.

In dem ganz zu Anfang erwähnten BPB-Sammelband.

15. Mark Zuckerbergs Brille

Eine Erklärung des impact factor findet sich im Kapitel 7.

Deutsch: «Filter Bubble: Wie wir im Internet entmündigt werden», Hanser Verlag, 2012.

Davon, dass sich die Ineffizienz gar nicht so widerstandslos durch Geräte aus der Welt schaffen lässt, sondern oft nur einen Schritt zur Seite macht, ist schon im Kapitel über Fortschritt die Rede gewesen.

Autoritäten, beliebte und weniger beliebte

Was das für Folgen haben kann, sieht man am Berliner Telefonbuch, in dem 2009 die ersten 187 Einträge vom «A.A.A.A.A.A.A.Schlüsseldienst» belegt waren.

Die Filterbubble im Kopf

Vor allem in Kombination mit einer komplett erratischen Menüführung in den Konten- und Nutzereinstellungen wie bei Facebook.

Solche Abwägungsprobleme zwischen Benutzbarkeit und Optionsvielfalt gibt es an vielen Stellen der Welt. Apple-Anhänger schwören auf die Benutzerfreundlichkeit, Linux-Anhänger auf die freie Konfigurierbarkeit ihres Betriebssystems. Wer eine Mikrowelle kaufen will, muss sich entscheiden, ob er einen einzigen Drehschalter bevorzugt oder ein Gerät haben möchte, mit dem man grillen, überbacken und Stahllegierungen herstellen kann, das aber mit einem 500-seitigen Benutzerhandbuch ausgeliefert wird.

Klassische Medien, Beratung im Fachhandel, Zufall.

www.thefilterbubble.com/10-things-you-can-do

16. Maschinenherz

Der Volltext des Werkes findet sich bei zeno.org, und zwar in der hier auch zitierten Übersetzung des deutschen Großsinologen Richard Wilhelm aus dem Jahr 1912. Wir haben das Ziehbrunnenbeispiel aber nicht dort gefunden, sondern in Michael Gieseckes «Der Buchdruck in der frühen Neuzeit» (Suhrkamp, 1991).

Wie es etwa der in diesem Buch schon viel zu oft erwähnte Joseph Weizenbaum getan hat.

Als die New York Times und die Washington Post das Manifest veröffentlichten, erkannte Kaczynskis Bruder den Schreibstil wieder und verständigte die Polizei. Dem Unabomber wurden sozusagen seine eigenen Thesen zum Verhängnis. Die deutsche Übersetzung flottiert ohne erkennbaren Übersetzer frei im Netz.

Quelle: Internet.

«Wir nennen es Arbeit», Heyne, 2006.

Eine Nachbarreligion des Daoismus.

Details: John Markoff, «What the Dormouse Said: How the Sixties Counterculture Shaped the Personal Computer Industry» (2005).

Und der ganze Rest

Mit dem Begriff der technologischen Singularität bezeichnen manche die zukünftige Entwicklungsphase, ab der Maschinen intelligenter als Menschen sein werden und damit intelligent genug, um sich selbst zu verbessern und so den Fortschritt zu automatisieren. Niemand weiß, was dann passiert, und einige wollen es auch lieber nicht wissen.

Aus Urheberrechtsgründen sogar oft noch etwas problemloser als vor dreißig Jahren erschienene.

Zum Erscheinungszeitpunkt war sowohl die Bündelung von Papier- und digitalem Buch neu als auch der Verzicht auf einen harten Kopierschutz. Zumindest für große, insbesondere für deutsche Verlage.

Können andere Menschen mal aufhören, immer diese anderen Meinungen zu haben? Das macht alles so unnötig anstrengend.

Jan Bölsche, Twitter, 3. März 2009

Unbestreitbar: das Netz verändert die Welt. Die Frage aber, ob zum Guten oder zum Schlechten, ist nicht so eindeutig zu beantworten, wie die Verfechter beider Ansichten es gern hätten. Die einen bewegen sich in einem Feld zwischen fortschrittsgläubiger Naivität und selbstbewusstem Optimismus, die anderen verharren zwischen gesunder Skepsis und verbittertem Pessimismus. In der Diskussion steht oft Bauchgefühl gegen Bauchgefühl, und Argumente werden nur akzeptiert, wenn sie zu diesem Gefühl passen. Einen ärgerlich großen Raum nehmen reflexhafte Phrasen und kaum belegbare Behauptungen ein, verbunden zu einem emotionalen Amalgam, das mehr die Gruppenzugehörigkeiten festigen als irgendjemanden überzeugen soll. Regelmäßig lassen sich Diskussionspodien, Talkshowkonfrontationen und Artikelgefechte beobachten, deren Teilnehmer weniger an der Vermittlung und Erklärung interessiert sind als an der Selbstvergewisserung, und oft genug waren diese Teilnehmer die Autoren des vorliegenden Buches. Der dringend notwendige Diskurs um das Internet, seine Bedeutung für unser Leben und seine Folgen für die Welt ist ritualisiert und erstarrt. Die Diskussionsteilnehmer laben sich am Gefühl der eigenen Wichtigkeit, das Gegenüber verstärkt dieses Gefühl – denn ein Pluspol ist nichts ohne einen Minuspol und umgekehrt.

Was Politiker, Journalisten, Verleger, Blogger, Datenschutzbeauftragte, Musikmanager, Optimisten und Pessimisten allerdings nicht daran hindert, immer wieder dieselben Argumente auszutauschen. Und so geht das nicht erst seit gestern. Die Risiken, die der Einsatz von Computern mit sich bringt, werden seit den siebziger Jahren diskutiert. Ob Maschinen die Welt verbessern oder nicht, beschäftigt die Menschheit seit mindestens zweihundert Jahren, ebenso wie die Frage, ob technische Weiterentwicklungen Arbeitsplätze schaffen oder vernichten. Soll jeder einfach alles veröffentlichen können, was er sich so ausgedacht hat? Wie soll sich noch irgendjemand in der dadurch entstehenden Informationsflut zurechtfinden? Diese Themen waren schon vor der Einführung des Buchdrucks umstritten.

Die Recherchen zu diesem Buch haben eine zuvor nur vage vorhandene Ahnung bestätigt: Die Diskussion, die heute vom Internet handelt, ist weitgehend unverändert seit Jahrhunderten im Gang, wir sind Marionetten, die ein uraltes Stück aufführen.

Bauch – Hose

Autor – Deadline

Dagobert – Klaas Klever

Staub – Wedel

Schwerkraft – Entropie

Figur im linken Wetterhäuschen – Figur im rechten Wetterhäuschen

Kasperle – Krokodil

ein ultimatives Schlussbier – ach, noch eins

Death Metal – Power Metal

Popper – Adorno

Punk – Popper

Popper – Lakatos

Roadrunner – Wile E. Coyote

brenne auf, mein Licht – nur meine liebe Laterne nicht

Wenn sich über derart lange Zeiträume lediglich die aktuellen Symptome ändern, die Diskussion aber lebendig bleibt, zeigt das: Es handelt sich eben nicht um ein Verständnisproblem, das sich in Bälde durch den Generationenwechsel von allein lösen wird, sondern um einen dauerhafteren, komplexeren Konflikt, mit dem wir einen Umgang finden müssen.

Es ist also Zeit für ein wenig Völkerverständigung: Was sagen die Skeptiker? Was die Optimisten? Und was meinen sie damit eigentlich? Dieses Buch soll beiden vermitteln, dass die andere Seite Gründe für ihre Haltung hat und nicht aus unbegreiflich vernagelten Personen besteht. Oder jedenfalls nicht nur. Eine Lösung im Sinne versöhnlicher Antworten enthält dieses Buch aber nicht. Schon weil es gar keine Lösung gibt, mit der alle zufrieden wären. Letztlich wollen mehr oder weniger alle Beteiligten die Welt besser machen, sie haben nur

Wir schreiben dieses Buch natürlich nicht zufällig genau jetzt. Beide Autoren haben ein Alter erreicht, in dem man auch ganz ohne historische Kenntnisse bei einigen Debatten feststellt: Moment, das hatten wir doch schon mal. Gleichzeitig wachsen Anhänger des noch Neueren heran, die unsere Position bedrohen. Die Statistik spricht dafür, dass wir uns ab jetzt allmählich verpuppen werden und in ein paar Jahren mit dem Verfassen nostalgischer Klagen über das schöne Internet von früher sowie schlecht gelaunter Zukunftsprognosen beginnen. Im Moment aber stehen wir noch mit einem Bein in beiden Welten und können deshalb über beide schreiben.

Das Buch ist praktisch stufenlos verstellbar. Zu Beginn werden die Themenfelder behandelt, die selbst hartnäckige Internetverweigerer beschäftigen dürften, weiter hinten geht es dann um wesentliche Fragen des digitalen Alltags. Es gibt Kapitel für jedes Interesse und jeden Kenntnisstand. Einige Kapitel enthalten am Ende einen Anhang mit schlechten Argumenten. Wir wollten die Diskussion optimieren, weshalb wir zeigen, auf welche Argumente man verzichten kann und warum. Das spart Zeit und erhöht die Chance, dass die Debatte fruchtet, bevor alle Beteiligten versterben.

In den ersten vier Kapiteln werden einige Probleme erklärt, die Diskussionen und Technologien ganz allgemein betreffen. Im ersten Kapitel geht es um Verständigungsschwierigkeiten in Debatten, insbesondere zwischen Technikoptimisten und Technikskeptikern. Die unter anderem daher rühren, dass man selbst dann subjektiv argumentiert, wenn man fest davon überzeugt ist, objektiv zu sein, und dafür sogar Studien und Zeugen sonder Zahl aufbringen kann. Danach geht es um die Vor- und Nachteile der Metapher als

Das dritte Kapitel handelt vom schwierigen Umgang mit allem Neuen. Die einen halten das Neue grundsätzlich für den Untergang des Abendlandes, die anderen vermuten in jedem neuen Gadget diesmal aber wirklich den Bringer des Weltfriedens. Warum ist es so schwer, einen entspannten Umgang mit dem Neuen zu finden? Und schließlich geht es um die Frage, was eigentlich mit dem oft zur Rechtfertigung von Veränderungen herbeibemühten «Fortschritt» gemeint ist. Gibt es ihn überhaupt? Und wenn ja, worin äußert er sich? Lebensglück? Reichtum? Geschwindigkeit der Internet-Anbindung?

Direkt danach kommen wir bereits zur eigentlichen Sache. Das fünfte Kapitel widmet sich der Disruption, also der schöpferischen Zerstörung und dem Umstand, dass es zwar aus der Ferne lustig anzusehen ist, wenn sie den Stummfilm oder irgendeine andere Branche dahinrafft, in der man nicht selbst tätig ist. Bis man kurz nicht aufpasst und der eigene Arbeitsplatz durch eine iPhone-App für neunundneunzig Cent überflüssig gemacht wird. Im sechsten Kapitel geht es um die Beschleunigung, die im Prinzip seit ihrer Erfindung beklagt wird. Aber beschleunigt sich mit dem Internet jetzt sogar die Beschleunigung selbst in einem Maß, das uns endgültig überfordert? An dieses Kapitel schließt sein zweieiiger Zwilling an, die Informationsüberflutung. Schon vor der Erfindung des Buchdrucks war mehr aufgeschrieben worden, als ein einzelner Mensch je hätte verarbeiten können, und trotzdem dreht sich die Erde weiter. Sind also alle diesbezüglichen Probleme mit der digitalen Datenflut bloß ausgedacht und eingebildet? Wobei nicht nur die Menge der Informationen ständig wächst, sondern auch und vor allem die Menge an Quatsch, der so dahinbehauptet wird. Damit sind wir schon mitten im

Das daran anschließende neunte Kapitel über Kollektive und Kollaborationen untersucht, was die Vielen und ihre angebliche oder tatsächliche Weisheit im Internet so bewirken und was nicht. Werden die genialischen Leistungen des Einzelnen überflüssig, oder verderben viele Köche auch digitalen Brei? Daran knüpft das zehnte Kapitel über Politik mit Hilfe des Internets an, in dem es um Segen und Fluch der Digitalen Demokratie geht und darum, was das ist oder sein könnte. Wird durch Liquid Democracy, Piratenpartei und twitternde Politiker alles besser? Oder ist das nur Kommunikationskosmetik, und die parlamentarische, repräsentative Demokratie lässt sich auch durch das Netz so schnell nicht ändern? Es folgt ein Kapitel über den Handlungsrahmen der Politik, also über Regulierung. Wo und wie kann, darf, soll die Politik in das Internet eingreifen? Die Streitigkeiten darüber gehören zu den heftigsten, aber auch wirkungsvollsten Internet-Debatten. Wirkungsvoll insofern, als hier der öffentliche Diskurs messbare Folgen hat.

Das zwölfte Kapitel handelt vom Datenschutz. Ist die Privatsphäre längst weg, und wir haben uns nur noch nicht damit abgefunden? Oder kann entschlossenes Eingreifen des Gesetzgebers das Ruder noch herumreißen? Die Fronten verlaufen bei dieser Diskussion nicht entlang abgesteckter Lagergrenzen wie progressiv und konservativ, ahnungslos und hochinformiert, Feuilletonautoren und Techniker, sondern ganz woanders.

Nach dem Umgang mit persönlichen Daten im Netz geht es um den Umgang der Personen im Datennetz miteinander, im

Die sozialen Medien, zu deren Grundfunktionen das Teilen von Inhalten gehört, bohren in einer schon lange schwärenden Diskussionswunde. Das Urheberrecht wurde ab 2011, nicht zufällig mit den ersten Parlamentseinzügen der Piratenpartei, Gegenstand noch heftigerer Auseinandersetzungen als bisher und ist Thema unseres vierzehnten Kapitels. Digitale Kopien machen ohne Qualitätsverlust aus einem Ding zwei. Die bisherigen Gesetzes- und Geschäftsmodelle sowie Moralvorstellungen wollen zu dieser neuen Situation nicht mehr so recht passen. Oder?

Danach geht es um Filter- und Empfehlungsalgorithmen und um die Frage, ob wir uns von der Intuition und der Vielfalt menschlicher Empfehlungen zugunsten einer intransparenten, maschinengemachten Auswahl verabschieden. Führt diese Entwicklung zu einer Einengung unseres Horizonts? Sitzt das Problem im Kopf? Oder gibt es vielleicht gar kein Problem? Das sechzehnte und letzte Kapitel schließlich behandelt die Herrschaft der Maschinen. Werden wir selbst zur Maschine, sind wir Sklaven der Technik? Wie gefährlich ist die Benutzung von Ziehbrunnen? Sind Gesellschaft und warme Pullover vielleicht auch nur Technik? Am Ende steht ein Nachwort, in dem wir die ungeborenen Kapitel dieses Buchs betrauern.

 

Auch diesmal wird es wieder aufmerksame Leser und Rezensenten geben, denen auffällt, dass beide Autoren, trotz des