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© Verlag Friedrich Oetinger GmbH, Hamburg 2009

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Cover und Illustrationen von Barbara Scholz

E-Book-Umsetzung: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin 2014

 

ISBN 978-3-86274-095-6

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Diese Personen kommen in der Geschichte vor. Hier kannst du nachschlagen, wenn du dich mal nicht mehr erinnerst.

 

Käptn Klaas, Seeräuberhauptmann und Kapitän der »Wüsten Walli«, über den wir am Schluss etwas Erstaunliches erfahren

 

Nadel-Mattes, Seeräuber und Segelmacher auf der »Wüsten Walli«

 

Bruder Marten der Smutje, Seeräuber und Schiffskoch auf der »Wüsten Walli«

 

Haken-Fiete, Seeräuber und Steuermann auf der »Wüsten Walli« und leider nicht besonders schlau

 

Moses, ein Findelkind, das zuerst ein Seeräuberkind und Schiffsjunge wird und später etwas ganz anderes

 

Euter-Klaas, Schiffsziege auf der »Wüsten Walli«

 

Olle Holzbein, der größte Feind und Erzrivale von Käptn Klaas, Kapitän der »Süßen Suse« und ein sehr gefährlicher Seeräuberhauptmann

 

Hinnerk mit dem Hut, ein merkwürdiger kleiner Seeräuber und Matrose auf der »Süßen Suse«

 

Dohlenhannes, Schiffsjunge auf der »Süßen Suse«

 

Schnackfass, eine sprechende Dohle, die Hannes gehört und ohne die alles ganz anders gekommen wäre

 

Kalle Guckaus, ein Strandräuber, aber ein netter

 

Der Herr König und

 

Die Frau Königin, die viele Jahre lang sehr traurig waren

 

Der Oberhofzeremonienmeister, der aber nicht sehr wichtig ist

Achtung!

Hinweis für alle, die zufällig keine Seeräuber sind!

Diese Seeräuber mussten damals leider für alles ihre eigenen Wörter haben, und wenn du vielleicht kein Seeräuber bist – was ja sein kann! –, dann könnte es passieren, dass du mal eins davon nicht so gut kennst. Darum sind hinten im Buch alle Seeräuberwörter und Seeräubersachen noch mal extra aufgeschrieben und gemalt. Und andere schwierige Wörter und Sachen auch. Nur vorsichtshalber.

Und jetzt: Viel Spaß!

Und das heißt in der Seeräubersprache:

Mast- und Schotbruch! Guten Wind und allzeit eine Handbreit Wasser unter dem Kiel!

1. Teil,
in dem erzählt wird, wie Moses ein Seeräuberkind wird

1. Kapitel

in dem ein wilder Sturm tost und wir die Kerle von der »Wüsten Walli« kennenlernen

Es war eine wilde, stürmische Gewitternacht, als Moses zu den Seeräubern kam.

Die Blitze zuckten nur so am Horizont und dazu rollte der Donner über den Himmel mit einem Krachen wie ein rumpeliges Fass: Und alle Landratten, die schon seekrank werden, sobald sie nur die Deckplanken eines Schiffs unter ihren Füßen spüren, sollten jetzt vielleicht lieber nicht weiterlesen und sich stattdessen mit einer Wärmflasche und einer schönen Tasse Kakao gemütlich in ihr kuscheliges Bett legen. Denn in dieser Geschichte wird es noch öfter wild und gefährlich zugehen und der Sturm wird heulen und die See wird toben und die Seeräuber werden ihre Säbel schwingen, und vielleicht müssen einem überhaupt besser Seebeine gewachsen sein, wenn man die Geschichte von Moses vom Anfang bis zu ihrem glücklichen Ende hören will.

Ja, also wie gesagt, es war eine wilde, stürmische Gewitternacht, und auf der Seeräuberkogge »Wüste Walli« waren alle Kerle damit beschäftigt, das Schiff sturmklar zu machen.

»Alle Mann in die Rahen!«, rief der Kapitän (und was Rahen sind, kannst du dir vielleicht auf dem Bild ansehen oder hinten nachlesen, sonst müsste ich zu viel erklären), »Segel reffen!«

Da zischte die Mannschaft die Trossen hoch und reffte die Segel und brasste die Rahen, damit der Sturm die »Wüste Walli« nicht allzu sehr hin und her schleudern konnte; nur dagegen, dass der Blitz vielleicht in den Mast einschlug, konnten die Männer natürlich trotzdem nichts tun.

Und weil sie schon viele Gewitter auf See erlebt hatten und weil sie darum lauter sturmerprobte Kerle waren allesamt, banden sie sich zum Schluss jeder mit einem richtig sicheren Seemannsknoten, der Palstek heißt, noch einen Tampen um ihre Bäuche und das andere Ende befestigten sie am Mast oder irgendwo in den Klüsen, damit der Sturm sie nicht womöglich mit einer Bö vom Schiff pusten und das Meer sie nicht mit einer riesigen Welle vom Deck spülen konnte. Denn schwimmen konnten sie alle nicht und darum wäre so ein Bad ja vielleicht nicht so schön gewesen und hätte böse ausgehen können.

»So, jetzt hat man also getan, was man tun konnte«, sagte Haken-Fiete so zufrieden, als säße er zu Hause auf seinem gemütlichen Sofa. (Aber ein anderes Zuhause als die »Wüste Walli« hatte er nicht und ein Sofa schon gar nicht.) Dann sah er gespannt einem riesigen Kaventsmann entgegen, das war eine Welle, die gerade hoch wie ein Turm mit ziemlicher Geschwindigkeit und einem Kamm aus Gischt direkt auf den Bugspriet der »Walli« zugerollt kam. »Jetzt könnte man vielleicht ein kleines Trinkerchen brauchen.« Ein kleines Trinkerchen mochten die Seeräuber nämlich lieber als alles andere, das kann ich dir versichern, und ob sie es nun in einer schmuddeligen Hafenspelunke tranken oder im wildesten Sturm auf hoher See, das war ihnen eigentlich ziemlich gleichgültig.

Aber ihr Trinkerchen kriegten sie diesmal trotzdem nicht. Weil der Kaventsmann jetzt nämlich die »Walli« erreicht hatte und das Deck überspülte und alles durcheinanderwarf, was nicht niet- und nagelfest war, und das war einiges, auch die Männer. Denn wenn die auch natürlich seefest waren, niet- und nagelfest waren sie nicht, und darum purzelten sie also jetzt ziemlich hin und her. Aber zum Glück hatten sie ja alle ihren Tampen um den Bauch, da konnte nichts Schlimmeres passieren.

»Na, da ist man wenigstens endlich mal wieder richtig sauber geworden«, sagte Bruder Marten der Smutje zufrieden, als die Welle sich durch die Speigatten am Heck und an Backbord und Steuerbord vom Schiff gemacht hatte und es an Deck wieder beinahe ruhig war. »Du auch, Haken-Fiete, du hattest es nötig. Dich hätte ja vorher nicht mal deine eigene Mama wiedererkannt, bevor der Ozean mal den ganzen Dreck von deiner Seeräubernase gewaschen hat.«

Da hob Haken-Fiete seine Hakenhand und stieß ein fürchterliches Wutgeheul aus, denn wütend wurde er schnell und beleidigt sowieso, und darum musste der Käptn sich jetzt auch einmischen und brüllen und fragen, ob es denn nicht verdammich noch mal schon schlimm genug wäre, dass sie hier mitten auf dem Ozean im fürchterlichsten Gewitter steckten, und ob sie sich da auch noch gegenseitig die Köpfe einschlagen müssten.

Da senkte Haken-Fiete beschämt den Kopf und ließ auch seine Hakenhand sinken. Und übrigens hatte Bruder Marten der Smutje sowieso geschwindelt, als er gesagt hatte, dass er Fiete jetzt wiedererkennen konnte; denn die Gewitternacht war so finster und der Himmel so voller wilder Wolken, dass kein einziger Stern auf ihr Seeräuberschiff herunterschien und der Mond schon gar nicht, und außerdem prasselte der Regen wie ein dichter Vorhang auf das Deck. Darum konnte man in dieser Nacht nicht einmal die Hand vor Augen sehen, außer wenn gerade wieder ein Blitz den Himmel zerriss, und darum konnte Marten Smutje vorne auf dem Bugkastell natürlich überhaupt nicht erkennen, wie schwarz oder weiß Fietes Gesicht hinten am Achterkastell war. Aber ein bisschen Spaß musste schließlich sein, auch im Gewitter, und Leute, die immer gleich wütend werden wie Fiete, ärgert man natürlich besonders gerne, das weißt du ja.

Erst als der Morgen graute und sich endlich die ersten Sonnenstrahlen zwischen den Wolken hervortrauten, ließ der Sturm langsam nach und der Regen wurde zu einem ganz feinen Nieseln; und am Horizont sahen die Männer statt der wilden Blitze plötzlich einen Regenbogen.

»Ha!«, schrie Haken-Fiete. »Beim Klabautermann! Ein Schatz!«

Du kennst ja sicher auch den Aberglauben, dass da, wo ein Regenbogen die Erde berührt, ein Schatz vergraben ist; aber Nadel-Mattes der Segelmacher sagte ganz richtig, man hätte ja wohl noch nie davon gehört, dass man Schätze auch dort finden könnte, wo ein Regenbogen das Meer berührt, und Haken-Fiete wäre ja wohl dumm im Kopf.

Fiete wollte gerade wieder wütend werden (du weißt ja, das wurde er schnell und beleidigt außerdem), als der Mann oben im Ausguck, den man Krähennest nennt, plötzlich schrill und laut auf zwei Fingern pfiff.

»Käptn Klaas!«, brüllte er. »Schiffswrack an Steuerbord querab!«

Da flitzten all die wilden Seeräuber nach rechts (denn das ist auf einem Schiff die Seite, die Steuerbord heißt) und hängten sich über die Reling. Und was sie da sahen, zerriss ihnen wahrhaftig fast das Herz.

»Beim Klabautermann!«, sagte Haken-Fiete düster. »Da ist wohl nichts mehr zu machen.« Und er sah auf einmal ganz verzweifelt aus.

»Nee, da ist gewisslich nichts mehr zu machen«, sagte Bruder Marten der Smutje. »Die alte Schaluppe da geht unter mit Mann und Maus, da könnt ihr auf ab.«

Und das war leider die traurige Wahrheit. Denn in einem ziemlichen Strudel verschwand gerade so ungefähr eine halbe Seemeile entfernt das hölzerne Heck eines Schiffes im Meer, und dabei gab es ein fürchterliches gurgelndes Geräusch, bevor die Wellen endgültig über dem Wrack zusammenschlugen; und an die Menschen, die vielleicht noch an Bord waren und die der Strudel nun auf Nimmerwiedersehen mit in die Tiefe riss, mag ich gar nicht denken.

»Zu spät!«, sagte Nadel-Mattes und spuckte kummervoll einen Pflaumenkern in die Richtung, in der das Meer jetzt schon wieder glatt und friedlich in der Morgensonne glänzte, als hätte es nicht gerade einen Kahn verschluckt. »Oh Elend, Elend! Warum sind wir nicht früher gekommen, als noch was zu retten war?«

»Ja, warum sind wir nicht früher gekommen, als noch was zu retten war, verdammich?«, fragte Haken-Fiete, und fast sah er aus, als ob er gleich weinen wollte, der finstere Kerl. »Da geht sie hin mit Mann und Maus.«

Aber wenn du jetzt denkst, dass die Männer so klagten, weil sie es nicht mehr geschafft hatten, die Besatzung der Schaluppe vor den Fluten zu retten, dann hast du wohl noch nicht ganz verstanden, was für Gesellen diese Seeräuber waren.

»Vielleicht hatte sie Gold und Geschmeide an Bord!«, sagte Nadel-Mattes und schnäuzte sich in einen Zipfel seines schmutzigen Hemdes. »Dahin, dahin!«

»Oder vielleicht hatte sie Silber und Dukaten an Bord!«, sagte Bruder Marten der Smutje.

»Dahin, dahin!«, sagte Haken-Fiete, dem selten etwas Eigenes einfiel.

»Oder kostbare Gewürze!«, rief Nadel-Mattes wieder.

»Seide!«, schrie Bruder Marten der Smutje.

»Gepökelten Schweinebauch!«, stöhnte Haken-Fiete.

»Verdammich, verdammich!«, sagte jetzt auch Käptn Klaas, und dann starrten sie alle düster aufs Meer, das ihnen nun vielleicht gerade eine fette Beute geraubt hatte. Was aus den Menschen an Bord geworden war, war ihnen allen ganz gleichgültig, das hast du jetzt wohl begriffen.

»Ja, dahin, dahin!«, sagte Nadel-Mattes und schob die nächste Dörrpflaume in seine Backentasche, denn er hatte eigentlich kunstspucken wollen. Aber dann hellte sich sein Gesicht auf. »Könnte aber vielleicht auch sein, dass das da Olle Holzbein sein Kahn war, Käptn, und das wäre natürlich ein Segen.«

»Olle Holzbein sein Kahn?«, sagte der Käptn (und du hast natürlich gemerkt, dass das kein richtiges Deutsch ist; aber du musst ja bedenken, dass diese Seeräuber ziemlich raue Gesellen waren und eine Schule hatten sie nie von innen gesehen, da wollen wir ihnen mal verzeihen). »Tja, wenn das da eben Olle Holzbein sein Kahn war, dann hat dieses Unwetter der Welt wahrlich einen großen Segen beschert. Gottes Mühlen mahlen langsam, aber gründlich, wie das Sprichwort so sagt. Denn ohne Olle Holzbein ist die Welt besser dran, so wahr ich euer Käptn bin.«

»Ohne Olle Holzbein ist die Welt besser dran, beim Klabautermann!«, sagte Haken-Fiete, und so schnell er immer wütend wurde, so schnell wurde er auch immer wieder vergnügt. »Darauf müssen wir einen heben, was, Käptn? Ist noch ein Trinkerchen im Fass, Bruder Marten?«

Und während wir die Seeräuber in Ruhe ihr Trinkerchen nehmen lassen, will ich dir mal schnell erklären, wer dieser Olle Holzbein überhaupt war, damit du verstehst, warum die dummen Kerle seinen Untergang feierten.

Dieser Olle nämlich war Käptn Klaas´ größter Feind und Erzrivale, ein Seeräuberhauptmann genau wie er; und oft, wenn die »Wüste Walli« in den letzten Jahren ausgezogen war, um ein stattliches Handelsschiff zu kapern und ordentlich Gold und Dukaten und Gewürze und ich weiß nicht was noch abzuschleppen, war ihr Olle Holzbein mit seiner »Süßen Suse« zuvorgekommen und von der Beute war dann nicht einmal eine schäbige Silbermünze oder meinetwegen auch ein Fässchen Pfeffer übrig geblieben. Darum kann man vielleicht verstehen, dass den Männern auf der »Walli« eine Welt ohne Olle Holzbein wie eine bessere Welt erschien und dass sie das Ende der »Süßen Suse« ordentlich feierten. Nach der schrecklichen Nacht mit dem Tampen um den Bauch war ihnen sowieso ziemlich nach Feiern zumute, das kann man ja verstehen.

Und darum hätten sie auch beinahe das merkwürdige Dingsbums übersehen, das in der Flaute, die auf den Sturm gefolgt war, schon eine ganze Zeit auf den Wellen an Backbord neben ihnen hertrieb. Dann hätte es diese Geschichte überhaupt nicht gegeben, und das alles nur, weil diese Seeräuber immer einen bechern mussten.

2. Kapitel

in dem die Kerle merkwürdiges Treibgut auffischen

Dass es nicht so kam, lag einzig und allein an Nadel-Mattes dem Segelmacher.

Der nahm nämlich nicht ganz so viele Trinkerchen wie seine Seeräuberkollegen, und vielleicht deshalb oder vielleicht aus einem anderen Grund war er auch der Vernünftigste an Bord.

Während die anderen nun also alle grölend ihre hölzernen Becher schwangen und sie gegeneinanderdonnerten, dass es schepperte, schlenderte Nadel-Mattes an die Reling, um endlich ordentlich gegen den Wind zu spucken; das war seine Leidenschaft und darin machte ihm niemand so leicht etwas vor.

Und wie er nun also den Pflaumenkern mit der Zunge in seinem Mund hin und her rollte und dabei zufrieden seinen Blick über das Wasser schweifen ließ – denn ein weiteres Mal hatte der Klabautermann ja die »Wüste Walli« verschont und nicht in ein feuchtes Grab geholt –, wie er nun also so zufrieden seinen Blick über das Wasser schweifen ließ, da sah er an Backbord plötzlich etwas auf den Wellen treiben, und du ahnst vielleicht schon, was das war.

Aber Nadel-Mattes ahnte das nicht und darum brüllte er mit seiner lautesten Stimme: »Treibgut an Backbord querab, Käptn! Treibgut an Backbord querab!« Und »querab« heißt übrigens nichts anderes als »an der Seite« oder »daneben«, diese Seeleute müssen ja immer für alles ihre eigenen Ausdrücke haben.

Da tranken die Seeräuber blitzschnell ihre Becher leer und kamen zu Mattes an die Reling geflitzt, denn wenn Treibgut gesichtet worden war, musste man sich beeilen, das wussten sie.

»Och, Nadel-Mattes, das ist ja man bloß Lüttschiet!«, sagte Haken-Fiete enttäuscht, und vielleicht muss ich dir das auch schon wieder übersetzen. »Das ist ja nur Kleinkram!«, hatte Haken-Fiete gesagt, der war als Erster bei Mattes angekommen. Vielleicht hatte er ja gehofft, dass er da auf den Wellen doch noch eine Schatztruhe entdecken würde oder was weiß ich. Es hätte doch sein können, dass die »Süße Suse« zwar untergegangen war mit Mann und Maus, aber ein bisschen von ihrer Beute trieb vielleicht immer noch auf dem Meer, und nun konnte die »Wüste Walli« sich also daranmachen, diese Beute aufzufischen, so hatte Fiete sich das wohl gedacht.

»Ja, Lüttschiet hin oder her, hol mal den Enterhaken«, sagte der Käptn. »Lüttvieh macht auch Mist, wie das Sprichwort so sagt, und darum wollen wir nun mal gleich gucken, was das Meer uns da ausgespuckt hat.«

Inzwischen war das merkwürdige Dingsbums an Backbord immer näher an die Bordwand herangetrieben, und endlich war nun auch ganz deutlich zu erkennen, was es war: nichts anderes als eine hölzerne Waschbalje nämlich, so ein Zuber aus hölzernen Dauben mit einem metallenen Fassreif um die Mitte herum, in dem die Männer an Bord ihre Wäsche waschen konnten, sollten sie das auf ihrer langen Fahrt vielleicht einmal vorhaben, oder zur Not auch sich selbst. Aber vor Wasser im Gesicht hatten diese rauen Kerle ziemliche Angst, muss ich dir sagen, was ja eigentlich merkwürdig ist, wenn man bedenkt, dass sie doch ihr ganzes Leben auf dem Wasser zubrachten. So oft wie du wuschen die Seeräuber sich jedenfalls nicht, und nach, sagen wir mal, so acht oder zehn oder sogar zwölf Wochen ohne Seife müffelten sie alle ziemlich, das kannst du glauben. Aber es machte ihnen nichts aus, diesen Schmutzfinken, denn sie waren daran gewöhnt. Jedenfalls sahen ihre finsteren Gesichter Wasser meistens nur dann, wenn wie in dieser Nacht ein Kaventsmann über das Deck rollte und über ihnen zusammenschlug, so unglaublich das auch vielleicht klingt.

»Das ist ja man bloß eine Waschbalje«, sagte Bruder Marten der Smutje darum auch sehr enttäuscht; denn wenn es irgendetwas gab, das die Seeräuber auf der »Wüsten Walli« ganz bestimmt nicht gebrauchen konnten, dann war das eine Waschbalje, das verstehst du nun wohl. »Na, da hätte Olle Holzbein uns auch was Besseres hinterlassen können, das ist gewisslich wahr.«

»Hinterlistig bis zur Minute seines Todes!«, sagte Käptn Klaas. »Olle Holzbein ist so hinterlistig gestorben, wie er gelebt hat, der Schurke!«, und damit warf er selbst den Enterhaken nach der Waschbalje aus, denn darin hatte er Übung. Und verkommen lassen wollte er sie nicht, auch wenn sie ja eine große Enttäuschung war.

Die Balje, musst du dir vorstellen, schaukelte währenddessen auf den Wellen wie ein kleines Boot, und in ihrem Inneren konnten die Männer von oben von der Reling aus sogar noch ein Bündel Stoff erkennen, das war ein bisschen zerkrumpelt und hatte wohl gerade gewaschen werden sollen, dachten sie, bevor das Unwetter die Balje über Bord gerissen und allen Bemühungen um Reinlichkeit ein Ende bereitet hatte. Aber wer konnte denn sagen, ob unter dem Stoff nicht vielleicht doch noch ein Schatz verborgen lag, wenigstens ein ganz winziger Schatz? Ein paar klitzekleine Goldstücke vielleicht, die ein Matrose von der »Süßen Suse« da versteckt hatte, oder zur Not auch nur ein niedliches Fässchen Pfeffer. Jedenfalls hatte Käptn Klaas nicht vor, sich die Beute entgehen zu lassen, wie klein sie auch war.

»Denn wenn die abgegluckerte Schaluppe Olles ›Süße Suse‹ war, wer weiß, ob da in der Balje nicht der Blutrote Blutrubin des Verderbens liegt!«, sagte er, und da wurde es ganz still an Bord und als hätte ein kalter Hauch über das Deck hin geweht, und dann flüsterten die Seeräuber alle: »Der Blutrote Blutrubin des Verderbens! Der Blutrote Blutrubin des Verderbens!«, und daran merkt man ja schon, dass das etwas ganz Besonderes sein musste und etwas Gruseliges außerdem, aber was genau dieser Blutrote Blutrubin nun war, muss leider noch ein bisschen warten.

Denn als die Balje schließlich tropfend auf den Deckplanken stand, sahen die Seeräuber gleich, dass mit dem nicht zu rechnen war. »Tja, das war es denn nun!«, sagte Käptn Klaas. »Würde mich gar nicht wundern, wenn Olle Holzbein diesen Schiet noch fix extra über Bord geschmissen hat, um uns zu ärgern, als er gemerkt hat, dass ihn gleich der Klabautermann holt. Ich glaube, wir haben hier ein bannig feines Nachthemd für einen von euch!«, und er starrte voller Abscheu in den Zuber, denn das Tuch darin sah wirklich aus wie ein feines spitzenbesetztes und zierlich besticktes Damennachthemd. »Wer hätte gedacht, dass Olle Holzbein nachts in seiner Koje in so einem Rüschenkram schläft!«

»Igitt, igitt, beim Klabautermann!«, schrie Haken-Fiete, der sich ja von allen immer am schnellsten aufregte. »Weiberkram, verdammich!« Und er machte erschrocken einen so großen Schritt zurück, dass er fast gestolpert wäre. Denn Weiberkram war für die finsteren Kerle auf der »Wüsten Walli« fast das Allerschlimmste, und da siehst du mal, wie sehr das ewige Trinkerchen ihre Gehirne schon ganz muddelig gemacht hatte.

»Über meinen Bauch passt so ein feiner Damenfummel jedenfalls nicht, danket dem Herrn!«, sagte Bruder Marten der Smutje zufrieden, und das war die heilige Wahrheit. Sein Seeräuberbauch war so stattlich wie sonst keiner an Bord, was ja nicht weiter verwunderlich ist. Denn ein Smutje ist schließlich nichts anderes als ein Schiffskoch, falls du das nicht gewusst haben solltest, und darum musste Bruder Marten auch niemals hungern. »Wenn ich den Fummel da anzieh, zerplatzt die feine Seide wie eine pralle Schweineblase, das ist gewisslich wahr.« Und damit gab er der Balje einen kleinen Schubs mit dem Fuß, dass sie auf den geschrubbten Planken fast bis an die Reling schlidderte.

Aber Nadel-Mattes wollte zumindest noch mal nachgucken, ob sich nicht doch irgendwas Nützliches unter dem Rüschenschiet verbarg. Darum beugte er sich mit seinem alten Rücken ächzend über die Balje und unter dem Johlen seiner Kameraden griff er entschlossen zu.

»Hohoho, so ein Spitzennachthemd steht dir bestimmt bannig fein, Mattes, verdammich!«, rief Haken-Fiete und schlug sich mit seiner guten Hand auf die Schenkel vor Lachen. »Beim Klabautermann und allen seinen Nixen, was für ein schmucker Schrecken der Meere!«

Aber dann wäre er fast in Ohnmacht gefallen und alle anderen Seeräuber auf der »Walli« mit ihm. Denn aus der Balje unter dem Rüschenstoff hervor ertönte plötzlich ein Schrei, der war so kräftig und so laut, dass sogar der Käptn vor Schreck seinen Enterhaken fallen ließ.

Und damit, das hast du dir ja sicher schon gedacht, fängt unsere Geschichte erst so richtig an.

3. Kapitel

in dem die Seeräuber ein Findelkind finden und es auf den Namen Moses taufen

»Beim Klabautermann!«, sagte Nadel-Mattes, und mit einem kräftigen Ruck zog er das Nachthemd mutig aus der Balje und ließ es nachlässig auf die Deckplanken fallen, und dabei konnte jeder sehen, dass es gar kein Nachthemd war, sondern einfach nur ein feines weißes Tuch, das war über und über zierlich bestickt und mit Spitzen und Litzen und Rüschen besetzt. Na, da war es vielleicht ja nicht mehr ganz so peinlich. »Da drin liegt ein kleiner Säugling, Käptn Klaas! Olle Holzbein hat uns ein Kind untergeschoben!«

»In der Hölle schmoren soll er!«, schrie der Käptn und nun beugte auch er sich ganz, ganz vorsichtig über die Balje, um sich das Kind genauer anzusehen. »Hab ich nicht gesagt, der ist krötig und mall bis zur Minute seines Todes? Ein Balg! Was sollen wir denn mit Olle Holzbein seinem Balg anfangen?« (Und du merkst, es war wieder kein ganz richtiges Deutsch.)

»Ins Wasser schmeißen, Käptn«, sagte Haken-Fiete, nachdem er einen kurzen Blick auf das schreiende Bündel geworfen hatte. »Ist ja sonst zu nix gut, der Schiet.«

Aber da sahen Nadel-Mattes und Bruder Marten der Smutje und auch Käptn Klaas ihn doch voller Abscheu an. Denn raue Kerle mochten sie ja sein allesamt und ein gekaperter und versenkter Kahn lastete nicht auf ihrem Gewissen, aber dass sie nun ein unschuldiges Kind so einfach mir nichts, dir nichts über Bord geschmissen hätten, so weit ging ihre Schlechtigkeit dann doch nicht.

»Bist du noch ganz bei Trost, Fiete mit der Hakenhand?«, sagte Bruder Marten der Smutje. »Damit Gott der Herr uns beim Jüngsten Gericht straft mit Feuer und Schwefel und wir zur Hölle fahren?«

»Und da treffen wir dann womöglich auf Olle Holzbein, denn woanders als im Fegefeuer kann so ein Schuft ja nicht enden!«, sagte Käptn Klaas nach kurzem Nachdenken und schüttelte sich. »Bevor ich für alle Ewigkeit mit Olle Holzbein zusammen in der Hölle schmoren muss, nehm ich lieber sein Balg mit bis zum nächsten Hafen. Da geben wir es dann in einer Spelunke einer netten Dame und dann sind wir es los.«

Nadel-Mattes ging neben der Balje vorsichtig in die Knie. »Es ist ja außerdem gar nicht gesagt, dass es wirklich Olle Holzbein sein Balg ist!«, sagte er. Dann kitzelte er das winzige Kind ein klitzekleines bisschen am Kinn, und da lachte es ein helles keckerndes Lachen, das wollte gar nicht mehr aufhören und verzückte Mattes so, dass sich ein lächerliches Grinsen auf sein altes Seeräubergesicht stahl. »Es ist ja nicht gesagt, dass das Kind diesem Holzbein-Schurken gehört! Vielleicht hat Olle Holzbein es ja auch von einem reichen Handelsschiff geraubt oder von einem königlichen Kriegsschiff. Denkt doch mal, die feinen Spitzen, in die es gewickelt ist!«

Und in allerfeinste Spitzen gewickelt war das Kind ja tatsächlich, nur dass die inzwischen ziemlich durchgeweicht waren von diesem und jenem.

»Hm, hm, hm«, sagte der Käptn und kratzte sich am Bart. »Dann könnte man ja vielleicht sogar noch ein Lösegeld für das Balg kassieren! Gold und Silber lieb ich sehr, wie das Sprichwort so sagt.«

Da starrten die Seeräuber plötzlich mit einem ganz anderen Blick auf das Kind, denn ein Säugling, den Olle Holzbein vielleicht einer reichen Dame gestohlen hatte und für den man also womöglich ordentlich Lösegeld kassieren konnte, war ja fast so viel wert wie Gold und Geschmeide.

»Dann müssen wir ihn behalten, Käptn«, sagte Fiete entschieden und nun kitzelte er das Kind sogar selbst probehalber ein bisschen unter dem Kinn. Und als es vor Lachen gluckste und zappelte und mit seinen kleinen Ärmchen nach ihm griff, stahl sich ganz langsam ein zahnloses Lächeln auf sein schmutziges Seeräubergesicht. »Guck, was das für ein fixer Bengel ist! Aus dem wird mal ein prächtiger Kerl und Seeräuber, das kann man sehen.«

Da hob der Käptn das Kind ein wenig unbeholfen aus der Waschbalje und hielt es am ausgestreckten Arm so weit von sich weg, wie das nur ging, um es genauer zu inspizieren. »Und dass wir das hier gerettet haben, wird uns Gott der Herr beim Jüngsten Gericht als gute Tat anrechnen, Männer!«, sagte er zufrieden. »Dann kommen wir in den Himmel zu den Engeln und müssen nicht mit Olle Holzbein im Fegefeuer schmoren.«

Und damit war es ausgemacht.

»Aber einen Namen muss er haben«, sagte Nadel-Mattes, als das Bündel am ausgestreckten Arm von Käptn Klaas schon wieder anfing zu brüllen. »Sonst weiß man ja gar nicht, was man zu ihm sagen soll, wenn er schreit.« Und er nahm dem Käptn das namenlose Bündel kurzerhand ab und wiegte es ein bisschen ungeschickt auf seinen alten Armen, bis es ruhig wurde.

»Eine kräftige Stimme hat er, Donnerwetter!«, sagte Haken-Fiete und grinste noch immer zahnlos und verzückt. »Doch, doch, das wird mal ein prächtiger Kerl und Seeräuber, verdammich!« Und dann kitzelte er das Kind auf Mattes´ Arm, und als es wieder anfing, sein helles Lachen zu lachen, wurde Fietes Grinsen nur noch breiter.

Und daran, dass das Kind ganz zufrieden damit war, bei Mattes auf dem Arm zu sein und von Fiete gekitzelt zu werden, merkst du wohl, dass ihm der ganze Dreck in den Ohren und auf den Gesichtern der Seeräuber und auch das Gemüffel aus ihren Kleidern nicht das allerkleinste bisschen ausmachte.

»Tja, einen Namen muss er haben«, sagte der Käptn und sah wohlgefällig auf seinen winzigen neuen Matrosen. »Da hat Nadel-Mattes recht. Und den Namen musst du ihm geben, Bruder Marten, denn du verstehst von uns allen am meisten von der heiligen Taufe, will mir scheinen.«

Das kam daher, weil Bruder Marten der Smutje ein entlaufener Mönch war, die gesellten sich damals in den finsteren Zeiten gar nicht so selten den Seeräubern zu, wenn ihnen das Leben im Kloster zu langweilig oder zu anstrengend oder sonst irgendwie nicht mehr so recht war; und ein Mönch ist ja natürlich wirklich fast so etwas wie ein geistlicher Herr, wenn auch nur fast. Und zu den Aufgaben eines geistlichen Herrn gehörte es eben auch damals schon, den Kindern bei der heiligen Taufe ihren Namen zu geben, mochten sie auch noch so brüllen und zappeln, wenn ihnen dabei das Taufwasser über ihr Gesicht tropfte. Da hatten Käptn Klaas und seine Seeräuber doch Glück, dass auf der »Wüsten Walli« ein Mönch zur Stelle war, gerade als sie ihn am dringendsten brauchten.

Bruder Marten mit seiner Küchenschürze trat also vor und sah das Kind lange und nachdenklich an, und das gluckste und zappelte immer noch so, dass auch dem alten Smutje sein finsteres Seeräuberherz schmolz.

»Moses sollst du heißen!«, sagte Bruder Marten nach einigem Nachdenken schließlich feierlich und dabei schüttete er ihm mit einer Suppenkelle ordentlich Wasser aus der Trinkwassertonne über den kahlen kleinen Kopf. Und weil das Kind danach sein Gesicht verzog, als ob es gleich wieder anfangen wollte zu weinen, kitzelte er es noch schnell unter dem Kinn und legte es zurück in die Balje. »Guu, guu, guu! Da lacht er wieder, unser kleiner Moses.«

»Ist die Taufe damit schon vorbei?«, fragte Haken-Fiete und drängte sich zwischen Bruder Marten und Nadel-Mattes, weil er das Findelkind unbedingt auch noch mal kitzeln wollte. Es passierte ihm sonst ja nicht so oft, dass die Menschen sich freuten, wenn er sie kitzeln kam, und da wollte er das nun mal weidlich ausnutzen. »Guu, guu, guu, kleiner Moses!«

»Aber warum denn Moses?«, fragte Nadel-Mattes unzufrieden und jeder konnte sehen, dass er sich ärgerte, weil jetzt alle den zukünftigen kleinen Seeräuber kitzeln durften, nicht mehr nur er. »Warum nicht Klein Klaas nach unserem Käptn oder Mattes nach mir, weil ich ihn gefunden habe?«

Bruder Marten schüttelte den Kopf. »Da sieht man mal, wie viel du von der Heiligen Schrift verstehst, Mattes Segelmacher!«, sagte er. »Wärst du vielleicht ab und an mal in die Kirche gegangen, solange du noch kein sündiger Seeräuber warst, dann wüsstest du jetzt, dass der Moses in der Bibel als kleines Kind auch auf dem Wasser ausgesetzt war wie unser Moses hier! Und das Wasser hieß Nil und war ein großer Fluss im fernen Afrika, und der kleine Moses schaukelte da ganz vergnügt auf den Wellen in einem Weidenkorb, bis ihn eine ägyptische Prinzessin fand und rausfischte und zu ihrem Sohn nahm, amen.«

»Amen«, sagte Fiete vorsichtshalber auch, aber dann kratzte er sich am Kopf. »Aber unser Moses schaukelte ja nicht in einem Weidenkorb auf den Wellen, sondern in einer Waschbalje, verdammich!«, sagte er nachdenklich. »Und rausgefischt hast du ihn, Käptn Klaas, und du bist ja wohl keine ägyptische Prinzessin nicht, soweit ich weiß!« Er sah triumphierend in die Runde. »Jetzt warst du aber mal dösig, Bruder Marten. Du hast den falschen Namen ausgesucht.«

Aber keiner hörte ihm zu, obwohl er ja eigentlich irgendwie recht hatte.

»Teufel, bist du dösig, Fiete«, sagte Bruder Marten nur, was zwar sicherlich die Wahrheit war, aber an dieser Stelle trotzdem ungerecht; und dann drängelten die wüsten Kerle sich alle Mann um die Waschbalje und stritten sich darum, wer Moses als Nächster kitzeln durfte.

4. Kapitel

in dem das Findelkind den Seeräubern eine ziemliche Überraschung bereitet

Und weil das Meer nun ruhig in der Sonne lag und die Segel schlaff in der Flaute hingen, wäre das wohl auch noch eine ganze Weile so weitergegangen, wenn nicht …

Ja, aber das muss ich jetzt wohl mal der Reihe nach erzählen.

»Guu, guu, guu!«, sagte also Bruder Marten der Smutje und kitzelte das Baby am Kinn, dass es lachte und gluckste und zappelte, und »Guu, guu, guu!« sagten auch Nadel-Mattes der Segelmacher und Haken-Fiete, und sogar der Käptn sagte: »Guu, guu, guu!«; aber der räusperte sich vorher, als ob er sich nicht ganz sicher wäre, ob ein Seeräuberkäptn so etwas überhaupt sagen durfte; und ob ein Seeräuberkäptn ein kleines Kind in einer Waschbalje kitzeln durfte, wusste er auch nicht. Davon stand nichts in seinen Seeräuberregeln, und an die hielt er sich ja sonst immer.

Da standen sie also an Deck, diese wüsten Kerle, und kitzelten und gurrten: »Guu, guu, guu!«, und das Lächeln auf ihren schmutzigen Seeräubergesichtern war so verzückt, wie es das sonst nur war, wenn sie ein richtig stattliches Schiff gekapert hatten mit ordentlich Trinkerchen an Bord und Gold und Dukaten. Und sie hätten sicher noch ewig so weitergekitzelt und -gegurrt – denn viel Abwechslung brauchten diese dummen Gesellen nicht, um glücklich zu sein –, wenn Klein-Moses nicht nach einer Weile plötzlich ganz erbärmlich das Gesicht verzogen und angefangen hätte zu brüllen.

»Tja, eine kräftige Stimme hat er, beim Klabautermann, das wird mal ein kräftiger Kerl und Seeräuber!«, sagte Haken-Fiete wieder, denn dem fiel ja selten etwas Eigenes ein. Aber er sah doch ein bisschen beunruhigt aus, wie Moses nun überhaupt nicht mehr aufhören wollte zu brüllen, egal wie sehr sie ihn auch kitzelten und ihm über seinen glatzigen Säuglingskopf strichen.

»Das ist gewisslich wahr, Fiete mit der Hakenhand«, sagte Bruder Marten und versuchte noch ein letztes Mal, den kleinen Kerl mit einem besonders wilden Kitzeln zum Lachen zu bringen. »Und wenn ein Kind so schreit, wie dieses Kind hier schreit, dann fehlt ihm doch wohl etwas, will mir scheinen!« Und nun sah auch er ganz unglücklich aus, denn dass ihrem kleinen Moses etwas fehlte und es ihm schlecht ging, das konnten sie alle schon jetzt nicht mehr gut ertragen. Woran man ja sehen kann, dass ihre Herzen doch nicht ganz so verstockt waren, wie man hätte glauben können, wenn man sie sonst mit wildem Gebrüll eine Kogge entern sah.

»Vielleicht will es einen kleinen Humpen Bier, beim Klabautermann!«, sagte Haken-Fiete, denn ein kleiner Humpen Bier war das Erste, was ihm einfiel, wenn er selbst traurig war. »Gib ihm einen kleinen Humpen Bier, Bruder Marten, das gefällt unserem Moses bestimmt, verdammich!«

»Teufel, bist du dösig, Haken-Fiete!«, sagte Marten Smutje da voller Abscheu und dieses Mal hatte er ja wirklich recht. »Man darf Kindern doch kein Bier zu trinken geben, beim Herrn und all seinen Engeln!«

»Wenn einem kleinen Kind etwas fehlt«, sagte da zum Erstaunen aller Käptn Klaas, und er räusperte sich noch kräftiger, als er das bisher schon die ganze Zeit getan hatte, »dann hat es meistens die Windeln voll.«

Denn Käptn Klaas, du wirst es kaum glauben, hatte vor langer, langer Zeit und bevor er ein Seeräuber geworden war und ein wüster Geselle dazu, an Land auch einmal eine Frau gehabt und sogar fünf nette kleine Kinder, darum kannte er sich aus. Aber seinen Männern hatte er nichts davon erzählt, denn wer weiß, ob die ihm sonst noch gehorcht hätten.

»Die Windeln voll?«, sagte Haken-Fiete und sah so verwirrt aus, als hätte der Käptn gerade behauptet, dass vor ihnen ein gefährliches Seeungeheuer aufgetaucht wäre. »Unser Moses? So was macht der nicht!«

»Teufel, bist du dösig, Fiete!«, sagte Bruder Marten wieder. »Das machen alle kleinen Kinder. Und er ist auch schon ganz nass untenrum, unser Moses.«

Das stimmte tatsächlich, aber bisher hatten sie alle lieber so getan, als ob sie nichts davon merkten.

»Das ist ja man bloß vom Meerwasser!«, sagte Haken-Fiete versuchshalber und guckte Moses vorwurfsvoll an. »Weil er in der Balje geschwommen ist. Das ist bloß Meerwasser, sag ich dir, Marten, verdammich!« Aber jeder konnte sehen, dass er das selbst nicht mehr so richtig glaubte.

»Du musst mal nachgucken, Nadel-Mattes!«, sagte der Käptn und räusperte sich wieder. »Mach ihm die Windeln ab. Denn Windeln sind Weibersache, und du bist unser Segelmacher und kannst mit der Nadel umgehen, da kennst du dich mit Weibersachen von uns allen am besten aus, will ich meinen.«

Na, das war nun vielleicht der ungewöhnlichste Befehl, den Nadel-Mattes in seinem langen Seeräuberleben von seinem Käptn bekommen hatte.

Und kaum hatte er angefangen, Moses mit spitzen Fingern die vollen Windeln abzuwickeln, da begann der wieder ganz vergnügt zu quietschen. Daran konnte man ja sehen, dass neue Windeln haargenau das waren, was das Findelkind wollte.

Es kann natürlich sein, dass es aus seinen vollen Windeln ein kleines bisschen müffelte, wie es das bei Babys ja tut, aber das konnte Nadel-Mattes nicht schrecken. Denn wie du weißt, waren sie an Bord ohnehin ein ziemliches Gemüffel gewöhnt. Darum musste es also einen anderen Grund dafür geben, dass der alte Segelmacher plötzlich ganz erschrocken zurückzuckte und »Oh Elend, Elend!« sagte.

»Mattes, was ist los?«, fragte Käptn Klaas, der sich wie die anderen Männer auch ein paar Schritte an die Reling zurückgezogen hatte. Denn beim Windelwechseln wollten sie nun doch nicht unbedingt zugucken. »Du bist ja auf einmal weiß wie ein Leintuch, Mattes Segelmacher! – Sogar weißer als jedes Leintuch, das ich je gesehen habe«, fügte er ehrlich hinzu und kratzte sich am Kopf. »Du wirst uns doch nicht in Ohnmacht fallen wegen so einer kleinen Portion Kinderschiet?«

Aber Mattes schüttelte nur immerzu den Kopf und starrte auf die Balje, aus der es nun wieder ganz vergnügt lachte und gurrte. Und schließlich drehte er sich zum Käptn um und legte die Hand an seine Stirn, als ob er salutieren wollte. »Nee, wegen dem Kinderschiet ist das gewiss nicht, Käptn Klaas!«, sagte er. »Es ist nur – oh Kummer, Kummer! –, unser Moses ist wohl gar kein Moses!«

»Unser Moses ist gar kein Moses?«, fragte der Käptn. »Je nu, Mattes, du sprichst mir in Rätseln wie die geheimnisvolle Sphinx im fernen Ägypten!« Denn da war Käptn Klaas schon gewesen.

»Unser Moses«, sagte Mattes und dabei warf er noch mal ganz schnell einen Blick in die Balje; aber dann sah er genauso schnell wieder weg, »unser Moses ist wohl gar kein Moses, weil er – Elend, Elend! – gar kein kleiner Bengel ist, Käptn Klaas. Unser Moses ist wohl eher – eine kleine Dame, wenn ich so sagen darf!«

»Eine kleine Dame?«, fragte der Käptn und nun guckte er wirklich sehr erschrocken. Aber dann traute er sich doch vor und warf einen vorsichtigen Blick auf das Findelkind; und was er da zu sehen bekam, machte ihm auf einen Schlag klar, dass es wohl keinen Zweifel geben konnte. Wenn man einem Säugling die Windeln abmacht, dann sieht man, was es ist, ein Mädchen oder ein Junge, das ist noch heute so und das war schon damals so und ändern kann man daran gar nichts.

»Tod und Teufel!«, sagte der Käptn. »Mattes hat recht! Wir haben eine kleine Dame an Bord!«

Auch Haken-Fiete wagte jetzt einen Blick in die Balje. »Tod und Teufel, unser Moses ist eine Dame, beim Klabautermann!«, sagte er. »Und Weiber an Bord bringen Unglück, Käptn, das weißt du wohl.«

Denn die Seeräuber waren so abergläubisch, dass es knirscht, und sie glaubten tatsächlich, dass ihr Schiff versinken musste mit Mann und Maus, wenn sie eine Frau mit an Bord hatten, das war ein alter Seeräuber-Aberglaube; und darum war das, was da unter den Windeln zum Vorschein kam, nun wirklich ein Unglück für die »Wüste Walli«.

»Dann müssen wir unsere Moses jetzt wohl doch über Bord schmeißen!«, sagte Fiete mit einem weiteren Blick auf das zappelnde, lachende Bündel düster. »Obwohl es einem ja in der Seele wehtut, Käptn. Dafür, dass sie kein Bengel ist, kann sie ja eigentlich nichts, verdammich.« Und mit einem blitzschnellen Griff zog er die Windel wieder über Moses´ kleinen Bauch. Da war nun also nichts mehr davon zu sehen, dass Moses eine kleine Dame war, aber das half ja nichts. Schließlich wussten sie ja alle Bescheid.

»Immerhin kann sie brüllen wie ein Bengel«, sagte Bruder Marten nachdenklich, denn das tat Moses jetzt tatsächlich wieder. Sie mochte eben nicht gern eine nasse Windel umhaben, das ist bei kleinen Kindern so, egal ob sie ein Bengel sind oder nicht, und das hatte Moses ja vorher schon gezeigt. »Und ein kleines Kind über Bord werfen – nee, pfui Teufel, Käptn, ich glaub nicht, dass das dem Herrgott im Himmel wohlgefällig ist, auch wenn das Kind eine kleine Dame ist.«

Da nickte der Käptn nachdenklich und man konnte sehen, dass er sich jetzt wirklich in einer Zwickmühle befand und dass er das überhaupt nicht schätzte. »Vielleicht könnten wir es einfach vergessen?«, sagte er schließlich in die ängstlichen, erwartungsvollen Gesichter seiner Männer hinein. »Dass unser Moses kein Bengel ist? Wir tauschen sie ja sowieso bald gegen ein stattliches Lösegeld aus, wäre doch schade, das zu vergeuden. So lange soll sie denn an Bord bleiben dürfen meinethalben.«

»Hurra!«, schrie Haken-Fiete, aber dann schlug er sich ganz schnell seine Hakenhand vor den Mund. »Ich freu mich ja nur, weil es bald Lösegeld gibt!«, sagte er, und auch Nadel-Mattes und Marten Smutje waren mit der Entscheidung zufrieden, das konnte man sehen.

»Allerdings, Smutje, Moses kann sie jetzt nicht mehr heißen«, sagte Nadel-Mattes bedauernd. »Das siehst du wohl ein. Denn Moses ist ein Bengelname und der passt nicht für ein kleines Frauenzimmer.«

»Teufel, bist du dösig, Mattes!«, sagte Bruder Marten und das sagte er sonst ja eigentlich immer nur zu Haken-Fiete. »Eine christliche Taufe ist eine christliche Taufe vor dem Herrn, die kann man nicht einfach so rückgängig machen. Moses ist sie getauft mit unserer Suppenkelle und Moses soll sie darum heißen ihr Leben lang, amen.«

»Amen!«, sagte Haken-Fiete andächtig; und »Amen!« sagten auch Käptn Klaas und sogar Nadel-Mattes; und damit war es also abgemacht.

5. Kapitel

in dem Moses einfach nur größer wird

Ja, das war nun bestimmt etwas ganz Neues für die Männer auf der »Wüsten Walli« und etwas ziemlich Ungewöhnliches noch dazu; obwohl ja eigentlich gar nicht einzusehen ist, warum ein Kind nicht genauso gut auf einem Schiff aufwachsen konnte wie in einem Haus, selbst wenn es ein Seeräuberschiff war und das Kind eine kleine Dame.

»Saubere Windeln kriegen kann sie hier schließlich genauso gut wie irgendwo sonst!«, sagte Nadel-Mattes ganz vernünftig und dabei schnitt er für Moses neue Windeln aus einem alten Linsensack. »Auch wenn sie ja wirklich verflixt viele davon braucht, unsere kleine Moses.«

»Ja, das tut sie tatsächlich, unsere Moses«, sagte Haken-Fiete so stolz, als wäre das eine ganz besondere Leistung und nicht das Normalste auf der Welt für jedes kleine Kind. »Guu, guu, guu! Doch, doch, doch, tüchtig ist sie bestimmt, unsere kleine Dame!«, und er kitzelte Moses im Vorbeigehen ihren runden kleinen Bauch, denn inzwischen war er geradezu närrisch nach ihr, der alberne dumme Kerl, und er glaubte nicht, dass es ein wunderbareres Kind geben könnte auf Gottes ganzem Erdenrund, und wer gewagt hätte, das zu behaupten, der hätte seine Faust zu schmecken bekommen oder sogar seine Hakenhand, so viel ist mal sicher.

»Ja, tüchtig ist sie!«, sagte Bruder Marten auch und schaukelte ein bisschen an der winzigen Hängematte, die Nadel-Mattes für Moses aus altem Segeltuch geschnitten und am Achterkastell aufgehängt hatte. Denn ein Bett für sie hatten sie ja natürlich nicht an Bord, und darum schaukelten Moses nun Tag und Nacht Wind und Wellen in den Schlaf; und man hatte gewiss nicht das Gefühl, dass sie sich etwas anderes gewünscht hätte, denn sie schlief ganz prächtig und zufrieden, außer wenn sie gerade Hunger hatte oder wieder mal die Windeln voll.

Ein Bett für Moses zu beschaffen war also ganz einfach gewesen, wie du siehst, und jeden Abend, wenn die Glasenuhr den achten Schlag tat und die erste Nachtwache begann, die Abendwache heißt – und was eine Glasenuhr ist und eine Abendwache, das ist ein bisschen schwierig, darum kannst du vielleicht hinten im Buch nachgucken –, schaukelte Mattes sie also in ihrer Hängematte in den Schlaf und dazu sang er ihr sein allerschönstes Schlaflied.

»Wild tost die See und der Sturm braust laut!

Männer, wir müssen versinken!

Atschüs, mein Deern, meine kleine Braut!

Zum Trost wolln wir fix noch was trinken!«

Und wenn Moses dann immer noch nicht eingeschlafen war, obwohl Mattes der Hängematte doch geduldig einen sanften Schubs nach dem anderen gab, sang er ihr ganz leise auch noch die zweite Strophe.

»Wild spritzt die Gischt und der Donner rollt!

Ach weh, was wird aus uns Zechern?

Wenn uns nun gleich der Klabauter holt?

Drum lasst uns noch fix einen bechern!«

Aber weiter sang Mattes nur, wenn es mit dem Einschlafen nun überhaupt nicht klappen wollte, und das war so selten, dass du die dritte Strophe in diesem Buch wohl leider nicht kennenlernen wirst und das ist vielleicht auch besser so, denn die ist wirklich so seeräubermäßig und schauerlich, dass du danach bestimmt nicht so gut schlafen kannst.

Mit dem Essen allerdings ging es bei Moses leider nicht ganz so glatt wie mit dem Schlafen. Denn kleine Kinder trinken ja zuerst bei ihrer Mutter an der Brust, das weißt du natürlich, und eine Mutter gab es nun doch beim besten Willen nicht an Bord, auch wenn Mattes sich ja ziemliche Mühe gab. Und wenn die Seeräuber auch gerne bereit waren, Pökelfleisch und Dörrobst und Stockfisch und auch ihre ewigen Linsen mit Moses zu teilen, so wollte und wollte die kleine Dame das alles doch nicht essen und wurde dünner und dünner, egal wie viel Mühe Bruder Marten sich auch mit dem Kochen gab. Aber anderes Essen hatten sie auf der »Walli« nun mal nicht an Bord, denn du musst ja bedenken, dass es noch keine Kühlschränke gab damals und dass Seeleute auf ihren Reisen über das Meer darum nur solche Sachen mitnehmen konnten, die auch nach Wochen nicht verschimmelten oder verfaulten, und diese Sachen waren alle nicht besonders lecker, das kann ich dir versichern.

Darum wollte Moses eines Tages schließlich gar nicht mehr essen, noch nicht mal den Schiffszwieback, den sie unter Deck in einer Tonne verwahrten; aber wenn du gesehen hättest, wie viele Käfer und anderes Ungeziefer es sich längst darin gemütlich gemacht hatten und blitzschnell ans Tageslicht krabbelten, kaum war der Deckel von der Tonne gehoben, dann würdest du verstehen, warum Moses vom Zwieback auch nicht begeistert war. Obwohl Bruder Marten ihn ja immer gegen die Reling klopfte, damit die Käfer vor dem Essen alle herausfielen und wie eine wilde Meute hastdunichtgesehen! in den Ritzen zwischen den Deckplanken verschwanden.

»Nee, du, Marten Smutje, dein Zwieback ist wohl auch nichts für unsere Moses!«, sagte Haken-Fiete kummervoll. Er selbst aß wie all die anderen Seeräuber auch seinen Zwieback immer nur unter Deck im dunklen Laderaum, damit er nicht sehen musste, wie viel Krabbeliges er dabei gleich mit verschluckte. Aber daran waren die Seeleute damals gewöhnt, nicht nur die Seeräuber, und wegen so einer Kleinigkeit machten sie bestimmt keinen Aufstand.

Nur die kleine Moses war Käferzwieback eben nicht gewöhnt und wollte ihn auch nicht gewöhnt sein, und darum schrie und brüllte sie schon, wenn Nadel-Mattes ihr auch nur einen vor ihre Nase hielt, und die wurde vor lauter Hunger immer spitzer und dünner.

»Milch muss sie haben, Milch muss sie haben!«, sagte Mattes Segelmacher schließlich, und weil Haken-Fiete und Bruder Marten und auch Käptn Klaas das sofort einsahen, beschafften sie an Land eine Ziege. Da bleibt die Milch ja im Euter frisch und man braucht keinen Kühlschrank; aber wie sie die Ziege beschafften, erzähle ich lieber nicht, denn sie holten sie still und klammheimlich in einer Nacht einfach von der Weide und den Bauern fragten sie auch nicht, und dass sie für Euter-Klaas bezahlten, hast du wohl sowieso nicht geglaubt.

Ja, Euter-Klaas nannten sie ihre Ziege, weil sie über dem einen Auge einen schwarzen Fleck hatte, der sah haargenau so aus wie die Augenklappe von Käptn Klaas, und wie sie vorher geheißen hatte, wussten sie ja nicht. Nur als sie Euter-Klaas in ihrem Ruderboot zur »Wüsten Walli« schaffen wollten, stellte sie sich ein kleines bisschen an. Ich weiß ja nicht, was Ziegen alles gerne tun, aber Bootfahren gehört jedenfalls nicht dazu, das konnte man merken.

Von jetzt an trank Moses also jeden Tag ganz zufrieden ihre Ziegenmilch und sie wuchs und wurde immer kräftiger und ihr Gebrüll auch, aber das störte die Männer kein bisschen, sie brüllten ja selbst ziemlich viel. Und jeden Samstag, wenn Nadel-Mattes Moses in einer leeren Stockfischtonne badete (denn wenn die Seeräuber selbst auch so dreckig waren, dass es die Engel im Himmel grauste, so wussten sie doch, dass sich das für kleine Kinder nicht gehört), standen die wüsten Kerle mit einfältigen Gesichtern drum herum und gurrten und kitzelten, und es war ja wirklich kein Wunder, wenn dieses Kind bald glaubte, dass es das Allerherrlichste auf der ganzen Welt war, aber das ist für kleine Kinder vielleicht nicht das Schlechteste.

Und was für ein Geschrei die Seeräuber veranstalteten, als Moses zum ersten Mal auf den Topf ging und schon bald keine Windel mehr brauchte! (Übrigens war der Topf eine alte Suppenschüssel, was hätten sie sonst wohl dafür nehmen sollen? Aber man konnte sie ja immer wieder auswaschen.) Man hätte glauben können, Moses hätte gerade Amerika entdeckt, so aufgeregt und begeistert war die gesamte Mannschaft.

»Nee, du, dass sie so schlau ist!«, sagte Haken-Fiete verzückt, und dafür schenkte Moses ihm ihr schönstes zahnloses Lächeln, aber ganz zahnlos war es inzwischen schon lange nicht mehr, denn irgendwann wachsen den kleinen Kindern ja Zähne, und warum sollte das bei Moses anders sein.

»Nee, du, dass sie schon vier Zähne hat!«, sagte Haken-Fiete an dem Tag, als nach viel Geschrei und Gequengel endlich auch der vierte Zahn in Moses´ Mund aufgetaucht war, und es klang gerade so, als ob vorher noch nie ein Kind auf der Welt Zähne gekriegt hätte.

Und als Moses schließlich anfing zu krabbeln, waren sie alle vollkommen aus dem Häuschen, vor allem Fiete.