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IMPRESSUM

Rafael Robert Pilsczek

WIE ICH 10 TAUSEND

MENSCHEN NAHE KAM

© PPR Hamburg & Friends 2014

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Herausgeber:

PPR Hamburg & Friends

Rafael Robert Pilsczek M. A.

Sinstorfer Kirchweg 18

DE-21077 Hamburg

www.ppr-hamburg.com

Lektorat:

Dr. Iris Groschek

Korrektorat: Claus Rosenau M. A.

Titelfoto:

Chris Blecher (Kapstadt/München)

Satz und Layout:

Burghard Kripke

Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH

Norderstedt

Bildrechte:

Beim Autor

ISBN:

9783738668599

INHALT

Zitat

Für die beiden Panther Iris und Rebecca,
über die ich noch nie geschrieben habe und
über die ich nie schreiben werde

Aperitif: Rafael unter dem Ocker Marokkos

„ Das Leben in Freiheit ist wie ein langer großer Fluss von der Quelle bis zur Mündung, mal wirbelnd, mal gemächlich, mal kürzer, mal länger, mal breit, mal schmal, ja, ein Fluss eben; und dennoch ist ein jedes Leben nur eines in größter brutalster Unfreiheit, auch wenn der Fluss dann und wann mal über die Ufer tritt, da das Flussbett den Fluss immer in seine Grenzen weist und das Leben den Menschen und seinen Willen zur Freiheit immer in unüberwindbare Grenzen zwingt. Der Mensch wäre gerne aus seinem Flussbett herausgestiegen und hätte gerne den Horizont dahinter tatsächlich erreicht, ja, erreicht; das wollten die Besten unter uns Menschen auf jeden Fall immer wieder mit aller Kraft und aller Macht zu aller Zeit versuchen; das ewige steinige Flussbett wiewohl, so wie das Leben dazu, ist in aller Ewigkeit stärker und mächtiger als jeder Freiheitswille sogar eines einzelnen besonderen Menschen aus 10 Tausend unter ihnen – und so, so, so ist alles nur bald dahin, dahin, dahin, ohne jeden Sinn, ohne einen einzigen Sinn und nicht mal mit einem kleinen kläglichen tröstlichen Sinn. Aus diesem Grunde liebe ich dieses Leben nicht und lebe nicht in Freiheit darin, aber ich liebe jeden einzelnen Menschen, der in meinem Leben mein Einziger wurde und Teil der Rebellion gegen dieses Verbrechen an uns wurde.“

(Rafael Robert Pilsczek, Agadir/Marokko 2014)

Vorwort

Vorwort

Eine Reise zu den Menschen

Von Sven Lehmann

Das vorliegende Buch handelt von einem, der auszog, den Menschen zu lieben. Daraus ist ein bunter und unterhaltsamer Strauß von Berichten über Begegnungen aus fünf Jahrzehnten geworden. Freuen Sie sich auf ein kurzweiliges Lesevergnügen von in sich geschlossenen Erlebnissen, davon jedes einzelne ein Unikat, also eine einzigartige Begegnung mit Menschen wie Sie und ich.

Was für eine wunderbare Vorstellung ist es, die Begabung zu haben, unvoreingenommen, mutig und respektvoll auf fremde Menschen zuzugehen und diese dann auch noch für sich gewinnen zu können. Folgen Sie dem Autor dieses Buches auf seiner Reise zu 10 Tausend Menschen, die er vorher in seinem Leben nicht gekannt hatte – und Sie werden Menschen und Begegnungen kennenlernen, die Rafael Robert Pilsczek nicht mehr missen möchte.

Dabei ist der Autor kein Menschenfänger im klassischen Sinne, der zu einem Zweck Menschen sammelt, sondern er ist ein zweckloser Sammler von Menschen und der Nähe zu ihnen – und er ist das, was viele sein wollen: Er ist tatsächlich: ein Netzwerker. Wichtig ist ihm, die Menschen, die er traf, und die, die er trifft, nicht zu instrumentalisieren zu einem geschäftlichen, politischen oder anderem kühlen Zweck, sondern sie zu lieben, die Menschen, so wie sie sind, ihnen dabei aufmerksam zuzuhören und von ihnen direkt und nachhaltig zu lernen. Das ist seine Persönlichkeit, sein Wesen. Jede Begegnung, die er erlebt und geschaffen hat, sorgt dafür, ihn und oft auch sein Gegenüber zu bereichern und in irgendeiner Weise weiter zu entwickeln.

Das Folgende kennen Sie bestimmt: Auf einer Party, in der Bahn, auf der Straße oder einfach den Umständen geschuldet treffen Sie auf jemanden, von dem Sie glauben, es könnte sich lohnen, genau diesen Menschen anzusprechen, mit ihm in einen Dialog zu treten, vielleicht sogar in einen Diskurs, der von da ab ein Leben lang oder zumindest eine Zeit lang andauern könnte. Aber Sie tun es nicht, vermutlich, setzen den Plan, diesen Menschen einfach mal anzusprechen, nicht um. Warum? Das will ich ein wenig diskutieren. Warum wir Menschen kennenlernen könnten, es gleichwohl nicht häufig tun.

Ist es nicht die Essenz des Menschen, dass er zur verbalen Kommunikation fähig ist? Warum also nutzen wir diese Fähigkeit so selten, um in der Kommunikation neue Menschen kennenzulernen, die unseren Horizont erweitern, unserem Leben gar eine andere Richtung geben könnten, einen neuen Weg, einen neuen Pfad? Wäre es nicht wirklich schön, wie der Autor dieses Buches, jeden Tag loszuziehen und tatsächlich jeden Tag eine neue Begegnung aus und in der Nähe anzustreben? Daraus ergäbe sich, wäre es ein fortdauerndes Projekt von knapp 30 Jahren, dass auch wir 10 Tausend Menschen für die Ewigkeit kennengelernt hätten, so, wie es der Autor dieses Buches gemeistert hat. Das „RRP-Projekt“ läuft noch, ich weiß es von ihm, ein Projekt, das ihm ganz natürlich erscheint und anderen, wie mir, besonders erscheint. Und ich gehe gerne davon aus, dass sein Projekt, „System RRP“ bis zu seinem Lebensende fortbestehen wird. So ist er halt.

Folgen wir ihm auf den Spuren seines bisherigen Lebens – von seiner Kindheit bis in die Gegenwart und mit Ausblicken in die Zukunft. Reisen wir mit ihm in die Länder dieser Erde, zu den Menschen, zu Begegnungen, die diese Welt lebenswert machen. Seien wir Gast auf seinen beruflichen Stationen, lernen wir seine Freunde und Feinde kennen. Tauchen wir ein in seine Gedankenwelt und seine Reflektionen, wenn er in Los Angeles oder in Berlin, in Afrika oder seiner Heimat am linken Niederrhein unterwegs ist und geduldig seine Netze auswirft, wie ein Fischer in alten Tagen, der seinem Beruf und seiner Berufung nachgeht.

Schauen Sie ihm über die Schulter und lernen Sie in diesem Ratgeber, wie man Menschen nahe kommt, wie es geht, Menschen nahe zu kommen, denn es ist nicht wirklich schwer, man muss es halt nur tun WOLLEN. Und dies ist vermutlich der Schlüssel zu seinem Schaffen: Er hat es getan, weil er es tun wollte. Ich selbst habe ihn jetzt fünf Jahre lang erlebt, wenn er sich aufmacht, den nächsten Menschen zu erreichen. Es gelingt freilich – ganz klar – nicht immer, nicht jeder will, nicht jeder kann. Manches Entstandene zerbricht gleich wieder oder einige Zeit später vielleicht. Aber, gemessen an den vielen guten Begegnungen, die die Summe von Begegnungen ausmachen, wissen wir: Das gehört dazu. Rafael Robert Pilsczek ist natürlich nicht perfekt und immer erfolgreich in seinem Tun, Menschen nahe zu kommen, gleichwohl ist er erstaunlich beharrlich und vielleicht relativ einzigartig darin.

Das ist die Essenz meiner Meinung nach in seinem bisherigen Leben: das beharrliche, stete und unaufhörliche Wollen, Menschen nahe zu kommen.

Dabei ist der Buchautor selbstredend auch ein Getriebener, in sich voller Selbstzweifel und täglich spürbaren Versagensängsten, wiewohl vor allem eben auch immer voller Nächstenliebe und voller Anteilnahme. Wer ihn als Mensch kennenlernt, als Freund gewinnen kann, dem ist es, und das sage ich mehr stark als vorsichtig, viel wert, ihm nahe zu sein.

Ich selbst, der mit ihm manche besonderen Momente erleben durfte, darunter auch einfache Momente des Alltages, empfehle, einen genauen, präzisen Blick in sein Geleitwort zu werfen. Sein Vorwort bitte ich zu lesen, ob wir es als einen Text der Einstimmung verstehen auf das Buch oder im Rahmen seiner Beschreibung von Vorurteilen verstehen, die entstehen, wenn man sich nahe kommt. Sein Vorwort birgt nämlich auch die Zerrissenheit eines Menschen, kommt auf den durchaus schmerzlichen Punkt für einen, der auszog, Menschen liebevoll zu begegnen, und dafür Kraft, Mut und Respekt hat und sich trotz Enttäuschungen nicht vom Prinzip des Menschen-näher-Kommens entfernen möchte. Rafael Robert Pilsczek will es so, will so sein Leben gestalten, er kann es tatsächlich und er hat es tatsächlich gemacht, immer und immer ist er ausgezogen, Menschen als Mensch zu begegnen.

Was macht nun, um zum Schluss meines Vorwortes zu kommen, diesen unbestechlichen Reiz für jemanden aus, immer wieder loszuziehen und neue Kontakte, neue Lieben, neue Freundschaftsbande, neue Interessengemeinschaften usw. in einem fast schon weltweiten Netz an Menschen zu knüpfen? Beantworten kann dies am Ende nur jeder selbst für sich; ich glaube fest daran: Es ist der permanente Diskurs unter Menschen dieser Zeit über die großen Themen jeder Zeit, die den Menschen, und insbesondere den Autor, an dieser Stelle antreibt – seien es große und schwierige Themen wie Krieg und Frieden, das ewige Thema des Menschen an sich, die Liebe zu anderen und zu sich, oder das Thema „Freundschaft“, und es ist das schwierigste Thema von allen, und, ja auch der Tod spielt eine bedeutende Rolle, wenn wir verstehen wollen, wie jemand tickt. Auch Rafael Robert Pilsczek leitet sein Verhalten vom Ende des Lebens heraus ab und bestimmt sein Leben vom Tode her nach vorn. Das Vordringen zum Wesen der Dinge und gespiegelt in zehntausendfacher Variation stellt, es fällt mir kein anderes Wort ein, einen großen Schatz dar, den zu heben sich Rafael Robert Pilsczek in seinem Leben aufgemacht hat.

Ich durfte als ein Freund in der Stadt Hamburg, die er als seine Heimat beschreibt und in der er sich nach zwanzig Jahren des Eroberns doch wieder wie in einem Dorf vorkommt, ich durfte in den Genuss kommen, einer seiner Zehntausend zu sein – und seitdem habe ich andere aus seiner Schatztruhe, aus seinem Netzwerk kennen und lieben gelernt – und mit ihm Menschen ausgehoben, die in der Schutztruhe waren, sind oder vielleicht sein werden.

Er wird weitermachen wie ehedem, trotzig und unbeirrt, so kenne ich ihn. Tun wir es ihm gleich: Begegnen wir Menschen auf diese Weise, in Liebe. Und nehmen wir sie so, wie wir alle im Grunde sind: Menschen, die sich freuen, wenn andere freundlich zu ihnen sind, und Menschen, die sich freuen, wenn ihnen ohne Annahme und ohne großes Vorurteil begegnet wird.

Viel Vergnügen beim Lesen wünscht Ihnen

Sven Lehmann

Vorurteile, ein Vorwort, ein Scheitern

Maß und Mäßigung, wo es nur geht, für den, der Menschen nahe kommt

Von Rafael Robert Pilsczek

Vom Versuch, ein Vorwort zu meinem Büchlein „Wie man 10 Tausend Menschen nahe kommt“ wie in den alten Tagen hinzukriegen, als Schreiberinnen und Schreiber noch Buchstabe für Buchstabe, Wort für Wort auf weißes Papier brachten und Ruhe und Zeit sich nahmen, Wörter zu finden, für das, was ist.

Die Dichterinnen und Dichter in den alten Tagen brachten mit einem Stift und mittels ihrer Handschrift kluge Gedanken gemächlich auf das Papier und wussten, dass der Versuch eines Vorwortes scheitern wird. Ich schreibe nicht mehr gerne mit der Hand. Ich schreibe an einem Laptop. So ist es anders. Und vielleicht noch schwieriger, klug zu schreiben. Damals – wie für mich heute – wussten Dichterinnen und Dichter um die Herausforderung, ein Vorwort zu schreiben, WEIL sie ihr Buch als GANZES damit beschreiben mussten, obgleich sie noch in den TEILEN des ganzen Buches gefangen waren.

So war es mit dem Vorwort für viele unter ihnen in den alten Tagen, so dass manche Dichterin und so mancher Dichter tatsächlich das Bemühen, das Ganze in ein vorangestelltes Vorwort zu fassen, sie in kurzen und längeren Momenten des Verfassens so etwas wie...

...umbrachte.

Heute geht es ja so flott mit den beleuchteten Tastaturen. Also, bremsen, runterfahren die Maschinerie, Langsamkeit als Modus wählen, möglichst gemächlich schreiben, so, als ob es keinen Morgen mit der Pflicht und des Tempos des modernen globalisierten Lebens gäbe, den ersten Gedanken verwerfen, den zweiten Gedanken schmecken, den dritten Gedanken vielleicht zu Ende formulieren, auf jeden Fall möglichst klug denken, in Ruhe...

...in Ruhe denken. Denken hilft.

(Und, naja, heute ist zumindest noch kein Tag zum Sterben.)

(Du merkst, es wird ausschweifend und schwierig, naja, du musst es ja nicht lesen müssen, du musst es lesen wollen. Wer kann das noch? Willst du mich lesen? Willst du ein Begleiter werden, ein Mensch, der mir nahe kommt, a Mensch, wie es das Jiddische so schön sagt, der freiwillig Gedanken folgt. Was bleibt schon für den, der Menschen nahe kommen will... Begleitung. Komm, und lies.)

Tauche ein in eine Welt von 10 Tausend Menschen, denen ich nahe kam und die ich vor allem mit Dankbarkeit in meinem Herzen trage...Also, auf geht´s.

Es ist der Sinn von Schriftstellern und damit auch von mir, dir alles zu erzählen, was ich dir immer bereits erzählen wollte. Das funktioniert gleichwohl nie, wenn man ein Büchlein schreibt. Und in einem Vorwort zu erläutern, was das Büchlein bringen soll, scheitert deswegen, weil das Vorwort dem Buch vorangestellt ist – aber ein Buch sich erst in seinen Texten zeigt, nicht im Vorwort. Also, mein Vorwort ist lediglich ein Versuch, im ganzen Bewusstsein vermutlich zu scheitern, ernsthaft, tief und breit zu erklären, warum ich dieses Büchlein schrieb, wie es entstanden ist, wo die Inhalte herkommen, wer die anderen sind und wer ich bin. In der Akzeptanz des eigenen Scheiterns gleichwohl wünsche ich viel Freude an meinem Vorwort, das ich Vorurteil nennen will, da in jeder Form der Kommunikation, sei sie kurz oder lang, das richtige Urteil unmöglich ist für den, der sich kennt und weiß, dass hierbei alles vage und irrig und wenig wahrhaftig ist: Also ist es Vorurteil, nun im Vorwort davon auszugehen, dass ich mehr weiß über die Personen, über die ich in diesem Büchlein schreibe. Es bleibt Bruchstück, Mangel, Abbruch, eine Ecke, eine Kante, kein Ganzes.

Nun Hand aufs Herz: Ich schildere, wie ich 10 Tausend Menschen nahe kam, ganz nahe, annähernd nahe und wenig nahe. Das Büchlein ist keine Sagenerzählung, die aus einer erfundenen Geschichte des Lebens Legenden stricken will. Es ist ein Sachbuch aus Erinnerungen, und damit ist es genügend echt.

Heiko und Klaus: unerreichte Reporter und großzügige Menschen, die es nicht mehr gibt, weil die Zeit es nicht mehr ermöglicht, so zu leben wie sie. Das Beispiel Marokko.

In meiner Lehrzeit an der Seite großer Reporter und Schreiber gab es einen, den ich vor allen anderen mochte. Es war der damals um die 50 Jahre alte „stern“-Reporter Heiko Gebhardt, ein Lehrer, eine Naturgewalt, ein guter Kerl, der mir immer einen Cigarillo reichte, wenn ich in seinem Chefzimmer hoch über dem Alexanderplatz ihm gegenüber Platz nahm und mich mit ihm unterhalten wollte. Die Tür zu seinem Zimmer war immer offen, wir durften, wir SOLLTEN eintreten. Eines aus vielen Gesprächen mit ihm ist mir in Erinnerung, das mich nun leiten möge. Heiko, der mich überall hinschickte, wo es ein wenig krachend und besonders und spektakulär nur sein könnte, er setzte folgende Formel für gutes „stern“-Reportageschreiben: Ich solle schreiben, wie es die Polizeireporter Amerikas machen, die von der „New York Times“, vom „San Francisco Chronicle“ oder anderen, die es so nicht mehr gibt. Ich solle sie lesen, sagte Heiko Gebhardt. Und dann so schreiben wie diese. Schnell. Kurze Sätze.

Pfeile auf den Leser abschießend. Tempo machend. Bildhaft sein. Genau. So wild wie ein Rausch. So abenteuerlich offen schreiben, als wäre es ein Autorennen, dessen Fahrer erst dann das Rennen gemeistert haben, wenn sie unversehrt im Ziel ankommen. So elegant und schlank schreiben wie die Hunde beim Windhundrennen. Im Übrigen, junger Windhund, schreibe hart. Die Sätze gemeißelt. Verabschiedet für eine kurze Ewigkeit, wenn die Menschen die Reportage lesen. Stehend und gerade die Haltung beim Schreiben einnehmen, wie ein Leuchtturm in tosender See. Für sich stehend schreiben, als wäre es ein Meisterwerk, das nur du kannst, eines, das bislang nie geschrieben worden ist. Buchstabe an Buchstabe, Wort an Wort ebenmäßig reihen wie bei einer Perlenkette von Tiffany’s. So schreiben, als wäre es die Magie des Lebens, wie du es aufschreibst, mein junger Windhund.

Ja, wir wollten junge Windhunde unter der Sonne des Rausches sein und nicht im Schatten des Lebens

So ist es nun. Ich probiere es nun für dich, Heiko, so mein Vorwort zu schreiben. Ich werde es dir später vorlesen, Heiko, mein Büchlein. Ein, zwei Miniaturen. Die über Gerhard Schröder, deinen Freund. Und die über den deutschen Dealer von San Francisco. Und auch die über die Marias dieser Welt. Ich hole dich dabei zurück. In die Welt. Von der du gerade Pause machst. Zurück in ein Leben der alten Tage, voller Abenteuer in Bangladesch, dem Aufwachen in Suiten der großartigsten Hotels, ein Leben in den Museen in den Weltstädten, für dessen Besuche ein Reporter früher noch Zeit und Ressourcen hatte. Bleibe in der Welt, rufe ich denen zu, die einst ganz drin waren in der Welt – und von denen wir lernen sollten, wie es so war, als ein erzählender Reporter die Länder, Menschen und Abenteuer zu finden, über die geschrieben werden muss. Es waren Menschen um dich herum, Heiko. Immer. An so vielen Orten der Welt. Es ist nun in diesem Geiste ein Vorwort, wie du es vielleicht mögen würdest, vielleicht. Dein Urteil dazu macht mir Sorge, egal, ich versuche es. Also, so wie ein Dashiell Hammett geschrieben hat, der Begründer des modernen Krimis, und so wie bei Raymond Chandler, dessen Gesamtwerke auf Englisch in meinem Regal stehen und darauf warten, immer wieder gelesen zu werden, und so wie bei Upton Sinclair, dem Enthüllungsjournalisten, der obendrauf liegt, auf dem Regal, mit „King Kohle“ und „Der Dschungel“, der Sinclair, der für die Leser in den USA vor langer Zeit enthüllte, wie die Menschen verreckten in den Schlachthöfen Chicagos. Das sind Hard-boiled-Storyteller, diese heiß laufenden und nach Leben lechzenden Schreiberinnen und Schreiber, die es einmal gab und kaum noch gibt. Die, die nicht erkalten. Die brennen. Die glühen. Die Meister. Schnell. Hart. Genau. So in Stein gefasst, dass es unverrückbar steht. Nur für den Moment. Für etwas, was im Grunde ohne Bedeutung ist: denn damit auch für die Ewigkeit. Vergänglich wie die Rosen nun Ende August in meinem kleinen Stadtgarten in Hamburg. Und doch immer wieder neu dort am Ergrünen im nächsten Mai, in jedem Sommer blutrot und engelsweiß erblühend und von Liebe, Leidenschaft und Geschmack kündend. Dies ist ein Büchlein für dich, Heiko, und für die anderen Guten, von denen ich gelernt habe, für den Chefredakteur Klaus Liedtke. Für I. und R. Für die, die mich mögen. Für die, die mir folgen wollen, einen kurzen Moment ihres Lebens lang. Für die, die wissen wollen, wie ich 10 Tausend Menschen nahe kam. Die verstehen, dass das kein Kunststück wie im Zirkus und auch kein billiger Zaubertrick wie auf den Bühnen Las Vegas´ war. Dass das genau so war, wie ich es beschreibe. Selbstredend. Natürlich geradezu. Ohne Anstrengung. Kein Klimmzug. Keine Kunst. Wie das Leben war bislang und wie es so ist, für den, der sein Herz auf der Hand trägt und diese Hand und damit das Herz hinüberreicht zu dem Gegenüber mit dem offenen Angebot, diese Hand zu ergreifen. Hand aufs Herz: Was gibt es Schöneres, Flirrenderes, Belebenderes, Sinnvolleres, Menschlicheres, als ein Herz schlagen zu hören. Das sind die, in diesem Büchlein, deren Herz schlägt. Solange es geht, solange es geht...solange es schlägt.

In den tiefen Süden reisen und weiter als nach Barcelona und noch weiter als Gibraltar: dort, wo die Sonne wirklich scheint

So machte ich mich auf, morgens um 5:00 Uhr, Hamburg zu verlassen. Während ich im Bus saß zum Bahnhof, sah ich in die Gesichter meiner Nachbarn, auch am Gleis 4 am Fernbahnhof sah ich in die Gesichter der Menschen aus meinem Stadtteil. Es waren vor allem einfache Menschen in Jeans und in Kleidung von zumeist stärkerer Farbe. Im Fernzug sah ich in die Gesichter der Reisenden. Was fiel mir auf? Was sah ich? Was konnte ich lernen? Ich sah in manche Augen, als ich in Hannover angekommen war. Gedränge. Rasch gehen, die S-Bahn finden, den Fernzug, bleiben oder kommen, finden oder sich verlieren. Ich sah auch in der S-Bahn zum Flughafen in die Gesichter. Jetzt viele Menschen mit Reisekoffern, zwei Asiaten darunter. Gut gekleidet. Den Blick gesenkt eher, ausweichend eher, was waren sie? Wo spielten sie, als sie fünf oder sechs waren? Tranken sie Cola auf den Geburtstagsfeiern, aßen sie Chips, hatten sie spitze Zauberhüte aus Papier auf, wer fotografierte sie, die Kinder, fotografierten sie sich überhaupt? Die beiden erwiderten meinen Blick nicht. Sie schauten nicht sofort weg, sie hatten ERST GAR NICHT geschaut, sie machten sich unsichtbar.

Als ich im Flugzeug saß, sah ich die Stewardess – und wieder stellten sich Fragen: Hat sie einen Gasometer dabei, der die Strahlenbelastung misst, wenn sie flog? Wer war der junge Mann neben mir? Ach, ein deutscher Pilot, jung, 25, der mir erzählte, dass es am gefährlichsten dieser Tage sei, Moskau anzufliegen; dass sie einmal alle, fünfzig Flugzeuge, lange, sehr lange über dem Moskauer Flughafen kreisen mussten, gefährlich lang, das Kerosin wurde weniger und wenig; dass, als sie alle endlich landen durften, die Auskunft gegeben wurde, dass dort oben ein Korridor hätte bereitgestellt werden müssen, weil der russische Präsident einflog – und alle anderen, alle, so sagte es der Pilot, der auch private Flüge machte und Milliardäre von hier nach dort und nach Nizza fliegt, alle anderen Piloten und Fluggäste mussten so lange in der Warteschleife hoch oben ausharren, bis Putin gelandet war. Der junge deutsche Pilot erzählte dies und erzählte anderes, ich sah ihm nicht immer in die Augen, da ich am Fenster saß und er rechts von mir. Es ist ja furchtbar eng auf den Sitzen in den Billigfliegern.

Marco Polo benötigte früher Monate, um dorthin zu kommen, wohin wir in nur zwei Stunden fliegen können, wir sollten uns das vergegenwärtigen.