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Witold Pilecki ist der einzige Mensch, von dem bekannt ist, dass er seine Einlieferung in das KZ Auschwitz willentlich herbeigeführt hat, indem er sich 1940 bei einer Razzia in Warschau absichtlich festnehmen ließ. Sein Ziel: Kenntnisse über das Konzentrationslager nach draußen zu schmuggeln und im Lager eine Widerstandsorganisation unter den Gefangenen aufzubauen. Nach drei Jahren unter schwierigsten Lebensbedingungen gelang Pilecki im April 1943 schließlich die Flucht. Seine geheimen Berichte gehörten zu den ersten Informationen, die die Alliierten aus dem Lager und über die dortigen Gräueltaten erhielten. Doch deren Skepsis überwog, sie lehnten eine gewaltsame Befreiung des Lagers ab.

Pileckis Aufzeichnungen liegen nun erstmals auch in deutscher Sprache vor.

Witold Pilecki
Freiwillig nach Auschwitz

Das Spiel, das ich jetzt in Auschwitz spielte, war gefährlich. Dieser Satz gibt die Wirklichkeit aber eigentlich nicht wieder: Ich war weit darüber hinausgegangen, was Menschen in der wirklichen Welt für gefährlich halten würden …

Rittmeister Witold Pilecki

Witold Pilecki

Freiwillig nach Auschwitz

Die geheimen Aufzeichnungen des Häftlings Witold Pilecki

Aus dem Englischen von Dagmar Mallet

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Die englische Originalausgabe erschien 2012 unter dem Titel »The Auschwitz Volunteer: Beyond Bravery« bei Aquila Polonica (U.S.) Ltd.

Copyrights © 2012 Jaroslaw Garlinski and Aquila Polonica (U.S.) Ltd. German translation was based on the English edition, which was translated by Jarek Garlinski and published by Aquila Polonica (U.S.) Ltd.

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2013 Orell Füssli Verlag AG, Zürich

www.ofv.ch

Rechte vorbehalten

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Übersetzerin: Dagmar Mallett

Umschlaggestaltung und Motiv: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

e-Book: mbassador GmbH, Luzern

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ISBN 978-3-280-05511-3

eISBN 978-3-280-03796-6

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Einleitung

Vorbemerkung des Übersetzers der US-amerikanischen Ausgabe

Historischer Hintergrund. Rittmeister Witold Pilecki: Der Bericht, der Auftrag, der Mensch

Rittmeister Witold Pileckis Begleitschreiben an Generalmajor Tadeusz Pelcznyński

Rittmeister Witold Pilecki: Bericht aus Auschwitz (1945)

Sommer 1945

Einleitung

Falsche Vorstellungen über den Zweiten Weltkrieg in Europa scheint es in unbegrenzter Zahl zu geben; jeder, selbst die erfahrensten Fachleute, kann immer noch etwas dazulernen und sein Verständnis vertiefen. Ein grundlegender Irrtum betrifft zum Beispiel den moralischen Rahmen des Krieges: Viele Menschen im Westen stellen sich den Krieg so vor, als habe es damals nur ein böses Regime in Europa gegeben, das »Dritte Reich« Adolf Hitlers, dem eine Koalition demokratischer Alliierter gegenübergestanden habe, die für Freiheit, Recht und Gerechtigkeit kämpfte. In Wirklichkeit muss man die größte der kriegführenden Parteien, die Sowjetunion unter Josef Stalin, trotz ihrer Unterschiede zum Naziregime unbedingt mit in die Kategorie krimineller, völkermordender Regime einordnen. Stalin begann den Krieg im September 1939 als Hitlers Komplize und unternahm nichts, um seinen eigenen verbrecherischen Praktiken Einhalt zu gebieten, nachdem die Sowjetunion im Juni 1941 von Deutschland überfallen worden war. Sämtliche Staaten, die wie Polen zwischen Deutschland und der Sowjetunion lagen, spürten die Peitsche beider Nachbarn und wurden am Kriegsende keineswegs wirklich befreit. Wie Hauptmann Pilecki1 sehr gut wusste, war die einzig moralisch gerechtfertigte Haltung die der Ablehnung sowohl des Nationalsozialismus wie des Stalinismus.

Eine weitere verbreitete Falschannahme betrifft die Geißel der Konzentrationslager. Im Westen herrscht noch vielfach die Vorstellung, dass die Nazis ein Monopol auf Konzentrationslager gehabt hätten; und oft wird nicht zwischen einfachen Konzentrationslagern wie Dachau und Majdanek und den Vernichtungslagern wie Treblinka unterschieden. Nur wenigen ist bewusst, dass die sowjetischen ›Befreier von Auschwitz‹ selbst ein umfangreiches Netz von Konzentrationslagern betrieben. Die russische Abkürzung Gulag steht für »Staatliche Verwaltung der Konzentrationslager«. Alles deutet darauf hin, dass die sowjetische Unterdrückungsmaschinerie mehr Opfer forderte als die der Nazis.

Pileckis dritter Auschwitzbericht entstand 1945 zu einer Zeit, als der Kampf gegen die Nazi-Tyrannei beendet war, der gegen die sowjetische Tyrannei jedoch gerade begann. Er ist eine deutliche Mahnung an die doppelte Bedrohung, der sich Europa Mitte des 20. Jahrhunderts gegenübersah.

Mir selbst wurde Pileckis Größe erst mit meinen Recherchen zum Warschauer Aufstand von 1944 vollständig bewusst. Hier fand sich ein Mann, der praktisch im Alleingang zwei Wochen lang die deutschen Panzer auf einer der großen Warschauer Durchfahrtsstraßen aufgehalten hatte; unter dem Pseudonym ›Roman‹ verschwand er anschließend im Untergrund und setzte seinen Kampf fort, bis der Aufstand zwei Monate später endgültig scheiterte. Da erst wurde mir klar, dass dies derselbe heldenhafte Mensch sein musste, der sich vier Jahre zuvor absichtlich von der SS verhaften und nach Auschwitz einliefern lassen hatte. Seinen ersten Auschwitzbericht schrieb er 1943, nachdem er fliehen konnte. Dieser, mir bereits bekannte Bericht, war der erste von mehreren Versuchen, die Außenwelt darüber in Kenntnis zu setzen, was dort wirklich geschah. Pilecki war polnischer Offizier und Katholik und sah seinen Kampf gegen die Unterdrückung seines Landes als patriotische und religiöse Pflicht. Wenn es je einen Helden auf alliierter Seite gegeben hat, der es verdient hat, dass man seiner gedenkt und ihn feiert, dann ist hier einer, dem nur wenige gleichkommen.

Aber Pileckis erstaunliche Laufbahn war mit Kriegsende noch nicht vorüber. Er starb durch einen Justizmord, begangen von einem kommunistischen Regime, das als Stalins Handlanger alle nicht kommunistischen Widerständler als Verräter und Nazi-Sympathisanten verfolgte. Pileckis Name steht für das tragische Schicksal von Millionen, die im Westen vergessen sind. Erst wenn man das wahre Grauen seines Schicksals erfasst, versteht man, worum es im Zweiten Weltkrieg in Europa wirklich ging.

Norman Davies, FBA

Oxford, Großbritannien

Februar 2012

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1Der Name Witold Pilecki spricht sich wie “Wietold Piletzki”, mit Betonung jeweils auf der zweitletzten Silbe.

Vorbemerkung des Übersetzers der US-amerikanischen Ausgabe

Die Übersetzung ins US-amerikanische Englisch (die wiederum die Grundlage für die mit diesem Buch vorliegende Übersetzung ins Deutsche ist [Anmerkung d. Verlags]), beruht auf dem Originaltyposkript von Rittmeister Witold Pileckis Bericht von 1945 aus dem Archiv des Polish Underground Movement Study Trust in London.

Dieser Bericht war der dritte und umfangreichste, den Pilecki über seine Haft in Auschwitz verfasste. Im Juni 1943, kurz nach seiner Flucht aus dem Lager, schrieb Pilecki während seines Aufenthalts bei der Familie Serafiński in Nowy Wiśnicz einen elfeinhalbseitigen ersten Bericht. Einige Monate später, im Herbst 1943 in Warschau, verfasste er eine erweiterte Version, den sogenannten Raport W, und den vollständigen, hier wiedergegebenen Bericht schließlich im Sommer 1945 in Italien, wo er mit dem Polnischen II. Korps unter britischem Kommando stationiert war. Dieser Bericht sollte, wie Pileckis Begleitbrief an Generalmajor Pełczyński deutlich macht, hauptsächlich militärischen Zwecken dienen.

Sowohl im Raport W wie auch in der Version von 1945, im Bericht vom Juni 1943 allerdings nur gelegentlich, ersetzt Pilecki die meisten Personennamen, ob von Lagerinsassen oder anderen, sowie zahlreiche Ortsnamen durch Zahlen- und Buchstabencodes. Das sollte die Betroffenen und ihre Familien schützen und war auch nach Kriegsende 1945 noch durchaus wichtig. Pileckis Schlüssel zu den Berichten vom Juni 1943 und Sommer 1945 sind nie gefunden worden. Mühevolle historische Recherchen, unter anderem auch durch meinen verstorbenen Vater Józef Garliński und durch Adam Cyra vom Museum Auschwitz-Birkenau, führten schließlich zur Entschlüsselung des 1945er Codes, was die Identifikation der meisten Erwähnten ermöglichte.

Im Frühling 1991, nach Abschluss des größten Teils dieser Detektivarbeit, tauchte dann in einem Warschauer Archiv ein fast vollständiger Schlüssel zu den Namenscodes (über 200 von insgesamt 235) im Raport W vom Herbst 1943 auf. Das Dokument wurde gemeinsam mit anderen Papieren seines Vaters, die bei seiner Verhaftung 1947 beschlagnahmt worden waren, Pileckis Sohn Andrzej ausgehändigt. Die Ziffern in diesem Schlüssel sind allerdings andere als die im Bericht von 1945; so taucht zum Beispiel Oberst Władysław Surmacki im Bericht von 1945 als Nr. 1 auf, im Raport W aber als Nr. 8; und Oberst Juliusz Gilewicz ist 1945 Nr. 121, im Raport W aber Nr. 72.

Auch faktisch bestehen einige Diskrepanzen zwischen den drei Berichten, auf deren hauptsächliche ich in Fußnoten zum Text hingewiesen habe. Für die Identifikation der Namen habe ich mich auf Adam Cyras wertvolles Werk Ochotnik do Auschwitz: Witold Pilecki (1901–1948) (Oświęcim: Chrześcijańskie Stowarzyszenie Rodzin Oświęcimskich, 2000) gestützt, das die aktuellste Quelle darstellt; die Namen habe ich im Text jeweils in eckigen Klammern beigefügt.

Ich habe mich entschlossen, in der vorliegenden Übersetzung Pileckis etwas abgehackten und holprigen Stil und seinen häufigen Gebrauch von Klammern und Anführungszeichen beizubehalten. Ich wollte das Original so getreu wie möglich wiedergeben, und habe daher Pileckis umgangssprachliche Ausdrücke und die Inkonsistenzen, die ihm unterlaufen sind, übernommen. Man muss bedenken, dass der Bericht in großer Eile abgefasst wurde. Allerdings habe ich mir dann und wann die Freiheit genommen, einen Absatz oder Abschnitt zusätzlich einzuführen, wo ein radikaler Themenwechsel es erforderlich machte.

Mitunter trügt Pilecki sein Gedächtnis; ich habe mir die Freiheit genommen, darauf in Fußnoten hinzuweisen. Außerdem habe ich da und dort die Schreibung eines deutschen Wortes berichtigt. Seinen Gebrauch deutschen Vokabulars oder der Lagersprache habe ich fast immer übernommen und, wo nötig, Übersetzungen hinzugefügt. Ein Wort zu den Ortsnamen. Das Polnische ist für seine Zungenbrecher bekannt, wie etwa Brzeszcze, Brzezinka, Oświęcim oder Wiśnicz. Wenn gebräuchliche deutschsprachige Fassungen existieren, habe ich mich ihrer bedient, etwa bei Birkenau, Minsk, Weichsel oder Warschau. Nach demselben Prinzip, nach dem man den Bois de Boulogne auch nicht mit »Boulogner Wald« übersetzt, habe ich die Straßennamen beibehalten, allerdings das polnische »Ulica« jeweils durch »Straße« ersetzt.

Mein verstorbener Vater Józef Garliński, der selbst als Häftling Nr. 121421 im Jahr 1943 einige Monate in Auschwitz inhaftiert war, und zwar in der Strafkompanie, war es, der in seinem grundlegenden Buch Oświęcim Walczązy (1974) als erster Witold Pilecki wieder der Welt ins Gedächtnis rief. Auf Englisch erschien es ein Jahr später unter dem Titel Fighting Auschwitz. Es war das erste Werk eines ernsthaften Historikers zum Lagerwiderstand in Auschwitz und enthielt bereits viel Detektivarbeit beim Knacken von Pileckis Namenscodes. Daher verdanke ich ihm viel.

Zum Abschluss möchte ich gerne Dr. Krzysztof Stoliński vom Polish Underground Movement Study Trust in London dafür danken, dass er den Text des Berichts zur Verfügung gestellt und alle meine Fragen dazu geduldig beantwortet hat. Auch Dr. Adam Cyra vom Museum Auschwitz-Birkenau hat große Geduld mit meinen Fragen gezeigt. Schließlich möchte ich auch meinen Lektoren beim Verlag Aquila Polonica, Terry Tegnazian und Stefan Mucha, für ihre hilfreichen Vorschläge und ihre Aufmerksamkeit bei der Korrektur danken.

Jarek Garliński

Texas, Februar 2012

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Historischer Hintergrund

Rittmeister Witold Pilecki: Der Bericht, der Auftrag, der Mensch

Der Bericht

Witold Pileckis Bericht von 1945 ist ein wirkungsvolles Dokument, und zwar nicht wegen seines Prosarhythmus oder der Bildsprache. Er war nicht als literarisches Werk gedacht, sondern wurde von Pilecki während der zweiten Jahreshälfte 1945 in Italien als Bericht an seine militärischen Vorgesetzten verfasst, wie Pileckis Begleitschreiben an Generalmajor Pełczyński verdeutlicht. Kennzeichnend für Pileckis Stil sind kurze Sätze und Absätze, und er gibt offen zu, dass er ihn noch überarbeitet hätte, wenn er mehr Zeit gehabt hätte. Wirkungsvoll ist dieses Dokument wegen seiner Unmittelbarkeit und wegen des Lichts, das es auf die barbarisch pervertierte Welt des Lagers Auschwitz wirft, wie es nur aus unmittelbarem eigenem Erleben möglich war.

Pilecki war kein Soziologe, der Auschwitz theoretisch einordnen und verarbeiten wollte, und er interpretierte seine Erlebnisse dort auch nicht übermäßig intellektuell. Er war ein ehrlicher, wohl eher argloser Mensch, der keine politische oder ideologische Fahne schwang, sondern einfach seinem Land und seinem katholischen Glauben treu war. Er folgte dem Motto »Bóg, honor, ojczyna« (»Gott, Ehre, Vaterland«) und schrieb nieder, was er persönlich gesehen und gefühlt hatte, wobei er gelegentlich auch philosophische und selbstreflexive Gedanken einflocht.

Er war außerdem auf jeden Fall ein außergewöhnlicher Mensch. Mit großer körperlicher Widerstandskraft und unbeugsamem Mut ausgestattet, zeigte er unter entsetzlichen Umständen nicht nur eine bemerkenswerte Geistesgegenwart und Vernunft, sondern enthielt sich auch jeglichen Selbstmitleids. Während die meisten Insassen von Auschwitz, die nicht zur sofortigen Ermordung selektiert wurden, gerade eben überleben konnten, besaß er noch genug Reserven an Stärke und Entschlossenheit, um anderen zu helfen und im Lager eine Untergrund-Widerstandsgruppe aufzubauen. Dazu schaffte er es auch noch, stets überlegt vorzugehen und auch daran zu denken, was er tun musste, um selbst zu überleben, was oft bedeutete, seinen Instinkten zuwiderzuhandeln und zum Beispiel auch etwas Essen für den nächsten Tag aufzuheben – unter diesen Umständen war es ein Akt geradezu übermenschlicher Überwindung. Er hatte allerdings auch immer wieder Glück und fand sogar Zeit für eine Art Galgenhumor, etwa wenn er bemerkt, dass die inneren und äußeren Ziffernpaare seiner Häftlingsnummer zufällig beide 13 ergaben.

Er behauptet, ziemlich schnell zu einer fast spirituellen Gelassenheit gefunden zu haben. Er war »glücklich« angesichts der Solidarität, die angesichts der grausamen Haftbedingungen im Lager unter den Polen entstand: »Dann spürte ich einen einzigen Gedanken, der diese Schulter an Schulter aufgestellten Polen durchlief. Ich spürte, dass wir alle endlich von derselben Wut vereinigt waren, in einem Durst nach Rache. Ich spürte, dass ich hier die perfekte Umgebung für meine Arbeit finden würde, und empfand tatsächlich so etwas wie Freude …« Es gibt sogar eine Andeutung des mystischen, auf Solschenizyn zurückgehenden Glaubens, dass nur Überlebende eines Arbeitslagers den wahren Sinn des Lebens verstehen. Er schreibt: » Wir wurden mit einer scharfen Klinge bearbeitet. Sie schnitt schmerzhaft in unsere Körper, aber in unserer Seele fand sie Felder zum Pflügen …«, und weiter: »Ein Mann wurde als das gesehen und galt als das, was er wirklich war …«

Der Bericht ist auch deshalb so eindrucksvoll, weil er einen Aspekt von Auschwitz herausstellt, der außerhalb Polens den Überlebenden wie auch den Historikern, die sich mit der Geschichte der Konzentrationslager befassen, wenig bekannt ist. Die meisten Menschen kennen Auschwitz im deutsch besetzten Polen als Teil des Holocaust und wissen um das Grauen der Gaskammern und das unaussprechliche Verbrechen, Menschen zu vergasen; aber nur wenige wissen, dass in der Anfangsphase des Lagers die meisten Insassen christliche Polen waren, von denen viele ermordet oder durch Überarbeitung in den Erschöpfungstod getrieben wurden. Auschwitz wurde 1940 ursprünglich als Lager für polnische politische Häftlinge angelegt und erst später in ein Todeslager für die Juden Europas umgewandelt. Wie viele Westeuropäer außerhalb akademischer Kreise wissen außerdem schon, dass auch sowjetische Kriegsgefangene dorthin geschickt wurden, um ermordet zu werden?2 Der Bericht beschreibt, mitunter in beklemmenden Einzelheiten, die ständige und mitunter fast nebenbei ausgeübte Brutalität ohne jegliche moralischen Grenzen. Er zeigt, wie tief menschliche Wesen sinken können, wenn es keine moralischen Regeln mehr gibt.

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Gleichzeitig ist der Bericht aber auch ein Leuchtfeuer der Hoffnung, denn er demonstriert, dass sich selbst inmitten solcher Grausamkeit und Verkommenheit Menschen fanden, die an den grundlegenden Tugenden der Ehrlichkeit, des Mitgefühls und des Muts festhielten. Pilecki beschreibt Männer, die die Kraft aufbringen, sich über die Umstände zu erheben, auch ihr eigenes Leben retten wollen, aber nicht auf Kosten anderer Menschen. So schreibt er: »Wir entwickelten … einen großen Respekt vor der seltsamen menschlichen Natur, deren Stärke darin bestand, dass sie eine Seele hatte und in sich offenbar etwas Unsterbliches enthielt.« Pilecki war zwar ein gläubiger Christ, aber sein Bericht ist kein Zeugnis spezifisch christlicher Wertvorstellungen, sondern eine Mahnung an die universellen menschlichen Werte, die allen Religionen gemeinsam sind.

Aber er drückt auch seine Wut über eine Welt aus, die so tief sinken konnte: »Wir sind vom Weg abgekommen, meine Freunde, und zwar weit. Noch schlimmer ist, dass es keine Worte gibt, um das zu beschreiben … Ich würde gerne sagen, dass wir zu Tieren geworden sind … Aber nein, um wie vieles schlimmer als Tiere sind wir!« Er fragt sich, welche Welt real ist: die pervertierte des Lagers oder die gleichgültige und oberflächliche der Außenwelt?

Trotz seines christlichen Glaubens lässt Pilecki keinen Zweifel daran, dass man Feuer mit Feuer bekämpfen muss. Besonders grausame Kapos (Funktionshäftlinge zur Beaufsichtigung ihrer Mitinsassen), SS-Leute und Denunzianten wurden von den Insassen gnadenlos getötet, oft, während sie im Lazarett lagen. Obwohl Pilecki das nicht erwähnt, hatte seine Untergrundorganisation, die ZOW (Związek Organizacji Wojskowych – Vereinigung militärischer Organisationen)3 sogar eine Art Geheimgericht installiert.4 Es war ein brutaler Überlebenskampf, in dem die Zaghaften, Selbstsüchtigen und Weichen keine Chance hatten.

Die herausragendste Episode ist wahrscheinlich die von der Erschießung von ungefähr 200 polnischen jungen Männer, die bewusst und ohne Wachsoldaten in den Tod marschierten, weil sie wussten, dass jeder Versuch ihrerseits, sich zu wehren, brutale Vergeltungsmaßnahmen gegen ihre Familien zur Folge gehabt hätte. Pilecki fügt allerdings hinzu, dass seine Organisation sich offen auf ihre Seite gestellt hätte, wenn diese Männer sich zum Aufstand entschlossen hätten.

Pileckis Leistung war enorm. Er gründete nicht nur eine Organisation, die den Insassen dabei half, die Lagerhaft zu überleben, sondern bewerkstelligte auch eine Annäherung zwischen den polnischen politischen Parteien, die im Lager vertreten waren – was angesichts der Spannungen und Animositäten im Vorkriegspolen nicht einfach war. Grimmig notiert er: »Man musste den Polen also täglich einen Berg polnischer Leichen zeigen, damit sie sich miteinander aussöhnten …« Angesichts seines niedrigen militärischen Rangs und seiner fehlenden politischen Erfahrung stellte dies einen beträchtlichen Erfolg dar und bezeugte seinen außergewöhnlichen Charakter.

Seine Organisation ließ der polnischen Exilregierung in London darüber hinaus mittels der Polnischen Heimatarmee (die Armia Krajowa, AK) mehrere Berichte über die Bedingungen im Lager zukommen, darunter auch die ersten Beschreibungen der Massenvergasung von Juden. Es zeigt, wie grenzenlos die Missachtung aller Menschlichkeit und Moral durch die Nazis war, dass selbst Männer wie Pilecki, die als Augenzeugen schrecklicher Dinge unmittelbar vor Ort waren, die Ungeheuerlichkeit und den Umfang des Verbrechens, das später als Holocaust bekannt werden sollte, anfangs nicht erfassen konnten. Das macht es vielleicht weniger unbegreiflich, dass die Außenwelt so träge darauf reagierte.

Doch Pileckis Bericht endet mit Frustration, gar mit Wut. Es empörte ihn als denjenigen – dessen muss man sich bewusst sein –, der freiwillig nach Auschwitz gegangen war, dass die Leitung der Heimatarmee wie auch die Alliierten nicht willens war, die Organisation, die er dort aufgebaut hatte, für einen militärischen Angriff auf Auschwitz auszunutzen: »Sollte es eine Luftlandeoperation oder einen Waffenabwurf geben … Weder wir noch unsere Alliierten planten so etwas – oder dachten auch nur daran –, also taten es unsere Feinde.« Es kam ihm sogar so vor, als seien sie gleichgültig gegenüber dem Leid im Lager, und er schreibt vom »anhaltenden, unwissenden Schweigen« der Außenwelt.

Man findet auch mehr als einen bitteren Kommentar über Mitkämpfer, die den Krieg unter weit weniger schwierigen Umständen verbrachten: »So gingen also hier [in Auschwitz] anständige Menschen in den Tod und gaben ihr Leben, damit in der Außenwelt niemand verraten wurde, während weit schwächere Menschen, als wir es waren, uns lässig als Skelette bezeichneten.« Er schreibt, wie er mit Verachtung auf die Menschen in der Außenwelt regierte, nachdem er entkommen war: »Manchmal war es mir, als wanderte ich durch ein großes Haus und öffnete plötzlich die Tür zu einem Zimmer, in dem Kinder spielten: ›Ach, wie schön sie spielen, die Kinder …‹« Oder: »Die Grenze zwischen Ehrenhaftigkeit und allgemeiner Ehrlosigkeit war sorgfältig verwischt worden.«

Der Auftrag

Pileckis Organisation hatte drei Hauptziele: durch die Verbreitung von Nachrichten aus der Außenwelt an ihre Mitglieder die Kampfmoral zu stärken, Berichte über die Bedingungen im Lager nach draußen zu tragen sowie sich auf einen bewaffneten Aufstand vorzubereiten. Kurzfristig sollte sie hauptsächlich den Insassen bei der Bewältigung der grausamen Haftbedingungen beistehen. Durch wohlplatzierte Kontaktleute erhielten ihre Mitglieder Arbeit in Arbeitskommandos, die vergleichsweise komfortabel in geheizten Räumen arbeiteten; sie ließ Kranke ins Lazarett bringen und beschaffte (»organisierte«, wie es in der Lagersprache hieß) ihnen zusätzliche Lebensmittel und Kleidungsstücke. Pilecki behauptet, dass seine Organisation bis 1942 alle Arbeitskommandos bis auf eins infiltriert (er schreibt »übernommen«) habe.

Wie entschlossene politische Häftlinge5 mit der Zeit im gesamten System der Konzentrationslager die Positionen der Funktionshäftlinge von den deutschen kriminellen Häftlingen, die sie ursprünglich innehatten, an sich bringen konnten, ist in der Tat eine außerordentliche Geschichte, kommt aber in Pileckis Bericht nicht vor. Mit Fortschreiten des Kriegs sahen die deutschen Behörden allmählich, dass politische Gefangene die komplexen Verwaltungsangelegenheiten eines riesigen Lagers wie Auschwitz weit besser handhaben konnten als die Kriminellen, die anfangs damit betraut waren. Selbst zu Pileckis Haftzeit im Lager verbesserten sich die Haftbedingungen, wie er erwähnt, wenigstens leicht, und zwar aus mehreren Gründen, von denen einer der wichtigsten die Verdrängung deutscher Strafgefangener von den wichtigen Posten war.

Langfristig sollte die Organisation jedoch Männer rekrutieren und organisieren, die, wenn die richtigen Umstände zusammenkamen, einen Aufstand durchführen und das Lager übernehmen sollten. Das würde zum Beispiel notwendig werden, wenn die SS Anstalten machen sollte, alle Insassen zu liquidieren. Es gab eine solche Einsatzgruppe, und Pilecki sagt auch, dass sie in der Lage gewesen sei, das Lager zu übernehmen (»seit einigen Monaten standen wir praktisch täglich bereit, das Lager zu übernehmen«), aber sie erhielt nie die notwendige Hilfe von außen, ohne die der Aufstand kaum Aussicht auf Erfolg hatte.

Pilecki dachte an eine Operation zu Lande, eventuell mit Luftunterstützung durch die polnische Fallschirmjägerbrigade aus England und mit einem Abwurf von Waffen in das Lager – beides damals angesichts der Lage von Auschwitz eher unrealistisch. Pilecki war sich allerdings der möglichen Folgen für die Zivilbevölkerung außerhalb des Lagers nur zu bewusst, wenn er den Aufstand voreilig auslöste, und wollte als echter Soldat natürlich eine so schwerwiegende Entscheidung auch nicht ohne Befehl treffen.

Die polnische Heimatarmee hatte in der Tat Pläne für einen Angriff auf das Lager, verfügte aber nie über die nötige Stärke dazu. Nach ihren eigenen Berechnungen hätte sie die mehrere Tausend Mann starke6 SS-Garnison des Lagers kaum lang genug in Schach halten können, um 200 bis 300 Insassen die Flucht zu ermöglichen. Die verbleibenden Häftlinge, möglicherweise bis zu 100 000, wären dann auf sich selbst gestellt und ein blutiges Massaker damit unvermeidlich gewesen. Außerdem war es sehr wahrscheinlich, dass die Deutschen sich anschließend an der polnischen Zivilbevölkerung aus der Umgebung blutig rächen würden. Nichtsdestotrotz war die Heimatarmee sehr beunruhigt angesichts der Vorstellung, dass die Deutschen beim Anrücken der sowjetischen Armee sämtliche verbleibenden Auschwitz-Häftlinge ermorden könnten. Im Sommer 1944 erkundete Leutnant Stefan Jasieński, ein polnischer Agent der britischen SOE7 (im Poln. als cichociemni bezeichnet), das Gebiet um das Lager, wurde aber im September enttarnt und selbst dort inhaftiert. Sein weiteres Schicksal ist unklar, aber es heißt, er habe Auschwitz überlebt. Weder ein alliierter Angriff auf das Lager noch ein finales Massaker an seinen Insassen durch die SS haben je stattgefunden.

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Witold Pilecki 1923 in Vilnius.

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Witold Pilecki in den 1920er Jahren.

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Gut Sukurcze, der Familiensitz der Pileckis.

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Witold Pileckis mit Jugendlichen des Bezirks Lida bei einer Versammlung in Warschau in den 1930er-Jahren. Alle Fotografien auf dieser Seite: © Besitz der Familie Pilecki.

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Witold Pilecki 1934 mit seiner Frau und den Kindern Zońa und Andrzej.

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Witold Pilecki führt eine Kavallerie-parade in Lida an.

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Witold Pilecki mit seiner Frau Maria und Sohn Andrzej 1932 oder 1933 in Ostrów Mazowiecka.

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Leutnant Witold Pilecki (links am Tisch) mit Major Jan Wtodarkiewicz, dem Oberkommandierenden der Tajna Armia Polska (TAP, Polnische Geheimarmee). Alle Fotografien auf dieser Seite: © Besitz der Familie Pilecki.

Der Mensch

Witold Pilecki wurde am 13. Mai 1901 (30. April 1901 julianischer Kalenderrechnung8) in eine Familie polnischer Patrioten hineingeboren. Sein Geburtsort war Olonets, eine Kleinstadt in Karelien an der finnischen Grenze innerhalb des Russischen Reichs. Polen war Ende des 18. Jahrhunderts zwischen Russland, Preußen und Österreich aufgeteilt worden. Pilecki erhielt seine Schulbildung in Vilnius und Orjol und gewöhnte sich schon früh an die Arbeit in polnischen Geheimorganisationen, die von den Russen verboten worden waren, darunter auch die polnischen Pfadfinder. Im Krieg zwischen der Roten Armee und den polnischen Streitkräften von 1919 bis 1920 kämpfte er gegen die bolschewistischen Kräfte.

Als er 1921 aus Geldmangel sein Kunststudium an der Stefan-Batory-Universität in Vilnius, das jetzt als Wilno zum unabhängig gewordenen Polen gehörte, aufgeben musste, schloss er sich der Vereinigung für Nationale Sicherheit (Związek Bezpieczeństwa Kraju) an, einer halbfreiwilligen Organisation, in der er einige Jahre diente. Er hatte viele Talente, schrieb Gedichte, malte und spielte Gitarre. 1926 wechselte er zum 26. Ulanenregiment und wurde zum Kavallerieleutnant der Reserve befördert. Diesen Rang behielt er, bis er im November 1941 während seiner Haft in Auschwitz zum Oberleutnant befördert wurde. (Das war eine Abweichung von der eigentlichen Praxis der Heimatarmee, keine Soldaten zu befördern, die sich in Lagerhaft befanden.) Seine letzte Beförderung, die zum Rittmeister, erfolgte im Februar 1944.

In den 1920er-Jahren übernahm er die Leitung des kleinen Familienguts, das im heutigen Weißrussland lag, und heiratete 1931 die von dort stammende Lehrerin Maria Ostrowska.9 Sie hatten zwei Kinder. Er fühlte sich sehr zum Militär hingezogen und stellte eine freiwillige Kavallerieeinheit auf, die schließlich in die reguläre Truppe aufgenommen wurde; und es heißt, dass er in den 1930er-Jahren für den militärischen Geheimdienst gearbeitet habe.

Wie viele Polen seiner Generation war er tief patriotisch und katholisch gesinnt und scheint viele der Ansichten Marschall Piłsudskis geteilt zu haben, der grauen Eminenz Polens bis zu seinem Tod 1935. Pilecki war nie ein politischer Mensch, aber in ihm spiegelt sich doch teilweise Piłsudskis Enttäuschung über die Politiker und die ziemlich chaotische Politik im Polen der Zwischenkriegszeit wider.

Pilecki wurde 1939 kurz vor dem deutschen Angriff auf Polen mobilisiert. Seine Kavallerieeinheit war während des Kampfs gegen die deutsche Invasion der 19. Infanteriedivision unterstellt. Diese wurde am 6. September von den Deutschen geschlagen, woraufhin Pilecki in verschiedenen Einheiten noch bis zum 17. Oktober weiterkämpfte, also noch lange nach dem sowjetischen Einmarsch in Polen, dem Fall Warschaus und der Bildung einer neuen polnischen Exilregierung in Paris. Danach wurde seine Einheit aufgelöst.

Gemeinsam mit Armeeoffizieren und Zivilisten ging Pilecki im November 1939 an den Aufbau einer militärischen Widerstandsorganisation im Untergrund, der TAP (Tajna Armia Polska – Polnische Geheimarmee). Die TAP gründete sich auf patriotische und christliche Prinzipien, stand keiner bestimmten Partei nahe und wuchs mit der Zeit auf 8000 bis 12 000 Mitglieder an, bis sie Ende 1941 in der ZWZ aufging (Związek Walki Zbrojnej – Vereinigung für bewaffneten Kampf), besser bekannt unter ihrem 1942 angenommenen Namen AK (Armia Krajowa – Heimatarmee).10

Pilecki erklärte sich bereit, sich verhaften und nach Auschwitz verschleppen zu lassen, um eine Geheimmission für den polnischen Widerstand auszuführen. Am 19. September 1940 lief er deshalb absichtlich in eine deutsche Straßenrazzia. Nach Auschwitz wurde er in der Nacht vom 21. auf den 22. September mit dem zweiten Transport aus Warschau (der erste war im August angekommen) eingeliefert, und zwar unter dem Tarnnamen Tomasz Serafiński. Serafiński gab es wirklich, aber Pilecki kannte ihn nicht; seine Papiere waren in einer konspirativen Wohnung in Warschau aufgefunden worden, die beide zu verschiedenen Zeiten benutzt hatten. Trotz der entsetzlichen Haftbedingungen im Lager und der ständigen Lebensgefahr machte Pilecki rasch andere gefangene TAP-Mitglieder ausfindig und baute aus ihnen den Kern seiner neuen Organisation auf.

Die Gliederung der TAP diente ihm als Vorbild. Seine Auschwitz-Untergrundgruppe, die ZOW (Związek Organizacji Wojskowych – Vereinigung Militärischer Organisationen) beruhte auf dem Prinzip der »Zelle«, von Pilecki als »Fünfergruppe« bezeichnet (die auch mehr als fünf Mitglieder umfassen konnte). Die »Fünfergruppen« operierten unabhängig voneinander, damit nicht ein einzelner Angehöriger, falls er aufflog und von den Deutschen gefoltert würde, alle anderen verraten konnte. Die einzelnen »Zellen« bauten weitere »Fünfergruppen« auf, die ihrerseits wieder neue rekrutierten. Die »Spitzengruppe«, wie er sie nannte, gründete Pilecki bereits im Oktober 1940.

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Witold Pilecki 1943.

Alle Fotografien auf dieser Seite: © Besitz der Familie Pilecki.

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Von links: Jan Redzej, Witold Pilecki, Edward Ciesielski – aus Auschwitz entkommen. Vor dem Haus der Familie Serafiński in Nowy Wiśnicz, Sommer 1943.

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Oben: Am 8. Mai 1947 wurde Pilecki vom Ministerium für Öffentliche Sicherheit (Ministerstwo Bezpieczeństwa Publicznego, MBP) verhaftet und als »westlicher Spion« angeklagt.

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Pilecki wurde am 15. Mai 1948 nach einem Schauprozess zum Tode verurteilt und zehn Tage später im Warschauer Mokotów-Gefängnis hingerichtet. Alle Fotografien auf dieser Seite: © Besitz der Familie Pilecki.

Wann er seine zweite »Spitzen-Fünfergruppe« gründete, ist nicht ganz klar. Direkt nach seiner Flucht im Juni 1943 sagte Pilecki, das sei im November 1940 gewesen, während er später im selben Jahr und dann auch 1945 das Datum mit März 1941 angab. Im Mai 1941 gründete er die dritte »Spitzengruppe«, die vierte im Oktober desselben Jahres, und die fünfte schließlich im November. Wer diesen Gruppen genau angehörte, lässt sich nicht immer widerspruchsfrei belegen, weder mit Pileckis eigenen Berichten noch aus anderen Quellen. Die Effizienz dieser Struktur erwies sich jedoch dadurch am besten, dass Pilecki von der Lagerverwaltung nie als ihr Initiator und Organisator ausgemacht wurde.

Die Organisation begann fast sofort, den polnischen Untergrundbehörden über die Bedingungen in Auschwitz zu berichten. Pileckis erster Bericht gelangte im Oktober 1940 mit einem entlassenen Häftling nach draußen und im März 1941 schließlich in die Hände der polnischen Exilregierung, die sich inzwischen in London aufhielt. Es war Pileckis Organisation, von der die polnischen Behörden im Untergrund und im Exil mit Informationen über die unmenschlichen Haftbedingungen der sowjetischen Kriegsgefangenen in Auschwitz und über den Beginn des Massenmords an den Juden (des Holocaust) in Birkenau (Brzezinka) versorgt wurden. Die polnische Exilregierung leitete diese Informationen an die anderen Alliierten weiter. In seinen Botschaften drängte Pilecki den polnischen Untergrund zu einem Angriff auf Auschwitz, erhielt aber nie eine Antwort darauf.

Zusätzlich zum militärischen und dem unmittelbaren humanitären Aspekt seiner Arbeit gelang es Pilecki, der seinen unpolitischen Ansatz stets betonte, Ende 1941 an der Bildung eines Politischen Komitees mitzuwirken, das alle im Lager vertretenen politischen Gruppierungen umfasste; angesichts der immer noch nachwirkenden Vorkriegs-Animositäten und der Lebensbedingungen im Lager eine bemerkenswerte Leistung. Als er von anderen Insassen (völlig unberechtigterweise) beschuldigt wurde, mit seiner Organisation hauptsächlich sich selbst herausstellen zu wollen, übergab Pilecki die Leitung der ZOW an den Kommandanten der ZWZ/AK-Gruppe im Lager, Oberstleutnant Kazimierz Rawicz, der unter dem Tarnnamen Jan Hilkner im Lager einsaß.

Aus Sorge darüber, dass zu viele gute Polen in andere Lager verlegt worden seien und dass die polnischen Untergrundbehörden sich seinen Bitten um Unterstützung bei der Befreiung des Lagers gegenüber taub zeigten, flüchtete Pilecki im April 1943 zusammen mit zwei anderen Häftlingen aus der Häftlingsbäckerei, um sein Anliegen persönlich vorzutragen. Die örtlichen und regionalen AK-Kommandeure waren jedoch seiner Geschichte gegenüber skeptisch eingestellt und nicht bereit, seinem Wunsch nach einem Angriff auf das Lager zu folgen, um die Insassen zu befreien.

Anschließend war Pilecki im Oberkommando der AK in Warschau tätig, schloss sich der streng geheimen antikommunistischen Untergrundorganisation NIE (Niepodległość – Unabhängigkeit) an, die nach dem Einmarsch der Roten Armee tätig werden sollte, und zeichnete sich bei den Kämpfen des Warschauer Aufstands von 1944 aus.11 Als Kriegsgefangener der Deutschen war er anschließend in den Lagern Lamsdorf und Murnau interniert und schloss sich anschließend dem polnischen II. Korps in Italien an. Hier verfasste er auch den Bericht von 1945, und von hier aus brach er auch zu seiner letzten Mission nach Polen auf.

Pilecki widmete sich seiner Aufgabe im Konzentrationslager mit erstaunlicher Ausschließlichkeit. Er spricht zwar viel von seinen Freunden, erwähnt aber nie seine Frau oder seine Kinder. Aus dem Bericht geht auch nicht hervor, wo sie sich während seiner Lagerhaft aufhielten, und ob er sie nach seiner Flucht überhaupt besuchte. Er erwähnt seine Angehörigen nur oberflächlich, wenn es um Pakete geht, die sie ihm schickten, wenn er sich sorgte, dass sie ihn womöglich aus Auschwitz freikaufen könnten, bevor er den Aufbau seiner Organisation abgeschlossen hatte, oder wenn er ihnen hin und wieder Briefe schrieb.

Diese Konzentration auf, wie es Pilecki sah, den Existenzkampf der polnischen Nation gehört zu dem umfassenden moralischen Dilemma, dem sich zweifellos viele Widerstandskämpfer mit Familie gegenübersehen. Darf man sich Aktivitäten anschließen, die die eigenen Angehörigen gefährden können? Es gibt hier natürlich keine »richtige« Antwort, und ich glaube, dass wir Heutigen, die wir in komfortabler Rückschau darauf zurückblicken, kaum ein Recht haben, darüber zu urteilen. Die Betroffenen entschieden sich so, wie es ihnen damals richtig erschien, und wir können sie nur dafür bewundern, dass sie sich diese Frage überhaupt stellten. Wie viel einfacher wäre es gewesen, die Hutkrempe tiefer in die Stirn zu drücken und sich still in ungefährdete Anonymität zurückzuziehen!

Das war nicht Pileckis Sache. Nachdem er einmal so weit gegangen war, sich freiwillig nach Auschwitz einschleusen zu lassen, um dort eine Widerstandsbewegung zu gründen, wäre er wohl kaum bereit gewesen, wieder in ein unauffälliges Leben abzutauchen, um seine Ruhe zu haben. Das war es auch, was ihn schließlich an den tragischen Höhepunkt seines Lebens führte, der zwar nicht zum hier vorliegenden Bericht gehört, aber wesentlich ist, wenn man den ganzen Menschen verstehen möchte.

Nach dem Krieg lehnte Pilecki, wie die meisten Polen, das dem Land von den Sowjets aufgezwungene atheistische kommunistische Regime ab. Deshalb nahm er 1945 einen Auftrag als Verbindungsoffizier zu den antikommunistischen Widerstandsgruppen innerhalb Polens an. Er sollte über die Bedingungen, unter denen sie arbeiteten, an General Władysław Anders berichten, den Kommandeur des polnischen II. Korps unter britischem Kommando, der sich allmählich als Führungsfigur für die Polen im Westen abzeichnete. Auch Pileckis Frau und Kinder hielten sich in Polen auf, und er konnte sie besuchen. Weil er sich trotz eines Befehls Anders’ nicht aus dem Land absetzte, als klar wurde, dass die kommunistischen Behörden ihm auf den Fersen waren, wurde er am 8. Mai 1947 verhaftet und anschließend von der polnischen Geheimpolizei gefoltert. Später erzählte er einem Familienmitglied bei einem Gefängnisbesuch, dass Auschwitz gegenüber der Behandlung durch seine von den Sowjets ausgebildeten Landsleute ein Kinderspiel (igraszka) gewesen sei.

Pilecki wurde der Spionage und der Vorbereitung bewaffneter Attentate auf Angehörige der polnischen Geheimpolizei angeklagt, was er stets vehement bestritt. Er wurde vor ein Militärgericht gestellt, verurteilt und schließlich am Abend des 25. Mai 1948 im Mokotów-Gefängnis in der Rakowiecka-Straße in Warschau hingerichtet … von seinen eigenen Landsleuten.

Man kann sich nur schwer ein schrecklicheres Ende für ein Leben vorstellen, für das Paulus’ Worte an Timotheus (2 Tim 4,7. Dt. Fassung Elberfelder Bibel, Ausg. 2006) vielleicht die beste Grabinschrift wären:

»Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt.«

Pileckis letzte Ruhestätte ist unbekannt. Er wurde in den 1990er-Jahren posthum vollständig rehabilitiert und gilt im heutigen Polen als Heldengestalt.

Jarek Garliński

 

Rittmeister Witold Pileckis Begleitschreiben an Generalmajor Tadeusz Pelcznyński

Sehr geehrter Herr General,

ich schicke Ihnen meinen Bericht, weil ich ihn nicht mitnehmen12 kann, und weil die leitenden Offiziere unserer Untergrundstreitkräfte in Polen die enthaltenen Details eines bisher völlig unbekannten Tätigkeitsbereichs der Heimatarmee interessant finden könnten. Man hat mir einen kommerziellen Verlagsvertrag und viel Geld angeboten, wenn ich den Bericht in Amerika herausbringe, aber im Moment möchte ich das nicht, weil ich noch keine Zeit hatte, den Stil zu überarbeiten, und ich hätte auch Gewissensbisse, ihn für Geld zu verkaufen. Es gab noch andere, die ihn gerne von mir gehabt hätten, aber meiner Meinung nach tue ich das Richtige, wenn ich ihn in Ihre Hände lege, Herr General. Vielleicht gibt es in London auch jemanden, der sich dafür interessiert. Bitte sehen Sie darin keinen Sensationalismus, jedenfalls nicht ausschließlich, denn so fühlen zahlreiche anständige Polen auf höchster Ebene. Dieser Bericht erzählt nicht alles, denn es war unmöglich, in so kurzer Zeit alles aufzuschreiben. Allerdings ist auch nichts »überarbeitet« worden; schon die geringste Lüge würde das Andenken der aufrechten Menschen entehren, die dort ihr Leben verloren haben.

Tomasz aus Auschwitz
Rittmeister Witold
der Ihnen vor einigen Tagen Meldung
gemacht hat.

19. Oktober 1945

2An der Ostfront wurde die Genfer Konvention, anders als im Westen, kaum beachtet. Die UdSSR war ihr ohnehin nie beigetreten.

3Mitunter auch Związek Organizacji Wojskowej (»Vereinigung militärischer Organisation«) aufgelöst, was nicht sinnvoll klingt.

4Viele Fälle wurden von juristisch ausgebildeten Insassen begutachtet, um wenigstens ansatzweise rechtsstaatlich vorzugehen.

5Oft Kommunisten, die bei Weitem größte und bestorganisierte Gruppe in den Lagern.

6Noch im August 1944 waren 3250 SS-Männer in Auschwitz stationiert, und die Deutschen hatten noch Reservekräfte zur Verfügung, während die Heimatarmee höchstens einige Hundert Bewaffnete hätte aufstellen können.

7Special Operations Executive, britische Spezialeinheit, die hinter den feindlichen deutschen Linien militärische Aktionen durchführte. [Anm. d. Übersetzerin]

8Nach dem im vorrevolutionären Russischen Reich noch gebräuchlichen julianischen Kalender, der gegenüber dem im Westen eingeführten gregorianischen Kalender um 13 Tage zurücklag. Sowjetrussland übernahm den gregorianischen Kalender 1918, als auf den 31. Januar unmittelbar der 14. Februar folgte.

9Sie starb 2002 im Alter von 96 Jahren.

10Interessanterweise verbarg die Heimatarmee ihre Identität oft unter der Abkürzung PZP (Polski Związek Powstańnczy – Polnische Aufstandsorganisation).

11Nicht identisch mit dem Warschauer Ghetto-Aufstand von 1943.

12Vermutlich meint der Autor »zurück nach Polen«, auf seiner letzten, tödlichen Mission. (Anm. d. Übers.)

Rittmeister Witold Pilecki: Bericht aus Auschwitz (1945)

Sommer 1945

Ich soll also nur die trockenen Fakten aufschreiben; so wollen es meine Freunde.

Sie haben mir gesagt: »Je genauer und kommentarloser du dich an die reinen Fakten hältst, desto wertvoller wird der Bericht.«

Ich will es versuchen … Aber wir sind nicht aus Holz geschnitzt, schon gar nicht aus Stein gemeißelt, obwohl es manchmal war, als ob auch ein Stein angefangen hätte zu schwitzen.

Hin und wieder will ich deshalb auch einen Gedanken zwischen die Fakten streuen, der zeigen soll, was man gefühlt hat.

Ich glaube nicht, dass dadurch die Beschreibung entwertet wird.

Man war ja nicht aus Stein, obwohl ich die Steine oft beneidet habe; man hatte ein schlagendes Herz, oft schlug es bis zum Hals, und immer wieder gingen einem Gedanken durch den Kopf, die ich manchmal nur mit Mühe erfasste …

Ich glaube wirklich, dass da und dort ein Satz zu diesen Gedanken nicht fehlen darf, wenn das Bild vollständig sein soll.

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September 1940…

19.September 1940 – die zweite Straßenrazzia in Warschau.

Es sind noch ein paar Leute am Leben, die mich damals um sechs Uhr morgens alleine zur Kreuzung der Aleja Wojska mit der Felińskiego-Straße gehen haben sehen, wo ich mich den Fünfergruppen anschloss, die die SS festgenommen hatte.

Auf dem Plac Wilsona wurden wir auf Lastwagen verladen und in die Kaserne der Leichten Gardekavallerie gebracht.

Nachdem im provisorischen Büro dort unsere Personalien aufgenommen worden waren, nahm man uns alle scharfen und spitzen Gegenstände ab und drohte uns mit Erschießung, falls später auch nur ein Rasiermesser bei uns gefunden werden würde. Dann wurden wir auf die Reitbahn geführt und blieben dort den ganzen 19. und 20.

Während dieser beiden Tage machten einige von uns Bekanntschaft mit einem Gummiknüppel auf den Hinterkopf. Das war allerdings mehr oder weniger normal für jene, die mit den Ordnungsmethoden der Friedenshüter schon vertraut waren.

Einige Familien kauften Angehörige frei und zahlten dafür riesige Summen an die SS.

Nachts schliefen wir alle Seite an Seite auf dem Boden.

Die Reitbahn wurde von einem riesigen Scheinwerfer direkt am Eingang beleuchtet.

SS-Männer mit ihren automatischen Waffen waren auf allen vier Seiten postiert.

Wir waren ungefähr 1800 Mann.

Was mich am meisten ärgerte, war die Passivität dieser Gruppe von Polen. Alle Verhafteten zeigten bereits Zeichen von Gruppenpsychologie; im Endeffekt verhielt die ganze Gruppe sich passiv wie eine Herde Schafe.

Ein einfacher Gedanke nagte an mir: Aufruhr stiften und diese Leute in Bewegung setzen.

Ich schlug meinem Kameraden Sławek Szpakowski (der, wie ich weiß, bis zum Aufstand13 in Warschau wohnte) eine gemeinsame Unternehmung während der Nacht vor: die Menge anstiften, die Wachen anzugreifen; ich würde, auf meinem Weg zur Toilette, inzwischen »aus Versehen« gegen den Scheinwerfer laufen und ihn zerschlagen.

Allerdings war ich ja aus einem ganz anderen Grund hier.

Das wäre ein viel unwichtigeres Ziel gewesen.

Er hielt die Idee sowieso für totalen Wahnsinn.

Am Morgen des 21. wurden wir auf Lastwagen verladen und unter Begleitung einer Motorradeskorte mit automatischen Waffen zum Westbahnhof gebracht. Dort mussten wir in Güterwaggons umsteigen.

Offenbar war in den Waggons zuvor Kalk transportiert waren, denn der Fußboden war voll davon.

Die Waggons wurden verschlossen. Wir fuhren den ganzen Tag. Wir erhielten weder zu essen noch zu trinken. Essen wollte sowieso niemand. Am Tag zuvor hatten wir etwas Brot bekommen, von dem wir noch nicht wussten, wie man es aß oder aufbewahrte. Wir hatten allerdings starken Durst. Der aufgewirbelte Kalk stiebte als Puder in der Luft und reizte Nasen und Kehlen. Wir bekamen nichts zu trinken.

Durch Spalten zwischen den Brettern, mit denen die Fenster vernagelt waren, sahen wir, dass es in Richtung Częstochowa (Tschenstochau) ging.

Ungefähr um 22 Uhr hielt der Zug irgendwo an und fuhr nicht weiter. Wir konnten Brüllen und Geschrei hören, die Waggons wurden aufgerissen, Hunde bellten.

Diesen Moment meiner Geschichte sehe ich als den an, in dem ich allem Vertrauten auf der Welt Lebewohl sagte und in etwas eintrat, das nicht mehr von dieser Welt schien.

Ich möchte hier nicht irgendwie große Worte schwingen. Ganz im Gegenteil halte ich es für unangemessen, hier zu verniedlichen oder zu verharmlosen.

Genau so war es.

Die Gewehrkolben der SS trafen nicht nur unsere Köpfe, sondern auch etwas viel Mächtigeres.

Unsere Vorstellungen von Recht und Ordnung und aller Normalität, alles, woran wir uns im Leben gewöhnt hatten, bekam einen brutalen Tritt.

All das endete.

Diese Einsicht traf uns so hart wie nur möglich, um uns so schnell wie möglich geistig zu brechen.

Das Getöse und Gebrüll kam allmählich näher. Schließlich war unser Waggon an der Reihe. Die Türen wurden aufgerissen, blendendes Licht schien herein.

»Raus! Raus! Raus!« Die SS überschüttete uns mit Flüchen, Kolbenhiebe regneten auf Schultern, Rücken und Köpfe. Es kam darauf an, so schnell wie möglich dem Waggon zu entkommen.

Ich sprang hinaus, schaffte es irgendwie, nicht geschlagen zu werden, und lief zu den Fünfergruppen in der Mitte der Kolonne.

Eine größere Gruppe von SS-Leuten schlug, trat und brüllte: »Zu Fünfen!«

Von den entfesselten Soldaten aufgehetzte Hunde stürzten sich auf diejenigen, die noch nicht in der Kolonne standen.

Von den Scheinwerfern geblendet, herumgestoßen, geschlagen, getreten und von Hunden gehetzt, fanden wir uns plötzlich in einer Situation, die wohl keiner von uns je zuvor erlebt hatte. Die Schwächeren waren so überwältigt, dass sie wie gelähmt waren.

Wir wurden auf eine größere Gruppe Scheinwerfer zugetrieben.

Unterwegs wurde einem von uns befohlen, zu einem Posten am Straßenrand zu laufen; ein kurzer Feuerstoß aus einer automatischen Waffe mähte ihn nieder. Zehn Mann wurden willkürlich aus der Gruppe herausgezerrt und als »Kollektivstrafe« für den von der SS inszenierten »Fluchtversuch« mit Pistolen erschossen.

Die elf Leichen wurden dann mit Stricken an den Beinen hinterhergeschleift, die Hunde auf die blutigen Körper gehetzt.

All das unter Gelächter und Scherzen.

Wir kamen zu einem Tor in einem Stacheldrahtzaun, über dem »Arbeit macht frei« zu lesen stand.

Erst später verstand ich, was das bedeutete.

Hinter dem Zaun standen Reihen von Ziegelbaracken um einen großen Appellplatz herum.