Günther Spies

Robert Schumann

Günther Spies

Robert Schumann Musikführer

SCHOTT

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Bestellnummer SDP 127

ISBN 978-3-7957-8551-2

© 2015 Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz

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Als Printausgabe erschienen unter der Bestellnummer SEM 8081

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Inhalt

Einleitung

Chronik des Lebens und Schaffens

Musik für Tasteninstrumente

Klavier zu zwei Händen

Variationen

Freie Formen: Tänzerisches, Fantasiestücke und anderes

Sonaten

Bearbeitungen – Kontrapunktische Studien – Pädagogische Werke

Klavier zu vier Händen und für zwei Klaviere

Pedalklavier und Orgel

Vokalmusik mit Klavierbegleitung bzw. a cappella

Sololieder und solistisch besetzte mehrstimmige Gesänge

Das »Liederjahr« 1840

Zyklen

Liedgruppen und Einzellieder

Romanzen und Balladen

Die Jahre 1841–1848

Die zweite Liederperiode 1849–1852

Sammlungen mit Liedern verschiedener Schaffensabschnitte

Chormusik

Gemischter Chor

Männerchor

Frauenchor

Kammermusik

Streichquartette

Werke für Streicher und Klavier

Klavierquintett

Klavierquartett

Klaviertrios

Violinsonaten

Kompositionen für verschiedene Instrumente und Klavier

Orchestermusik

Sinfonien und sinfonische Werke

Konzerte und Konzertstücke

Ouvertüren

Bühnen- und Chorwerke mit Orchester

Oratorische Werke und Chorballaden

Bühnenwerke

Geistliche Werke

Anhang

Zur Diskographie

Literaturhinweise (mit Abbildungsnachweis)

Werkregister

Einleitung

Schumanns Leben und Schaffen vollzog sich in einer kaum faßbaren Intensität, obgleich es immer wieder krisenhaft überschattet war. Wichtige Daten und Aspekte dieser komplexen Künstlerbiographie finden sich in der angefügten Chronik bzw. im Kontext einzelner Werkeinführungen. Vorweg soll zwei übergreifenden Fragen nachgegangen werden, zunächst derjenigen nach der stilistisch-ausdruckshaften Entwicklung des Schaffens und einiger dabei zu beachtender Bedingungsfaktoren, danach jener nach den Lebensdivergenzen und den Umständen von Schumanns tragischem Ende.

Das kompositorische Ergebnis von Schumanns breit gestreutem künstlerischen Wirken ist ein Gesamtwerk von universaler Weite. Es umspannt alle wichtigen Gattungen, gewichtet diese freilich unterschiedlich. Der kompositorische Aufbruch im Klavierjahrzehnt war gleichermaßen von jugendlicher Dynamik wie von einer kompromißlosen Progressivität geprägt. All die Kühnheiten und stilistischen Verwerfungen, die Intensivierung, ja Übersteigerung gefühlsbetonter Momente, die Darstellung des Dunkel-Untergründigen, aber auch des Skurrilen, verweisen zugleich auf einen unmittelbaren Einfluß frühromantischer Ideen. Diese traten Schumann in ihrer ganzen Vielschichtigkeit im Werke seiner damaligen Lieblingsdichter Jean Paul und E. T. A. Hoffmann entgegen. Dabei stieß er auch auf die geradezu beschwörende Anhäufung der Formel »poetisch« (bzw. »Poesie«), einen wichtigen Leitbegriff romantischer Ästhetik. Mit ihm war, den engeren Bereich der Dichtung weit übergreifend, die Vorstellung einer der »prosaischen« Welt des Alltäglich-Banalen entgegengestellten höheren Wirklichkeit verbunden. Diese konkretisiere sich im freien Spiel der schöpferischen Phantasie und vermittle Empfindungen neuer Art, ja öffne gleichnishaft das Tor zu tieferen Erkenntnissen. Der theoretische Hintergrund dieser Anschauung findet sich vor allem in den kunstphilosophischen Passagen von Schellings Transzendentalphilosophie. Ihnen zufolge wird die im letzten bestehende Einheit von Endlichem und Unendlichem nicht auf dem Wege des begrifflichen Denkens, sondern gerade und vornehmlich durch die Kunst vermittelt. Schönheit ist in diesem Sinne zugleich ein gleichsam sinnliches Aufscheinen des Absoluten. Wie zuvor schon Beethoven, war Schumann von dieser Metaphysik durchdrungen. Unermüdlich forderte er vor allem in seiner ersten Schaffensphase eine solch »poetische« Erneuerung und Vertiefung der Musik. Mit seiner Idee der »Davidsbündler« schuf er sich einen fiktiven Kreis verschworener Mitstreiter zur Realisierung dieses Vorhabens. Vorbilder dafür bot die zeitgenössische Literatur in mancherlei Varianten, so etwa E. T. A. Hoffmann mit seinen Serapions-Brüdern (1819-21). Schumann besetzte seinen geheimen Zirkel im Laufe der Zeit mit allen wichtigen Freunden und Künstlerkollegen. Wieck wurde zum Meister Raro, Clara zu Cilia oder Chiara bzw. Chiarina, Mendelssohn zu Meritis, Dorn zum Musikdirektor und sein langjähriger Jugendfreund Flechsig zum Jüngling Echomein. Von diesen und manch anderen Eingeweihten wußte er sich gestärkt und beflügelt, dem Beispiel Davids gegen die Philister zu folgen und den Kampf gegen musikalisches Mittelmaß, gegen alles Geistlos-Epigonenhafte aufzunehmen. Sich selber wies er zwei gegensätzliche Charaktere zu. Er führte sie am 1. Juli 1831 ein: »Ganz neue Personen treten von heute in’s Tagebuch – zwey meiner besten Freunde, die ich jedoch noch nie sah – das sind Florestan und Eusebius.« (Tb I, S. 344) Das damit aufgegriffene romantische Doppelgängermotiv war ihm seit langem vertraut. Es bezieht sich direkt auf das so konträre Zwillingspaar Vult und Walt aus Jean Pauls Flegeljahren (1804), in allgemeinerer Weise aber auch auf E.T.A. Hoffmanns genialisch-sprunghafte und gefährlich gespaltene Persönlichkeit des Kapellmeisters Kreisler.

Romantisches Denken schloß in einer dialektischen Weise auch die Verehrung historisch bedeutsamer künstlerischer Leistungen und die Einschmelzung älterer Sprach- und Stilformen ein. Schumann bekannte sich nachdrücklich zu diesem Prinzip. »Die Zukunft soll das höhere Echo der Vergangenheit sein«, notierte er in den frühen dreißiger Jahren (Tb I, S. 304). Seine wichtigsten Leitbilder waren Johann Sebastian Bach, Beethoven und Schubert, was in seinem Studienprogramm, in vielen kompositionstechnischen und stilistischen Entsprechungen, nicht zuletzt aber in zahlreichen Zitatverbindungen belegt ist. In der Musik dieser als unerreichbar bewunderten Vorgänger sah er zugleich das Ideal des Romantisch-Fortschrittlichen und damit »Poetischen« in schönster Weise verwirklicht. Daß er von Anfang an gleichsam als rationales Korrektiv zu seinem unerschöpflichen Einfallsreichtum hohe gestalterisch-handwerkliche Ansprüche an sich stellte, war gewiß auch eine Konsequenz aus dieser Beziehung.

Es scheint, als habe die 1840 mit der Eheschließung erreichte Stabilisierung der persönlichen Verhältnisse Schumanns Kräfte für eine Ausweitung der kompositorischen Pläne freigesetzt. Nach der intensiven Erfahrungsbildung an den verschiedensten Formen und Genres der Klaviermusik wie auch im Bereich des Liedes wandte er sich nun systematisch der Erschließung weiterer Gattungen zu. Die progressive ästhetische Grundhaltung blieb dabei zunächst ungebrochen erhalten. Dies zeigt sich gleichermaßen im kammermusikalischen Schaffen wie im sinfonischen Werk. Im Laufe der Jahre wurde sie dann allerdings durch andere, teilweise explizit antiromantische Tendenzen zurückgedrängt. Inspiriert vom nationalen Aufbruch und den Forderungen nach der Erschließung des Künstlerischen für ein breiteres Verständnis, auch mitbestimmt durch ein wachsendes pädagogisches Interesse, vereinfachte er nun immer wieder seine Schreibweise. In besonderer Weise wurden von dieser Tendenz das chorische wie oratorische Schaffen, außerdem seine Beiträge zur Bühnenmusik erfaßt. Die Abkehr von der kühnen ursprünglichen Diktion hatte aber auch andere Gründe. Zum einen mußte Schumann angesichts zuweilen drückender finanzieller Sorgen und seines unablässigen Kampfes um Anerkennung bestrebt sein, die Verbreitung und den Absatz seiner Werke zu erleichtern. Zum andern wirkten sich wohl auch die im Laufe der vierziger Jahre auftretenden gesundheitlichen Turbulenzen in dieser kompositorischen Beschränkung aus. Interessanterweise ergab sich gerade in der bedrängendsten Periode eine einschneidende Änderung seiner Schaffensweise. Schumann äußerte sich dazu im Frühsommer 1846 wie folgt: »Ich habe das Meiste, fast Alles, das kleinste meiner Stücke in Inspiration geschrieben, vieles in unglaublicher Schnelligkeit, so meine 1 ste Symphonie in B Dur in vier Tagen, einen Liederkreis von zwanzig Stücken ebenso [gemeint ist die dann auf 16 Lieder reduzierte Dichterliebe], die Peri in [...] verhältnismäßig ebenso kurzer Zeit. Erst vom Jr. 1845 an, von wo ich anfing alles im Kopf zu erfinden und auszuarbeiten, hat sich eine ganz andere Art zu componiren zu entwickeln begonnen.« (Tb II, S. 402) Eine letzte Entwicklungsstufe, welche zeitlich ebenfalls nicht trennscharf zu definieren ist, vielmehr sich schon lange vor der Krisenzeit 1852-54 angekündigt hatte, brachte dann mit der graduell unterschiedlichen Reduktion des klangsinnlichen Elements zugunsten subjektiv-verschlüsselter Ausdrucksformen und herberer Töne eine noch deutlichere Distanzierung von der stilistisch-ausdruckshaften Fülle früherer Neueren Forschungen ist es zu danken, daß die unmittelbar nach Schumanns Tod einsetzende Abwertung solcher Spätwerke allmählich einer sachlicheren Betrachtungsweise weicht.

Schumanns Biographie ist reich dokumentiert. Hauptquellen dafür sind die den Zeitraum von Januar 1827 bis Januar 1854 erfassenden Tagebuchaufzeichnungen, die sie ergänzenden, von 1837 bis ins Todesjahr reichenden Haushaltsbücher, des Weiteren ein umfangreicher Briefwechsel wie auch zahlreiche Aufzeichnungen aus der engeren und weiteren Umgebung des Komponisten (vgl. die Literaturhinweise). Sie alle weisen auf einen äußerst wechselhaften Lebensverlauf hin. Phasen unbeschwerten Wirkens wurden regelmäßig und in zunehmend rascher Folge von Abschnitten belastender Art abgelöst. Die dabei auftretenden Probleme erwuchsen aus dem Zusammentreffen einer höchst komplizierten Persönlichkeitsstruktur mit erheblichen äußeren Widrigkeiten. Schumann war starken inneren Spannungen unterworfen, neigte bald zum Überschwang, bald zu tiefer Depression. All dies trat erstmals während der Studentenjahre voll zutage. Auf sich selbst gestellt, war er damals hin- und hergerissen zwischen einem exzessiv freizügigen Lebensstil und dem Streben nach verantwortlicher Selbstgestaltung. Immer wieder verlor er im Widerstreit mit seinen – wie er sagt – »dämonischen« Kräften. Rückhaltlos vertraute er dies seinem Tagebuch an, wenn es dort etwa heißt: »Ich sinke [...] in den alten Schlamm zurück; kommt keine Hand aus Wolken, die mich hält?« (Tb I, S. 344) Seine schwierige Grunddisposition wirkte sich dann in späteren Jahren in anderer Weise verhängnisvoll aus. Wie bereits angedeutet, wurde Schumanns enormes kompositorisches Engagement nicht angemessen beachtet. Nur wenige Werke erreichten bei ihrer Uraufführung und zu seinen Lebzeiten die ungeteilte Zustimmung seitens der Fachkollegen und der Öffentlichkeit. Die ausbleibende Resonanz traf ihn nicht zuletzt deshalb so schwer, als er häufig Zeuge der enthusiastischen Anerkennung für seine konzertierende Frau war. Die Beziehung zu ihr war trotz vieler beglückender Momente und einer künstlerisch reichen wechselseitigen Befruchtung nicht einfach. Das Zusammenleben zweier so ausgeprägter Künstlerindividualitäten mußte zwangsläufig zu Interessenkonflikten und Unverträglichkeiten führen. Gesteigert traten solche in Phasen schöpferischer Hochspannung auf, in denen Schumann eine extreme Empfindlichkeit gegen jegliche Störung zeigte. Der aus den vielfältigen Entmutigungen und Enttäuschungen, dazu einer ständigen geistigen Hochspannung und verzehrenden Arbeitsweise resultierende Substanzverlust war erheblich. Zustände tiefster Niedergeschlagenheit, Schlaflosigkeit, Schwindelanfälle, Platzangst und andere Phobien gehörten neben kommunikativen Blockaden zu den auffallendsten Folgeerscheinungen. Ohne Zweifel trugen die sich im Laufe der Jahre zunehmend krisenhaft verstärkenden Störungen ihren Teil zur endgültigen gesundheitlichen Zerrüttung bei. Die Frage nach den akuten Ursachen der dramatischen Zuspitzung seiner Lebenssituation im Februar 1854 und nach dem tragischen Ende in der Heilanstalt Endenich wird von den Medizinhistorikern seit Jahren kontrovers diskutiert. Der 1973 veröffentlichte Obduktionsbericht des behandelnden Arztes Dr. Richarz bringt nach Meinung Franz Hermann Frankens deutliche Hinweise auf eine – damals noch nicht heilbare – »syphilitische Infektion« mit nachfolgender progressiver Paralyse (Die Krankheiten großer Komponisten, 2 Bde., Wilhelmshaven 21991). Zurückhaltender beurteilt sein Fachkollege Dr. Anton Neumayr die Untersuchungsergebnisse (Musik und Medizin. Am Beispiel der deutschen Romantik, Wien 1989). Er bemängelt auch Richarz’ offenbar unzureichende pathologische Kompetenz. Franken räumte dann später ein, Schumanns Krankheitsbild sei maßgeblich von psychiatrischen Symptomen anderer Art mitbestimmt gewesen. An seinem Schlußfazit: »Die Diskussion über die Art seiner Erkrankungen wird deshalb wohl auch nie erlöschen« (Bd. 2, S. 240), dürfte auch die 1994 dank Aribert Reimann überraschend aufgetauchte Krankenakte nichts ändern. Auf der Grundlage dieses Dokuments zeichnete vor kurzem Peter Härtung den unsäglich traurigen Verfall dieser reichen Künstlerexistenz in ergreifender Weise nach (Schumanns Schatten, Köln 1996).

Chronik des Lebens und Schaffens

1810–28: Kindheit und Jugend in Zwickau
1810 Geboren am 8. Juni in Zwickau als jüngstes von fünf Kindern. Vater: August Schumann, Verlagsbuchhändler und Schriftsteller. Mutter: Johanna Christiane Schumann, geb. Schnabel. – »Starke Neigung zur Musik in den frühesten Jahren – Anfang meiner Clavierstunden wohl im 7ten Jahr – mein vieles Singen hatte meine Eltern wohl auf mein Talent aufmerksam gemacht ...« (Eismann I, S. 12).

1820 ff. Beginn der Gymnasialzeit. Die musikalisch-dichterische Doppelbegabung tritt deutlich zutage. Großes Interesse an älterer wie zeitgenössischer Dichtung, das in der Bibliothek des Vaters reiche Nahrung findet. Ist fasziniert vom Leben genialer Menschen und fühlt sich ebenfalls berufen, Bedeutendes zu leisten. – Aus den Erinnerungen des Schulfreundes Emil Flechsig: »Den Knaben Robert fand ich in seinem 13. Jahre bereits als einen fertigen Klavierspieler vor, welcher sich auch schon öffentlich in Konzerten hören ließ.« (NZfM 1956, S. 392) Exzellenter Vom-Blatt-Spieler und phantasievoller Improvisator. Komponiert u. a. den 150. Psalm für Chor und Orchester. Veranstaltet regelmäßig Hauskonzerte vielseitigen Programms. – 1828 Reifeprüfung. Glänzende Beurteilung durch die Schule. Reise zur Jean-Paul-Gedenkstätte in Bayreuth. Begegnung mit Heinrich Heine in München.
1828-33: Studium in Leipzig und Heidelberg
1828 Beginn eines – aufgezwungenen – Jura-Studiums in Leipzig. Klavierunterricht bei Friedrich Wieck.
1829 Ab Mai in Heidelberg. – Verschiedene Reisen, u. a. in die Schweiz und nach Oberitalien. – Studienfreund Töpken über die gemeinsame Heidelberger Zeit: »Das Klavierspiel blieb während der ganzen Zeit seines Heidelberger Aufenthalts Schumann’s Lieblingsbeschäftigung; es bildete sein eigentliches Studium.« (Eismann I, S. 55) Ein Konzert vor größerem Publikum mit Ignaz Moscheles’ schwierigen Variationen über den Alexander-Marsch brachte »einen Beifallssturm, wie ihn nur ein Künstler sich wünschen mag ...« (ebd.).
1830 Über Ostern in Frankfurt. Ein Konzert Paganinis wird zum Schlüsselerlebnis. – Gegen den Widerstand der Mutter bricht er das Jura-Studium ab und wendet sich ganz der Musik zu. Ab Frühherbst Weiterführung der Studien bei Wieck in Leipzig. Dieser an Schumanns Mutter: »Ich mache mich anheischig, Ihren Sohn [...] bei seinem Talent und seiner Phantasie binnen drei Jahren zu einem der größten lebenden Klavierspieler zu bilden« (9. August 1830; ebd., S.63). Abegg-Variationen op. 1 für Klavier.
  Triumphales erstes öffentliches Auftreten der 11jährigen Clara Wieck.
1831 Beginn des Kompositionsunterrichts bei Heinrich Dorn. 1830-31: Papillons op. 2 für Klavier.
  Schumann in seinem »Musikalischen Lebenslauf«: »[...] ich spielte täglich über 6-7 Stunden. Eine Schwäche in der rechten Hand, die sich immer verschlimmerte, unterbrach diese Studien, so daß ich den Plan, Musiker zu werden, aufgeben mußte. Von da an beschäftigte ich mich ausschließlich mit Studien in den deutschen Meistern, so wie mit eigenen Kompositionen.« (ebd., S. 77) Bei der Schwäche in der rechten Hand handelt es sich um die gegen Oktober 1831 beginnende Versteifung des Mittel- und des Zeigefingers. Alle therapeutischen Bemühungen in den nachfolgenden Jahren blieben erfolglos.
  Erstes Hervortreten als Musikschriftsteller mit einer begeisterten Rezension über die »La ci darem la mano«-Variationen op. 2 (»Reich mir die Hand, mein Leben« aus Mozarts Don Giovanni) des gleichaltrigen Chopin (GS I, S. 3 ff.).
1832 Brief vom 27. Juli an seinen früheren Musiklehrer Kuntzsch: »Den theoretischen Kursus hab’ ich vor etlichen Monaten bis zum Kanon bei Dorn vollendet [...]. Sonst ist Sebastian Bach’s Wohltemperiertes Klavier meine Grammatik, und die beste ohnehin. Die Fugen selbst hab’ ich der Reihe nach bis in ihre feinsten Zweige zergliedert« (Eismann I, S. 76).
Pressehinweis im Zwickauer Wochenblatt vom 7. November: »Clara Wieck, die dreizehnjährige berühmte Virtuosin auf dem Pianoforte, wird mit ihrem Vater, Herrn Wieck, den 18. November, in dem Saal des Gewandhauses unter Mitwirkung des Singvereins ein großes Clavier-Concert geben« (ebd., S. 78). In diesem Konzert wurde auch der 1. Satz von Schumanns g-Moll-Sinfonie, der »Zwickauer«, aufgeführt.
1833 Brief Roberts vom 11. Februar 1838 an Clara: »Schon damals um 1833 fing sich ein Trübsinn einzustellen an, von dem ich mich wohl hütete mir Rechenschaft abzulegen; es waren die Täuschungen, die jeder Künstler an sich erfährt, wenn nicht Alles so schnell geht, wie er sichs träumte. Anerkennung fand ich nur wenig; dazu kam der Verlust meiner rechten Hand zum Spielen. Zwischen allen diesen dunkeln Gedanken und Bildern hüpfte mir nun nur allein Deines entgegen« (Bw I, S. 95).
1834-44: Leipziger Meisterjahre
1834 Verbindung mit Ernestine von Fricken aus Asch (böhmisch-bayerische Grenze). Sie lebte von 1834 bis Anfang 1835 als Klavierschülerin im Hause Wieck.
Wichtige Klavierwerke vom Winter 1834/35: Carnaval op. 9, Sinfonische Etüden op. 13.
  Gründet zusammen mit Musikerkollegen die Nene Zeitschrift für Musik (NZfM). Leitet und redigiert sie bis Juni 1844. In zahlreichen Beiträgen – Konzertberichten, Werkanalysen, Reflexionen – verdeutlicht er seine Vorstellungen von einer ästhetischen Erneuerung. Einbeziehung eines fiktiven Reformkreises, der sog. »Davidsbündler«. Zunächst vom Geist der Frühromantik durchweht, wandelte sich die Zeitung im Laufe der Jahre zu einem wichtigen Organ der bürgerlich-fortschrittlichen Musikkritik des Vormärz.
1835 Im August Bekanntschaft mit Felix Mendelssohn (geb. 1809). »Der erste Eindruck der eines unvergeßlichen Menschen.« (Zit. nach: Erinnerungen an Mendelssohn, hrsg. von Georg Eismann, Zwickau 1947, S. 62.) Erste Begegnung auch mit Chopin. »Chopin war hier, aber nur wenige Stunden [...]. Er spielt genau so, wie er komponiert, d. h. einzig.« (Eismann I, S. 98)
  Lösung von Ernestine von Fricken.
  Fertigstellung der Klaviersonaten Nr. 1 fis-Moll op. 11 und Nr 2 g-Moll op. 22.
  Programmatischer Beitrag für die NZfM über Berlioz’ Symphonie fantastique (GS I, S. 118).
1836 Tod der Mutter.
  Wachsendes Interesse an Clara Wieck. Dies mißfällt dem Vater. Kompromißlos entzieht er seine Tochter Schumanns Einfluß. Kontaktmöglichkeiten ergeben sich erst wieder Anfang September 1837.
  Abschluß der 1. Fassung der Klaviersonate Nr. 3 f-Moll op. 14; Fantasie C-Dur op. 17.
1837 Am 13. September, dem 18. Geburtstag Claras, wirbt Schumann bei Wieck um die Verlobte, zunächst brieflich, dann in einer Aussprache. Er muß bei dieser Gelegenheit und danach viele Schmähungen und Unterstellungen über sich ergehen lassen. Die Störaktionen des unbeugsamen Vaters bleiben nicht ohne Wirkung auf die Tochter. Es kommt zu Mißverständnissen und Unstimmigkeiten zwischen den Verlobten. – Clara und ihr Vater beginnen im Oktober eine Konzertreise nach Wien. Die junge Künstlerin feiert triumphale Erfolge, die ihren Höhepunkt in der Ernennung zur »K. K. Kammervirtuosin« vom Mai 1838 finden.
  Bedeutende Klavierwerke: Davidsbündlertänze op. 6 und Fantasiestücke op. 12.
1838 Schumann reist Ende September für einige Monate nach Wien. Er bemüht sich, dort eine Existenz zu finden. Bei Ferdinand Schubert entdeckt er im Nachlaß seines Bruders Franz verschiedene Manuskripte bzw. Werkkopien, u. a. eine Abschrift der großen C-Dur-Sinfonie.
Weitere wichtige Klavierwerke: Kinderszenen op. 15, Kreisleriana op. 16, Novelletten op. 21.

1839 Clara bricht ihre Beziehung zum Vater ab und zieht zu ihrer seit Jahren geschiedenen Mutter nach Berlin. Von dort aus wenden sich die beiden nach weiteren ergebnislosen Bemühungen, von Wieck die Zustimmung zur Eheschließung zu erhalten, an das Leipziger Appellationsgericht.
  Clara absolviert in den Jahren seit 1836 ein enormes künstlerisches Pensum. Sie komponiert in dieser Krisenzeit eine Reihe wichtiger Werke, u. a. die Soirées musicales op. 6, Souvenir de Vienne op. 9, das Scherzo pour le Pianoforte op. 10 und die Trois romances pour le piano op. 11.
  Abschluß des »Klavierjahrzehnts« u. a. mit der Schlußfassung der Klaviersonate Nr. 2 g-Moll op. 22 (Winter 1838 bis 1839), der Humoreske op. 20, dem Faschingsschwank aus Wien op. 26 und den Drei Romanzen op. 28.
1840 Ehrendoktorat der Universität Jena.
  Nach zwei für Clara und Robert schockierenden Verhandlungen erteilt das Gericht die Eheerlaubnis. Am 12. September Trauung in der Dorfkirche von Schönefeld bei Leipzig. Beginn eines gemeinsam geführten »Ehetagebuchs«. Aus der Verbindung gehen acht Kinder hervor: Marie (1841 bis 1929), Elise (1843-1928), Julie (1845-71), Emil (1846 bis 1847), Ludwig (1848-99), Ferdinand (1849-91), Eugenie (1851-1938) und Felix (1854-79).
  »Liederjahr« mit verschiedenen Liedgruppen bzw. Zyklen, u. a. Myrthen op. 25 nach verschiedenen Dichtern, Liederkreis op. 39 nach Eichendorff, Frauenliebe und Leben op. 42 nach Adalbert von Chamisso, Liederkreis op. 24 und Dichterliebe op. 48 nach Heine.
1841 »Sinfonisches Jahr«. Wichtigste Beiträge: 1. Sinfonie B-Dur op. 38, die sog. »Frühlingssinfonie«; Sinfonie d-Moll op. 120, 1. Fassung; Fantasie a-Moll für Klavier und Orchester, der 1. Satz des später fertiggestellten Klavierkonzerts op. 54.
1842 »Kammermusikjahr«: Streichquartette op. 41, 1-3; Klavierquintett Es-Dur op. 44; Klavierquartett Es-Dur op. 47; Fantasiestücke für Klaviertrio op. 88.
  Konzertreise Claras nach Norddeutschland und Dänemark. Robert begleitet sie bis Hamburg. Schaffensstörung bis zu ihrer Heimkehr.
  Am 18. April Besuch Wagners in Leipzig. Deutliche Kontaktschwierigkeiten auf beiden Seiten.
1843 Mendelssohn gründet in Leipzig ein Konservatorium und beruft Schumann als Kompositionslehrer. Dieser gibt das Amt bald wieder auf.
  Das Paradies und die Peri, weltliches Oratorium für Solo, Chor und Orchester op. 50 nach einer Textvorlage von Thomas Moore. Die triumphale Uraufführung vom 4. Dezember bringt Schumanns Debut als Dirigent.
  Im September Bekanntschaft mit dem anläßlich einer Konzertreise nach Leipzig kommenden Hector Berlioz.
1844 Januar bis Mai: Gemeinsame Konzertreise nach Rußland. Aufenthalte in Petersburg und Moskau. Krisenzeit für Schumann. Nach einigen vorangegangenen Erschöpfungszuständen erleidet er im August einen seelischen Zusammenbruch. Erholungszeit in Dresden. Skizzen zu einigen Szenen aus Goethes Faust.
1844-50: Die Jahre in Dresden
1844 Im Dezember Übersiedlung.
1845 In der ersten Jahreshälfte Fortdauer des krisenhaften Gesundheitszustandes.
  Verstärkte kontrapunktische Studien. Plan einer kritischen Ausgabe des Wohltemperierten Klaviers.
  Fertigstellung des Klavierkonzerts α-Moll op. 54. Uraufführung im Dezember mit Clara als Solistin.
  Schumann und Wagner kommen sich näher. Sie diskutieren u. a. ihre Opernpläne. Schumann ist von dem im Oktober uraufgeführten Tannhäuser beeindruckt.
1846 Wiederum gesundheitliche Labilität. Eine Badereise nach Norderney trägt zur Besserung bei.
  November: Fertigstellung und Uraufführung der C-Dur-Sinfonie op. 61.
  Danach Konzerttournee mit Clara nach Wien.
1847 Juli: 1. Schumannfest in Zwickau.
  Klaviertrios d-Moll op. 63 und F-Dur op. 80. Weiterarbeit an den Faust-Szentn.
  Im November übernimmt Schumann den Männerchor »Liedertafel«. Er gründet wenig später einen Verein für gemischten Chorgesang. Aus dieser Tätigkeit erwachsen verschiedene Beiträge zur Chorliteratur.
Am 4. November stirbt Mendelssohn, kurz nach dem Tode seiner Schwester, der Komponistin Fanny Hensel. »Sein Leben ein Kunstwerk – vollendet.« (Zit. nach: Erinnerungen an Mendelssohn, S. 55.)
1848 Komposition der Oper Genoveva op. 81. Danach Musik zum dramatischen Gedicht Manfred nach Byron op. 115. Klavier: Album für die Jugend op. 68.
1849 Die Revolution greift Anfang Mai auf Dresden über. Schumann flieht mit seiner Familie aufs Land. Rückkehr nach Dresden im Juni.
  Brief an Hiller: »Sehr fleißig war ich in dieser ganzen Zeit – mein fruchtbarstes Jahr war es – als ob die äußern Stürme den Menschen mehr in sein Inneres trieben, so fand ich nur darin ein Gegengewicht gegen das von Außen so furchtbar Hereinbrechende.« (BNF, S. 302)
  Breite Schaffenspalette: Kammermusikalische Stücke kleinerer Besetzung; Konzertstück für vier Hörner und Orchester F-Dur op. 86; Konzertstück für Klavier und Orchester G-Dur op. 92; diverse Chorkompositionen, u. a. Romanzen und Balladen für gemischten Chor op. 67, 75, 145, 146 und Vier doppelchörige Gesänge op. 141; Sololieder, u. a. Die Lieder Mignons, des Harfners und Philines op. 98 a; Klaviermusik, u.a. Waldszenen op. 82 (Ende 1848/Anfang 1849); Arbeit an den Faust-Szenen; Requiem für Mignon op. 98 b.
1850 Schumann nimmt Ferdinand Hillers Angebot an, ab August 1850 dessen Nachfolge in Düsseldorf anzutreten.
1850-54: Städtischer Musikdirektor in Düsseldorf
  Übersiedlung im September. Das Amt verpflichtet Schumann zur Leitung von Chor und Orchester des »Allgemeinen Musikvereins«, zur Durchführung von zehn Abonnementskonzerten pro Wintersaison, dazu von zwei bis drei kirchenmusikalischen Aufführungen pro Jahr in katholischen Gottesdiensten.
  Sinfonie Es-Dur op. 97, die »Rheinische«; Cellokonzert op. 129. Sechs Gedichte von N. Lenau und Requiem op. 90. Ende Juni Uraufführung der Genoveva in Leipzig. Mäßiger Erfolg.
1851 Anpassung an die rheinische Mentalität fällt den Schumanns schwer. Wachsende Spannungen bei der Arbeit. Robert gerät als Dirigent ins Kreuzfeuer der Kritik.
Vielfältiges Schaffen, u. a. Der Rose Pilgerfahrt, Musikalisches Märchen für Soli, Chor und Orchester op. 112; Klaviertrio g-Moll op. 110, Violinsonaten α-Moll op. 105 und d-Moll op. 121, einige Ouvertüren. Umarbeitung der d-Moll-Sinfonie op. 120.
1852 Zwischen April bis Dezember schwere gesundheitliche Störungen.
  Eingeschränkte kompositorische Tätigkeit. Unter anderem entstehen die Gedichte der Königin Maria Stuart op. 135, die Messe op. 147 und das Requiem op. 148.

1853 Das Niederrheinische Musikfest vom Mai in Düsseldorf bringt dem Komponisten einen großen Erfolg. Neben Händeis Messias führt er seine d-Moll-Sinfonie auf.
  In den Sommermonaten erneute gesundheitliche Krise. Zieht sich mehr und mehr zurück.
  Seit Frühjahr erwachsen aus der Bekanntschaft mit dem jungen Geiger Joseph Joachim freundschaftliche Beziehungen. Im September tritt der 20jährige Johannes Brahms in den Lebenskreis Clara und Robert Schumanns. Bereits die erste Begegnung wird zu einem nachhaltigen Erlebnis. Enthusiastisch führt Schumann den jungen Kollegen in seinem berühmt gewordenen NZfM-Beitrag »Neue Bahnen« in die Musikwelt ein (Eismann I, S. 183).
  Gegen Ende des Jahres wachsende Unstimmigkeiten mit dem Verwaltungsausschuß des »Allgemeinen Musikvereins« und dem Orchester. Schumann empfindet es als Schmähung, daß sein dirigentisches Wirken zunehmend eingeschränkt wird. Er kündigt die Stelle.
  Triumphal verlaufende Konzertreise des Ehepaares ab 24. November nach Holland.
  Trotz wachsender persönlicher Schwierigkeiten reiches Schaffen: u. a. Gesänge der Frühe op. 133 für Klavier; Ouvertüre zu den Faust-Szenen als Abschluß der mehrjährigen Auseinandersetzung mit diesem Stoff; Konzert-Allegro mit Introduktion für Klavier und Orchester op. 134; Phantasie für Violine mit Begleitung des Orchesters oder Pianoforte op. 131; Violinkonzert d-Moll WoO 23; dazu diverse kammermusikalische Werke.
1854-56: Tragischer Lebensausklang
1854 Herausgabe der Gesammelten Schriften.
Von Beginn an akute Krankheitssymptome. Trotzdem Ende Januar gemeinsame Reise nach Hannover, wo Schumann in der Bibliothek Material für seinen geplanten »Dichtergarten«, eine Anthologie von Äußerungen über Musik in der Weltliteratur, zusammenstellt.
  Im Februar Zuspitzung der gesundheitlichen Störungen. Schumann hört immerzu Musik, bald bedrohliche, bald himmlische Töne. Am 26. bittet er, in eine psychiatrische Klinik gebracht zu werden. Diesem Wunsch wird nicht entsprochen. Am nächsten Tag, dem Rosenmontag, entweicht er der häuslichen »Bewachung« und stürzt sich in den Rhein. Er wird gerettet und in die Heilanstalt Endenich bei Köln gebracht.
1855 Bis Anfang Mai kann sich Schumann musikalisch beschäftigen. Anläßlich eines Besuches äußert Bettina von Arnim die Befürchtung, die Isolation in den öden Räumen der Anstalt verhindere eine nachhaltige Besserung.
  Clara Schumann erhält am 5. Mai den letzten Brief von ihrem Mann. Danach erfolgt der endgültige Zusammenbruch.
1856 Infolge ärztlicher Anweisung sieht Clara ihren Mann nach dem tragischen 27. Februar 1854 erstmals zwei Tage vor seinem Tod wieder. Dagegen können Brahms und Joachim den Patienten regelmäßig besuchen.
  Am 29. Juli stirbt Robert Schumann.

Musik für Tasteninstrumente

Das Klavier war Schumanns wichtigstes Medium musikalischer Erfahrungsbildung und Selbstdarstellung. Zehn Jahre lang, von 1830 bis 1839, schrieb er nahezu ausschließlich für dieses Instrument. Danach erschloß er sich systematisch die anderen wichtigen Gattungen. Dem Klavier erwuchsen im Bereich des Liedes, der Kammermusik und des Konzerts neue wichtige Aufgaben. Solistisch trat es zunächst in den Hintergrund, wurde dann aber von 1849 an erneut mit eigenen Beiträgen bedacht. Der Gesamtertrag für dieses Instrument ist von einer nahezu unübersehbaren formalen wie stilistischen Fülle. Phantasie und Neuerergeist bestimmen vor allem die Kompositionen des Klavierjahrzehnts. In ihrer gestalterischen Kühnheit und Gefühlsunmittelbarkeit lösen sie den romantischen Anspruch an eine »poetische« Musik in immer neuer Weise ein. In den späteren Jahren ergeben sich dann erhebliche konzeptionelle und stilistische Änderungen. Schumann bevorzugt nun mehr als zuvor Ausdrucksformen populärerer Art und bestätigt damit eine auch in anderen Gattungen spürbare Tendenz. Andererseits reduziert er jedoch in einzelnen Kompositionen das klangsinnliche Element und gibt ihnen ausgesprochen introvertierte Züge.

Formale wie stilistische Querverbindungen innerhalb des weitgespannten Schaffens legen eine gruppenweise Anordnung und Darstellung der Kompositionen nahe. Zwei Gruppen beziehen sich auf die Variation und die Sonate, auf jene historischen Formen, mit denen Schumann sich vor allem während des Klavierjahrzehnts intensiv schöpferisch auseinandersetzte. Die weitaus größte Gruppierung aber faßt unter der Bezeichnung »Freie Formen: Tänzerisches, Fantasiestücke und anderes« jene Stücke zyklischer Bindung bzw. freier Abfolge zusammen, welche seine Gestaltungsideen in besonders unverwechselbarer Weise spiegeln. Eine weitere Gruppe enthält frühe Bearbeitungen, sodann kontrapunktische Studien bzw. Fugen-Sammlungen und schließlich eine Reihe musikpädagogischer Arbeiten. Sie trägt den Titel »Bearbeitungen – Kontrapunktische Studien – Pädagogische Werke«. Die Besprechungsabfolge wie Binnengliederung dieser Gruppen ist vornehmlich chronologisch orientiert. Den Abschluß des Kapitels bilden Anmerkungen zu den Werken für Klavier vierhändig bzw. für zwei Klaviere, sowie zu den Beiträgen für Pedalklavier und Orgel.

Die Darstellung beschränkt sich auf die wichtigsten zugänglichen Sammlungen und Einzelstücke. Dank neuerer Forschungen konnte dieser Grundkanon durch das eine oder andere Stück erweitert werden. Soweit noch nicht veröffentlicht, werden diese Addenda im Rahmen der Neuen Gesamtausgabe, Serie III, zugänglich gemacht.

Klavier zu zwei Händen

Variationen

In Schumanns Schaffen spielt das Variieren als Ausdrucks- und Formelement eine zentrale Rolle. Die Hinwendung zu diesem Gestaltungsprinzip zeichnete sich früh ab. Der jugendliche, pianistisch frühreife Musiker verblüffte seine Umgebung mit phantasievollen Improvisationen über freie bzw. programmatisch fixierte thematische Gestalten. In seinem Literaturspiel aber nahmen die ihm zugänglichen Variationszyklen einen bevorzugten Platz ein. Mit einem der berühmtesten seiner Zeit, den virtuosen Variationen über den Alexander-Marsch op. 32 von Ignaz Moscheles, debütierte er während seiner Heidelberger Zeit als Pianist. Es verwundert nicht, daß auch seine kompositorischen Anfänge besonders mit dieser Formgattung verknüpft sind. Einige jener Versuche wurden fertiggestellt und veröffentlicht, andere kamen über Ansätze nicht hinaus. Manche Stücke wurden erst in den letzten Jahren publiziert, so die Etüden in Form freier Variationen über ein Thema von Beethoven. Joachim Draheim gibt in seinen Bemerkungen zu den frühen Variationswerken Robert Schumanns Auskunft über diese Beiträge (vgl. Schumann Studien I, S. 75-89).

Seine Bemühungen um eine zeitgemäße Realisierung dieses alten Formprinzips begleitete Schumann kritisch reflektierend. In zahlreichen schriftlichen Äußerungen verdeutlichte er seine eigenen Gestaltungsvorstellungen. Immer wieder beklagte er den qualitativen Schwund einer modisch veräußerlichten Variationenproduktion. Anläßlich einer Sammelrezension neu erschienener Variationen sah er sich 1836 zu der Aussage veranlaßt, in keinem Genre sei »mehr Stümperhaftes zu Tage gefördert worden« (GS I, S. 42). Im einzelnen kritisierte er jegliche rein spieltechnisch orientierte Variierung, mangelnden Erfindungsreichtum, Routine statt Phantasie und Vertiefung. Demgegenüber forderte er Variationen individueller Prägung, die sich aus einer schematischen Bindung ans Thema lösen, diesem vielmehr in wechselnder Weise und Intensität verbunden bleiben.

Thème sur le nom Abegg varié pour le Pianoforte op. 1

Diese 1830 komponierten Variationen stellen das erste gedruckte Werk Schumanns dar. Der junge Komponist kommentierte dieses Debüt mit gehörigem Stolz, vermerkte er doch am 7. November 1831 in seinem Tagebuch: »Heute erschein’ ich zum erstenmal in der großen Welt mit den Variationen!« (Tb I, S. 373) Hinter der klingenden Widmung »à Mademoiselle Pauline Comtesse d’Abegg« verbirgt sich die Mannheimer Jugendfreundin Meta Abegg. Die Buchstaben ihres Namens liefern das Tonmaterial für das Thema der Variationen. Dieses einfache, ländlerartige Stück gewinnt der Fünftonfolge durch Sequenzierung, Gegenbewegung und dynamische Kontrastierung einige Ausdrucksnuancen ab. Die drei Variationen und das abschließende Finale lassen den so einfach erscheinenden Thementeil ausdrucksmäßig wie strukturell weit hinter sich. Sie verraten Gestaltungsphantasie und virtuosen Ehrgeiz. Als unmittelbare Vorbilder für sie gelten Ignaz Moscheles mit seinen erwähnten La marche Alexandre-Variationen, vor allem aber Beethoven.

Wie wichtig gerade dessen Kompositions- und Variationsstil für Schumann war, wird sogleich an der 1. Variation spürbar. Als wolle er von Beginn an alle Zweifler von seinem Können überzeugen, verbindet er diese kunstvoll mit dem Themenmodell. Ausgangspunkt ist die aus dem Grundmotiv abgespaltene kleine Sekunde, deren vertikale wie lineare Multiplikation in den Takten 1-8 zur harmonischen Schärfung und zur Weitung des Tonraums führt. Der 2. Achttakter bringt in der linken Hand das ganze Ausgangsmotiv. Im zweiten Teil des Stückes wird die vom Ausgangsthema her zu erwartende Bewegungsumkehrung dadurch individualisiert, daß Schumann nun die vom Anfang übernommene kleine Sekunde es-e enharmonisch in dis-e umdeutet und damit den Satz auflichtet. Die Kombination dieser Sekundfolge mit dem Intervall b-a aber stellt die Beziehung zum Grundthema her. Dem stürmischen Beginn folgt eine verhaltene 2. Variation. Sie knüpft wiederum bei der kleinen Sekunde des Themas an, entwickelt daraus aber eine eigenständige melodische Linie. In der kanonischen Zuordnung der beiden Eckstimmen und der doppelten Synkopierung des Satzes künden sich stilistische Konstanten des weiteren Schaffens an. Die 3. Variation behält das chromatische Element bei, löst sich jedoch trotz einiger thematischer Anklänge spürbar vom Ausgangspunkt. Mit ihren virtuosen Spielfiguren rückt sie ausdrucksmäßig in die Nähe des Salonmäßigen. Im brillanten »Finale alla Fantasia« gibt Schumann der improvisatorischen Spontaneität dann noch größeren Raum. In ihrem Passagenwerk wird auch der Einfluß Johann Nepomuk Hummels spürbar.

Impromptus über ein Thema von Clara Wieck op. 5

Bei diesem Werk handelt es sich um eine Folge von zehn Charaktervariationen. Schumann komponierte sie 1833. Später redigierte er die erste Ausgabe und legte sie 1850 in einer gekürzten zweiten Fassung vor. Ausgangsthema ist ein achttaktiges Baß-Ostinato, das harmonisch auf eine erweiterte, »romantisch« eingefärbte Kadenz angelegt ist. Ihm tritt in der formelhaften Diskantmelodie des vierstimmigen Thementeils ein einflußreiches Gegenthema zur Seite. Dies war zuvor schon von Clara Wieck in ihrer vermutlich 1831 entstandenen Romance variée op. 3 thematisch verwendet worden, was zu der Annahme führte, die junge Komponistin habe diesen Thementeil erfunden, Robert Schumann lediglich die Baßstimme hinzugefügt. Daß dies nicht zutrifft, hat Köhler dargelegt (Peters-Urtextausgabe Nr. 9523). Schumann notierte eine erste Version davon bereits 1830 anläßlich seiner Reise von Heidelberg nach Leipzig unter dem Titel Allegretto al Paganini in seinem Tagebuch (Tb I, S. 321). Die Umrisse des Baßthemas aber entstanden offenbar 1832 während der gemeinsamen Kontrapunkt-Studien Claras und Roberts. Köhler vermutet, die Tonfolge C-F-G-C sei symbolhaft auf die damals kreierten Davidsbündler-Namen bezogen, für Clara Chiara und Chiarina, für Robert Florestan. Das G stehe für Gustav, der dem Eusebius nahestehenden Hauptfigur aus einem frühen Romanprojekt.

Im Verständnis der Zeit stellen Impromptus kurze, stegreifartig hingeworfene Stücke dar. Daß das op. 5 dieser Vorstellung nicht entsprach, geht aus einer Besprechung der Allgemeinen musikalischen Zeitung vom 11. September 1833 hervor. Dort heißt es: »Der Anfang paßt zu dem Titel, die Folge dürfte für Impromptus zu viel Ausgearbeitetes haben« (Tb I, S. 432). Die ersten vier Stücke halten sich eng an den Grundriß des Thementeiles, sind ausdrucksmäßig jedoch alle individualisiert. Danach lockert sich die formale und variative Bindung. Die Nr. 1, 3, 4 und 10 sind Ostinato-Variationen romantischen Einschlags. Eine deutliche Beziehung besteht dabei zwischen der 1. und 4. Variation, wobei das »Sentiment« in Nr. 4 infolge der ausgeprägteren Vorhalttechnik gesteigert erscheint. Deutlich abgehoben davon ist die 3. Variation, die durch rhythmischen und harmonischen Witz besticht und viel imitatorische Feinarbeit verrät. Aufwendigstes Beispiel dieser Ostinato-Stücke ist die den Zyklus abschließende Nr. 10. Dieses breit angelegte Stück wird von einem gespannten rhythmischen Motiv bestimmt. Besonderes Gewicht kommt seinem Fugato-Mittelteil zu, in welchem das weiträumig angelegte Quintfall-Motiv des Baßthemas von einer Variante dieser prägenden Kurzformel kontrapunktiert wird. Kontrapunktische Techniken spielen auch in einigen anderen Variationen eine Rolle. Keine macht jedoch die Nähe zum Vorbild J. S. Bach so deutlich wie dieses Schlußstück.

Sinfonische Etüden op. 13

Mit diesem Werk erreicht Schumanns Variierungskunst ihren Höhepunkt. Seine Entstehungs- und Publikationsgeschichte ist besonders kompliziert und nicht in allen Punkten eindeutig klärbar (Boetticher II, S. 243 ff.). Schumann projektierte es einer Tagebuchnotiz vom 8. März 1833 zufolge unter dem Arbeitstitel »Variations pathétiques« (Tb I, S. 418). Im Winter 1834/35 realisierte er das Vorhaben, nahezu zeitgleich mit der Komposition des Carnaval. Das einfache Ausgangsthema geht auf Ignaz Ferdinand Freiherr von Fricken zurück, den Adoptivvater Ernestines, mit der Schumann sich im Sommer 1834 heimlich verlobt hatte. Im Januar 1835 wurde die zunächst als op. 9 bezeichnete Niederschrift abgeschlossen. Zwölf der siebzehn fertiggestellten Stücke – ein weiteres ist nicht abgeschlossen – wurden im Sommer 1837 bei Haslinger (Wien) veröffentlicht. Diese Erstausgabe erfolgte unter dem Titel XII Etudes symphoniques pour le pianoforte und war dem englischen Komponisten William Sterndale Bennett gewidmet. Zusammen mit den Impromptus op. 5, den Davidsbündlertänzen op. 6, dem Allegro op. 8, der Klaviersonate op. 14 und den Kreisleriana op. 16 gehören die Sinfonischen Etüden zu den Werken, die Schumann vornehmlich auf Initiative der Verleger in den Jahren 1850-53 überarbeitete und in Neuausgaben herausbrachte (vgl. Ernst Herttrich, in: Schumann-Forschungen III, S. 25-35). Während er sich dabei vornehmlich auf geringfügige Änderungen beschränkte, griff er in den Ablauf dieses 1852 unter dem Titel Etudes en forme de variations pour le pianoforte neu erschienenen Werkes stärker revidierend ein. Zwei der Etüden, die Nr. 3 und 9, nahm er heraus. Beide scheinen der neuen Gattungsbezeichnung »Variationen« nicht voll entsprochen zu haben. Einige der verbleibenden Stücke straffte und vereinfachte er. Eine dritte, beide bisherigen Fassungen kombinierende Ausgabe aus dem Jahre 1861, geht auf die Initiative Adolf Schubrings zurück. In ihr sollen seiner Aussage nach Schumanns handschriftliche Korrekturen eingearbeitet worden sein. Diese Fassung wirft indes einige Fragen und Zweifel auf. Die fünf nicht berücksichtigten Stücke wurden von Clara abgeschrieben, sodann von Johannes Brahms in einigen Punkten ergänzt und erst 1873 postum veröffentlicht.

Schumann verbindet mit den Variationen dieses Werkes zugleich die Vorstellung »Etüden«. Dies in einem höchst anspruchsvollen Sinne: Er orientiert sich dabei – außer an Stücken aus Chopins op. 10 - vor allem an Beethoven, der, wie er in einer Rezension des Jahres 1836 betont, »allem Mechanischen feind, mehr zum rein-poetischen Schaffen aufforderte« (GS II, S. 35). Die nachfolgende Einzeldarstellung bezieht sich auf die Ausgabe von 1837. In Anlehnung an diese Fassung werden die einzelnen Stücke – unabhängig von ihrem großenteils variativen Charakter – als Etüden bezeichnet.

Ob und inwieweit Schumann Frickens Thema modifizierend zubereitet hat, ist quellenmäßig nicht zu klären. Die vorliegende Themengestalt steht in cis-Moll, einer Tonart, die nach Schumanns Verständnis auf komplexe Ausdrucksabsichten verweist.

Das verhaltene Tempo, der ruhig schreitende Rhythmus, dazu die akkordische Struktur verleihen dem Satz einen ernsten Charakter. In einem Brief vom 28. November 1834 an Herrn von Fricken bezeichnete es Schumann als »Trauermarsch«. Seiner äußeren Form nach ist es übersichtlich gegliedert. Es umfaßt zweimal 8 Takte in einfacher Vierergliederung. Dabei korrespondieren die Teile 1, 2 und 4, während der dominantische Abschnitt 3 davon abgehoben ist. Kennzeichnend für den ersten Viertakter sind die Vollgriffigkeit und das eröffnende Dreiklang-Motiv, dem sich eine ruhige, zum Halbschluß führende Arpeggiopassage anschließt. In der Wiederholung wird diese Grundgestalt differenziert und – vor allem durch die Umkehrung der Akkordbewegung und die Öffnung zur Mediante E-Dur – gesteigert. Der vierte Viertakter kombiniert Elemente der beiden Bezugsabschnitte. Er endet halbschlüssig und bereitet damit den Einstieg in die Variierungsarbeit vor. Im fließend-ruhigen Melodieverlauf des 3. Teilabschnitts zeichnet sich eine ausdruckshafte Gegenkraft ab.

Die bezüglich der Grobform und Binnengliederung mit der Disposition des Thementeils übereinstimmende Etüde I macht sogleich beispielhaft deutlich, wie Schumann einzelne Themenelemente zum Ausgangspunkt eines ausdrucksmäßig und satztechnisch neuartigen Verlaufs macht. Zum Grundmuster wird ein Fugato, dessen »subjectum« mit einer rhythmischen Variante der doppelten Quartbewegung des Thementeils beginnt. Eingelassen in dieses polyphone Gewebe und von ihm melodisch beeinflußt, sind harmonisch reich differenzierte akkordische Passagen, deren Eingangsfigur der thematischen Grundgestalt des Eröffnungsstückes entnommen ist.

Im ersten Viertakter des ebenfalls achttaktigen Teiles 1 der Etüde II wird das Grundthema in langsamer Viertelbewegung von der Baßstimme gespielt. Wie bei einer Ostinato-Variation entfalten sich darüber neue Gestalten, im Diskant eine gegenläufige melodische Bewegung, deren Anfang an das Fugato-Thema erinnert, in den Mittelstimmen bewegte Sechzehntel-Akkordrepetitionen. Der zweite Viertakter löst sich von einer solch direkten Bindung ans Grundthema. Im zweiten, ebenfalls achttaktigen Teil, besteht ein nahezu gleiches Verhältnis zur Themengestalt: Sein erster Viertakter behält in der Tenorstimme der Takte 1 und 2 die melodische Verbindung zum Grundthema bei, wogegen in den Takten 3 und 4 Reste der thematischen Figur raffiniert in den bewegten Satz eingebunden sind. Die viertaktige Schlußpartie korrespondiert sodann mit der variativ nahezu ungebundenen Schlußpassage der 1. Etüdenhälfte.

Die spieltechnisch besonders attraktive Etüde III ist zwar durch ihre Viertaktperiodisierung mit dem formalen Grundriß dem Thementeil verbunden, löst sich ansonsten jedoch aus dem variativen Zusammenhang. Wohl aus diesem Grunde verzichtete Schumann auf ihre Übernahme in die Fassung von 1852. Der die virtuose Staccatopassage kunstvoll und harmonisch geschmeidig mit der Melodie der linken Hand verschränkende Satz erinnert an die spielerische Leichtigkeit und Eleganz mancher Paganini-Caprice.

Die akkordisch-kraftvolle, kanonisch verdichtete Etüde IV entspricht im Aufbau und ihrer harmonischen Grobgliederung dem Thementeil. Die oktavierend imitierte, frei akzentuierte Grundstimme setzt mit dem Dreiklangsmotiv ein, scheint dann jedoch einen weitgehend selbständigen Verlauf zu nehmen. Genauer gesehen werden allerdings einige melodische Bewegungen bzw. Details des Ausgangsmodells berücksichtigt, so beispielsweise das Aufschwungmotiv des zweiten Viertakters.

Die belebte Etüde V wird zum ausdruckshaften Gegenstück des vorangehenden Stückes. Sie knüpft am Oktavkanon dieser Variation an und macht daraus über weite Strecken ein anmutiges und kurzgliedriges Sequenzspiel. Die dynamischen Kontraste – ein geheimnisvolles p im ersten Teil, starke Kontraste im zweiten -, das rasche, gar noch als »sempre vivacissimo« eingeforderte Tempo, nicht zuletzt aber das durchgehende staccato unterstreichen den im Text eigens vermerkten scherzando-Charakter. Die Bindung an den Thementeil ist weniger eindeutig und direkt wie in den bisherigen Variationen. Allerdings bleibt der formale und harmonische Grundriß des Ausgangsmodells mit geringen Abweichungen verbindlich.

Dasselbe gilt auch von der Etüde VI, einem vor allem grifftechnisch für die linke Hand schwierigen Agitato. Dieses virtuose Stück ist bezüglich seines melodischen Verlaufs, aber auch seiner raffinierten Zweiunddreißigstel-Verschiebung der Parallelstimme eng mit der 4. Variation verbunden.

Die von energischen Auftaktimpulsen bestimmte Etüde VII stellt dem bisherigen cis-Moll die Parallele E-Dur als Grundtonart gegenüber. Außerdem modifiziert sie den seitherigen formalen Rahmen durch Erweiterung des 2. Teiles um 14 Takte. Ihre variative Beziehung zum Thementeil ist lediglich partieller Art: Als konstitutiv für ihren Verlauf erweist sich eine figurativ und rhythmisch belebte, harmonisch reich changierende Akkordsprungmotivik, die in keiner direkten Verbindung zur Ausgangsgestalt steht. Erst im Mittelabschnitt erinnert sie mit einer zunächst in C-, dann in H-Dur erklingenden Variante des Kopfmotivs an das Ausgangsmodell.

Die Etüde VIII