Albrecht Boeckh

Methodenintegrative Supervision

Ein Leitfaden für Ausbildung und Praxis

Klett-Cotta

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Printausgabe: ISBN 978-3-608-89213-0

E-Book: ISBN 978-3-608-10388-5

PDF-E-Book: ISBN 978-3-608-20307-3

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung: Gegenstand und Zielsetzung von methodenintegrativer Supervision

I. Grundlagen der Supervision

1. Verschiedene Formen, Gegenstandsbereiche und Ebenen von Supervision

1.1 Formen der Supervision

1.2 Ebenen der Supervision

2. Der Rahmen der Supervision

2.1 Der erste Kontakt

2.2 Externe Supervision

2.3 Interne Supervision

2.4 Problematische Rahmenbedingungen

3. Ablauf einer Supervisionssitzung – ein Zwölf-Punkte-Programm

3.1 Ankommen und Kontaktaufnahme oder: die Supervision beginnt, bevor sie anfängt

3.2 Anliegensammlung

3.3 Evaluation der Ergebnisse der letzten Supervision

3.4 Auswahl der Themen

3.5 Ermitteln der Fragestellung

3.6 Fall- und Anliegendarstellung

3.7 Bestätigung oder Korrektur der Fragestellung

3.8 Methodenauswahl

3.9 Methodische Bearbeitung des Anliegens

3.10 Lösungserprobung und Lösungstransfer

3.11 Abschluss

3.12 Reflexion des Supervisionsprozesses und Kontraktüberprüfung

3.13 Sonderthemen in einem Supervisionsablauf

II. Organisation – Team – Konflikt

1. Organisation und Team als Hintergrund und Gegenstand von Supervision

1.1 Organisation

1.1.1 Was ist Organisation?

1.1.2 Allgemeine Merkmale von Organisationen

1.1.3 Dimensionen von Organisation im Umweltkontext

1.1.4 Organismus- vs. Konfliktmodell von Organisationen

1.1.5 Umgang mit Organisationsstrukturen in der Supervision

1.1.6 Organisationsprozessmodell

1.1.7 Die soziologische Rollentheorie verbindet Organisation und Person

1.1.8 Die Bedeutung der Rollentheorie für die Supervision in Organisationskontexten

1.1.9 Methode der Rollenanalyse und des Rollenverhandelns

1.1.10 Die Dialektik von formaler und informeller Organisationsstruktur am Beispiel des Konfliktes um die Leitung einer Fachschule

1.2 Gruppe und Team

1.2.1 Merkmale von Gruppen

1.2.2 Typen von Gruppen

1.2.3 Gruppenmodelle

1.2.4 Gruppenstrukturen

1.2.5 Gruppe und Umwelt

1.2.6 Phasen der Gruppenentwicklung

1.2.7 Abwehrmechanismen in Gruppen und von Gruppen

1.3 Teamsupervision

1.3.1 Methoden zur Herstellung einer kooperativen Arbeitsatmosphäre

1.3.2 Analysemethoden

1.3.3 Abgleich mit Theorien über Gruppen und Teams

1.3.4 Übungen zur Verbesserung der Kommunikation

1.3.5 Konflikt- und Problembearbeitung

1.4 Teamentwicklung und Organisationsentwicklung

2. Konfliktbearbeitung in der Supervision

2.1 Konflikt als sozialwissenschaftliches Paradigma

2.2 Vom Umgang mit Konflikten

2.3 Axiomatische Grundüberlegungen zu Konflikten

2.4 Konfliktträchtige Lösungsversuche

2.5 Grundhaltung für die Konfliktbearbeitung

2.6 Konfliktbearbeitung in der Supervision

III. Im Zentrum steht die Beziehung

1. Ansatz einer integrativen Theorie der Supervision auf der Basis der dialogischen Struktur des Selbst

1.1 Anforderungen an eine Theorie der Supervision

1.2 Eine allgemeine Theorie der Supervision

1.3 Die soziologische Rollentheorie als allgemeiner Ansatz?

1.4 Supervision als Therapie der Therapeuten?

1.5 Die Notwendigkeit von Supervision

1.6 Der zwischenmenschliche Kontakt

1.7 Spiegelneuronen, Empathie und die Folgen für die Kommunikationstheorie

1.8 Die dialogische Struktur des Selbst

1.9 Notwendigkeit von Supervision aufgrund der dialogischen Struktur des Selbst

1.10 Die Möglichkeit von Supervision aufgrund der dialogischen Struktur des Selbst

1.11 Die Funktion von Supervision vor dem Hintergrund der dialogischen Struktur des Selbst

1.12 Methodologische Implikationen der dialogischen Struktur des Selbst für die Supervision

1.13 Zusammenfassung

2. Verhältnis von Supervision und Psychotherapie

2.1 Historische Betrachtung

2.2 Supervision als Dekonstruktion von persönlichen Problemen

2.3 Wann und wie ist Therapie in der Supervision zu empfehlen?

2.4 Löst Therapie immer die persönlichen Probleme der Supervisanden?

2.5 Psychotherapeutische Verfahren als Hilfsmethoden der Supervision

IV. Spezielle Methoden aus psychotherapeutischen Verfahren und ihre Integration in die Supervision

1. Psychoanalytische Konzepte und Methoden der Supervision: Übertragung – Gegenübertragung und Balint-Gruppen-Arbeit

1.1 Übertragung und Gegenübertragung

1.2 Übertragung und Gegenübertragung als gegenseitige bewusste und unbewusste Wahrnehmung, Resonanz und Reaktion in der therapeutischen/supervisorischen Beziehung

1.3 Übertragung und Gegenübertragung als Gegenstand der Supervision

1.4 Formen der Gegenübertragung

1.5 Übertragung und Gegenübertragung in der supervisorischen Beziehung

1.6 Mischung von Gegenübertragung und therapeutischer Übertragung

1.7 Übertragungen der Therapeuten auf die Klienten

1.8 Bearbeitung von Gegenübertragungen und Übertragungen in der Supervision

1.9 Übertragung und Gegenübertragung in unterschiedlichen Supervisionsformen

1.10 Balint-Gruppen-Arbeit

1.11 Methodisches Vorgehen in der Balint-Gruppen-Arbeit

1.12 Erfahrungen mit der Balint-Gruppen-Arbeit

1.13 Zusammenfassung

2. Systemische Supervision

2.1 Allgemeine Begriffe des systemischen Ansatzes

2.2 Systemische Methoden der Supervision

2.3 Zusammenfassung

3. Gestalttherapeutische Methoden in der Supervision

3.1 Gestalttherapie

3.2 Gestalt-Supervision

4. Emotion Focused Therapy – eine effektive affektorientierte Methode zur Unterstützung von Supervisionsprozessen

4.1 Die Emotionen im Fokus

4.2 Zentrale Konzepte von Greenbergs EFT

4.3 Anwendbarkeit von EFT in der Supervision

4.4 Emotionale Verstrickung als Gegenstand und Basis supervisorischer Arbeit mit EFT

4.5 Konkretes Vorgehen bei der EFT-Supervision

5. Psychodrama-Supervision

5.1 Psychodrama – allgemein

5.2 Soziometrie

5.3 Vom Stegreiftheater zum Psychodrama

5.4 Das Menschenbild Morenos

5.5 Das Rollenkonzept

5.6 Tele-Beziehung und soziales Atom

5.7 Grundlegende Überlegungen zum Psychodrama

5.8 Ziele des Psychodramas

5.9 Psychodrama-Arten

5.10 Ablauf eines Protagonisten-Psychodramas

5.11 Weitere Formen des Psychodramas

5.12 Psychodrama in der Supervision

6. Die Transaktionsanalyse als Methode für die Supervision

6.1 Grundüberzeugungen der Transaktionsanalyse

6.2 Das Modell der Ich-Zustände

6.3 Transaktionen

6.4 Skripte

6.5 Spiele

6.6 Dramadreieck

6.7 Therapeutische Interventionen in der TA

6.8 Gesamtwürdigung der TA

6.9 TA und Supervision

6.10 Würdigung der TA als Supervisionsmethode

7. Methodenvielfalt und Methodenintegration in der Supervision

7.1 Gründe für das Festhalten an »reinen« Therapiemethoden als Grundlage supervisorischer Methodik

7.2 Die Notwendigkeit einer integrativen Theorie der Supervision

7.3 Was für die Kombination und Integration von Methoden spricht

Statt eines Schlusswortes:
Vom Grenznutzen der SV oder
»Der Herr, der schickt den Jockel aus«

Literatur

Einleitung:
Gegenstand und Zielsetzung von methodenintegrativer Supervision

Supervision ist kein Luxus, sondern notwendiger, integraler Bestandteil helfender, beratender und therapeutischer Tätigkeit. Ziel der Supervision ist die Unterstützung der helfend Tätigen in ihren Aufgaben. Dies bedeutet dreierlei:

Jeder, der professionell mit Menschen arbeitet, wird von deren Thematik berührt und kann sich auf Dauer den Problemen, Konflikten, deren Anspannung und Leid nicht entziehen. Das gilt vor allem dann, wenn es sich um Menschen in kritischen Lebenssituationen handelt.

Die meisten professionellen Helfer haben deshalb Strategien entwickelt, die ihnen helfen, diese Probleme zu verarbeiten und innere Distanz dazu zu gewinnen. Trotzdem landen viele Helfer über kurz oder lang in der Burnout-Falle: Sie können nicht mehr abschalten, ihr großes anfängliches Engagement verwandelt sich in angestrengtes Erfüllen von Pflichten, die Begeisterung verwandelt sich in innere Leere, Idealismus geht langfristig in Zynismus über. Hier geht es also um die Burnout-Prävention bzw. die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit.

Supervision zielt aber nicht nur und nicht in erster Linie auf die Verbesserung der Befindlichkeit der Helfer, also der Supervisanden, und auf die Verbesserung der Zusammenarbeit in Teams, sondern sie versucht vor allem fachliche Unterstützung in der Arbeit mit den Klienten zu geben. Diese fachliche Unterstützung ist allerdings nur in Ausnahmefällen eine konkrete Praxisanleitung, in der Regel geht es in der Fallsupervision um eine methodische Bearbeitung von Problemen der und mit den Klienten. In der Team- und Leitungssupervision geht es um eine Bearbeitung von Problemen in der Zusammenarbeit.

Supervision ist keine Therapie der Therapeuten oder Beratung der Berater, sondern schafft mit einer breiten Palette von Methoden die Möglichkeit, Probleme mit Klienten oder im Team genauer anzusehen und womöglich zu verändern.

Diese Methoden sind zum Teil aus psychotherapeutischen Verfahren entlehnt, zum anderen Teil sind es allgemeine Methoden der Kommunikationssteuerung wie Gesprächsführungsmethoden, Gruppen- und Konfliktmoderationsmethoden, Arbeit mit dem inneren Team, Feedback-Methoden, themenzentrierte Interaktion oder Methoden mit soziologischem Hintergrund wie die Rollenanalyse.

Einen ganz wichtigen Stellenwert hat bei der supervisorischen Arbeit der institutionelle Rahmen, in dem die Supervisanden tätig sind. Die organisatorischen Rahmenbedingungen im weiteren und engeren Sinne, gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen, die Institution, die Teamstruktur sind wichtige Hintergründe und in der Teamsupervision oder der Teamentwicklung oder auch in der Organisationsentwicklung Gegenstand von Supervision. Nicht nur systemtheoretische Ansätze, sondern auch konflikttheoretisches Denken, vor allem aber die soziologische Rollentheorie können an dieser Schnittstelle zwischen Person und Institution Klärung bringen und Grundlage für methodisches Vorgehen abgeben.

Ich vertrete in diesem Buch einen konsequent methodenübergreifenden Ansatz. Das hat einerseits mit der Vielgestaltigkeit der Aufgaben von Supervision zu tun, andererseits damit, dass die Supervisanden aus verschiedenen methodischen Hintergründen kommen und es sinnvoll ist, deren Methodensprache zu verstehen und gegebenenfalls auch zu sprechen. Diese Methoden stehen dabei alle im Dienste des supervisorischen Arbeitens. Auch mit einem tiefenpsychologischen Ansatz wird nicht der Supervisand analysiert, sondern die Dynamik seines Klienten und die dementsprechende Dynamik der Beziehung zwischen Helfer und Klient verständlich gemacht und bearbeitet.

Die hier vorgestellten Methoden stehen, da sie alle einem humanistischen Menschenbild verpflichtet sind, nicht im Widerspruch zueinander, sondern ergänzen sich gegenseitig. So kann die Methode der klientenzentrierten Gesprächstherapie nach Carl Rogers sehr gut mit anderen Methoden wie der Gestalttherapie verbunden werden, wie dies Leslie Greenberg in seinem Ansatz der Emotion Focused Therapy wunderbar belegt. Systemisches Vorgehen ist mit Psychodrama und Gestaltmethoden integrierbar. Die aus der Psychoanalyse stammende Balint-Gruppen-Arbeit kann mit Gestalt- und Psychodrama-Methoden vertieft werden. Ein Beispiel für Methodenintegration per se stellt die Transaktionsanalyse dar, die einerseits eine deutliche Verwandtschaft mit der Psychoanalyse zeigt, andererseits mit ihrer Analyse von Interaktionen und speziell der Spielanalyse ins Systemische hinüberreicht.

Einem eklektischen Psychotechnik-Potpourri möchte ich hierbei allerdings nicht das Wort reden. Methoden sollten Wege zum Menschen sein und diese nicht verstellen, wie der Sozialanthropologe George Devereux1 zu Recht betont. Zentral ist daher in der Supervision, wie ja bekanntlich auch in der Therapie, die gelingende Begegnung, in welcher Empathie, Akzeptanz und Authentizität als zentrale Grundhaltungen den Supervisanden Selbstvertrauen und Kontakt mit ihren eigenen kreativen Ressourcen vermitteln.

Als einen methodenübergreifenden theoretischen Hintergrund zum Verständnis der Notwendigkeit, der Möglichkeit und des grundlegenden methodischen Vorgehens in der Supervision stelle ich das Konzept der »Dialogischen Struktur des Selbst« dar, in welchem Konzepte des amerikanischen Sozialpsychologen G. H. Mead, der Hermeneutik Gadamers, der Begegnungsphilosophie Martin Bubers und der Objekt-Beziehungs-Theorie Otto Kernbergs mit den neuesten neurowissenschaftlichen Erkenntnissen über die Funktion von Spiegelneuronen verbunden sind.

Vor diesem Hintergrund kann die Verschränkung der Befindlichkeit des Supervisanden/des Teams mit der des Klienten/der Klientengruppe, können die Phänomene von Übertragung und Gegenübertragung besser verstanden und für die Anliegenbearbeitung besser genutzt werden. Hier erweist sich auch, dass die drei Grundanliegen von Supervision: die Fallbearbeitung, also die Verbesserung der Arbeit mit den Klienten, die Verbesserung der Zusammenarbeit im Team und die Verbesserung der Befindlichkeit der Supervisanden, eng miteinander verknüpft sind.

Schließlich möchte ich noch darauf hinweisen, dass – um den Spachfluss nicht zu hindern – mit den männlichen Worten »Klient«, »Therapeut«, »Supervisor« u. ä. immer auch die »Klientin«, »Therapeutin« oder »Supervisorin« gemeint und angesprochen ist.

I. Grundlagen der Supervision

1. Verschiedene Formen, Gegenstandsbereiche und Ebenen von Supervision

1.1 Formen der Supervision

Im folgenden Diagramm möchte ich einen knappen Überblick über Formen von Supervision, verwandten Formen und von Supervision abzugrenzenden therapeutischen Verfahren geben, diese dann erläutern.

Supervisionsform verwandte Formen Abgrenzung zu
     
1. Einzelsupervision Praxisberatung
Coaching
Therapie
2. Gruppenfallsupervision Balintgruppe
Intervision/kollegiale Supervision
Selbsterfahrung
Gruppentherapie
3. Teamsupervision Team-/Organisationsentwicklung Gruppenselbsterfahrung
4. Leitungssupervision Coaching  
5. Ausbildungssupervision Praxisberatung Fortbildung

ad 1)

ad 2)

ad 3)

ad 4)

ad 5)

1.2 Ebenen der Supervision

Gemeinhin unterscheidet man in der Supervision fünf generelle Gegenstandsbereiche oder Supervisionsebenen:

Diese Gegenstandsbereiche stellen einerseits typische Formen der Supervision dar, auf der anderen Seite aber auch wichtige Ebenen jedes Supervisionsprozesses. Egal, ob der Fokus einer Supervision auf der Fallbearbeitung, auf der Teamebene, bei der Befindlichkeit der Supervisanden, bei Führungsproblemen oder der Organisationsebene liegt, müssen die jeweils anderen Ebenen mit berücksichtigt werden. Erst dann ist Supervision vollständig möglich.

Die erste Ebene der supervisorischen Arbeit stellt die Fallsupervision dar. Diese Form der Supervision konzentriert sich vor allem auf die Beziehung zwischen Supervisanden und Klienten. Es geht dabei um Methoden der Darstellung, der erfahrungsorientierten Analyse und der Bearbeitung dieser Beziehung. Die Belastung, die durch die notwendige »Verstrickung« in der helfenden Beziehung entsteht, begründet die Notwendigkeit, die in der »Verstrickung« entstandene innere Bindung, aber auch die Möglichkeit, Supervision sowohl im Interesse der Entwicklung des Klienten als auch zur Entlastung der Supervisanden zu nutzen.

Auf der zweiten Ebene geht es um die persönliche Befindlichkeit der Supervisanden. Hier ist eine klare Abgrenzung zur Therapie erforderlich. Einbrüche in der Befindlichkeit der Supervisanden sollten von deren Arbeitshintergrund her verstanden werden. Das Konzept des Burnout-Syndroms ermöglicht eine klare Analyse dieses Zusammenhangs. Im Zusammenhang damit steht oft auch das Phänomen des Mobbing, das den Zusammenhang von Befindlichkeit und Position im Team deutlich macht.

Bei der Teamsupervision/Teamentwicklung geht es um Kenntnis der Gruppendynamik von Gruppenstrukturen und Prozessen und um das methodische Werkzeug, diese Strukturen und Prozesse bewusst zu machen, zu fördern und die im Rahmen dieser Entwicklung entstehenden Konflikte zu moderieren und einer für alle akzeptablen Lösung zuzuführen.

Auf der vierten Ebene geht es um Leitungsverhalten und das Coaching von persönlicher professioneller Entwicklung.

Bei der fünften Ebene geht es um die Organisation, innerhalb derer die Supervisanden arbeiten. Diese organisatorischen Bedingungen sind wesentlicher Hintergrund, aber meist nur in eingeschränktem Maße Gegenstand der Supervision.

Spezifizierung der Bereiche

ad 1) Fallbearbeitung

Bei diesem Vorgehen in der Fallsupervision ist zum Teil Fachwissen nötig. Das betrifft vor allem das Verständnis und die Beurteilung von Fachdiagnosen und durchgeführten therapeutischen Maßnahmen. Ein Supervisor sollte sich natürlich auch fachlich mit dem Feld vertraut machen, in welchem er arbeitet. Die Gefahr bei sehr hoher eigener Fachkompetenz besteht dann natürlich darin, dass man als der Fachberater gefragt ist und der für die Supervision zentrale Aspekt der Beziehung zwischen Supervisand und Klient in den Hintergrund tritt. Das ist kein Argument gegen Fachwissen, sondern ein Hinweis darauf, dass der Fokus auf die Beziehungsebene nicht vernachlässigt werden darf. Der Fokus auf die Beziehungsebene ist eine besondere Stärke der Supervision. Sie kann dadurch bestimmte Einseitigkeiten, wie sie in der klassisch medizinischen Diagnostik und Therapie zu beobachten sind, ergänzen und kompensieren.

Klassische psychiatrische Diagnostik beispielsweise sieht die Störung des Klienten als dessen spezifisches Merkmal an. Der Patient ist depressiv oder manisch, schizophren, hat eine Zwangsstörung, eine reaktive Störung, eine Persönlichkeitsstörung oder gar eine Sucht.

Als Supervisor kann ich keine Neuroleptika verordnen, höchstens klären, wie die Regelmäßigkeit ihrer Einnahme verbessert werden kann. Was ich aber erreichen kann, ist, dass der Supervisand ein Gefühl für die Ängste eines paranoiden Patienten entwickelt und lernt, ihm mit vertrauensbildenden Maßnahmen die Sicherheit zu geben, die er nicht mehr spüren kann. Aber nicht nur das Fördern der Empathie des Supervisanden ist wichtig, sondern auch die Entwicklung seiner Fähigkeit, sich von der Dynamik seiner Klienten abzugrenzen, sich nicht in deren Spiele hineinziehen zu lassen. Dies ist sowohl für seine Psychohygiene wichtig als auch dafür, dass der Klient alternative Beziehungsformen zu entwickeln lernt.

Was am Beginn der Fallsupervision steht, ist daher nicht nur eine möglichst klare Anamnese und Diagnosestellung bezogen auf den Klienten, sondern vor allem auch bezogen auf die Beziehung zwischen dem Supervisand und seinem Klienten.

Die Störung des Klienten aktualisiert sich in der einen oder anderen Weise in dieser Beziehung, überträgt sich auf diese – eine der zentralen Erkenntnisse der Psychoanalyse – und kann auf diese Weise auch darin bearbeitet werden. Störungen sind ja kein »Ding an sich«, was man besitzt wie ein Fahrrad2, sondern sind Störungen der Beziehung zur Welt, zu anderen und zu sich selbst.

Diese Beziehungen mit allen möglichen Methoden erlebbar zu machen, zu beleuchten und an ihnen zu arbeiten, ist der Sinn der Vielfalt supervisorischer Methoden: Gesprächsführungstechniken, die Arbeit mit dem leeren Stuhl, Rollenspiele, Aufstellungen etc. sind Hilfsmittel, mit denen Supervision in ihrem Fachgebiet, der Analyse und Bearbeitung von Beziehungen umgeht.

Das für die helfende Tätigkeit notwendige »Eintauchen« in die Beziehung zum Klienten führt notwendigerweise in eine »Verstrickung« mit dessen Beziehungs- und Verhaltensmustern. Diese Verstrickung stellt als Belastung die Grundlage für die Notwendigkeit von Supervision, als innere Verbindung zwischen Supervisand und Klient, aber auch die Grundlage der Möglichkeit und der Funktionsweisen von Supervision dar. Auf diese Weise sind Fallsupervision und Verbesserung der Befindlichkeit der Supervisanden keine widersprüchlichen, sondern eng miteinander zusammenhängende Anliegen von Supervision.

ad 2) Die Befindlichkeit der Supervisanden

In diesem Feld der Supervision geht es um die Fokussierung der beruflichen Belastungen und die Möglichkeiten zur Entlastung der Supervisanden. Diese Belastungen können sehr vielgestaltig sein. Sie können Ergebnis der »Verstrickung« mit schwierigen Klienten sein und entsprechend im Rahmen der Fallsupervisioin bearbeitet werden, sie können mit einer problematischen Rollensituation zu tun haben und hier durch Teamsupervision geklärt werden, sie können aber auch mit dem persönlichen Hintergrund der Supervisanden in Zusammenhang stehen.

Im letzteren Fall ist selbstverständlich eine klare Abgrenzung von Supervision gegenüber Therapie notwendig, was manchmal – vor allem in der Einzelsupervision – nicht ganz durchzuhalten ist. Im Rahmen von Supervision sollte allenfalls die Empfehlung von Therapie gegeben werden, aber nicht therapeutisch gearbeitet werden. Gefährlich ist die Überschreitung dieser Grenze in Gruppen- oder Teamsupervisionen, weil eine durch therapeutisches Vorgehen implizierte Pathologisierung eines Gruppen- oder Teammitgliedes schwierige gruppendynamische Konsequenzen bis hin zum oft fürsorglich verbrämten Mobbing haben kann. Unabhängig davon, welcher Belastungsbereich im Vordergrund steht, kann eine dauerhafte Belastung zu einem sog. Burnout-Syndrom führen, das auch in seinen Prodromalstadien zu erkennen und anzugehen essenzieller Bestandteil jeder Supervision sein muss.

Das Burnout-Syndrom3 bezeichnet das langsame »Ausbrennen« von Mitarbeitern, die in den meisten Fällen bei einem anfänglich hohen Engagement und der dann auch von den anderen erwarteten Selbstüberforderung auf die Dauer in einen depressionsähnlichen Erschöpfungszustand mit Motivationskrisen und Selbstzweifeln geraten. Dieser psychosomatische Erschöpfungszustand ist oft noch von einer Suchtthematik überlagert, da der Betroffene in vielen Fällen mit Alkohol, Medikamenten oder anderen problematischen »Helfern« die Selbstüberforderung zu kompensieren versucht. In fortgeschrittenen Phasen ist eine Behandlung in einer psychosomatischen Klinik unumgänglich.

Jörg Fengler4 unterscheidet verschiedene Faktoren im Zusammenhang mit helfender Arbeit, die einerseits zur Pathogenese, andererseits zur Salutogenese (Gesundheitsförderung) beitragen können. Dies erlaubt, ein differenziertes Bild von Burnout-gefährdenden Belastungen und möglichen Hilfestellung zur Bekämpfung und Prophylaxe von Burnout zu geben.

Oft im Zusammenhang mit dem Burnout-Syndrom steht das gruppendynamische Sündenbockphänomen, inzwischen besser unter dem Begriff des Mobbing bekannt. Einzelne Mitarbeiter werden von anderen Kollegen, Vorgesetzten oder auch Untergebenen ausgegrenzt, abgelehnt oder auch direkt angegriffen, wobei dies von den anderen Mitarbeitern stillschweigend und manchmal auch offen gebilligt wird. Als Zielscheibe des Mobbing eignen sich Mitarbeiter mit Burnout-Problemen deshalb besonders gut, weil sie zum einen leistungsmäßig abfallen, meist depressiv gestimmt sind und sich oft auch absondern. Dass Mobbing zum Burnout beiträgt, ist offensichtlich, weil die Verschlechterung der sozialen Position das Selbstbewusstsein in der Basis angreift.

In vielen Fällen wird aber auch der Vorwurf, gemobbt zu werden, als Waffe gegen andere eingesetzt. Hier muss man als Supervisor ein waches Auge für Projektionen und zirkuläre Phänomene haben.

Der Zusammenhang zwischen der Befindlichkeit und der Teamstruktur leitet über zur 3. Ebene der Supervision.

ad 3) Teamsupervision

Hier geht es um die Beziehung der Teammitglieder untereinander. Entweder sind dann festgefahrene oder latente Teamkonflikte Gegenstand der Supervision, oder ein Team, das sich neu formiert hat oder in veränderter Besetzung oder mit veränderten Aufgaben neu startet, muss in seiner Teamentwicklung unterstützt werden.

Im Gegensatz zur Fallsupervision sind die Klienten in der Teamsupervision selbst anwesend. Sie müssen nicht mit Methoden wie dem leeren Stuhl oder mittels Rollenspielen repräsentiert werden, sondern sind leibhaftig da. Ihre Kommunikation untereinander kann direkt betrachtet, reflektiert und gefördert werden.

Zentral sind hier Methoden der Analyse von Gruppenstrukturen und -prozessen, soziografische Methoden, Blitzlichtsharing und Feedbackmethoden zur Verbesserung der Kommunikation, die Analyse und das Aushandeln von Regeln des Umgangs miteinander, Konfliktmoderations- und Mediationsmethoden.

Für die Teamentwicklung empfehlen sich auch Kommunikationsspiele, welche die Kontaktaufnahme, geregelte Auseinandersetzungen, gegenseitiges Feedback und die gemeinsame Rollenfindung in der Gruppe erleichtern, indem sie Schwellenängste spielerisch reduzieren.

Hierfür sind Kenntnisse der Gruppendynamik, der Kräfte, Strukturen und Prozesse, die in Gruppen wirksam sind, unabdingbar.

Wesentlich ist für das Arbeiten mit Teams und Gruppen aber auch eine Haltung der Allparteilichkeit, die besonders bei Teamkonflikten wichtig ist. Ein ausgeprägtes Fingerspitzengefühl für die Bedürfnisse und Ängste der Teammitglieder, Schutz vor Kränkungen und Verletzungen zu bieten, aber trotzdem die heißen Eisen zu benennen und zu bearbeiten, stellen eine große Herausforderung für den Teamsupervisor dar.

Konfliktmoderation bzw. Mediation stellt daher die Hauptaufgabe der Teamsupervision dar. In bestimmten Fällen sind solche Konflikte auch nur durch personelle Veränderungen zu lösen, z. B. wenn sich die Antipathien zwischen Mitarbeitern derart verfestigt haben, dass eine andere Lösung nicht mehr möglich ist. Zu bedenken ist hier, das es in der supervisorischen Bearbeitung von Konflikten sinnvollerweise nicht um deren Rückführung auf persönliche Probleme, sondern mehr darum geht, das dahinter liegende Konfliktpotenzial in problematischen Rollenmustern und Aufgabenstrukturen zu erkennen und auf dieser Ebene zu bearbeiten. Gerade bei der Teamsupervision stellt sich wegen der möglichen Verquickung von Konfliktbearbeitung und Personalfragen die Frage der Position des Supervisors innerhalb bzw. außerhalb der Einrichtungshierarchie in besonderer Weise. Die in der Teamsupervision häufigste Vertragsform: der sog. Dreiecksvertrag zwischen Supervisor, Team und Einrichtungsleitung, muss daher bezüglich der Informationsgrenzen/Schweigepflicht gegenüber der Leitung so klar wie möglich sein, um eine offene Bearbeitung von Teamkonflikten zu ermöglichen.

ad 4) Leitungssupervision – Coaching

Die mit dem aus der Wirtschaft und dem Sportbereich stammenden Coaching am ehesten verwandte Form der Supervision ist die Leitungssupervision. Bei ihr geht es wie beim Coaching um die Entwicklung beruflicher und für die berufliche Entwicklung wesentlicher persönlicher Potenziale von Führungskräften. Die darauf bezogene biografische Analyse, die Analyse persönlicher Ressourcen und die Bearbeitung von Problembereichen gehören genauso dazu wie die Entwicklung von Kommunikations- und Führungskompetenzen.

ad 5) Organisationsstrukturen als zentraler Hintergrund der Tätigkeit der Supervisanden

Supervision kann und muss sich auch mit den organisatorischen Rahmenbedingungen der Tätigkeit der Supervisanden beschäftigen. Diese sind ein zentraler Hintergrund für deren Arbeit. Insofern ist das Ausblenden dieser Arbeitsgrundlage ein supervisorischer Kunstfehler. Das Thema Organisation/Organisationsentwicklung lässt sich also nicht wirklich von der Supervision abgrenzen. Der Schweizer Supervisor und Organisationsberater Gerhard Fatzer fordert in seinem neuen Buch5 sogar die Integration von Coaching, Supervision und Organisationsentwicklung zu einer einheitlichen Beratungswissenschaft.

Inwieweit organisatorische Strukturen und Prozesse auch zum Gegenstand der supervisorischen Bearbeitung im Sinne einer Organisationsentwicklung gemacht werden können, hängt in der Praxis vom Auftrag und der Kompetenz des Supervisors ab.

In der Fallsupervision sind sie wesentlicher Hintergrund, können aber nicht beeinflusst werden. Trotzdem ist ihre Berücksichtigung für die Beurteilung der Situation der Supervisanden, ihrer Klienten und deren Beziehung zueinander wesentlich. Im Rahmen von Teamsupervisionen findet Organisationsentwicklung möglicherweise bezogen auf die konkreten Rollenverteilungen und Arbeitsabläufe statt. Vielfach stellt sich in der Supervision aber die Frage, wie mit schwierigen Organisationsbedingungen oder wie mit Ergebnissen einer vom »grünen Tisch« her entwickelten »top-down« Organisationsentwicklung kreativ umgegangen werden kann. Es geht dann um das Ausloten von Spielräumen und die Reaktionsmöglichkeiten auf äußere Vorgaben.

Problematisch ist es, wenn Supervisionen zu Jammerstunden über schwierige Bedingungen, schwierige Vorgesetzte oder schwierige Klienten werden. Die Störungen zu benennen ist ein Teil, Veränderungsmöglichkeiten in der eigenen Einstellung oder dem eigenen Verhalten zu ermitteln der andere Teil. Das Sicheinrichten in der Opferrolle ist ein beliebtes, aber letztlich frustrierendes Spiel, würde Eric Berne6 dazu sagen.

Daher ist es manchmal auch förderlich, wenn Mitarbeiter, die sich als Opfer vorgegebener Anordnungen erleben, sich in die Position ihrer Vorgesetzten begeben, um deren Perspektive zu verstehen und nachvollziehen zu können.

Beispiel:

In einer Supervisionsgruppe mit Schwestern und Pflegern einer Klinik, die mit ihrer Pflegedienstleitung sehr unzufrieden waren, schlug ich ein Rollenspiel vor und bat, dass jemand die Rolle der ungeliebten Pflegedienstleitung (PDL) übernehmen sollte. Keiner fand sich bereit. Warum niemand bereit sei, diese Rolle zu übernehmen, fragte ich. Die Antwort war, dass diese Position so schwierig und undankbar sei, dass sich niemand vorstellen könnte, sie zu übernehmen. Ständig aus Sachzwängen heraus unliebsame Anordnungen treffen zu müssen, könnte sich niemand vorstellen. Nach dieser Supervision verbesserte sich das Verhältnis zur PDL schlagartig. Alle hatten verstanden, dass deren Verhalten aus den Sachzwängen ihrer Rolle herrührte und nicht aus persönlicher Antipathie.

Wenn sich im Laufe einer Fall- oder Teamsupervision herausstellen sollte, dass organisatorische Strukturen ein Problem darstellen, so kann zusammen mit dem Supervisanden, dem Team oder der Supervisionsgruppe – nie ohne deren Wissen und Einverständnis – diese Information oder der entsprechende Veränderungsvorschlag an die Führungsebene weitergeleitet werden. Das wären Ansätze einer Organisationsentwicklung »bottom-up«, also von unten.

Fragen der aktiven Organisationsentwicklung stellen sich am deutlichsten in der Leitungssupervision bzw. im Coaching. Führungskräfte erwarten von einer Supervision zu Recht Hilfestellung bei der strukturellen, also organisatorischen, Lösung ihrer Leitungsaufgaben. Da die supervidierten Führungskräfte sich meist in mittleren Managementpositionen befinden, wird hier in ähnlicher Weise wie auf Teamebene zwischen Vorgaben und Spielräumen zu unterscheiden sein.

Organisationsentwicklung im Sinne klassischer Unternehmensberatung entwirft hierfür am »grünen Tisch« Konzepte, die von oben, also »top-down«, implantiert werden. Die Abstoßungsreaktionen, um im Bild der Transplantationsmedizin zu bleiben, die dadurch hervorgerufen werden, sind des Öfteren Gegenstand schwieriger Teamsupervisionsprozesse.

Im Sinne eines partizipativen Führungsstils geht es in einer effektiven Organisationsentwicklung, die von allen Beteiligten angenommen werden kann, weniger um Vorgaben, die »top-down« umgesetzt werden, als um die Herstellung von Rahmenbedingungen evolutionärer Prozesse, deren Ergebnisse dann in neuen Strukturen festgeschrieben werden können.

Manchmal besteht solche »evolutionäre Organisationsentwicklung« einfach darin, dass Veränderungen der institutionalisierten Prozesse oder Strukturen, die sich in der Anpassung an veränderte Bedingungen oder durch den Wechsel von Mitarbeitern ergeben haben, festgeschrieben, in ihrer neuen Form als offizieller Bestandteil der Organisation ratifiziert werden. Vergleichbar ist diese »evolutionäre Organisationsentwicklung« mit der von Maturana und Varela7 für die Biologie beschriebenen Selbstorganisation lebender Systeme, die von den Vertretern der modernen systemischen Familientherapie auch für soziale Systeme postuliert bzw. nachgewiesen wurde.

Diese ständig ablaufenden Selbstorganisationsprozesse können in einer Organisationsentwicklung positiv beeinflusst werden, indem die Rahmenbedingungen für die interne Kommunikation zwischen Führung und Mitarbeiterschaft mit dem Ziel einer gemeinsamen Weiterentwicklung von organisatorischen Bedingungen geschaffen werden. Solche »evolutionäre Organisationsentwicklung« geht also eher prozessual als strukturell vor, indem sie »Top-down«- und »Bottom-up«-Prozesse kommunikativ vermittelt.

Wie stehen diese Ebenen nun miteinander in Beziehung?

Bezüglich der Befindlichkeit der Supervisanden haben wir bereits festgestellt, dass ein enger Zusammenhang zwischen der Belastung durch die Arbeit mit Klienten, der Teamstruktur, organisatorischen Rahmenbedingungen und der Befindlichkeit der Mitarbeiter besteht.

Der intensive Kontakt mit schwierigen Klienten stellt dabei nicht nur eine mögliche generelle Belastung der Supervisanden dar, es übertragen sich dadurch auch spezifische Problemstrukturen, die sich u. a. auf die Kommunikation im Team niederschlagen können. Die Kommunikation innerhalb der Teams wirkt dann oft wie ein Spiegel der Klientenprobleme.

So aktivierte in einer Suchttherapieeinrichtung die latente Aggression zwischen den Patienten, die meist in der Halbzeit ihres Therapieaufenthaltes einsetzte, mit konstanter Regelmäßigkeit die »Soll-Bruchstellen« innerhalb des Teams. Wurden die Konflikte in der Patientengruppe dann offen ausgetragen, verschwand die aggressive Stimmung im Team wieder, als hätten sich die Konflikte in Luft aufgelöst.

Solche Spiegel- oder Übertragungsphänomene zeigen Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Ebenen der Supervision an, die deutlich machen, dass die isolierte Behandlung einer Ebene für sich keinen Sinn macht. Sicherlich hat jedes Team auch eine Eigendynamik in seinen Entwicklungsphasen, in seiner Rollenverteilung usw.; man darf aber den Zusammenhang dieser Dynamik mit der Problematik der Klienten und mit den organisatorischen Rahmenbedingungen nicht übersehen. Das Gleiche gilt selbstverständlich auch für persönliche Probleme der Supervisanden und deren Zusammenhang mit Klientenproblemen, Teamproblemen und organisatorischen Rahmenbedingungen.

Schwierige Klienten, eine problematische Teamsituation, Unsicherheit der Stelle oder anderweitig schwierige Rahmenbedingungen wirken sich auf die Befindlichkeit der Supervisanden aus, und vice versa wirkt sich diese auf den Umgang mit Klienten und die Teamstimmung aus, sodass hier Teufelskreise entstehen können. Um solche Teufelskreise in Engelskreise zu verwandeln, ist es bekanntlich ratsam, an möglichst vielen Stellen dieses Teufelskreises gleichzeitig anzusetzen. Das heißt für die Supervision, dass es oft nicht ausreicht, problematische Teambeziehungen zu klären, Übertragungsprozesse im Klientenkontakt durchzuarbeiten oder schwierige Rahmenbedingungen in der Führung oder der Organisation anzugehen, sondern dass es notwendig ist, auf all diesen Ebenen zugleich anzusetzen. Dabei ist es auch wesentlich zu beachten, welche Ursachenzuschreibungen gemacht werden. Schwierigkeiten im Team oder mit Klienten auf die persönliche Problematik oder die Beziehungsprobleme zwischen zwei Teammitgliedern zurückzuführen, stellt, auch wenn es vielleicht nicht ganz falsch ist, eine zusätzliche Belastung und keine Entlastung der Supervisanden dar.

2. Der Rahmen der Supervision

2.1 Der erste Kontakt

Auch wenn der Supervisor in der Regel von außerhalb kommt, findet Supervision innerhalb eines institutionellen Rahmens statt. Der Supervisor wird entweder vom Supervisanden selbst angefordert und bezahlt oder von der Einrichtung, in der dieser arbeitet. Insofern besteht entweder ein zweiseitiger oder ein dreiseitiger Kontrakt.

Dieser Kontrakt ist zwar keine feste Anstellung, sonst wäre der Supervisor nicht mehr extern, aber er impliziert doch, auch wenn er nicht schriftlich fixiert wird, gegenseitige Erwartungen und Verpflichtungen. Diese sollten auf jeden Fall nach der ersten Supervisionssitzung geklärt werden.

Leitfaden für das Kontraktgespräch

Vorgeschichte

Institution

Rahmen/Setting

Art der Supervision

Umgang mit Infos

Erwartungen

Eigene Vorstellung

Eigene Ziele

2.2 Externe Supervision

Supervision wird in der Regel von institutionsfremden Personen durchgeführt. Die Tatsache, dass der externe Supervisor nicht in der Hierarchie oder Funktionsstruktur der Institution integriert ist, hat den Vorteil, dass er den klaren Blick wahren kann. Dass er keine Macht hat, macht ihn unbestechlich. Die Bereitschaft der Supervisanden, sich ihm gegenüber zu öffnen, ist größer als bei interner Supervision durch Vorgesetzte oder durch Supervisoren auf Stabsstellen.

Ein Effekt externer Supervision besteht aber auch in fehlender Kenntnis der Institution und der in ihr beschäftigten Personen. Das schützt andererseits vor Betriebsblindheit, es macht den Supervisor erst einmal zum Fragenden, der möglicherweise naiv Fragen stellt, die in dieser Institution längst keiner mehr stellt oder die tabuisiert sind. Er verhält sich wie das Kind im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern. Auf diese Weise verstört er eingeschliffene Gewohnheiten, wirbelt Staub auf und sorgt so dafür, dass Denkanstöße gegeben, Strukturen neu überdacht und vielleicht geändert werden.

2.3 Interne Supervision

Diese Form der Supervision wird in manchen Einrichtungen von Stabsmitarbeitern angeboten. Der Effekt ist meist mäßig, weil die Bereitschaft zur Offenheit wegen der institutionellen Verbindung eher gering ist. Sinnvoll kann sie dort sein, wo viele Berufsanfänger Praxisanleitung benötigen.

2.4 Problematische Rahmenbedingungen

Verstrickungen jedweder Art durch private Kontakte mit Supervisanden oder anderen Mitarbeitern der Institution wirken sich belastend auf die Supervision aus. Sie sind meist ein Ausschlusskriterium. Auf jeden Fall sollten sie offengelegt werden, um den Supervisanden die Gelegenheit zu geben, ihre Probleme damit darzustellen bzw. die Supervision abzulehnen.

3. Ablauf einer Supervisionssitzung – ein Zwölf-Punkte-Programm

Entscheidend für den konkreten Ablauf einer SV-Sitzung sind natürlich die spezifische Supervisionsform und das Setting, in welcher sie stattfindet. Handelt es sich um eine Gruppenfallsupervision, die regelmäßig über einen längeren Zeitraum stattfindet, oder geht es um eine Teamsupervision, die nur an einer begrenzten Zahl von Terminen stattfindet? Handelt es sich um eine Einzelsupervision, ein Coaching oder eine Leitungssupervision? Jede Form der Supervision hat etwas andere Ablaufvariablen. Was allen Supervisionssettings gemeinsam ist, ist folgender Ablauf:

3.1 Ankommen und Kontaktaufnahme oder: die Supervision beginnt, bevor sie anfängt

Ehe die gemeinsame Arbeit beginnt, ist es notwendig, Kontakt zueinander aufzunehmen, sich aufeinander einzustimmen. Es ist nicht belanglos, wie diese Phase der Kontaktaufnahme verläuft.