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Inhalt

TITEL

IMPRESSUM

SAMMLUNGEN BEI NULL PAPIER

GEORG BÜCHNER – LEBEN UND WERK

DANTONS TOD

PERSONEN

ERSTER AKT

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Sechste Szene

ZWEITER AKT

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Sechste Szene

Siebente Szene

DRITTER AKT

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Sechste Szene

Siebente Szene

Achte Szene

Neunte Szene

Zehnte Szene

VIERTER AKT

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Sechste Szene

Siebente Szene

Achte Szene

Neunte Szene

DER HESSISCHE LANDBOTE

ERSTE BOTSCHAFT

FRIEDE DEN HÜTTEN! KRIEG DEN PALÄSTEN!

WOYZECK

VORBEMERKUNG

PERSONEN

BEIM HAUPTMANN

FREIES FELD, DIE STADT IN DER FERNE

DIE STADT

MARIENS KAMMER

BEIM DOKTOR

MARIENS KAMMER

STRAßE

MARIENS KAMMER

DIE WACHSTUBE

FREIES FELD

EIN ZIMMER IN DER KASERNE

DER HOF DES DOKTORS

KASERNENHOF

WIRTSHAUS

KRAMLADEN

MARIENS KAMMER

KASERNE

STRAßE

WALDSAUM AM TEICH

DAS WIRTSHAUS

AM TEICH

LEONCE UND LENA

PERSONEN

VORREDE

ERSTER AKT

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

ZWEITER AKT

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

DRITTER AKT

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

LENZ

MARIA TUDOR

PERSONEN

ERSTE HANDLUNG – DER MANN AUS DEM VOLKE

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Sechste Szene

Siebente Szene

Achte Szene

Neunte Szene

ZWEITE HANDLUNG – DIE KÖNIGIN

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Sechste Szene

Siebte Szene

Achte Szene

Neunte Szene

DRITTE HANDLUNG – WER VON BEIDEN?

Erste Abteilung

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Sechste Szene

Siebente Szene

Achte Szene

Neunte Szene

Zehnte Szene

Zweite Abteilung

Erste Szene

Zweite Szene

LUCRETIA BORGIA

PERSONEN

ERSTE HANDLUNG

Erste Abteilung

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Zweite Abteilung

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

ZWEITE HANDLUNG

Erste Abteilung

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Sechste Szene

Zweite Abteilung

Erste Szene

Zweite Szene

DRITTE HANDLUNG

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

BRIEFE

1831

1832

1833

1834

1835

1836

1837

VERLAGSPROGRAMM

Georg Büchner

Gesammelte Werke

Georg Büchner

Gesammelte Werke

 

 

Überarbeitung, Umschlaggestaltung: Null Papier Verlag

1. Auflage, ISBN 978-3-95418-366-1

Umfang: 521 Normseiten bzw. 685 Buchseiten

www.null-papier.de/buechner

 

Georg Büchner – Leben und Werk

Georg Büchner war das Kind einer Übergangsepoche, die nach der Niederwerfung Napoleons begann und in die Deutsche Märzrevolution von 1848/49 mündete. Die Zeit des sogenannten Vormärz fing mit der Gründung des 1815 – zwei Jahre nach Büchners Geburt – gegründeten Deutschen Bundes an, der durch die Umgestaltung Deutschlands zu einem mosaikartigen Gebilde aus dynastisch geführten Duodezstaaten ein Zeitalter der Restauration einleitete, das durch eine zum System erhobene Enge und eine repressive Gangart gegen die widerständischen liberalen und nationalen Bewegungen geprägt war.

Ein junger Revolutionär

Georg Büchner, der am 17. Oktober 1813 im hessischen Goddelau als Sohn eines Arztes geboren wurde und in Darmstadt aufwuchs, hatte bereits als siebzehnjähriger Gymnasiast eine kritisch-revolutionäre Haltung gegenüber dem deutschen Obrigkeitsstaat ausgeprägt, die er bei einer Schulfeier in einer Rede über den Selbstmord Catos wohl erstmals öffentlich artikulierte.

Ruh- und rastlos

Gegen einen Zug zur Melancholie und Hoffnungslosigkeit, der viele seiner literarischen Figuren prägen sollte, entwickelte der mit reicher Fantasie, kritischer Intelligenz und einem analytisch-naturwissenschaftlichen Interesse ausgestattete Büchner eine der vita activa verschriebene Lebenshaltung, ohne die seine immense Produktivität während seiner kurzen Lebenszeit nicht möglich gewesen wäre.

Gegen Ende des Jahres 1831 immatrikulierte sich Büchner an der Straßburger Universität im Fachbereich Medizin und begann ein Studium der vergleichenden Anatomie, das er zwei Jahre später in Gießen fortsetzte. Dort lernte Büchner den Kopf einer hessischen revolutionären Bewegung, Friedrich Ludwig Weidig, kennen und verfasste die gegen die herrschenden sozialen Missstände gerichtete Flugschrift »Der Hessische Landbote«. In Erwartung einer Reaktion der Obrigkeit zog Büchner daraufhin zu seinen Eltern und schrieb das Revolutionsdrama »Dantons Tod«.

Als die Behörden Büchner steckbrieflich suchen ließen, trat er die unlängst geplante Flucht nach Straßburg an. In der Schweiz setzte er neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit, die zu einer Dissertation »über das Nervensystem der Barbe« führte, auch seine literarische Arbeit fort. Es entstanden die dem psychologischen Realismus verpflichtete Erzählung »Lenz«, das politsatirische Lustspiel »Leonce und Lena« und die ersten Szenen zu dem Fragment gebliebenen Drama »Woyzeck«.

Früher Tod

Nachdem die Philosophische Fakultät der Universität Zürich Büchner aufgrund seiner Dissertation den Doktortitel verliehen hatte, siedelte er im Oktober 1836 nach Zürich um und arbeitete an der Universität als Privatdozent. Georg Büchner erkrankte Anfang des folgenden Jahres und starb, noch vor Vollendung seines vierundzwanzigsten Lebensjahres, am 19. Februar 1837 unter medizinisch bis heute nicht aufgeklärten Umständen.

Literarischer Fußabdruck

Georg Büchner hat den deutschen Beitrag zur Weltliteratur des 19. Jahrhunderts maßgeblich geprägt und mit seinem in wenigen Jahren entstandenen Werk Traditionslinien durch deren Einbettung in moderne geschichtsphilosophische, politisch-weltanschauliche und sozialpsychologische Zusammenhänge neu begründet und die Formensprache des Theaters verändert.

Vor allem durch seine dramatischen Texte, aber auch auf den Gebieten der Erzählung und der politisch engagierten Literatur hat Georg Büchner Wege in die Moderne geöffnet, die auch heute – über 220 Jahre nach seinem Tod – noch lange nicht ausgeschritten sind. Georg Büchners dramatische Werke, die bis knapp ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod zunächst ungespielt geblieben waren, sind seit den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts zum festen Bestandteil der Spielpläne des deutschsprachigen Theaters geworden.

In seinem ersten Drama »Dantons Tod« wirft der gerade einmal einundzwanzigjährige Georg Büchner mit medizinischer Kälte einen analytischen Blick auf die Französische Revolution, die bereits im Sterben liegt. Die melancholisch-fatalistische Grundstimmung des Stücks erzeugt Büchner durch die Darstellung gebrochener Helden der Revolution, die durch ihr subjektives Schuldempfinden angesichts ihrer eigenen Greueltaten und die Gewissheit, dass die Revolution sinnlos war, handlungsunfähig geworden sind.

Der für die Septembermorde an unschuldigen Menschen verantwortliche Danton ist der melancholische und müde gewordene Prototyp einer Revolution, die unausweichlich wieder in die Diktatur führen wird, weil sie sich deren menschenverachtender Mittel der Gewalt bedient hat. Was bleibt und die einstigen Revolutionäre aufzehrt, ist ein Ekel vor dem Leid, das sie mit verursacht haben, welcher sich auf das Dasein und das Universum ausweitet. Auch das Opfer, das Danton bringt, indem er Robespierre zur Milde aufruft und sich selbst damit in die Schusslinie der Jakobiner stellt, ist sinnlos, denn deren Schreckensregime ist längst geschichtliche Realität.

Büchner war bereits in »Dantons Tod« seiner Zeit weit voraus, da er keinen Machtkampf intriganter Gegenspieler mehr inszeniert, sondern die Französische Revolution dokumentarisch aus- und verwertet, um einen Mechanismus der Geschichte vorzuführen.

Eine geistige Atmosphäre der Fatalität herrscht auch in Büchners Lustspiel »Leonce und Lena«, in dem das durch die zahllosen Grenzen der Kleinstaaten durchfurchte Metternich-Reich zu einem Modell für Beengung, Dekadenz und Sinnlosigkeit ausgestaltet und satirisch verspottet wird.

In den Reichen Pipi und Popo ist alle Lebensplanung auf Sorglosigkeit durch Fremdbestimmung ausgerichtet, die Lebenswege sind durch die Herrschenden vorgezeichnet. Da der gelangweilte Prinz Leonce aus dem Reich Popo dem Plan seines Vaters, die Prinzessin Lena aus dem Reiche Pipi zu heiraten nicht folgen will, begibt er sich heimlich auf die Flucht. Aber auf seinem Weg ins Offene begegnet er ausgerechnet der ebenfalls vor ihrem vorgezeichneten Lebensweg davon laufenden Lena, ohne von ihrer wahren Identität zu erfahren. Das Endergebnis des gelangweilt-träumerischen Ausbruchsversuchs der beiden Königskinder wird wiederum nur das vorherbestimmte Schicksal sein.

Georg Büchner parodiert in »Leonce und Lena« nicht nur die Verhältnisse der Biedermeierzeit, sondern er wirft zwischen den Zeilen der Dialoge seines Stückes für alle Zeiten die Frage auf, wann ein nicht nur romantisch erträumtes, wirkliches Leben beginnt. Darauf verweisen – ex negativo – alle an dem Personal des Dramas exerzierten bizarren und absurden Lebensstrategien letztlich Lebensmüder.

Auch Georg Büchners drittes und letztes Drama »Woyzeck«, das aufgrund seines fragmentarischen Charakters eigentlich kein Theaterstück, sondern eine Sammlung von Szenen ohne feststehende Ordnung ist, besitzt einen thematisch variablen Modellcharakter.

»Woyzeck« gilt als das erste genuin soziale Drama in der Literaturgeschichte, dessen zentrales Grundthema wiederum die tragische Fatalität eines Lebens ist, dessen Offenheit zur Selbstbestimmung nicht gewährleistet ist oder misslingt. Der einsame Soldat Woyzeck wird darin zum Mörder an dem Kostbarsten, das er zu besitzen glaubt, seiner Frau Marie, die ihn mit dem Tambourmajor betrügt, weil er von allen Personen, denen er mehr oder weniger nahesteht – seinem Freund Andres, Marie, dem Doktor etc. – nicht verstanden oder benutzt wird. Woyzeck, der zunehmend von inneren Stimmen und dunklen Mächten bestimmt wird und den Kontakt zu seiner berechnenden, kalten Umwelt verliert, endet wie nahezu alle Büchnerschen »Helden« in einer ausweglosen, unfreien Situation.

 

Dantons Tod

Ein Drama

Erscheinungsjahr: 1835
Uraufführung: 5. Januar 1902
Ort der Uraufführung: Belle-Alliance-Theater in Berlin
Ort und Zeit der Handlung: 24. März bis 5. April 1794

Personen

Erster Akt

Erste Szene

Hérault-Séchelles, einige Damen am Spieltisch. Danton, Julie etwas weiter weg, Danton auf einem Schemel zu den Füßen von Julie.

Danton: Sieh die hübsche Dame, wie artig sie die Karten dreht! Ja wahrhaftig, sie versteht’s; man sagt, sie halte ihrem Manne immer das coeur und anderen Leuten das carreau hin. – Ihr könntet einen noch in die Lüge verliebt machen.

Julie: Glaubst du an mich?

Danton: Was weiß ich! Wir wissen wenig voneinander. Wir sind Dickhäuter, wir strecken die Hände nacheinander aus, aber es ist vergebliche Mühe, wir reiben nur das grobe Leder aneinander ab – wir sind sehr einsam.

Julie: Du kennst mich, Danton.

Danton: Ja, was man so kennen heißt. Du hast dunkle Augen und lockiges Haar und einen feinen Teint und sagst immer zu mir: lieber Georg! Aber (er deutet ihr auf Stirn und Augen) da, da, was liegt hinter dem? Geh, wir haben grobe Sinne. Einander kennen? Wir müßten uns die Schädeldecken aufbrechen und die Gedanken einander aus den Hirnfasern zerren. –

Eine Dame (zu Hérault): Was haben Sie nur mit Ihren Fingern vor?

Hérault: Nichts!

Dame: Schlagen Sie den Daumen nicht so ein, es ist nicht zum Ansehn!

Hérault: Sehn Sie nur, das Ding hat eine ganz eigne Physiognomie. –

Danton: Nein, Julie, ich liebe dich wie das Grab.

Julie (sich abwendend): Oh!

Danton: Nein, höre! Die Leute sagen, im Grab sei Ruhe, und Grab und Ruhe seien eins. Wenn das ist, lieg ich in deinem Schoß schon unter der Erde. Du süßes Grab, deine Lippen sind Totenglocken, deine Stimme ist mein Grabgeläute, deine Brust mein Grabhügel und dein Herz mein Sarg. –

Dame: Verloren!

Hérault: Das war ein verliebtes Abenteuer, es kostet Geld wie alle andern.

Dame: Dann haben Sie Ihre Liebeserklärungen, wie ein Taubstummer, mit den Fingern gemacht.

Hérault: Ei, warum nicht? Man will sogar behaupten, gerade die würden am leichtesten verstanden. – Ich zettelte eine Liebschaft mit einer Kartenkönigin an; meine Finger waren in Spinnen verwandelte Prinzen, Sie, Madame, waren die Fee; aber es ging schlecht, die Dame lag immer in den Wochen, jeden Augenblick bekam sie einen Buben. Ich würde meine Tochter dergleichen nicht spielen lassen, die Herren und Damen fallen so unanständig übereinander und die Buben kommen gleich hintennach.

(Camille Desmoulins und Philippeau treten ein.)

Hérault: Philippeau, welch trübe Augen! Hast du dir ein Loch in die rote Mütze gerissen? Hat der heilige Jakob ein böses Gesicht gemacht? Hat es während des Guillotinierens geregnet? Oder hast du einen schlechten Platz bekommen und nichts sehen können?

Camille: Du parodierst den Sokrates. Weißt du auch, was der Göttliche den Alcibiades fragte, als er ihn eines Tages finster und niedergeschlagen fand: »Hast du deinen Schild auf dem Schlachtfeld verloren? Bist du im Wettlauf oder im Schwertkampf besiegt worden? Hat ein andrer besser gesungen oder besser die Zither geschlagen?« Welche klassischen Republikaner! Nimm einmal unsere Guillotinenromantik dagegen!

Philippeau: Heute sind wieder zwanzig Opfer gefallen. Wir waren im Irrtum, man hat die Hebertisten nur aufs Schafott geschickt, weil sie nicht systematisch genug verfuhren, vielleicht auch, weil die Dezemvirn sich verloren glaubten, wenn es nur eine Woche Männer gegeben hätte, die man mehr fürchtete als sie.

Hérault: Sie möchten uns zu Antediluvianern machen. St. Just säh’ es nicht ungern, wenn wir wieder auf allen vieren kröchen, damit uns der Advokat von Arras nach der Mechanik des Genfer Uhrmachers Fallhütchen, Schulbänke und einen Herrgott erfände.

Philippeau: Sie würden sich nicht scheuen, zu dem Behuf an Marats Rechnung noch einige Nullen zu hängen. Wie lange sollen wir noch schmutzig und blutig sein wie neugeborne Kinder, Särge zur Wiege haben und mit Köpfen spielen? Wir müssen vorwärts, der Gnadenausschuß muß durchgesetzt, die ausgestoßnen Deputierten müssen wieder aufgenommen werden!

Hérault: Die Revolution ist in das Stadium der Reorganisation gelangt. – Die Revolution muß aufhören, und die Republik muß anfangen. – In unsern Staatsgrundsätzen muß das Recht an die Stelle der Pflicht, das Wohlbefinden an die der Tugend und die Notwehr an die der Strafe treten. Jeder muß sich geltend machen und seine Natur durchsetzen können. Er mag nun vernünftig oder unvernünftig, gebildet oder ungebildet, gut oder böse sein, das geht den Staat nichts an. Wir alle sind Narren, es hat keiner das Recht, einem andern seine eigentümliche Narrheit aufzudrängen. – Jeder muß in seiner Art genießen können, jedoch so, daß keiner auf Unkosten eines andern genießen oder ihn in seinem eigentümlichen Genuß stören darf.

Camille: Die Staatsform muß ein durchsichtiges Gewand sein, das sich dicht an den Leib des Volkes schmiegt. Jedes Schwellen der Adern, jedes Spannen der Muskeln, jedes Zucken der Sehnen muß sich darin abdrücken. Die Gestalt mag nun schön oder häßlich sein, sie hat einmal das Recht, zu sein, wie sie ist; wir sind nicht berechtigt, ihr ein Röcklein nach Belieben zuzuschneiden. – Wir werden den Leuten, welche über die nackten Schultern der allerliebsten Sünderin Frankreich den Nonnenschleier werfen wollen, auf die Finger schlagen. – Wir wollen nackte Götter, Bacchantinnen, olympische Spiele, und von melodischen Lippen; ach, die gliederlösende, böse Liebe! – Wir wollen den Römern nicht verwehren, sich in die Ecke zu setzen und Rüben zu kochen, aber sie sollen uns keine Gladiatorspiele mehr geben wollen. – Der göttliche Epikur und die Venus mit dem schönen Hintern müssen statt der Heiligen Marat und Chalier die Türsteher der Republik werden. – Danton, du wirst den Angriff im Konvent machen!

Danton: Ich werde, du wirst, er wird. Wenn wir bis dahin noch leben! sagen die alten Weiber. Nach einer Stunde werden sechzig Minuten verflossen sein. Nicht wahr, mein Junge?

Camille: Was soll das hier? Das versteht sich von selbst.

Danton: Oh, es versteht sich alles von selbst. Wer soll denn all die schönen Dinge ins Werk setzen?

Philippeau: Wir und die ehrlichen Leute.

Danton: Das »und« dazwischen ist ein langes Wort, es hält uns ein wenig weit auseinander; die Strecke ist lang, die Ehrlichkeit verliert den Atem, eh’ wir zusammenkommen. Und wenn auch! – den ehrlichen Leuten kann man Geld leihen, man kann bei ihnen Gevatter stehn und seine Töchter an sie verheiraten, aber das ist alles!

Camille: Wenn du das weißt, warum hast du den Kampf begonnen?

Danton: Die Leute waren mir zuwider. Ich konnte dergleichen gespreizte Katonen nie ansehn, ohne ihnen einen Tritt zu geben. Mein Naturell ist einmal so. (Er erhebt sich.)

Julie: Du gehst?

Danton (zu Julie): Ich muß fort, sie reiben mich mit ihrer Politik noch auf. – (Im Hinausgehn): Zwischen Tür und Angel will ich euch prophezeien: die Statue der Freiheit ist noch nicht gegossen, der Ofen glüht, wir alle können uns noch die Finger dabei verbrennen. (Ab.)

Camille: Laßt ihn! Glaubt ihr, er könne die Finger davon lassen, wenn es zum Handeln kömmt?

Hérault: Ja, aber bloß zum Zeitvertreib, wie man Schach spielt.

Zweite Szene

Eine Gasse

Simon. Sein Weib.

Simon (schlägt das Weib): Du Kuppelpelz, du runzlige Sublimatpille, du wurmstichiger Sündenapfel!

Weib: He, Hilfe! Hilfe!

(Es kommen Leute gelaufen.)

Leute: Reißt sie auseinander, reißt sie auseinander!

Simon: Nein, laßt mich, Römer! Zerschellen will ich dies Geripp! Du Vestalin!

Weib: Ich eine Vestalin? Das will ich sehen, ich.

Erster Bürger: Was gibt’s?

Simon: Wo ist die Jungfrau? Sprich! Nein, so kann ich nicht sagen. Das Mädchen! Nein, auch das nicht. Die Frau, das Weib! Auch das, auch das nicht! Nur noch ein Name; oh, der erstickt mich! Ich habe keinen Atem dafür.

Zweiter Bürger: Das ist gut, sonst würde der Name nach Schnaps riechen.

Simon: Alter Virginius, verhülle dein kahl Haupt – der Rabe Schande sitzt darauf und hackt nach deinen Augen. Gebt mir ein Messer, Römer! (Er sinkt um.)

Weib: Ach, er ist sonst ein braver Mann, er kann nur nicht viel vertragen; der Schnaps stellt ihm gleich ein Bein.

Zweiter Bürger: Dann geht er mit dreien.

Weib: Nein, er fällt.

Zweiter Bürger: Richtig, erst geht er mit dreien, und dann fällt er auf das dritte, bis das dritte selbst wieder fällt.

Simon: Du bist die Vampirzunge, die mein wärmstes Herzblut trinkt.

Weib: Laßt ihn nur, das ist so die Zeit, worin er immer gerührt wird; es wird sich schon geben.

Erster Bürger: Was gibt’s denn?

Weib: Seht ihr: ich saß da so auf dem Stein in der Sonne und wärmte mich, seht ihr – denn wir haben kein Holz, seht ihr –

Zweiter Bürger: So nimm deines Mannes Nase.

Weib: Und meine Tochter war da hinuntergegangen um die Ecke – sie ist ein braves Mädchen und ernährt ihre Eltern.

Simon: Ha, sie bekennt!

Weib: Du Judas! hättest du nur ein Paar Hosen hinauf zuziehen, wenn die jungen Herren die Hosen nicht bei ihr hinunterließen? Du Branntweinfaß, willst du verdursten, wenn das Brünnlein zu laufen aufhört, he? – Wir arbeiten mit allen Gliedern, warum denn nicht auch damit; ihre Mutter hat damit geschafft, wie sie zur Welt kam, und es hat ihr weh getan; kann sie für ihre Mutter nicht auch damit schaffen, he? und tut’s ihr auch weh dabei, he? Du Dummkopf!

Simon: Ha, Lukretia! ein Messer, gebt mir ein Messer, Römer! Ha, Appius Claudius!

Erster Bürger: Ja, ein Messer, aber nicht für die arme Hure! Was tat sie? Nichts! Ihr Hunger hurt und bettelt. Ein Messer für die Leute, die das Fleisch unserer Weiber und Töchter kaufen. Weh über die, so mit den Töchtern des Volkes huren! Ihr habt Kollern im Leib, und sie haben Magendrücken; ihr habt Löcher in den Jacken, und sie haben warme Röcke; ihr habt Schwielen in den Fäusten, und sie haben Samthände. Ergo, ihr arbeitet, und sie tun nichts; ergo, ihr habt’s erworben, und sie haben’s gestohlen; ergo, wenn ihr von eurem gestohlnen Eigentum ein paar Heller wiederhaben wollt, müßt ihr huren und betteln; ergo, sie sind Spitzbuben, und man muß sie totschlagen!

Dritter Bürger: Sie haben kein Blut in den Adern, als was sie uns ausgesaugt haben. Sie haben uns gesagt: schlagt die Aristokraten tot, das sind Wölfe! Wir haben die Aristokraten an die Laternen gehängt. Sie haben gesagt: das Veto frißt euer Brot; wir haben das Veto totgeschlagen. Sie haben gesagt: die Girondisten hungern euch aus; wir haben die Girondisten guillotiniert. Aber sie haben die Toten ausgezogen, und wir laufen wie zuvor auf nackten Beinen und frieren. Wir wollen ihnen die Haut von den Schenkeln ziehen und uns Hosen daraus machen, wir wollen ihnen das Fett auslassen und unsere Suppen mit schmelzen. Fort! Totgeschlagen, wer kein Loch im Rock hat!

Erster Bürger: Totgeschlagen, wer lesen und schreiben kann!

Zweiter Bürger: Totgeschlagen, wer auswärts geht!

Alle (schreien): Totgeschlagen! Totgeschlagen!

(Einige schleppen einen jungen Menschen herbei.)

Einige Stimmen: Er hat ein Schnupftuch! ein Aristokrat! an die Laterne! an die Laterne!

Zweiter Bürger: Was? er schneuzt sich die Nase nicht mit den Fingern? An die Laterne! (Eine Laterne wird heruntergelassen.)

Junger Mensch: Ach, meine Herren!

Zweiter Bürger: Es gibt hier keine Herren! An die Laterne!

Junger Mensch: Erbarmen!

Dritter Bürger: Nur ein Spielen mit einer Hanflocke um den Hals! ’s ist nur ein Augenblick, wir sind barmherziger als ihr. Unser Leben ist der Mord durch Arbeit; wir hängen sechzig Jahre lang am Strick und zapplen, aber wir werden uns losschneiden. – An die Laterne!

Junger Mensch: Meinetwegen, ihr werdet deswegen nicht heller sehen.

Die Umstehenden: Bravo! Bravo!

Einige Stimmen: Laßt ihn laufen! (Er entwischt.)

(Robespierre tritt auf, begleitet von Weibern und Ohnehosen.)

Robespierre: Was gibt’s da, Bürger?

Dritter Bürger: Was wird’s geben? Die paar Tropfen Bluts vom August und September haben dem Volk die Backen nicht rot gemacht. Die Guillotine ist zu langsam. Wir brauchen einen Platzregen!

Erster Bürger: Unsere Weiber und Kinder schreien nach Brot, wir wollen sie mit Aristokratenfleisch füttern. He! totgeschlagen, wer kein Loch im Rock hat!

Alle: Totgeschlagen! Totgeschlagen!

Robespierre: Im Namen des Gesetzes!

Erster Bürger: Was ist das Gesetz?

Robespierre: Der Wille des Volks.

Erster Bürger: Wir sind das Volk, und wir wollen, daß kein Gesetz sei; ergo ist dieser Wille das Gesetz, ergo im Namen des Gesetzes gibt’s kein Gesetz mehr, ergo totgeschlagen!

Einige Stimmen: Hört den Aristides! hört den Unbestechlichen!

Ein Weib: Hört den Messias, der gesandt ist, zu wählen und zu richten; er wird die Bösen mit der Schärfe des Schwertes schlagen. Seine Augen sind die Augen der Wahl, seine Hände sind die Hände des Gerichts.

Robespierre: Armes, tugendhaftes Volk! Du tust deine Pflicht, du opferst deine Feinde. Volk, du bist groß! Du offenbarst dich unter Blitzstrahlen und Donnerschlägen. Aber, Volk, deine Streiche dürfen deinen eignen Leib nicht verwunden; du mordest dich selbst in deinem Grimm. Du kannst nur durch deine eigne Kraft fallen, das wissen deine Feinde. Deine Gesetzgeber wachen, sie werden deine Hände führen; ihre Augen sind untrügbar, deine Hände sind unentrinnbar. Kommt mit zu den Jakobinern! Eure Brüder werden euch ihre Arme öffnen, wir werden ein Blutgericht über unsere Feinde halten.

Viele Stimmen: Zu den Jakobinern! Es lebe Robespierre! (Alle ab.)

Simon: Weh mir, verlassen! (Er versucht sich aufzurichten.)

Weib: Da! (Sie unterstützt ihn.)

Simon: Ach, meine Baucis! du sammelst Kohlen auf mein Haupt.

Weib: Da steh!

Simon: Du wendest dich ab? Ha, kannst du mir vergeben, Porcia? Schlug ich dich? Das war nicht meine Hand, war nicht mein Arm, mein Wahnsinn tat es.

Weib: Dort um das Eck herum.

Simon: Fort zu ihr! Komm, mein tugendreich Gemahl. (Beide ab.)

Dritte Szene

Der Jakobinerklub

Ein Lyoner: Die Brüder von Lyon senden uns, um in eure Brust ihren bittren Unmut auszuschütten. Wir wissen nicht, ob der Karren, auf dem Ronsin zur Guillotine fuhr, der Totenwagen der Freiheit war, aber wir wissen, daß seit jenem Tage die Mörder Chaliers wieder so fest auf den Boden treten, als ob es kein Grab für sie gäbe. Habt ihr vergessen, daß Lyon ein Flecken auf dem Boden Frankreichs ist, den man mit den Gebeinen der Verräter zudecken muß? Habt ihr vergessen, daß diese Hure der Könige ihren Aussatz nur in dem Wasser der Rhone abwaschen kann? Habt ihr vergessen, daß dieser revolutionäre Strom die Flotten Pitts im Mittelmeere auf den Leichen der Aristokraten muß stranden machen? Eure Barmherzigkeit mordet die Revolution. Der Atemzug eines Aristokraten ist das Röcheln der Freiheit. Nur ein Feigling stirbt für die Republik, ein Jakobiner tötet für sie. Wißt: finden wir in euch nicht mehr die Spannkraft der Männer des 10. August, des September und des 31. Mai, so bleibt uns, wie dem Patrioten Gaillard, nur der Dolch des Kato. (Beifall und verwirrtes Geschrei.)

Ein Jakobiner: Wir werden den Becher des Sokrates mit euch trinken!

Legendre (schwingt sich auf die Tribüne). Wir haben nicht nötig, unsere Blicke auf Lyon zu werfen. Die Leute, die seidne Kleider tragen, die in Kutschen fahren, die in den Logen im Theater sitzen und nach dem Diktionär der Akademie sprechen, tragen seit einigen Tagen die Köpfe fest auf den Schultern. Sie sind witzig und sagen, man müsse Marat und Chalier zu einem doppelten Märtyrertum verhelfen und sie in effigie guillotinieren. (Heftige Bewegung in der Versammlung.)

Einige Stimmen: Das sind tote Leute, ihre Zunge guillotiniert sie.

Legendre: Das Blut dieser Heiligen komme über sie! Ich frage die anwesenden Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses, seit wann ihre Ohren so taub geworden sind…

Collot d’Herbois (unterbricht ihn): Und ich frage dich, Legendre, wessen Stimme solchen Gedanken Atem gibt, daß sie lebendig werden und zu sprechen wagen? Es ist Zeit, die Masken abzureißen. Hört! Die Ursache verklagt ihre Wirkung, der Ruf sein Echo, der Grund seine Folge. Der Wohlfahrtsausschuß versteht mehr Logik, Legendre. Sei ruhig! Die Büsten der Heiligen werden unberührt bleiben, sie werden wie Medusenhäupter die Verräter in Stein verwandten.

Robespierre: Ich verlange das Wort.

Die Jakobiner: Hört, hört den Unbestechlichen!

Robespierre: Wir warteten nur auf den Schrei des Unwillens, der von allen Seiten ertönt, um zu sprechen. Unsere Augen waren offen, wir sahen den Feind sich rüsten und sich erheben, aber wir haben das Lärmzeichen nicht gegeben; wir ließen das Volk sich selbst bewachen, es hat nicht geschlafen, es hat an die Waffen geschlagen. Wir ließen den Feind aus seinem Hinterhalt hervorbrechen, wir ließen ihn anrücken; jetzt steht er frei und ungedeckt in der Helle des Tages, jeder Streich wird ihn treffen, er ist tot, sobald ihr ihn erblickt habt.

Ich habe es euch schon einmal gesagt: in zwei Abteilungen, wie in zwei Heerhaufen, sind die inneren Feinde der Republik zerfallen. Unter Bannern von verschiedener Farbe und auf den verschiedensten Wegen eilen sie alle dem nämlichen Ziele zu. Die eine dieser Faktionen ist nicht mehr. In ihrem affektierten Wahnsinn suchte sie die erprobtesten Patrioten als abgenutzte Schwächlinge beiseite zu werfen, um die Republik ihrer kräftigsten Arme zu berauben. Sie erklärte der Gottheit und dem Eigentum den Krieg, um eine Diversion zugunsten der Könige zu machen. Sie parodierte das erhabne Drama der Revolution, um dieselbe durch studierte Ausschweifungen bloßzustellen. Héberts Triumph hätte die Republik in ein Chaos verwandelt, und der Despotismus war befriedigt. Das Schwert des Gesetzes hat den Verräter getroffen. Aber was liegt den Fremden daran, wenn ihnen Verbrecher einer anderen Gattung zur Erreichung des nämlichen Zwecks bleiben? Wir haben nichts getan, wenn wir noch eine andere Faktion zu vernichten haben.

Sie ist das Gegenteil der vorhergehenden. Sie treibt uns zur Schwäche, ihr Feldgeschrei heißt: Erbarmen! Sie will dem Volk seine Waffen und die Kraft, welche die Waffen führt, entreißen, um es nackt und entnervt den Königen zu überantworten.

Die Waffe der Republik ist der Schrecken, die Kraft der Republik ist die Tugend – die Tugend, weil ohne sie der Schrecken verderblich, der Schrecken, weil ohne ihn die Tugend ohnmächtig ist. Der Schrecken ist ein Ausfluß der Tugend, er ist nichts anders als die schnelle, strenge und unbeugsame Gerechtigkeit. Sie sagen, der Schrecken sei die Waffe einer despotischen Regierung, die unsrige gliche also dem Despotismus. Freilich! aber so, wie das Schwert in den Händen eines Freiheitshelden dem Säbel gleicht, womit der Satellit des Tyrannen bewaffnet ist. Regiere der Despot seine tierähnlichen Untertanen durch den Schrecken, er hat recht als Despot; zerschmettert durch den Schrecken die Feinde der Freiheit, und ihr habt als Stifter der Republik nicht minder recht. Die Revolutionsregierung ist der Despotismus der Freiheit gegen die Tyrannei.

Erbarmen mit den Royalisten! rufen gewisse Leute. Erbarmen mit Bösewichtern? Nein! Erbarmen für die Unschuld, Erbarmen für die Schwäche, Erbarmen für die Unglücklichen, Erbarmen für die Menschheit! Nur dem friedlichen Bürger gebührt von seiten der Gesellschaft Schutz.

In einer Republik sind nur Republikaner Bürger; Royalisten und Fremde sind Feinde. Die Unterdrücker der Menschheit bestrafen, ist Gnade; ihnen verzeihen, ist Barbarei. Alle Zeichen einer falschen Empfindsamkeit scheinen mir Seufzer, welche nach England oder nach Östreich fliegen.

Aber nicht zufrieden, den Arm des Volkes zu entwaffnen, sucht man noch die heiligsten Quellen seiner Kraft durch das Laster zu vergiften. Dies ist der feinste, gefährlichste und abscheulichste Angriff auf die Freiheit. Nur der höllischste Machiavellismus, doch – nein! Ich will nicht sagen, daß ein solcher Plan in dem Gehirne eines Menschen hätte ausgebrütet werden können! Es mag unwillkürlich geschehen, doch die Absicht tut nichts zur Sache, die Wirkung bleibt die nämliche, die Gefahr ist gleich groß! Das Laster ist das Kainszeichen des Aristokratismus. In einer Republik ist es nicht nur ein moralisches, sondern auch ein politisches Verbrechen; der Lasterhafte ist der politische Feind der Freiheit, er ist ihr um so gefährlicher, je größer die Dienste sind, die er ihr scheinbar erwiesen. Der gefährlichste Bürger ist derjenige, welcher leichter ein Dutzend rote Mützen verbraucht als eine gute Handlung vollbringt.

Ihr werdet mich leicht verstehen, wenn ihr an Leute denkt, welche sonst in Dachstuben lebten und jetzt in Karossen fahren und mit ehemaligen Marquisinnen und Baronessen Unzucht treiben. Wir dürfen wohl fragen: ist das Volk geplündert, oder sind die Goldhände der Könige gedrückt worden, wenn wir Gesetzgeber des Volks mit allen Lastern und allem Luxus der ehemaligen Höflinge Parade machen, wenn wir diese Marquis und Grafen der Revolution reiche Weiber heiraten, üppige Gastmähler geben, spielen, Diener halten und kostbare Kleider tragen sehen? Wir dürfen wohl staunen, wenn wir sie Einfälle haben, schöngeistern und so etwas vom guten Ton bekommen hören. Man hat vor kurzem auf eine unverschämte Weise den Tacitus parodiert, ich könnte mit dem Sallust antworten und den Katilina travestieren; doch ich denke, ich habe keine Striche mehr nötig, die Porträts sind fertig.

Keinen Vertrag, keinen Waffenstillstand mit den Menschen, welche nur auf Ausplünderung des Volkes bedacht waren, welche diese Ausplünderung ungestraft zu vollbringen hofften, für welche die Republik eine Spekulation und die Revolution ein Handwerk war! In Schrecken gesetzt durch den reißenden Strom der Beispiele, suchen sie ganz leise die Gerechtigkeit abzukühlen. Man sollte glauben, jeder sage zu sich selbst: »Wir sind nicht tugendhaft genug, um so schrecklich zu sein. Philosophische Gesetzgeber, erbarmt euch unsrer Schwäche! Ich wage euch nicht zu sagen, daß ich lasterhaft bin; ich sage euch also lieber: seid nicht grausam!«

Beruhige dich, tugendhaftes Volk, beruhigt euch, ihr Patrioten! Sagt euren Brüdern zu Lyon: das Schwert des Gesetzes roste nicht in den Händen, denen ihr es anvertraut habt! – Wir werden der Republik ein großes Beispiel geben. (Allgemeiner Beifall.)

Viele Stimmen: Es lebe die Republik! Es lebe Robespierre!

Präsident: Die Sitzung ist aufgehoben.

Vierte Szene

Eine Gasse

Lacroix. Legendre.

Lacroix: Was hast du gemacht, Legendre! Weißt du auch, wem du mit deinen Büsten den Kopf herunterwirfst?

Legendre: Einigen Stutzern und eleganten Weibern, das ist alles.

Lacroix: Du bist ein Selbstmörder, ein Schatten, der sein Original und somit sich selbst ermordet.

Legendre: Ich begreife nicht.

Lacroix: Ich dächte, Collot hätte deutlich gesprochen.

Legendre: Was macht das? Es war, als ob eine Champagnerflasche spränge. Er war wieder betrunken.

Lacroix: Narren, Kinder und – nun? – Betrunkne sagen die Wahrheit. Wen glaubst du denn, daß Robespierre mit dem Katilina gemeint habe?

Legendre: Nun?

Lacroix: Die Sache ist einfach. Man hat die Atheisten und Ultrarevolutionärs aufs Schafott geschickt; aber dem Volk ist nicht geholfen, es läuft noch barfuß in den Gassen und will sich aus Aristokratenleder Schuhe machen. Der Guillotinenthermometer darf nicht fallen; noch einige Grade, und der Wohlfahrtsausschuß kann sich sein Bett auf dem Revolutionsplatz suchen.

Legendre: Was haben damit meine Büsten zu schaffen?

Lacroix: Siehst du’s noch nicht? Du hast die Konterrevolution offiziell bekanntgemacht, du hast die Dezemvirn zur Energie gezwungen, du hast ihnen die Hand geführt. Das Volk ist ein Minotaurus, der wöchentlich seine Leichen haben muß, wenn er sie nicht auffressen soll.

Legendre: Wo ist Danton?

Lacroix: Was weiß ich! Er sucht eben die Mediceische Venus stückweise bei allen Grisetten des Palais-Royal zusammen; er macht Mosaik, wie er sagt. Der Himmel weiß, bei welchem Glied er gerade ist. Es ist ein Jammer, daß die Natur die Schönheit, wie Medea ihren Bruder, zerstückt und sie so in Fragmenten in die Körper gesenkt hat. – Gehn wir ins Palais-Royal! (Beide ab.)

Fünfte Szene

Ein Zimmer

Danton. Marion.

Marion: Nein, laß mich! So zu deinen Füßen. Ich will dir erzählen.

Danton: Du könntest deine Lippen besser gebrauchen.

Marion: Nein, laß mich einmal so. – Meine Mutter war eine kluge Frau; sie sagte mir immer, die Keuschheit sei eine schöne Tugend. Wenn Leute ins Haus kamen und von manchen Dingen zu sprechen anfingen, hieß sie mich aus dem Zimmer gehn; frug ich, was die Leute gewollt hätten, so sagte sie mir, ich solle mich schämen; gab sie mir ein Buch zu lesen, so mußt’ ich fast immer einige Seiten überschlagen. Aber die Bibel las ich nach Belieben, da war alles heilig; aber es war etwas darin, was ich nicht begriff. Ich mochte auch niemand fragen, ich brütete über mir selbst. Da kam der Frühling; es ging überall etwas um mich vor, woran ich keinen Teil hatte. Ich geriet in eine eigne Atmosphäre, sie erstickte mich fast. Ich betrachtete meine Glieder; es war mir manchmal, als wäre ich doppelt und verschmölze dann wieder in eins. Ein junger Mensch kam zu der Zeit ins Haus; er war hübsch und sprach oft tolles Zeug; ich wußte nicht recht, was er wollte, aber ich mußte lachen. Meine Mutter hieß ihn öfters kommen, das war uns beiden recht. Endlich sahen wir nicht ein, warum wir nicht ebensogut zwischen zwei Bettüchern beieinander liegen, als auf zwei Stühlen nebeneinander sitzen durften. Ich fand dabei mehr Vergnügen als bei seiner Unterhaltung und sah nicht ab, warum man mir das geringere gewähren und das größere entziehen wollte. Wir taten’s heimlich. Das ging so fort. Aber ich wurde wie ein Meer, was alles verschlang und sich tiefer und tiefer wühlte. Es war für mich nur ein Gegensatz da, alle Männer verschmolzen in einen Leib. Meine Natur war einmal so, wer kann da drüber hinaus? Endlich merkt’ er’s. Er kam eines Morgens und küßte mich, als wollte er mich ersticken; seine Arme schnürten sich um meinen Hals, ich war in unsäglicher Angst. Da ließ er mich los und lachte und sagte: er hätte fast einen dummen Streich gemacht; ich solle mein Kleid nur behalten und es brauchen, es würde sich schon von selbst abtragen, er wolle mir den Spaß nicht vor der Zeit verderben, es wäre doch das einzige, was ich hätte. Dann ging er; ich wußte wieder nicht, was er wollte. Den Abend saß ich am Fenster; ich bin sehr reizbar und hänge mit allem um mich nur durch eine Empfindung zusammen; ich versank in die Wellen der Abendröte. Da kam ein Haufe die Straße herab, die Kinder liefen voraus, die Weiber sahen aus den Fenstern. Ich sah hinunter: sie trugen ihn in einem Korb vorbei, der Mond schien auf seine bleiche Stirn, seine Locken waren feucht, er hatte sich ersäuft. Ich mußte weinen. – Das war der einzige Bruch in meinem Wesen. Die andern Leute haben Sonn- und Werktage, sie arbeiten sechs Tage und beten am siebenten, sie sind jedes Jahr auf ihren Geburtstag einmal gerührt und denken jedes Jahr auf Neujahr einmal nach. Ich begreife nichts davon: ich kenne keinen Absatz, keine Veränderung. Ich bin immer nur eins; ein ununterbrochenes Sehnen und Fassen, eine Glut, ein Strom. Meine Mutter ist vor Gram gestorben; die Leute weisen mit Fingern auf mich. Das ist dumm. Es läuft auf eins hinaus, an was man seine Freude hat, an Leibern, Christusbildern, Blumen oder Kinderspielsachen; es ist das nämliche Gefühl; wer am meisten genießt, betet am meisten.

Danton: Warum kann ich deine Schönheit nicht ganz in mich fassen, sie nicht ganz umschließen?

Marion: Danton, deine Lippen haben Augen.

Danton: Ich möchte ein Teil des Äthers sein, um dich in meiner Flut zu baden, um mich auf jeder Welle deines schönen Leibes zu brechen.

(Lacroix, Adelaide, Rosalie treten ein.)

Lacroix (bleibt in der Tür stehn): Ich muß lachen, ich muß lachen.

Danton (unwillig): Nun?

Lacroix: Die Gasse fällt mir ein.

Danton: Und?

Lacroix: Auf der Gasse waren Hunde, eine Dogge und ein Bologneser Schoßhündlein, die quälten sich.

Danton: Was soll das?

Lacroix: Das fiel mir nun grade so ein, und da mußt’ ich lachen. Es sah erbaulich aus! Die Mädel guckten aus den Fenstern; man sollte vorsichtig sein und sie nicht einmal in der Sonne sitzen lassen. Die Mücken treiben’s ihnen sonst auf den Händen; das macht Gedanken. Legendre und ich sind fast durch alle Zellen gelaufen, die Nönnlein von der Offenbarung durch das Fleisch hingen uns an den Rockschößen und wollten den Segen. Legendre gibt einer die Disziplin, aber er wird einen Monat dafür zu fasten bekommen. Da bringe ich zwei von den Priesterinnen mit dem Leib.

Marion: Guten Tag, Demoiselle Adelaide! guten Tag, Demoiselle Rosalie!

Rosalie: Wir hatten schon lange nicht das Vergnügen.

Marion: Es war mir recht leid.

Adelaide: Ach Gott, wir sind Tag und Nacht beschäftigt.

Danton (zu Rosalie): Ei, Kleine, du hast ja geschmeidige Hüften bekommen.

Rosalie: Ach ja, man vervollkommnet sich täglich.

Lacroix: Was ist der Unterschied zwischen dem antiken und einem modernen Adonis?

Danton: Und Adelaide ist sittsam-interessant geworden; eine pikante Abwechslung. Ihr Gesicht sieht aus wie ein Feigenblatt, das sie sich vor den ganzen Leib hält. So ein Feigenbaum an einer so gangbaren Straße gibt einen erquicklichen Schatten.

Adelaide: Ich wäre ein Herdweg, wenn Monsieur…

Danton: Ich verstehe; nur nicht böse, mein Fräulein!

Lacroix: So höre doch! Ein moderner Adonis wird nicht von einem Eber, sondern von Säuen zerrissen; er bekommt seine Wunde nicht am Schenkel, sondern in den Leisten, und aus seinem Blut sprießen nicht Rosen hervor, sondern schießen Quecksilberblüten an.

Danton: O laß das, Fräulein Rosalie ist ein restaurierter Torso, woran nur die Hüften und Füße antik sind. Sie ist eine Magnetnadel: was der Pol Kopf abstößt, zieht der Pol Fuß an; die Mitte ist ein Äquator, wo jeder eine Sublimattaufe bekömmt, der die Linie passiert.

Lacroix: Zwei Barmherzige Schwestern; jede dient in einem Spital, d. h. in ihrem eignen Körper.

Rosalie: Schämen Sie sich, unsere Ohren rot zu machen!

Adelaide: Sie sollten mehr Lebensart haben! (Adelaide und Rosalie ab.)

Danton: Gute Nacht, ihr hübschen Kinder!

Lacroix: Gute Nacht, ihr Quecksilbergruben!

Danton: Sie dauern mich, sie kommen um ihr Nachtessen.

Lacroix: Höre, Danton, ich komme von den Jakobinern.

Danton: Nichts weiter?

Lacroix: Die Lyoner verlasen eine Proklamation; sie meinten, es bliebe ihnen nichts übrig, als sich in die Toga zu wickeln. Jeder macht ein Gesicht, als wollte er zu seinem Nachbar sagen: Paetus, es schmerzt nicht! – Legendre rief, man wolle Chaliers und Marats Büsten zerschlagen. Ich glaube, er will sich das Gesicht wieder rot machen; er ist ganz aus der Terreur herausgekommen, die Kinder zupfen ihn auf der Gasse am Rock.

Danton: Und Robespierre?

Lacroix: Fingerte auf der Tribüne und sagte: die Tugend muß durch den Schrecken herrschen. Die Phrase machte mir Halsweh.

Danton: Sie hobelt Bretter für die Guillotine.

Lacroix: Und Collot schrie wie besessen, man müsse die Masken abreißen.

Danton: Da werden die Gesichter mitgehen.

(Paris tritt ein.)

Lacroix: Was gibt’s, Fabricius?

Paris: Von den Jakobinern weg ging ich zu Robespierre; ich verlangte eine Erklärung. Er suchte eine Miene zu machen wie Brutus, der seine Söhne opfert. Er sprach im allgemeinen von den Pflichten, sagte: der Freiheit gegenüber kenne er keine Rücksicht, er würde alles opfern, sich, seinen Bruder, seine Freunde.

Danton: Das war deutlich; man braucht nur die Skala herumzukehren, so steht er unten und hält seinen Freunden die Leiter. Wir sind Legendre Dank schuldig, er hat sie sprechen gemacht.

Lacroix: Die Hebertisten sind noch nicht tot, das Volk ist materiell elend, das ist ein furchtbarer Hebel. Die Schale des Blutes darf nicht steigen, wenn sie dem Wohlfahrtsausschuß nicht zur Laterne werden soll; er hat Ballast nötig, er braucht einen schweren Kopf.

Danton: Ich weiß wohl – die Revolution ist wie Saturn, sie frißt ihre eignen Kinder. (Nach einigem Besinnen): Doch, sie werden’s nicht wagen.

Lacroix: Danton, du bist ein toter Heiliger; aber die Revolution kennt keine Reliquien, sie hat die Gebeine aller Könige auf die Gasse und alle Bildsäulen von den Kirchen geworfen. Glaubst du, man würde dich als Monument stehen lassen?

Danton: Mein Name! das Volk!

Lacroix: Dein Name! Du bist ein Gemäßigter, ich bin einer, Camille, Philippeau, Hérault. Für das Volk sind Schwäche und Mäßigung eins; es schlägt die Nachzügler tot. Die Schneider von der Sektion der roten Mütze werden die ganze römische Geschichte in ihrer Nadel fühlen, wenn der Mann des September ihnen gegenüber ein Gemäßigter war.

Danton: Sehr wahr, und außerdem – das Volk ist wie ein Kind, es muß alles zerbrechen, um zu sehen, was darin steckt.

Lacroix: Und außerdem, Danton, sind wir lasterhaft, wie Robespierre sagt, d. h. wir genießen; und das Volk ist tugendhaft, d. h. es genießt nicht, weil ihm die Arbeit die Genußorgane stumpf macht, es besäuft sich nicht, weil es kein Geld hat, und es geht nicht ins Bordell, weil es nach Käs und Hering aus dem Hals stinkt und die Mädel davor einen Ekel haben.

Danton: Es haßt die Genießenden wie ein Eunuch die Männer.

Lacroix: Man nennt uns Spitzbuben, und (sich zu den Ohren Dantons neigend) es ist, unter uns gesagt, so halbwegs was Wahres dran. Robespierre und das Volk werden tugendhaft sein. St. Just wird einen Roman schreiben, und Barère wird eine Carmagnole schneidern und dem Konvent das Blutmäntelchen umhängen und – ich sehe alles.

Danton: Du träumst. Sie hatten nie Mut ohne mich, sie werden keinen gegen mich haben; die Revolution ist noch nicht fertig, sie könnten mich noch nötig haben, sie werden mich im Arsenal aufheben.

Lacroix: Wir müssen handeln.

Danton: Das wird sich finden.

Lacroix: Es wird sich finden, wenn wir verloren sind.

Marion (zu Danton): Deine Lippen sind kalt geworden, deine Worte haben deine Küsse erstickt.

Danton (zu Marion): So viel Zeit zu verlieren! Das war der Mühe wert! – (Zu Lacroix): Morgen geh ich zu Robespierre; ich werde ihn ärgern, da kann er nicht schweigen. Morgen also! Gute Nacht, meine Freunde, gute Nacht! ich danke euch!

Lacroix: Packt euch, meine guten Freunde, Packt euch! Gute Nacht, Danton! Die Schenkel der Demoiselle guillotinieren dich, der Mons Veneris wird dein Tarpejischer Fels. (Ab mit Paris.)

Sechste Szene

Ein Zimmer

Robespierre. Danton. Paris.

Robespierre: Ich sage dir, wer mir in den Arm fällt, wenn ich das Schwert ziehe, ist mein Feind – seine Absicht tut nichts zur Sache; wer mich verhindert, mich zu verteidigen, tötet mich so gut, als wenn er mich angriffe.

Danton: Wo die Notwehr aufhört, fängt der Mord an; ich sehe keinen Grund, der uns länger zum Töten zwänge.

Robespierre: Die soziale Revolution ist noch nicht fertig; wer eine Revolution zur Hälfte vollendet, gräbt sich selbst sein Grab. Die gute Gesellschaft ist noch nicht tot, die gesunde Volkskraft muß sich an die Stelle dieser nach allen Richtungen abgekitzelten Klasse setzen. Das Laster muß bestraft werden, die Tugend muß durch den Schrecken herrschen.

Danton: Ich verstehe das Wort Strafe nicht. – Mit deiner Tugend, Robespierre! Du hast kein Geld genommen, du hast keine Schulden gemacht, du hast bei keinem Weibe geschlafen, du hast immer einen anständigen Rock getragen und dich nie betrunken. Robespierre, du bist empörend rechtschaffen. Ich würde mich schämen, dreißig Jahre lang mit der nämlichen Moralphysiognomie zwischen Himmel und Erde herumzulaufen, bloß um des elenden Vergnügens willen, andre schlechter zu finden als mich. – Ist denn nichts in dir, was dir nicht manchmal ganz leise, heimlich sagte: du lügst, du lügst!?

Robespierre: Mein Gewissen ist rein.

Danton: Das Gewissen ist ein Spiegel, vor dem ein Affe sich quält; jeder putzt sich, wie er kann, und geht auf seine eigne Art auf seinen Spaß dabei aus. Das ist der Mühe wert, sich darüber in den Haaren zu liegen! Jeder mag sich wehren, wenn ein andrer ihm den Spaß verdirbt. Hast du das Recht, aus der Guillotine einen Waschzuber für die unreine Wäsche anderer Leute und aus ihren abgeschlagenen Köpfen Fleckkugeln für ihre schmutzigen Kleider zu machen, weil du immer einen sauber gebürsteten Rock trägst? Ja, du kannst dich wehren, wenn sie dir drauf spucken oder Löcher hineinreißen; aber was geht es dich an, solang sie dich in Ruhe lassen? Wenn sie sich nicht genieren, so herumzugehn, hast du deswegen das Recht, sie ins Grabloch zu sperren? Bist du der Polizeisoldat des Himmels? Und kannst du es nicht ebensogut mitansehn als dein lieber Herrgott, so halte dir dein Schnupftuch vor die Augen.

Robespierre: Du leugnest die Tugend?

Danton: Und das Laster. Es gibt nur Epikureer, und zwar grobe und feine, Christus war der feinste; das ist der einzige Unterschied, den ich zwischen den Menschen herausbringen kann. Jeder handelt seiner Natur gemäß, d. h. er tut, was ihm wohltut. – Nicht wahr, Unbestechlicher, es ist grausam, dir die Absätze so von den Schuhen zu treten?

Robespierre: Danton, das Laster ist zu gewissen Zeiten Hochverrat.

Danton: Du darfst es nicht proskribieren, ums Himmels willen nicht, das wäre undankbar; du bist ihm zu viel schuldig, durch den Kontrast nämlich. – Übrigens, um bei deinen Begriffen zu bleiben, unsere Streiche müssen der Republik nützlich sein, man darf die Unschuldigen nicht mit den Schuldigen treffen.

Robespierre: Wer sagt dir denn, daß ein Unschuldiger getroffen worden sei?

Danton: Hörst du, Fabricius? Es starb kein Unschuldiger! (Er geht; im Hinausgehn zu Paris): Wir dürfen keinen Augenblick verlieren, wir müssen uns zeigen! (Danton und Paris ab.)

Robespierre (allein): Geh nur! Er will die Rosse der Revolution am Bordell halten machen, wie ein Kutscher seine dressierten Gäule; sie werden Kraft genug haben, ihn zum Revolutionsplatz zu schleifen.