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Ulf Poschardt

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Impressum

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Klett-Cotta

© 2013, 2019 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Herburg Weiland, München

Gestaltung und Satz: Tom Ising, Aurelian Hallhuber für Herburg Weiland

Bildnachweis Frontispiz: Urban Zintel

Alle anderen Bilder: Porsche AG

Datenkonvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Printausgabe: ISBN 978-3-608-96405-9

E-Book: ISBN 978-3-608-10581-0

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

In Erinnerung an
Trixi von Spreckelsen-Held
(1946 – 2013)

Für Dada, Hektor und George

Das Vorspiel
Beim Psychoanalytiker

Vorgeschichte
Das deutsche Auto:
Porsche vor Porsche

Der Ur-Elfer
1963 – 1973
Die Referenz

Das G-Modell
1974 – 1989
Der goldene Schnitt

Der 964er
1988–1994
Allrad, ABS,
Servolenkung

Der 993er
1993–1996
Der schnelle Neue

Der 996er
1997–2006
Der Gezeichnete

Der 997er
2004–2013
Neoklassizismus

Der 991er
2011–…
Das erste Mal, zum siebten Mal: ein neuer Elfer

Die individualistische
Utopie

Das Vorspiel

Beim
Psychoanalytiker

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Der Psychoanalytiker meint es gut mit dem Mann auf der Couch. »Nein, Sie müssen sich keine Sorgen machen, weil Sie ein Auto lieben. Erst recht nicht, wenn es ein Auto mit weiblichen Rundungen, einem knackigen Hintern und einem Dekolleté ist, das sogar Autohasser milde stimmt.« Es gebe ein anthropologisches Grundbedürfnis nach solchen Formen und überhaupt: Die Formenwelt sei eine feminine Welt, auch wenn man es den wenigsten Autos ansehe. Wer sich als kleiner Junge in ein Auto verliebt, rechnet beim Erwachsenwerden nicht damit, dass ausgerechnet eine der frühesten Leidenschaften, an die man sich erinnern kann, Bestand haben soll. Möglich ist das beim Porsche 911, weil er mit einem erwachsen geworden ist und auf gleichsam übernatürliche Weise dem sonst üblichen Alterungsprozess entzogen scheint. Der Porsche 911 wurde 1963 auf der IAA in Frankfurt vorgestellt und seitdem ist er einfach geblieben. Das macht ihn einzigartig. Kein Sportwagen ist so alt, kein existierendes Auto.

»Sie sollten nicht alles auf die Kindheit schieben«, bemerkt Professor Rainer Kaus in seiner mit Büchern, Bildern und »In-Treatment«-DVD-Boxen vollgestopften Praxis ruhig und freundlich. »Wenn junge Männer im Porsche mit quietschenden Reifen vor der Uni halten, bleibt deren Geheimnis, was sie damit psychodynamisch erledigen.« Er, der erfahrene Psychoanalytiker, habe aber ein paar Vermutungen. Es gehe ganz einfach um den Rausch der Geschwindigkeit und den Rausch an sich. Der Sportwagen selbst wird zum Lustobjekt, mit dem wir nicht nur uns selbst, sondern auch die anderen erregen. Und als Krone des Ganzen lockt der Neid. Die Erregung von Neid sei nicht als zerstörerische Kraft zu verstehen, sondern als Provokation, um die Umwelt in Bewegung zu versetzen und zu dynamisieren. Jeder ist neidisch und jeder produziert Neid. Leider versäume es unsere Gesellschaft, damit produktiv umzugehen.

Porsche fahren sei etwas sehr Gutes, fährt der nette Herr fort, die Vorstellung, in einem engen Innenraum mit dem Fahrzeug verwoben zu sein, ist eine Symbioseerfahrung, nach der eigentlich alle Menschen streben. Die Symbiose sei wie ein Bad, in das man eintauchen könne. Wichtig sei nur, dass man darin nicht untergeht oder so mit dem Gegenstand verwoben bleibt, dass die Trennung unmöglich wird. In der Symbiose zu erstarren, könnte problematisch werden. In der Symbiose enthalten sei die Sehnsucht, sich fallen zu lassen. Der Motor lässt die Welt vorbeirauschen und ich kann mich dabei fallen lassen. Auf Nachfragen von der Couch, ob nicht das wenigstens gefährlich und bedenklich sei, antwortet der Psychoanalytiker leise: »Die Beobachtung der technischen Dinge muss gegeben bleiben.« Das heißt? »Okay, ich regrediere, ich gehe in eine Symbiose mit dem Fahrzeug, dem Rausch, der Geschwindigkeit, aber ich verliere nicht die Kontrolle, auch nicht über mein Lustgefühl. Rausch, Regression und Symbiose sind wichtige Lust erregende Dinge, aber sie brauchen eine Grenze, die von der Selbstschädigung abhält.« Er blickt mich streng an. »Es gibt Leute, die gehen lustvoll in den Rausch, in die Regression und in die Symbiose, und denen ist es egal, was mit ihnen passiert. Jede Regression benötigt ein Moment der Umkehr.« Der Porsche-Fahrer weiß sofort, wovon die Rede ist, hat ihn die nicht gelungene Umkehr bereits in Todesnähe und schöne Sportwagen auf den Schrottplatz befördert. Aber es muss ja nicht jede Information gleich in der ersten Sitzung plaziert werden. Der Psychoanalytiker mustert den Patienten. »Da muss man Glück haben. Zum Beispiel einen Partner, der einen an die Verantwortung erinnert und der auch mal sagen darf: ›Es reicht. Es ist gut.‹ Daraus wird ein verinnerlichtes Gefühl der Verantwortung.«

Und was ist mit dem Todestrieb? Den wiederum hält der Psychoanalytiker für ein wenig überschätzt. Der helfe auch nicht so recht weiter. Rausch sei mit Glück verbunden, auch deshalb, weil fast jeder wisse, wie Dinge an einem gewissen Punkt zu stoppen seien. Jeder habe die Freiheit, seine Gefühle von Rausch, Regression und Symbiose auszuleben, und sie stoppen zu können, rundet das Glück ab. Zum notorischen Raser findet er einen klugen Gedanken beim französischen Ethnologen und Anthropologen Georges Devereux. Der erklärte in seinem Hauptwerk, je angstfreier man etwas beobachten könne, umso mehr werde man erkennen. So gesehen erlaubt es der Porsche, besser wahrzunehmen, vorausgesetzt der Fahrer ist kein Hasenfuß. Je angstfreier er ist, umso besser wird er den Wagen lenken.

Professor Kaus ist der ideale Psychoanalytiker für Porsche-Fahrer. Seine Couch ist tiefer gelegt und sein Verstand neugierig und ohne jedes Vorurteil. »Leisurely« wäre ein Sportwagen ideal zu bewegen. »Wenn wir stets nur hasten und eilen, erzeugen wir Druck. Und zu viel Druck ist nicht gut für die Psychosomatik. Ungelöster Neid auch nicht.« Anstatt mich verteidigen zu müssen, macht mich Professor Kaus zu einem eher vernünftigen, ausgeglichenen Zeitgenossen. Ein gesunder Narzissmus sei wichtig für ein unneurotisches Selbstwertgefühl. Versteht man Narzissmus weniger als krankhafte Selbstverliebtheit, wie das der protestantische Volksglaube tut, sondern als angemessene Form der Selbstfürsorge, tut er gut, entspannt, regt an und kann neue Ideen entstehen lassen. So wie der Mensch nur dank Lust und Erregung Fantasien entwickeln kann, so stützt der Narzissmus Aktivität und Dynamik. Eine gewisse Freude an der Darstellung sei dabei unerlässlich. »Im Wesentlichen«, bemerkt Professor Kaus kühl, »denkt der Mensch von sich aus, erst dann kann er solidarisch werden.«

Vorgeschichte

Das deutsche Auto:
Porsche vor Porsche

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»What a Krautwagen!«, schwärmte Boris Johnson beim Anblick des Porsche 911 Targa, den man ihm zum Testen vor die Tür gestellt hatte. Boris Johnson war damals, 2003, ein einflussreicher Oppositionspolitiker der Tories, 2008 wurde er Bürgermeister von London und seit dem Amtsantritt von David Cameron als Premier gilt Johnson als künftiger Kandidat für den Tory-Vorsitz. Nebenbei wirkte er als Schriftgelehrter, Freigeist, Exzentriker und Autoliebhaber. Für ihn, den Briten, war und ist der Porsche 911 zunächst ein sehr deutsches Auto mit einem Namen, das nach den Terroranschlägen vom 11. September so absurd klingt wie ein Nissan Osama oder ein Datsun Pearl Harbor. Gegen Ende seines Tests für die britische »GQ« nach all den Spötteleien und Witzen über den Namen lobt er den Elfer in nahezu unbritischer Überschwänglichkeit und befiehlt seinen Lesern, sich unverzüglich einen zuzulegen. Diese etwas militärische Geste ist eine ironische Anspielung auf jenes im Elfer vermutete Preußentum.

Andere Briten agieren weniger freundlich. Jeremy Clarkson zum Beispiel. Der wohl berühmteste Autojournalist der Welt hasst den Porsche. »Wäre der Porsche 911 eine Frau, es wäre Brünhild, wäre er ein Gebäude, es müsste ein Bunker sein, und wäre es eine Speise, dann wohl eine Torte aus Fleisch«, vermutete Clarkson in einem mittlerweile berühmt-berüchtigten Film, der im Internet auch heute Elfer-Freunde amüsiert. Er zeigt Clarkson beim Versuch, einen Porsche zu ermorden. Leidvoll muss er feststellen, dass es wohl doch kein Gerücht sei, dass diese Autos aus Granit gefertigt werden. Ein altes Klavier kracht auf den betagten roten Elfer und verursacht lediglich eine Beule. Dann kracht er gegen ein Haus und sieht dessen Mauerwerk zerstört, nicht aber die Fahrtüchtigkeit des Porsche. Er schießt auf den Elfer, übergießt den Motor mit Säure. Es hilft nichts. Schließlich lässt er den Elfer von einem zehn Meter hohen Kran auf einen mit Gas gefüllten Wohnwagen herunterkrachen, um das Auto in die Luft zu jagen.

So gerät der Akt der Zerstörung wider Willen zu einer britischen Verbeugung vor der Qualität dieses »Supercars«, das eigentlich zu solide ist für dieses Orchideenfach des Automobilbaus. In einer anderen Sendung gibt sich Clarkson mit seiner Abneigung weniger Mühe. Eigentlich, so spottet er, sei der Porsche 911 ein Käfer mit Sportschuhen. Der Motor im Heck eine Absurdität, als würden bei einer Kutsche die Pferde hinten angezäumt, um Menschen und Gepäck durch die Gegend zu schieben. Das eigenwillig Teutonische des Sportwagens wird als Monstrosität gefürchtet, bewundert und bestaunt. Am anderen Ende des Erdballs ist die Exotik des Fahrzeugs potenziert. In Japan verwandelt ein kettenrauchender Tuner betagte und weniger betagte Elfer in Haikus unter Verwendung der deutschen Sprache. Abgekürzt heißt Akira Nakais Unternehmen RWB. Die drei Versalien stehen für »Rauh Welt Begriff«, eine Zeile konkreter Poesie, die hierzulande für Verwirrung sorgen könnte, die aber in Japan für eine der freisinnigsten Arten des Autotunens stehen. Während die aus Filmen wie »The Fast and the Furious« bekannte Tuning-Szene vor allem asiatische Fahrzeuge modifiziert, besitzt der Porsche 911 etwas doppelt Exotisches: Er ist nicht nur europäisch, sondern deutsch. »Sekund Entwicklung« fantasiedeutscht es da auf wuchtigen Heckspoilern der RWB-Porsche. Und alle von Akira Nakai getunten Fahrzeuge haben einen Aufkleber am oberen Rand der Frontscheibe, auf der »Rauh Welt« zu lesen ist. Zur skulpturalen Gestaltung der breiter, tiefer und hysterischer veredelten Porsche Elfer kommt eine theatralische Sprache, die in Tokio wohl nur ein paar Mitarbeiter des Goethe-Instituts und Germanistikstudenten verstehen werden. Johnson, Clarkson und Akira Nakai aber eint ihre Agitiertheit durch ein Produkt, das nicht nur einzigartig, sondern eben auch einzigartig deutsch ist. Deutsch wird für den in Interviews eher wortkargen Schrauber zu einer Hubraumerweiterung seiner Fantasie und zum Drehzahlverstärker der Mythologisierung jenes Sportwagens, der weltweit als eine der fünf großen Motorsportlegenden gilt. Dem teutonisch puritanischen Gefährt nimmt Akira Nakai seine Strenge und lässt es mit monströsen Heckflügeln, Radkästen und ultrabreiten Slicks zu einem Fabelwesen werden, das in Verkennung der Realität die Straßen dieser Welt mit einer unendlichen Rennstrecke verwechselt. Aus dem deutschen wird ein globaler Paradiesvogel.

Seinen deutschen Kern pflegt er stolz und aufgrund der historischen Verwicklungen mit den düstersten Ecken der Geschichte nicht ohne Mühen. Damit erreichte Porsche auch dafür schwierige Märkte, wie den amerikanischen an Ost- und Westküste, wo die freiberufliche, kreative und unternehmungslustige Klientel oft auch jüdischer Herkunft ist. »Ich bin Halbösterreicher und habe eine – wenn Sie so wollen – spezielle ästhetische Verbindung zu diesen Autos«, erklärt Jerry Seinfeld. »Wenn ich einen Porsche ansehe, löst er in mir Gefühle aus wie kein anderes Auto. Ich liebe die Geschichte von Porsche und baue die Sammlung so auf, dass diese Geschichte auch erzählt wird. Von den Anfängen in Gmünd bis zu den neuesten Modellen.« Die Nazi-Wurzeln der Firma stören ihn, der auch in seinem Werk seine jüdische Identität betont, nicht. »Die Nazis selbst verstören mich mehr als die Autos, die in dieser Zeit entwickelt wurden. Für mich war der VW Käfer fast schon eine Art Wiedergutmachung am Rest der Welt.«

Der Elfer hat aus seinen Wurzeln nie einen Hehl gemacht, im Gegenteil: Die Ahnentafel des bis heute erfolgreichsten Sportwagens aller Zeiten reicht direkt in die frühen 30er Jahre, als das Unglück zuerst über Deutschland und dann von dort über den Rest der Welt kroch. Inmitten der Weltwirtschaftskrise hatte der damals schon renommierte Ingenieur Ferdinand Porsche in Stuttgart ein Konstruktionsbüro eröffnet, aus dem im April 1931 die »Dr. Ing. h.c. F. Porsche Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Konstruktion und Beratung für Motoren- und Fahrzeugbau« wurde. Zusammen mit seinem Schwiegersohn Anton Piëch und bald auch seinem Sohn Ferry arbeitete er als Ingenieurdienstleister für Autofirmen wie Wanderer, NSU oder Zündapp. Für Letztere ging es in den Aufträgen um die Entwicklung eines Kleinwagens, der auch in Krisenzeiten massenhaften Absatz finden könnte. Am anderen Ende der Auftragspalette standen die Konzeption von Hochleistungsmotoren und die Entwicklung eines Formel-Rennwagens für die Auto Union. Porsche interessierte sich stets für beides, wobei auch als Ingenieur bei Austro Daimler und Mercedes-Benz seine Neigung für sportliche Fahrzeuge immer deutlich zu erkennen war. Beeindruckt habe ihn, so sein Enkel Ferdinand Piëch, wie Bugatti leichte Rennwagen mit leistungsfähigen Motoren kombinierte und so das Beste aus beiden Welten vereinte. Für Austro Daimler konstruierte Porsche mit dem »Sascha« einen Rennwagen in Leichtbauweise mit einem Motor, der mit spärlichen 1,1 Litern Hubraum auskam. Dieser nach Graf Sascha Kolowrat-Krakowsky getaufte Wagen war eine entscheidende Wegmarke in der Entwicklung des späteren Volkswagens. Der Spagat zwischen Alltag und Rennstrecke prägte Porsches Leben früh und wurde mit den ersten Porsche-Sportwagen ab 1948 ideal geschlossen, durch seinen Sohn Ferry, der das Lebenswerk seines Vaters in dessen Sinne fortführte.

Die Arbeiten an niederpreisigen Kleinwagen und exklusiven Rennwagen führte im Konstruktionsbüro in Stuttgart zu einer Kompetenzanhäufung in einer ungewöhnlichen Kombination. Ferdinand Porsche ahnte, dass die Verbindung dieser bis dahin sich weitgehend unversöhnt gegenüberstehenden Autogenres eine Chance sein könnte. Doch die Zeit dafür war noch nicht reif. Die Grundkonzeption des ersten Porsche, der 1948 auch so genannt werden durfte, war bereits in dem Kleinwagenentwurf für NSU, genannt Typ 32, vorhanden: Er besaß ein Fließheck und einen Vierzylinder-Boxermotor im Heck, der luftgekühlt war. Nach der Machtergreifung der Nazis und des ziemlich autoverrückten Führers präsentierte Ferdinand Porsche im Januar 1934 seine Vorstellung eines »Deutschen Volkswagens«. Wichtig war ihm dabei neben Windschnittigkeit, technischer Innovation und einem bezahlbaren Preis ein neues Grundverständnis des Volkswagens: Er sollte – wie Porsche in einem Exposé für das Reichsverkehrsministerium ausführte – keine Schrumpfform eines großen Wagens sein, sondern etwas ganz Eigenes auf der Höhe der Zeit. Die Verwendung für das Militär deutete er lediglich in einem Nebensatz an. Wenig später nach der selbstbewussten Bewerbung erhält die kleine Stuttgarter Manufaktur vom Reichsverband der Automobilindustrie (RDA) den Auftrag zum Bau dieses Kleinwagens. Aufgrund der unzähligen Vorarbeiten und Prototypen, die Porsche bis dahin schon entworfen hatte, konnte bereits ein Jahr später eine Art Ur-Käfer vorgestellt werden. Ende 1935 wurden der erste und der zweite Versuchswagen in München Adolf Hitler präsentiert, der ziemlich begeistert war.

Weniger begeistert war die Konkurrenz über den neuen Liebling des Führers und die kleine Ingenieursbutze in Stuttgart, die dabei war, den vielleicht größten Auftrag der 30er Jahre zu bekommen. Die Missgunst störte Porsche kaum. Unbeirrt reist er in die Vereinigten Staaten, um dort bei Ford und General Motors zu studieren, wie effizient und zügig Kleinwagen produziert werden können. Im Mai 1937 wird in Berlin die »Gesellschaft zur Vorbereitung des Deutschen Volkswagens mbH«, kurz GeZuVor, gegründet. Ferdinand Porsche wird einer der drei Geschäftsführer und soll sich im noch zu gründenden Volkswagen-Werk um Planung und Technik kümmern.

Doch Porsche ist keineswegs mit den Anfängen von VW absorbiert und so vergrößert sich die Stuttgarter Porsche KG, wie das Unternehmen mittlerweile heißt, fortlaufend. 1938 erfolgt der Umzug nach Zuffenhausen, wo später das Porsche-Werk 1 entstehen wird. Ein Jahr vor Kriegsbeginn ist der Volkswagen fertig. Im Mai findet bei Fallersleben die Grundsteinlegung für das Volkswagen-Werk statt. Ferry Porsche berichtet, dass Hitler es gerne »Porsche-Werk« genannt hätte, aber der Geehrte dies abgelehnt hat. Darüber wurde einiges Politische hereingeheimnist, doch Porsche war auf sehr deutsche Art bemüht, dem Politischen auszuweichen. Von seinem Enkel, Ferdinand Piëch, wird er deswegen als politisch naiv »wie ein Kind« bezeichnet und als ein Tüftler geschildert, der nahezu ausschließlich an den technischen Dingen interessiert war. Er trug keine Uniformen und suchte eine pragmatische Nähe zum Nazi-Staat, ohne dabei zum begeisterten Mitläufer mutieren zu müssen. Den Führer nannte er stets »Herr Hitler«. Die Barbarei des Holocausts, die Judenvernichtung, die KZs, all das sollte in der Welt des Ingenieurs außen vor bleiben. Dabei profitierte insbesondere die deutsche Auto- und Wehrindustrie von den Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen, die in den Werkhallen unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten mussten. Ein besonders dunkler Schatten fällt auf das Ausscheiden von Adolf Rosenberger, der kaufmännischer Geschäftsführer bei Porsche war. 1935 wurde der einst enge Freund Porsches wegen Rassenschande verhaftet und in ein KZ gesteckt, das er aber nach wenigen Tagen verlassen konnte. Er floh daraufhin über die Schweiz nach Amerika – dank der Hilfe der Porsches, wie diese in ihren Erinnerungen behaupten. Rosenberger sah das anders. Für die von ihm an Ferry abgetretenen Firmenanteile wollte er nach dem Krieg eine Entschädigung, die er auch in Gestalt von 50.000 Mark und einem Porsche erhielt.

Der Käfer entstand in der düstersten Zeit der deutschen Geschichte und sieht so gar nicht danach aus. Er war verglichen mit den anderen Kleinwagen dieser Zeit ein eleganter, wohlproportionierter Fünfsitzer, dessen anthropomorphes Antlitz mit den Glupschaugen und der hohen Stirn alle Merkmale des Kindchenschemas aufwies und damit eine Voraussetzung für seine bald globale, jahrzehntelange Popularität war. Grimmig wirkte der Käfer nicht einmal in der schwarzen Standardlackierung. Als wüsste dieses Fahrzeug von seinem Ruhm in künftigen Friedenszeiten, blieb ihm das Herrisch-Aggressive der Mercedes-Cabriolets und Limousinen fremd. Gleichzeitig zum Kleinwagenkonzept hatte Porsche, so der Autojournalist Wolfgang Blaube, der Reichsführung auch die Idee eines Sportwagens auf KdF-Basis nahebringen wollen, doch die hatte andere Pläne. Statt der Beglückung fleißiger Kleinfamilien werden aus den Ur-Käfern erst mal Kübelwagen für die Wehrmacht gebaut. Das Porsche-Büro profitiert von der Hochrüstung, die mit Beginn des Zweiten Weltkriegs enormen Umfang annahm. In Zuffenhausen wurden Panzer, schwimmfähige Geländewagen und auch ein Volkstraktor entwickelt. Ferdinand Porsche wurde im Reichsministerium für Rüstung und Munition zum Leiter der Panzerkommission. Zuvor hatte Porsche noch im Auftrag des Volkswagen-Werks einen Rennwagen geplant und gebaut, als dessen Herz ein hochgetunter VW-Boxer mit 33 PS schlug, der in eine extrem stromlinienförmige Karosserie gepackt knapp 150 Kilometer in der Stunde schnell war. Der Typ 64, oder auch »Berlin-Rom-Wagen«, galt als der erste kompromisslose Porsche. Er hatte die Silhouette der späteren Porsches, einen Heckmotor und ein extrem niedriges Gewicht von nur 545 Kilo. Nach dem Krieg erhielt er dann auf seiner tiefsitzenden Nase auch jenen Schriftzug mit den sieben Buchstaben, der ihn vollends zu einer Art »ersten Porsche« machte.

1943 entfernt Albert Speer als Rüstungsminister Porsche von seinem Amt als Leiter der Panzerkommission. Die Deutschen sind dabei, den Krieg zu verlieren, und die Alliierten bombardieren bevorzugt die Fabriken, in denen Panzer und Militärgerät gebaut oder entworfen werden. Das Rüstungskommando der Wehrmacht legt Porsche den Umzug nach Kärnten nahe. In Gmünd, inmitten des lieblichen Liesertals, 749 Meter hoch gelegen, werden in zugigen Hallen eines ehemaligen Sägewerks Behelfswerkstätten eingerichtet. Als der Krieg endet, übernehmen die Amerikaner das Porsche-Werk in Stuttgart, besser gesagt, was davon übriggeblieben ist, um dort ihre Lastwagen zu reparieren. In Gmünd erhält Porsche eine provisorische Erlaubnis, um die Arbeit wieder aufzunehmen und ausschließlich Ziviles zu konzipieren.

Anfang August wird Ferdinand Porsche verhaftet und von Kärnten in den östlichen Hintertaunus gebracht. Auf Schloss Kransberg war ein Vernehmungszentrum namens »Dustbin« eingerichtet worden, in dem Kriegsverbrecher und Wissenschaftler verhört wurden. Nachdem einige Zeugen für Porsche ausgesagt hatten, wurde er im September wieder freigelassen. Wenig später verhafteten ihn die Franzosen. Die Gründe für diese Verhaftung waren vielschichtig. Louis Renault war der Kollaboration mit den Deutschen bezichtigt und seine Firma verstaatlicht worden, die Familie Peugeot versuchte – so wird spekuliert – mit Attacken auf Porsche von ihrer eigenen Zusammenarbeit mit den Nazis abzulenken. Wirklich beweisen kann man das nicht, sind doch die Akten in Frankreich für hundert Jahre gesperrt worden. Sicher ist, dass Porsche vorgeworfen wurde, Peugeot-Mitarbeiter zur Zwangsarbeit nach Deutschland gebracht zu haben.

Zusammen mit Sohn Ferry und Schwiegersohn Anton Piëch wird er zuerst in Baden-Baden verhört und am 3. Mai 1946 nach Paris gebracht, während Ferry nach dreimonatiger Haft entlassen wird, weil er nicht zur Geschäftsführung des VW-Werkes gehört hat. Der alte Porsche blieb in Haft, obwohl er unter heftigen Gallenkoliken litt. Die Franzosen in Gestalt eines Leutnants LeComte versuchten, die Idee des Volkswagens nach Frankreich zu importieren. Da die verstaatlichten Renault-Werke mit dem 4 CV eine Art eigenen Volkswagen entwarfen, nötigten sie Ferdinand Porsche zur Mitarbeit. Wie kooperativ Porsche dabei war, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten. Im Februar 1947 werden Porsche und Piëch nach Dijon in das dortige Gefängnis transferiert. Dem 71-Jährigen geht es zusehends schlechter. Als sich die politische Großwetterlage in Paris ändert und die Kommunisten aus der Regierung scheiden, verliert Peugeot die Furcht vor der Verstaatlichung und nimmt die Vorwürfe gegen Porsche zurück. Doch Porsches Traum, seinen Volkswagen in Deutschland als oberster Werkschef zu produzieren und auf den Markt zu schieben, ist ausgeträumt.

1946 rollt in dem nun Wolfsburg getauften Produktionsort des Volkswagens der erste Käfer vom Band. Für jeden VW sollte Porsche zunächst eine Reichsmark Lizenzgebühr erhalten, wenig später waren es dann fünf Mark. Diese Einnahmequelle wurde für Porsche nicht nur eine entscheidende Starthilfe auf dem Weg zur eigenen Unabhängigkeit, sondern auch eine Art heimliche Lebensversicherung, wenn der mitunter labile Markt für Sportwagen dünnere Umsätze erzeugte oder aber eine wichtige Neuentwicklung für die Serien oder den Rennsport hohe Entwicklungskosten verursachte. Bei Analyse des Umfangs jenes Porsche-Know-hows, den VW für den Bau seines Bestsellers nutzte, weiß man, dass die Lizenzgebühr eher knapp ausgefallen war. Bis in die 60er Jahre hinein beschränkten sich die Ingenieure in Wolfsburg darauf, die Vorkriegsideen von Ferdinand Porsche und seinem Team zu aktualisieren.

Zur selben Zeit wird in Gmünd auch wieder an Autos gebastelt. Ein Schweizer Auftrag zur Entwicklung eines viersitzigen Personenwagens erhält die Typennummer 352 und sieht in seiner Urform dem 356er schon ziemlich ähnlich. Entworfen hat ihn Erwin Komenda, der seit den ersten Tagen bei Porsche gearbeitet hat und der für die Konstruktion von Karosserien zuständig war. Designer gab es damals keine. Die Form folgte der Funktion wie selbstverständlich. Die Aluminiumkarosserieteile des ersten 356ers wurden Anfang 1948 in Handarbeit über einem Holzblock in Form gehämmert. Komendas Routine und sein Formgefühl verliehen dem ersten Porsche den für die Technik passenden Ausdruck. Auch die Bescheidenheit des Karosseriebauers passte gut in das junge Unternehmen und noch besser in die Zeit. Das größenwahnsinnige, flaggenumwehte, säulenbewehrte Deutschland war untergegangen und mit ihm die Neigung zur übergroßen Geste. Die ersten Porsche-Karosserien waren stolze Demutsgesten voller Eleganz. Ferry Porsche, der in Gmünd während der Abwesenheit des Vaters zur Unternehmerfigur reifte, entwickelte ein Gefühl für die Zeit wie für die Formen, die dazu passten. In ihm schlummerte Künstlerisches. Er aquarellierte heimlich und hätte sich auch vorstellen können, Architekt zu werden.

Beim Urmodell des 356ers war der Motor noch in der Mitte plaziert, aber mit der Serienproduktion landete das Vierzylinder-Triebwerk im Heck. Der 356er hatte etwas Schmuckloses und Nüchternes. Er verweigerte die großen Gesten. Er war flink und kompakt: eine Antithese zu den mächtigen Kompressor-Mercedes der Nazis, die dem Atelier von Arno Breker entsprungen schienen. Der Porsche 356 wollte von alldem nichts wissen. Er war der Volkswagen für die Spitze des Volkes, aber mit dem Ganzen in engem Kontakt – mit ihm untrennbar verwoben und verbunden. Aus ihrem Metall geschraubt, nur mit etwas mehr Feinheit und Akkuratesse. Es war Brancusi statt Breker. Es war ein Bruch mit dem Zeitgeist der Nazis und eine Herausforderung für den aufziehenden Zeitgeist, in dem ein Luxusgut wie ein Sportwagen im Wiederaufbau-Calvinismus eher keinen Platz zu haben schien. Der frisierte Käfermotor zeigte, dass hinter dem Brot-und-Butter-Leben mit etwas mehr Leidenschaft ganz andere Dinge möglich waren.

Die Auftragsarbeit zur Entwicklung eines Grand-Prix-Fahrzeuges für Cisitalia verbesserte die Finanzlage von Porsche so grundlegend, dass Ferry Firmengründer Ferdinand und dessen Schwager Piëch für eine Million Franc Kaution aus dem Gefängnis holen konnte. Von der Haft gebrochen kehrte der einst so autokratische wie stolze Patriarch nach Gmünd zurück. Als er den 356er fast in Serienreife sah, hatte er daran so gut wie nichts mehr auszusetzen. Dass sein Sohn Ferry nun das Kommando bei Porsche führte, erfreute den durch die Gefangenschaft sehr geschwächten Ferdinand. Obwohl so viel von dem ersten Porsche auf seinen Vorarbeiten beruhte, war das Fahrzeug vor allem ein Produkt nach der Vorstellung des jungen Ferry. Der hatte bei der Rückkehr des Vaters schnell gemerkt, dass dieser zur Mitarbeit nicht mehr in der Lage war. »Ich war auf mich allein gestellt«, bemerkte er knapp. Aber das hatte auch sein Gutes. Der Porsche war ganz sein Automobil. Die Aerodynamik wurde mit einfachsten Mitteln optimiert, so erinnert sich Ferdinand Piëch daran, wie ein mit Fäden beklebter Prototyp des 356ers denkbar zügig unter einer Brücke durchfahren musste und von oben von Ferdinand Porsche und dem Ingenieur Josef Mickl fotografiert wurde. Schon im Juni 1948 wird mit dem »Roadster Gmünd« der erste echte Porsche zugelassen, der wenig später in Innsbruck bei einem Autorennen demonstriert wird, 600 Kilo schwer und 130 Kilometer pro Stunde schnell. Die ersten Bestellungen folgen.

Mit der Gründung der Bundesrepublik startet Porsche offiziell seine Produktion. Das Firmenmotto »Fahren in seiner schönsten Form« war ein ästhetisches Versprechen und eines, das direkt in der Nachkriegszeit weniger von vordergründiger Nützlichkeit sprechen wollte als vielmehr von einem idealischen Genuss. Porsche wurde für die schwärmerischen Deutschen, aber nicht nur für die, unmittelbar nach seinem ersten öffentlichen Auftreten ein Sehnsuchtsort, eine Marke für Träume in einer Zeit, die eigentlich davon lebte, dem Schrecken der Vergangenheit entkommen zu wollen. Das ging im 356er natürlich auch. Der Porsche-Trick bestand in der Geste der Bescheidenheit und Zurücknahme. »Uns schwebte«, so sollte sich Ferry Porsche in seiner Jubiläumsansprache 1974 erinnern, »ein kleines, wendiges, leichtes Fahrzeug vor, das die Leistungen eines großen, leistungsstarken Wagens übertreffen sollte.« Darin verpuppt war auch eine politische Pointe. Auch im Inneren des Ur356ers hätte es spartanischer nicht aussehen können. Leder und Stahl wurden flächig verteilt wie in einem Labor oder einer Klinik. Es war ein kühles, ungemütliches Fahrzeug – sachlich bis zur Übertreibung.

Geplant waren in aller Bescheidenheit zunächst 50 Exemplare. Die Produktionsbedingungen in Gmünd waren absurd. Ein für die damalige Zeit hochinnovativer Sportwagen wurde zwischen Bergen abseits jeder Infrastruktur produziert. Die Fahrzeuge wurden unter freiem Himmel lackiert und hatten, so behaupten Experten, deswegen unsaubere Stellen. Es war schnell klar, dass die Firma nur dann Bestand haben würde, wenn sie in eine größere Stadt umzog. Zudem drohte dem deutschen Unternehmen in Österreich die Enteignung. Für die Porsches hieß Umzug, ganz selbstverständlich, dass es zurück nach Stuttgart gehen müsse. Da die amerikanischen Besatzungssoldaten die alten Porsche-Hallen in Zuffenhausen in Beschlag genommen hatten, schlüpfte die kleine Sportwagenmanufaktur in der Karosseriefabrik Reutter unter. Die dort gefertigten 356er waren die letzten, die der alte Ferdinand Porsche noch zu sehen bekam. Den ersten hatte er genauestens inspiziert, zuletzt auf einem Hocker vor dem Coupé sitzend. »Die Karosserie muss zurück in die Werkstatt«, erklärte er. »Sie stimmt nicht, sie ist nicht symmetrisch!« Der Alte hatte recht, wie das Ausmessen zeigte, die Karosserie war nach rechts gerutscht, um ganze zwei Zentimeter. Mit diesem Präzisionsinstinkt hatte Porsche sein Leben bestritten, jetzt war es an dem Sohn, dieses Erbe anzunehmen. Das Erbe wurde angetreten, der Ort war wie ein Schwur. Die Führungskräfte arbeiteten von der Privatvilla der Porsches aus, exakt in jenen Räumen, wo die Idee des Volkswagens geboren wurde. Professor Albert Prinzing, der erste Prokurist der Firma Porsche und ein Schulkamerad von Ferry, erinnert sich lachend daran, wie im ehemaligen Zimmer der Köchin auf 18 Quadratmetern die Führungsriege von Porsche zusammengedrängt arbeitete. Die Besprechungen wurden im Hof abgehalten, drinnen war kein Platz.

1949 entsteht in Gmünd ein Schnappschuss, der viel erzählt und noch mehr vorausahnen lässt. Der alte, milde dreinblickende Übergroßvater Ferdinand hält das Modell eines 356er-Roadsters in der Hand, neben ihm sitzen seine Enkel Butzi und Burli. Der eine wird 13 Jahre später den Elfer entwerfen, der andere dessen Sechszylinder-Boxer veredeln. »Butzi« hieß eigentlich Ferdinand Alexander Porsche und war der Lieblingscousin von Ferdinand Piëch. Gemeinsam nehmen die beiden jungen Männer aus dem Clan die Herausforderung an, dem Genius dieser Familie irgendwie gerecht zu werden. Die Psychologie spricht von der Delegation, die Eltern oft genug unbewusst ihren Kindern übertragen: ein Auftrag, dem Vermächtnis gerecht zu werden, und häufiger noch, zu vollenden, was die Eltern erstrebt hatten, aber nicht zu Ende bringen konnten. »Ich wurde«, so erinnert sich Ferry Porsche, »mit Benzin aufgezogen und bin vom Automobil mein Leben lang nicht mehr weggekommen.« Für Ferry wurde die Fabrik von Austro Daimler zum Spielplatz, mit elf Jahren erhielt er ein Kinderauto mit einem luftgekühlten Zweizylinder-Motor, der sechs PS hatte und für eine Spitzengeschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde gut war. Wenig später nahm er mit seinem Mini-Austro-Daimler an einem Geschicklichkeitsturnier des Wiener Automobilclubs teil und fuhr die schnellste Zeit.

Anekdoten wie diese gibt es viele in der Familiengeschichte der Porsches und Piëchs. Insofern kann die Geschichte der Porsches als die einer Kettendelegation gelesen und verstanden werden. Ferdinand übertrug an Ferry und Ferry an Ferdinand Alexander. Ähnlich geschah dies bei Ferdinand Piëch. Die Anerkennung des Vaters, notierte die eingeheiratete Susanne Porsche in ihrer opulenten Hommage »Ferrytales«, war allen Söhnen sehr wichtig, »wenngleich diese häufig nur still gezeigt wurde und für die Söhne auch manchmal schwer erkennbar war«.

Als die Porsches nach Stuttgart umziehen, kehrt Ferdinand Alexander an jenen Ort zurück, an dem er 1935 geboren wurde – als erster Sohn von Ferry Porsche und seiner großen, einzigen Liebe Dodo: in die Villa am Feuerbacher Weg. Die ganze Familie lebte damals noch unter einem Dach und funktionierte deswegen wie eine Art genetisch verwobenes Exzellenzcluster, in dem das Wissen über den Automobilbau vom morgendlichen Frühstück bis zum abendlichen Kamingespräch den Alltag wie selbstverständlich dominierte. Wenn Augustinus recht hat und das Leben der Eltern das Buch ist, in dem die Kinder lesen, dann war beim Porsche-Nachwuchs die Fokussierung auf Ideen und Ziele der Eltern und Großeltern unausweichlich. Die Weiterentwicklung des Porsche 356 war demnach neben der wirtschaftlichen Notwendigkeit auch eine verinnerlichte Mission der beiden Heranwachsenden. Wohl nur deshalb konnten sowohl F. A. Porsche als auch Ferdinand Piëch in derart jungen Jahren in der Entwicklung des Elfers einen so entscheidenden Einfluss bekommen. Die Ausbildung und Befähigung dazu erhielten sie von Kindesbeinen an.

Emanzipation, Aufruhr und Noblesse: die Welt der Porsche-Fahrer

Am Anfang war Porsche eine Sache von ganz wenigen. Porsche-Fahrer zu sein war demnach etwas vollkommen anderes als heute, Anfang des 21. Jahrhunderts. Wer den Mythos Porsche verstehen will, muss wissen, wer dessen erste Anhänger und Propagandisten waren. Es waren Selfmade-Wohlhabende und in Reichtum Geborene, die aber allesamt vom Leben etwas wollten, was zu diesem Zeitpunkt selbst geschaffen werden musste. Es waren Unruhegeister, Aktivisten, Getriebene, Macher, Abenteurer, Weltveränderer, Genießer, Connaisseurs. Geschwindigkeitsverliebte. Individualisten.

Die von Krieg und Zerstörung verschonte Schweiz wurde zum Pioniermarkt von Porsche. Den ersten Serien-356er kaufte Jolanda Tschudi, eine denkbar weit vom Mutterkreuz emanzipierte Frau, die als Segelfliegerin Rekorde aufstellte und als Kopilotin abenteuerliche Afrika-Expeditionen erlebte, inklusive sieben bedrohlicher Notlandungen. Der drahtige, kleine Sportwagen sprach Individualisten an, die für eine Souveränitätsgeste keine barocken Dimensionen benötigten. Frauen waren von Anfang an dabei. Der Porsche wurde auch zur Emanzipationsfortbewegung genutzt. Die Zierlichkeit des Porsche kam ohne Machismen aus. Es waren sportliche, selbstbewusste, zum Teil tomboyliche Damen mit einer aufreizenden Natürlichkeit, die ihre eigene Rolle nicht von der Gesellschaft definiert wissen wollten, sondern von sich selbst. Sie waren in jeder Hinsicht unabhängig, natürlich auch finanziell. Als Draufgängerinnen und Hasardeusen traten sie bei Autorennen an und besiegten oft genug Männer, die mit dieser Schmach damals ähnlich schlecht umgingen, wie es ihre Geschlechtsgenossen auch 70 Jahre danach noch tun.