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Was fehlt, wenn alles da ist?

Freiwilligkeit ist der Preis der Freiheit.

Gottlieb Duttweiler

© 2015 Orell Füssli Verlag AG, Zürich

www.ofv.ch

Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Dadurch begründete Rechte, insbesondere der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf andern Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Vervielfältigungen des Werkes oder von Teilen des Werkes sind auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie sind grundsätzlich vergütungspflichtig.

Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

Umschlagfoto vorne: © KEYSTONE / Peter Klaunzer

Umschlagfoto hinten: © REUTERS / Denis Balibouse

Autorenfotos: © Ralph Boes

Druck: CPI books GmbH, Leck

 

ISBN 978-3-280-03901-4

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Vorspiel

Worum es geht

Fragen verändern alles. Was würden Sie arbeiten, wenn für Ihr Einkommen gesorgt wäre? Nachdem eine solche Frage beherzigt wurde, ist nichts mehr so, wie es war. Das Leben verläuft anders. Es gibt kein Vor-die-Frage-Zurück mehr.

Wer Fragen stellt, der stellt zugleich etwas infrage. Was als selbstverständlich galt, gilt jetzt nicht mehr. Jedenfalls nicht mehr als selbstverständlich. Fragen bringen das Alte aus dem Gleichgewicht und verleihen dem Neuen Gewicht. Sie bieten Gelegenheit, sich auszusprechen und abzustimmen. Sie ebnen den Weg in die Zukunft, den wir gemeinsam gehen wollen.

Gute Fragen sind die besten Antworten, da sie niemandem eine Antwort aufzwingen. Gute Fragen verdichten und erweitern. Sie bringen auf den Punkt, worum es geht, und lassen offen, wie es weitergeht. Wir werden umso besser miteinander umgehen, je besser die Fragen sind, die wir vertiefen.

***

Die Schweizer Volksinitiative Für ein bedingungsloses Grundeinkommen stellt Fragen. Dabei geht es nicht um Details, sondern um Grundsätzliches. Es geht nicht um einen Mindestlohn oder die Deckelung hoher Einkommen, nicht darum, welchen Mehrwertsteuersatz die Bratwurst hat, wenn sie beim Imbiss oder im Restaurant gegessen wird, nicht um Radio- und Fernsehgebühren, nicht um Tempolimits oder Steuerprivilegien, sondern um eine Richtungsentscheidung.

Die Volksinitiative fragt zweierlei. Erstens: Was will ich eigentlich? Was würde ich tun, wenn für mein Einkommen gesorgt wäre? Wofür engagiere ich mich, wenn ich mich frei entscheiden kann? Das ist die Frage, die mich auf mich selbst zurückwirft. Sie spricht mich als selbstbestimmtes Individuum an. Es geht um das Bild, welches ich von mir selbst habe.

Die zweite Frage lautet: Bin ich bereit, den anderen die Existenzgrundlage bedingungslos zu gewähren? Kann ich mir vorstellen, dass sie ein Grundeinkommen erhalten, ohne dafür erst Auflagen erfüllen oder Leistungen erbringen zu müssen? Bin ich willens, die anderen über ihr Leben selbst bestimmen zu lassen? Bei dieser Frage geht es um die anderen als selbstbestimmte Individuen. Es geht um das Bild, welches ich von ihnen habe.

Würde das bedingungslose Grundeinkommen von einem Monarchen, einer Regierung oder einem Parlament verabschiedet, wäre seine Wirkung viel geringer, als wenn die gesamte stimmberechtigte Bevölkerung eines Landes die Fragen bewegt, die das Grundeinkommen stellt. Die Fragen, die das Grundeinkommen stellt, lassen sich nicht delegieren, denn sie fragen nach uns selbst. Deshalb ist es stimmig, dass wir uns gemeinsam darüber abstimmen.

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Was fehlt, wenn alles da ist? Diese Frage stellt sich angesichts des Mangels im Überfluss, der Armut im Reichtum, der Leere in der Fülle. Wir folgen dieser Frage in drei Kapiteln, die sich damit befassen, wie wir Arbeit, Macht und Freiheit begreifen: Was würden Sie tun, wenn alle anderen für Sie arbeiten? Wer bestimmt, wenn jeder selbst bestimmt? Wie frei sind wir, wenn wir niemanden mehr zwingen?

Dieses Buch ist spielerisch entstanden. Über Wochen hat jeder von uns dem anderen abends eine Frage zum Grundeinkommen gestellt. Am nächsten Tag haben wir uns die Antworten geliefert. Sie legten den Grundstein für das Buch. Es ist ein Satz-Buch, das immer wieder die aphoristische Zuspitzung sucht, ein Absatz-Buch, das von Passage zu Passage Gedanken verdichtet, und ein Aufsatz-Buch, das kapitelweise Phänomene beleuchtet.

Autoren, die es besser wissen, beschämen oder langweilen die Leser. Gegen Besserwisserei helfen Humor und Skepsis. Wir haben also bestenfalls mit einem Augenzwinkern gute Fragen formuliert, die das Grundeinkommen zwar nicht als Patentlösung für alles erscheinen lassen, wohl aber als Generalschlüssel zeigen, der Zugang zu den Fragen der Gegenwart verspricht. Ideologien kommen als Antworten daher. Das Grundeinkommen, wenn es keine Ideologie ist, kommt mit seinen Fragen.

1 ARBEIT

Was würden Sie tun, wenn alle anderen für Sie arbeiten?