Cover

Impressum

© Verlag Friedrich Oetinger GmbH, Hamburg 2011

Alle Rechte vorbehalten

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

Cover und farbige Illustrationen von Barbara Scholz

Reproduktion: Domino GmbH, Lübeck

E-Book-Umsetzung: pagina GmbH, Tübingen 2012

ISBN 978-3-86274-071-0

Lust auf mehr?

www.oetinger.de

www.oetinger.de/ebooks

Diese Personen kommen in der Geschichte vor.

Hier kannst du nachschlagen, wenn du dich mal nicht mehr erinnerst.

 

 

 

Trenk Tausendschlag, ein kleiner Junge, der ein großer Ritter wird

Haug Tausendschlag, sein Vater, ein armer Bauer

Martha, Trenks Mutter

Mia-Mina, Trenks kleine Schwester

Der Herr Fürst, ein eigentlich ganz kluger Landesherr

Der gemeine Ritter Wertolt der Wüterich, leider der Grundherr von Trenks Vater

Zwei Mannen vom gemeinen Ritter Wertolt, die noch dümmer sind, als man sich vorstellen kann

Der Ritter Hans vom Hohenlob, endlich mal ein netter Ritter

Thekla vom Hohenlob, seine Tochter, die mehr kann, als ein Mädchen damals können sollte

Der Anführer der Köhler, der einen großen Schrecken kriegt, aber alles falsch versteht

Mariechen, ein Köhlermädchen, das gute Ideen hat

Die nette Drachendame und ihre drei Drachenkinder

Und natürlich der Große Gefährliche, ein wirklich sehr großer und gefährlicher Drache

1. Kapitel

in dem der Herr Fürst die Burg Hohenlob besucht und Trenk furchtbar erschrickt

Vielleicht hast du schon vom kleinen Ritter Trenk gehört, der so tapfer war und so schlau und außerdem auch noch so nett, dass er berühmt wurde von den Bergen bis zum Meer, und das war damals fast die ganze Welt, musst du bedenken, weil Amerika ja noch nicht entdeckt war.

An dem Tag, von dem ich erzählen will, saß Trenk auf Burg Hohenlob wieder einmal bei einem üppigen Festmahl, denn der nette Ritter Hans, der aus Trenk einen tüchtigen Pagen und Knappen machen sollte, fand ein prächtiges Mahl für einen Ritter mindestens ebenso wichtig wie einen prächtigen Kampf, und darum bog sich auch heute wieder die Tafel unter all den leckeren Sachen: Irdene Teller und Becher aus Zinn waren ordentlich vor allen Plätzen verteilt, und dazwischen standen Platten voller Schweinebraten und Rinderbraten und fettglänzenden Hühnerschlegeln, und auf einer der Platten lag sogar ein ganzer glasierter Schweinskopf zwischen niedlichen kleinen Karotten und sah aus, als ob er lächelte.

„Wunderbar, ganz wunderbar, Ritter Hans!“, rief der Herr Fürst, denn der war gerade überraschend auf Burg Hohenlob zu Besuch, und ihm zu Ehren hatte Hans das Festmahl auch eilig anrichten lassen. Obwohl Hans dafür ja, wie wir wissen, eigentlich nie einen Grund brauchte, denn Essen und Trinken fand er mindestens genauso wichtig wie Kämpfen, und darum nutzte er jede Gelegenheit dazu.

„Habt Dank für Euer Lob, edler Herr Fürst!“, sagte er jetzt und wischte sich mit dem Ärmel über seinen fettigen Mund. Die Tischsitten waren damals nämlich leider noch etwas rau, musst du wissen, und Servietten waren selten im Gebrauch; darum hatte der Ärmel auch schon eine Farbe, für die mir kein Name einfällt, und ziemlich klebrig war er auch. Aber so was störte in der finsteren Ritterzeit niemanden sehr. „Allerdings, Potzblitz, Herr Fürst, warum seid Ihr denn überhaupt nach Hohenlob gekommen?“ Und als er sah, wie der Fürst bei dieser Frage ein bisschen ärgerlich die Stirn runzelte – denn wenn der Herr Fürst zu Besuch kam, sollten seine Untertanen gefälligst begeistert jubeln, so war das damals, und nicht nachfragen, warum –, sagte er schnell: „Worüber ich mich natürlich sehr freue, edler Herr Fürst, wirklich sehr! Aber Ihr werdet verstehen, dass ich gern wüsste, welchem fürstlichen Anliegen ich diese Freude verdanke, jawohl.“

Da glättete sich die Stirn des Fürsten wieder ein bisschen, aber nur kurz. Denn dann runzelte sie sich nur noch mehr, und Trenk sah erschrocken, dass der Herr Fürst, der eigentlich ein richtig netter Herr Fürst war und sonst meistens freundlich, jetzt gerade doch vielleicht ziemlich böse wurde.

„Nun, lieber Ritter Hans“, sagte der Herr Fürst, und dann nahm auch er seinen Ärmel, um sich den Mund abzuwischen; und daran, dass das sogar der oberste Chef des Landes tat, siehst du wohl, dass ich recht hatte mit allem, was ich über die Tischsitten in der Ritterzeit gesagt habe, „ich wollte mit meinem Anliegen eigentlich warten, bis Euer köstliches Mahl beendet ist; denn ein köstliches Mahl besänftigt für gewöhnlich mein Gemüt, und das könnte heute doch nötig sein, wie Ihr gleich hören werdet.“

„Besänftigt Euer Gemüt?“, fragte der Ritter Hans erstaunt, und leider muss ich dir sagen, dass er dabei gleichzeitig von seiner Hähnchenkeule abbiss, bis das Fett nur so spritzte; und mit vollem Mund sprach er natürlich auch. „Aber was ist denn geschehen, lieber Herr Fürst, dass Ihr so erregt oder gar verärgert seid?“ Dann wischte er schon wieder mit seinem Ärmel, na, es wurde wirklich Zeit, dass endlich die Serviette erfunden wurde.

„Ihr fragt, was geschehen ist, Ritter Hans?“, sagte der Herr Fürst, und auch er sagte das leider mit vollem Mund. „Nun, das wisst Ihr wohl selbst! Schon mehrfach wurde der große gefährliche Drache wieder gesichtet und jetzt nicht mehr nur im Drachenwald! Und es heißt, dass er Jungfrauen frisst und Feuer spuckt wie eh und je, und wie das denn wohl möglich sein kann, bin ich gekommen, Euch zu fragen. Denn hat nicht Euer Neffe Trenk letzthin den gefährlichen Drachen geschlagen?“

Da guckte Hans ganz erschrocken, aber noch erschrockener guckte der kleine Ritter Trenk. Und damit du nicht womöglich glaubst, dass Trenk deshalb so erschrocken war, weil er Angst vor dem gefährlichen Drachen hatte, muss ich dir schnell noch erzählen, was es mit dem kleinen Ritter überhaupt auf sich hatte. Die Tafelrunde isst und schmatzt ja sowieso gerade, da verpassen wir gar nichts, nur schlechte Manieren.

Der kleine Ritter Trenk nämlich war, das findest du jetzt vielleicht erstaunlich, zuerst eigentlich gar kein Ritterjunge gewesen, sondern ein armer Bauernsohn. Sohn des leibeigenen Bauern Haug Tausendschlag war er, was nichts anderes bedeutet, als dass er und seine ganze Familie dem grässlichen Ritter Wertolt dem Wüterich gehörten, der über sein Land mit grausamer, harter Hand herrschte und seine Bauern auspeitschen und in den finsteren Kerker auf seiner Burg werfen ließ, auch Trenks Vater Haug Tausendschlag. Leibeigen geboren, leibeigen gestorben, leibeigen ein Leben lang: So hieß es damals, und dagegen konnte man gar nichts tun.

So viel Gemeinheit wollte Trenk sich eines Tages einfach nicht mehr gefallen lassen, und darum war er mit seinem Schwein Ferkelchen ausgezogen in die Welt, um seine Freiheit zu suchen und seine Familie zu befreien; und zu seinem Glück hatte der Ritter Hans ihn zu sich auf seine Burg genommen und sorgte nun dafür, dass Trenk zuerst ein Page und dann ein Knappe und schließlich ein tüchtiger Ritter wurde und alles lernte, was ein Ritter damals so können musste.

Aber dass er manches sowieso schon konnte, hatte Trenk gezeigt, als er für den Herrn Fürsten gegen den gefährlichen Drachen gezogen war; denn das hatte Trenk tatsächlich getan. Ganz allein war er gegen den Lindwurm gezogen, obwohl natürlich Ferkelchen bei ihm gewesen war und Thekla auch, die war die Tochter des Ritters Hans vom Hohenlob und Trenks beste Freundin; und die beste Erbsenschleuderschützin der Welt war sie außerdem.

Und wenn du jetzt denkst, dass es ja sehr mutig von Trenk und Thekla gewesen war, es ganz allein mit einem Drachen aufzunehmen, dann will ich dir den Grund für so viel Tollkühnheit auch noch erklären. Der Herr Fürst hatte nämlich demjenigen, der ihm einen Beweis dafür erbrachte, den Drachen geschlagen zu haben, einen Wunsch freigestellt. Und du kannst dir bestimmt schon denken, was der kleine Ritter, der eigentlich ein leibeigener Bauernsohn war, sich da wünschen wollte: nichts anderes nämlich, als dass der gemeine Ritter Wertolt der Wüterich seiner Familie die Freiheit schenken musste natürlich, nur darum war Trenk so mutig gewesen.

Und tatsächlich war er auch zurückgekommen mit einem ganzen Sack voller Drachenzähne – siebenundzwanzig Stück! –, die aller Welt bewiesen, dass der Lindwurm erschlagen war, denn einem lebenden Drachen kann man ja wohl keine Zähne aus dem Maul brechen. Darum durfte Trenk sich vom Herrn Fürsten dann auch wirklich etwas wünschen, und so wünschte er sich, dass seine Familie frei sein sollte und alle anderen Bauern des gemeinen Wertolt mit ihr, und so geschah es dann auch.

Und damit wäre nun alles gut gewesen, wenn Trenk nicht ein klitzekleines bisschen geschummelt hätte bei seiner Drachenschlacht, aber wie es dabei zuging, das kann ich dir im Augenblick leider nicht mehr erzählen, weil es nämlich an der Festtafel jetzt wieder sehr spannend wurde.

2. Kapitel

in dem Trenk versucht, nicht zu lügen, aber doch nicht die Wahrheit sagen kann

„Der gefährliche Drache wurde gesichtet? Potzblitz!“, sagte Ritter Hans und wurde weiß wie ein Leintuch, denn er kannte Trenks Geheimnis, das hatte Trenk ihm nämlich gestanden. „Das muss ein Irrtum sein, edler Herr Fürst! Wie Ihr wisst, hat mein Neffe hier den Drachen ja unlängst geschlagen und Euch auch seine Zähne mitgebracht zum Beweis! Wie könnte der Drache da ohne Zähne noch Jungfrauen fressen?“

Und vielleicht war es nur ein Zufall, dass bei dem Wort Jungfrauen sein Blick auf seine Tochter Thekla fiel, die ausnahmsweise zierlich und gesittet und mit abgespreiztem kleinem Finger am Tisch saß und sich benahm, wie ein echtes Ritterfräulein das sollte. Ihre Erbsenschleuder, mit der sie schießen konnte wie sonst keiner auf der Welt, hatte sie wie immer in ihrem Ausschnitt versteckt, da konnte niemand sehen, dass Thekla fast selbst ein echter Ritter war. Jedenfalls schoss sie tausendmal besser mit der Schleuder, als sie Suppe kochen oder Harfe spielen oder sticken konnte, aber das durfte Ritter Hans auf keinen Fall wissen. Sonst bekam er nur Angst, dass er keinen Mann finden würde, der seine Tochter heiraten wollte.

„Nun, wie ebendies möglich ist, bin ich gekommen, von Euch zu erfahren“, sagte der Fürst, und nun sah er überhaupt nicht mehr so gemütlich aus wie vorhin, als er ordentlich reingehauen und geschmatzt und mit vollem Mund geredet hatte. „Drachenzähne hat Euer Neffe mir gebracht, das ist die Wahrheit, aber dass der gefährliche Drache wieder bei Tag und bei Nacht über meine Länder fliegt, ist ebenso die Wahrheit. Und Ihr versteht wohl, dass ich da beinahe annehmen muss, Euer Page hätte mich betrogen. Der gefährliche Drache lebt! Euer Neffe Trenk hat ihn gar nicht geschlagen!“ Und jetzt guckte der Herr Fürst richtig grimmig.

Und leider, leider hatte er damit wahrhaftig auch recht. Denn tatsächlich hatte Trenk den Drachen gar nicht getötet, muss ich dir jetzt schnell noch erzählen; und der Grund dafür war nicht, dass er vielleicht zu feige gewesen wäre für so eine Tat oder zu schwach, sondern

dass der gefährliche Drache in Wirklichkeit gar nicht gefährlich war. Nein, ungefähr so freundlich wie Trenks Ferkelchen war der gefährliche Drache und half den armen Köhlern im Köhlerwald mit seinem Feueratem dabei, ihre Köhlerfeuer am Leben zu erhalten; und er beschützte sie vor Wertolt dem Wüterich und vor gefährlichen Räuberbanden, die Tag für Tag durch die Wälder des Reiches streiften, nur durch den Köhlerwald nicht, aus lauter Angst vor dem Drachen. Und der war außerdem nicht nur so freundlich wie Trenks Ferkelchen, sondern eigentlich eine Drachendame mit drei niedlichen kleinen Drachenbabys, da hätte Trenk ihn ja wohl wirklich nicht mehr schlagen können.

Zum Glück hatte das Köhlermädchen Mariechen vorher schon immer die Milchzähne der Drachenbabys für die Zahnfee eingesammelt, und diese Milchzähne schenkte sie nun also Trenk, damit er sie dem Fürsten zeigen konnte; und als der dann die großen Zähne mit dem Loch in der Mitte sah, war ihm das Beweis genug für Trenks Heldentat und für die Tötung des Drachen. Na, da war Trenk nicht ganz ehrlich gewesen und hatte den Fürsten ein bisschen beschummelt, aber ich glaube, wenn man seine Eltern und seine kleine Schwester von einem gemeinen Ritter befreien will, ist ein bisschen Schummeln ausnahmsweise mal erlaubt.

Und nun sah es leider so aus, als ob Trenks Geheimnis doch noch auffliegen würde! Das war natürlich überhaupt nicht schön, denn seinen Fürsten beschummeln durfte man damals genauso wenig, wie man heute zum Beispiel, sagen wir mal, seinen Lehrer beschummeln darf oder die Polizei, und da half es auch nichts, dass Trenk es ja nur getan hatte, um die nette Drachendame zu beschützen und außerdem seine Familie zu retten.

„Edler Herr Fürst!“, sagte Trenk darum, und fast zitterte seine Stimme dabei ein bisschen; das kennst du ja bestimmt auch, wenn du aufgeregt bist. „Ich weiß auch nicht. Die Drachenzähne habt Ihr doch zum Beweis – und wie sollte man wohl einem lebendigen Drachen so viele Zähne aus seinem gefährlichen Maul brechen?“

Hast du was gemerkt? Obwohl er sich ja verteidigen musste, belog Trenk den Herrn Fürsten nicht so ganz richtig, denn dass Lügen nicht gut ist, hatten ihm schon seine Eltern in ihrer armseligen Kate in Wertolts Dorf beigebracht. Darum behauptete er sogar in dieser gefährlichen Situation lieber nicht, dass er den Drachen geschlagen hatte, sondern er fragte den Herrn Fürsten nur, wie er wohl sonst an die Zähne gekommen sein könnte. Das war ja ein ziemlich guter Trick, und ob so ein Trick nicht vielleicht doch ungefähr genauso schlimm ist wie eine echte Lüge, musst du selbst entscheiden, aber vielleicht nicht gerade jetzt; denn jetzt musste Trenk ja alles tun, damit er keinen Ärger mit dem Herrn Fürsten kriegte, und das wollen wir nicht verpassen.

„Kann es vielleicht sein, dass der gefährliche Drache nur ohnmächtig war, als Trenk ihm die Zähne aus seinem Drachenmaul gebrochen hat?“, rief nämlich Thekla gerade. Die wollte Trenk unbedingt zu Hilfe kommen, so ist das ja bei Freunden. „Darum konnte mein Vetter Trenk ihm auch seine Zähne ziehen, da er eben annahm, der Drache wäre tot; aber in Wirklichkeit war der Drache nur ohnmächtig.“ Und wenn du genau aufgepasst hast, dann hast du bestimmt gemerkt, dass auch Thekla gar nicht wirklich eine Lüge erzählte, sondern genau wie Trenk nur eine Frage stellte, den Trick kannte sie also auch.

„Thekla, mein Kind!“, rief Ritter Hans. „Wie kannst du es wagen, dich in Gespräche unter kühnen Recken einzumischen! Was verstehst du denn wohl von gefährlichen Drachen? Du hast doch dein Lebtag noch keinen Drachen gesehen und immer nur Harfe gespielt und Suppe gekocht!“

Na, wenn er sich da mal nicht täuschte.

3. Kapitel

in dem Trenk von einem gewissen Ritter Siegfried hört, der in Drachenblut badete

Aber für Trenk war Theklas Vorschlag die Rettung, das kannst du dir vorstellen. „Genau, edler Herr Fürst, so muss es gewesen sein!“, rief er. „Vielleicht war der gefährliche Drache nur ohnmächtig und gar nicht tot? Doch wenn der Drache nun noch lebt, will ich gleich morgen aufbrechen und ihn dieses Mal wirklich erschlagen, damit er kein Unheil mehr anrichten kann in Eurem Reich.“

„Hm, hm“, sagte der Herr Fürst und kratzte sich am Bart. „Hm, hm, hm, so könnte es natürlich gewesen sein. Der gefährliche Drache war nur ohnmächtig. Und wenn es so war, müsste ich dich nicht bestrafen.“

„Ja, so könnte es gewesen sein, Potzblitz!“, sagte auch Ritter Hans ganz erleichtert, denn nun sah es doch so aus, als ob sein Page gerettet wäre. „Und gleich morgen früh wird mein Neffe aufbrechen, um den Drachen wirklich zu schlagen, denn er ist wahrhaftig der mutigste Page im ganzen Reich!“

Da nickte der Herr Fürst und nahm sich noch eine Schweinshaxe. „Nun denn, so soll es sein!“, sagte er zufrieden und nickte Trenk zu. „Aber dieses Mal bist du nicht der Einzige, der auf Drachenjagd geht, kleiner Page Trenk. Aus dem ganzen Land wollen die Ritter gegen ihn ziehen, habe ich gehört; denn, so heißt es, ein gewisser Ritter Siegfried soll vor langer Zeit in einem fernen Land einen unbesiegbaren Drachen geschlagen haben …“

„Ein gewisser Siegfried?“, fragte Trenk verblüfft und sehr unhöflich, denn den Herrn Fürsten durfte man ja eigentlich nicht unterbrechen. Und darum fragte er auch nicht weiter; aber du hast den Namen vielleicht sowieso schon mal gehört, und wenn nicht, ist hier leider gerade keine Zeit, dir Siegfrieds Geschichte schnell zu erzählen.

„… und danach hat dieser Siegfried im Blute des Drachen gebadet und war darum unverwundbar. Unverwundbar!“, rief der Herr Fürst. „Wer in Drachenblut gebadet hat, dessen Haut kann fortan keine Klinge mehr ritzen!“

Na, das war ja eigentlich praktisch, trotzdem flüsterte Thekla: „Wie eklig und wie gemein!“, und das finde ich bei genauer Überlegung nun doch auch, aber jetzt mischte Trenk sich schon wieder ein.

„Und deshalb wollen jetzt alle Eure Ritter gegen den Drachen ziehen?“, fragte er. „Damit sie ihn töten und in seinem Blut baden können? Damit sie unverwundbar werden?“

Da nickte der Herr Fürst und guckte suchend, ob an seiner Haxe vielleicht noch ein Rest Fleisch zu entdecken war. „So ist es, so ist es“, sagte er und ließ die abgenagte Haxe enttäuscht einfach unter den Tisch fallen, denn so machte man es damals. Über die Tischsitten haben wir ja schon gesprochen. „Aber auch du kannst natürlich noch ein zweites Mal gegen den gefährlichen Drachen ziehen, kleiner Trenk; und wenn du es dann bist, der mir den endgültigen Beweis dafür erbringt, dass der gefährliche Drache mein Land nicht mehr bedroht, will ich zufrieden sein.“

Trenk war allerdings keineswegs zufrieden, das kannst du dir denken. Denn natürlich war ihm sofort klar gewesen, dass er mit seinem Ferkelchen am Strick so schnell wie möglich aufbrechen musste zum Köhlerwald: und nicht, wie der Fürst glaubte, um die nette Drachendame zu töten und ihre Babys zu Waisendrachen zu machen, sondern um sie zu warnen und ihr zu sagen, dass sie nicht immer so unvorsichtig durch die Gegend fliegen sollte. Sonst kam womöglich wirklich noch mal ein dummer Ritter und erschlug sie, um in ihrem Blut zu baden, und das wäre doch traurig gewesen für den Drachen und für die Köhler und für die Drachenkinder sowieso.

Und wenn sich jetzt sogar alle Ritter des Landes auf die Suche nach dem Drachen machen wollten, um mithilfe seines Blutes unverwundbar zu werden, dann war die Sache natürlich schrecklich eilig. Denn einerseits war es wohl gar nicht so einfach, einen Drachen zu schlagen, sonst wäre dieser Siegfried ja auch nicht so berühmt geworden, weil es bei ihm geklappt hatte; aber wenn auch der Schuppenpanzer eines Drachen fester ist als Stahl und jede Klinge daran zerbricht: Eine einzige Stelle gibt es doch an seinem Körper, da ist er verwundbar wie jeder andere, und das ist ein kleiner weißer Fleck zwischen Hals und Brust, der leuchtet so hell wie Schwanenfedern und ist so weich wie Kükenflaum zu Ostern, und ein Schwert fährt durch ihn hindurch wie durch Watte.

Und genau da war auch die nette Drachendame verwundbar, und darum musste Trenk zusehen, dass er möglichst schnell aufbrach, um den anderen Rittern allen zuvorzukommen; denn die Drachenkinder waren wirklich sehr niedlich, und wie alle Kinder auf der Welt brauchten sie ihre Mutter, da sollte nicht irgendein dummer Ritter mit seinem Schwert kommen und sie ihnen nehmen.

Darum warf Trenk seiner Freundin Thekla also ganz schnell einen verschwörerischen Blick zu, denn dass Thekla wieder mitkommen würde in den Köhlerwald und zum Drachen, war ja schon klar. Und er nahm sich noch ein Stückchen Rinderlende, weil er von dem Schweinskopf nichts essen mochte und überhaupt kein Schweinefleisch, dazu hatte er sein Ferkelchen viel zu lieb. Und dabei dachte er tatsächlich, dass nun alles gut werden würde, wenn Thekla und er am nächsten Morgen nur früh genug aufbrächen.

Aber da hatte er nicht mit dem gemeinen Ritter Wertolt dem Wüterich gerechnet, und wieso der sich schon wieder einmischte, das will ich dir jetzt erzählen.

4. Kapitel

in dem Wertolt der Wüterich auftaucht

Man kann sich ja kaum vorstellen, dass die Männer der Tafelrunde nach all dem Schweinefleisch und Rindfleisch und Hühnerfleisch und was weiß ich welchen anderen leckeren Dingen immer noch ein kleines Loch für den Nachtisch in ihrem Bauch hatten; aber das hatten sie, und Trenk und Thekla hatten das auch, und darum riefen alle ganz begeistert „Ah!“ und „Oh!“, als der Oberkoch am Ende des Mahles noch mit einer riesigen Burg aus Marzipan in den Saal kam; da durfte sich jeder abschneiden und verspeisen, was er wollte, und Trenk nahm sogar zweimal davon, nämlich zuerst einen Turm und danach die Zugbrücke, und für Ferkelchen warf er ein paar Bröckchen unter den Tisch.

„Ganz wunderbares Marzipan, Ritter Hans!“, rief der Herr Fürst. „Wahrhaftig ein ganz wunderbares, exquisites Marzipan!“