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© Verlag Friedrich Oetinger GmbH, Hamburg 2010

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Cover und Illustrationen von Katrin Engelking

Reproduktion: Domino GmbH, Lübeck

E-Book-Umsetzung: pagina GmbH, Tübingen 2012

ISBN 978-3-86274-069-7

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Ich stelle uns alle im Möwenweg vor (die Kinder und die Erwachsenen und die Tiere)

Ich heiße Tara und ich bin neun Jahre alt. Schon seit fast drei Monaten! Da bin ich ja eigentlich schon neuneinviertel.

Petja hole ich aber natürlich trotzdem nicht ein, der ist mein großer Bruder und schon elf. Und mein kleiner Bruder heißt Maus und ist erst fünf. Ich hätte gern auch noch eine Schwester, das wäre doch gerecht. Weil wir dann zwei Jungs und zwei Mädchen wären. So bin ich immer eine weniger.

Aber zum Glück gibt es ja genug andere Mädchen da, wo wir wohnen! Das ist nämlich im Möwenweg und der ist eine Baustraße. Das heißt, dass bei uns ganz viele neue Häuser gebaut werden. Vorher war da nur eine Wiese. Aber unser Haus ist schon lange fertig, schon seit einem Jahr. Darum kenne ich die anderen Kinder auch schon ewig (fast).

Wir wohnen in einem Reihenhaus, und das ist von allen Häusern die allerbeste Art, finde ich. Weil da die Kinder alle ganz dicht zusammen wohnen und sich hinten durch die Gärten besuchen können. Jedenfalls, wenn keine blöden Nachbarn dazwischen wohnen. Das tun sie bei uns aber leider.

Soll ich das jetzt mal erklären? Petja und Maus und ich wohnen in Nummer 5e, das ist das vorletzte Haus, und im Endhaus (in Nummer f) wohnen Oma und Opa Kleefeld, die sind sehr lieb. Auch wenn sie natürlich nicht unsere richtige Oma und unser richtiger Opa sind. Aber sie fühlen sich fast so an. Das ist auch gut, weil Oma Friedrichstadt ja ziemlich weit weg wohnt, in Friedrichstadt (man hört es am Namen), und da kann sie uns natürlich nicht jeden Tag besuchen. Aber Oma und Opa Kleefeld sind immer da.

Auf der anderen Seite von uns wohnen Herr und Frau Voisin, die sind leider nicht ganz so nett und haben als Einzige in unserer Reihe keine Kinder. (Außer Oma und Opa Kleefeld, aber das ist ja logisch. Alte Leute haben ja nie Kinder.) Voisins wollen nicht, dass wir hinten durch ihren Garten laufen, weil wir lernen müssen, fremdes Eigentum zu respektieren, sagen sie. Aber ich glaube, es ist nur, weil sie so einen teuren Garten haben, den hat sogar ein Gärtner angepflanzt, und auf dem Zaun haben sie goldene Kugeln, und ihr Rasen ist ein teurer Rollrasen. Da wollen sie natürlich nicht, dass wir ihnen etwas kaputt machen.

Es ist ziemlich schade, dass ausgerechnet Voisins unsere Nachbarn sein müssen, weil gleich im nächsten Haus nämlich Tieneke wohnt, die ist meine allerbeste Freundin. Weil sie auch neun Jahre alt ist wie ich und weil ihr Name auch mit T anfängt, genau wie meiner, und in derselben Klasse wie ich ist sie auch, nämlich in der dritten bei Frau Streng. Ist das nicht fast wie Zwillinge? Tienekes Haare sind aber blond und meine sind dunkel.

Gleich neben Tieneke wohnen schon wieder zwei Mädchen, das sind Fritzi und Jul. (Fritzi heißt in echt aber Friederike und Jul heißt Julia.) Da können sie sich natürlich immer durch die Gärten besuchen, sie haben schließlich keine nicht ganz so netten Voisins dazwischen, das finde ich nicht gerecht. Weil ich doch eigentlich Tienekes beste Freundin bin, und Fritzi und Jul sind nur ihre zweitbesten. (Meine auch.) Weil sie nämlich nicht genauso alt sind wie wir, da ist das nicht so zwillingsmäßig. Fritzi ist erst acht und Jul ist schon elf, und übrigens ist Jul in letzter Zeit auch manchmal ziemlich zickig und will nicht mitmachen, wenn wir was Gutes spielen. Da weiß ich gar nicht mehr, ob sie überhaupt noch meine zweitbeste Freundin ist. Aber meistens doch.

Auf der anderen Seite von Fritzi und Jul kommt schon das Endhaus. Da wohnen endlich mal zwei Jungs, nämlich Vincent und Laurin. Gott sei Dank, sagt Petja. Mit all den Weibern um einen rum würde man ja sonst womöglich selbst bald anfangen Röcke zu tragen und sich die Hände zu lackieren. Also wirklich! Das sagt er aber nur, um uns zu ärgern.

Vincent und Laurin sind leider auch nicht genauso alt wie Petja, weil Vincent zehn ist und Laurin ist erst acht. Aber Vincent ist sehr schlau, darum war er mit Petja in der Grundschule auch in derselben Klasse. Laurin ist aber mehr so normal.

Hat jemand mitgezählt? Wir sind genau vier Mädchen und vier Jungs bei uns im Möwenweg, und das finde ich gerecht. Obwohl Maus ja noch sehr klein ist, da zählt er vielleicht nur halb. Aber wenn wir Fußball Mädchen gegen Jungs spielen (zum Beispiel), ist es trotzdem ziemlich gerecht aufgeteilt. Weil Fritzi nämlich auch nicht so gut ist.

Dass Vincent und Laurin im Endhaus wohnen, kommt, weil sie so reich sind. (Jeder weiß ja, dass Endhäuser am teuersten sind, weil sie an drei Seiten Garten um sich rum haben und die anderen Häuser nur an zwei.) Ihre Eltern sind geschieden, und ihr Vater fährt ein teures Cabrio, aber leider wohnt er drei Stunden entfernt und kann sie nur manchmal besuchen. Oder sie ihn. Und ihre Mutter ist Lehrerin und ein bisschen streng. Aber ich finde, sie ist schon netter geworden. Das hat ja sogar bei Voisins geklappt. (Sie haben mir zum Geburtstag eine Tafel Schokolade geschenkt. Leider Kaffee-Sahne. Das mag ich nicht so gerne.) Alle Leute werden netter, wenn sie bei uns im Möwenweg wohnen. Nettigkeit steckt an, sagt Mama.

Die Eltern von Fritzi und Jul müssen aber nicht mehr netter werden, die sind das sowieso schon. Michael ist sogar der netteste Vater von allen (außer Papa natürlich). Er macht immer so viel Quatsch und kann Tierkäfige für den Garten bauen.

Das hat er nämlich gemacht, als Tieneke ihre beiden Kaninchen gekriegt hat, die heißen Wuschelchen und Puschelchen und sind Belgische Riesen. Dabei sollten sie zuerst Zwergkaninchen werden! Das hat aber nicht geklappt. Und ich finde Riesenkaninchen sowieso besser. Die sind fast ein bisschen wie ein Hund.

Das beste Tier im Möwenweg ist aber natürlich Rambi. Weil er mir gehört und Petja eigentlich auch. Das stört aber nicht so doll, weil Petja sowieso nicht so viel Lust hat, Rambi zu füttern und den Käfig sauber zu machen und Kunststücke mit ihm einzuüben. Das muss ich immer alles machen, und darum ist Rambi eigentlich doch fast ganz allein mein Meerschweinchen. Jedenfalls denkt er das bestimmt. Er fiept nämlich immer ganz aufgeregt, wenn ich zum Käfig komme. Das ist, weil er meine Schritte erkennt, und dann freut er sich, sagt Opa Kleefeld. So ist das ja bei Meerschweinchen.

Opa Kleefeld weiß das, weil Rambi in seinem Garten zur Untermiete wohnt. (Den Käfig hat aber Michael gebaut.) In unserem Garten ging das leider nicht, weil Voisins auf Tienekes Seite von ihrer Terrasse ja schon den Blick auf Wuschelchens und Puschelchens Käfig haben, da wollten sie im Garten auf der anderen Seite nicht auch noch auf einen Meerschweinchenkäfig gucken. Dann hätten sie ja gar keinen so teuren Garten anlegen lassen müssen, hat Frau Voisin gesagt. Ich finde aber, dass der Blick auf einen Meerschweinchenkäfig viel schöner ist als der Blick auf einen Rollrasen.

(Und übrigens heißt Rambi in Wirklichkeit Rambo, aber das sage ich nicht, weil es kein schöner Name ist. Petja hat ihn ausgesucht, weil er Rambi zu Silvester beim Rathaus eingefangen und gerettet hat. Ich finde, es ist ein richtiger Jungs-Meerschweinchenname.)

Habe ich jetzt alles erklärt? Die Kinder und die Erwachsenen und die Tiere? Und konnte man merken, wie schön wir es im Möwenweg haben? Ich glaube nicht, dass es irgendwo auf der Welt schöner sein kann. Darum wollen Tieneke und Fritzi und Jul und ich auch immer hier wohnen bleiben. Das geht ganz einfach, weil wir nämlich später mal die Jungs heiraten, das sind ja auch vier, da geht es ganz genau auf. Dann haben wir es auch später noch schön, wenn wir erwachsen sind.

Aber bis dahin ist ja noch ziemlich viel Zeit. Zum Glück.

Ich habe ein Geheimnis und wir kriegen ein Besuchskind

»Wenn es jetzt nicht bald Frühling wird, werde ich wuschig!«, hat Mama eines Morgens gesagt. Sie hat aus dem Fenster geguckt, als ich mir am Tag nach dem Valentinstag meine Schnürsenkel zugebunden habe. Ich musste ja zur Schule. »Findest du nicht auch, dass es jetzt langsam mal lange genug Winter war? Findest du diese graue Zeit nicht auch grauslich, Taramädchen? Überhaupt nichts Schönes, schon seit Silvester nicht mehr!«

Da hat es geklingelt und Tieneke stand vor der Tür. Sie wollte mich zur Schule abholen. Darum konnte ich Mama leider nicht mehr erklären, dass ich sie ziemlich dumm finde. (Das sagt man eigentlich nicht zu einer Mutter. Auch wenn es ja manchmal stimmt.) Weil man es sich doch immer schön machen kann, wenn man möchte!

Michael hat mal zu Papa gesagt, dass man schließlich selbst entscheiden kann, ob man ein Glas halb voll oder halb leer findet. (Das soll bedeuten, dass man selbst entscheiden kann, ob man sich freuen will, weil es noch halb voll ist, oder traurig sein, weil es schon halb leer ist.) So ist es auch mit dem Februar. Man kann sagen, dass er grauslich ist, weil er grau ist, und man kann sagen, dass er schön ist, weil es da nämlich den Valentinstag gibt und auch noch Fasching. Ich sage lieber, der Februar ist schön.

Der Valentinstag war ja nun leider schon vorbei, da hatten Tieneke und Fritzi und Jul und ich ganz viele schöne Karten gebastelt, und in der Schule hatte unsere Klasse sogar Valentinspost gespielt; da hatten wir in allen Klassen am Tag vorher Valentinskarten eingesammelt (geheim, ohne Absender!) und dann am Valentinstag ausgeteilt wie die echte Post, so was finde ich gut.

»Und weißt du was?«, hab ich zu Tieneke gesagt. »Richtig vorbei ist der Valentinstag nämlich eigentlich noch gar nicht. Weil ich doch schließlich immer noch nicht ganz weiß, von wem ich meine Karten habe!«

»Klar weißt du das!«, hat Tieneke gesagt. Tieneke ist morgens immer noch nicht richtig ausgeschlafen. Sie ist ein echter Morgenmuffel, sagt ihre Mutter. Darum ist sie auf dem Schulweg manchmal auch ziemlich maulig und muss immer widersprechen. »Von mir hast du eine und von Petja und von deinem Verliebten Vincent …«

»Vincent ist nicht mein Verliebter!«, hab ich ganz böse gesagt. Obwohl wir ja abgemacht haben, dass ich Vincent später mal heirate. Und Tieneke heiratet Laurin. Aber verliebt sind wir deswegen noch lange nicht. »Und außerdem weiß ich die Karten aus dem Möwenweg sowieso alle! Aber die aus der Schule weiß ich nicht und ätschibätschi.«

»Klar weißt du die!«, hat Tieneke gesagt. »Von mir und von Kiki und von Caro und von …«

»Ja, ja, ja!«, hab ich gesagt. Man hat gemerkt, dass Tieneke immer noch morgenmuffelig war. Aber vielleicht war es auch nicht ganz so nett von mir gewesen, dass ich »ätschibätschi« gesagt hatte. »Aber die mit dem süßen Babydrachen drauf weiß ich nicht! Die ist geheim!« Und ich hab gedacht, dass Tieneke nun vielleicht ein bisschen neidisch ist, weil ich eine ganz geheime Valentinskarte habe und sie nicht. Sie wusste ja bei allen Karten, wer sie geschrieben hatte.

»Na und?«, hat Tieneke gesagt. »Was ist daran so besonders?« Und sie hat mich ganz böse angeguckt.

Genau da ist Kiki angerannt gekommen, die ist auch in unserer Klasse, darum geht sie meistens morgens auch mit uns zusammen.

»Seid ihr verkracht?«, hat Kiki gefragt. Eigentlich hätte sie ja zuerst »Guten Morgen!« sagen müssen.

Wir haben beide den Kopf geschüttelt.

»Aber Tara ist eine alte Angeberin!«, hat Tieneke gesagt. »Nur weil sie eine Valentinskarte nicht weiß!«

»Bin ich nicht!«, hab ich gesagt. »Ich kann doch nichts dafür, wenn die geheimnisvoll ist!«

Dann hab ich die Karte aus meinem Ranzen geholt und Kiki gezeigt. Ich hatte sie nämlich extra mitgenommen, damit ich in der Schule heimlich die Schrift vergleichen konnte. Es war eine ein bisschen krakelige Kugelschreiberschrift, wie Jungs schreiben, und vorne war ein Babydrache drauf, in Rosa, der war so niedlich! Da hab ich gedacht, dass ja vielleicht ein Junge in mich verliebt ist und hat deshalb extra eine ganz besonders schöne Karte für mich ausgesucht. Vielleicht hat er sogar ganz lange vor dem Kartenständer bei uns im Supermarkt gestanden und gegrübelt. Eigentlich will ich grade nicht so gerne verliebt sein, es passt nicht so gut, und ich weiß auch nicht genau, was man da alles machen muss; und außerdem muss ich ja auch Vincent heiraten. Aber ich fand es trotzdem schön, dass sich einer für mich so viel Mühe gegeben hatte.

»Süß!«, hat Kiki geschrien. »Und die hat dir ein Junge geschickt?«

»Ich weiß aber nicht, welcher«, hab ich gesagt. »Das ist irgendwie ein Geheimnis.«

»Das kriegen wir raus!«, hat Kiki gesagt. »Oder, Tieneke? Ist das einer aus unserer Klasse?«

Tieneke hat immer noch maulig geguckt, aber vielleicht nicht mehr ganz so maulig.

»Keine Ahnung«, hab ich gesagt. Der Schreiber konnte ja wirklich ein Junge aus unserer Klasse sein (das wollte ich eigentlich nicht so gerne, weil ich die alle ziemlich kindisch finde) oder aus der vierten, das hab ich eher geglaubt. Da sind sie ja schon älter und sehen besser aus und verlieben sich vielleicht auch leichter.

»Lass sehen!«, hat Kiki gesagt und sich die Schrift angeguckt. »Hm, unordentlich! Jungsschrift, aber hundertpro! Den müssen wir ausspionieren!«

Da hab ich gleich ein gutes Gefühl gekriegt. Ausspionieren macht immer so viel Spaß, aber leider kommt man so selten dazu, weil es bei uns nicht genug Verbrecher gibt. Die spioniert man ja eigentlich aus. Es war ein bisschen wie in meiner Lieblingsserie im Fernsehen und wie in meinem Lieblingsbuch auch. Und Tieneke hat auch gleich wieder fröhlicher ausgesehen.

»Caro!«, hat Kiki geschrien, als wir auf den Schulhof gekommen sind. Da stand Caro schon in der Klassenschlange vor unserem Pavillon. »Komm mal her!«

Dann hat Kiki einen Finger an die Lippen gelegt, das sollte bedeuten, dass alles ganz geheim war, und dann hat sie geflüstert, dass ich gestern eine Liebeskarte gekriegt habe und dass wir unbedingt rauskriegen müssen, wer mir die geschickt hat.

»Das ist doch sonst peinlich!«, hat Kiki gesagt. »Nachher tickt Tara den sonst noch aus Versehen beim Tickenspielen!«

»Oder vielleicht versteckt sie sich beim Verstecken mit ihm im selben Versteck, und dabei ist der in sie verliebt!«, hat Caro ganz erschrocken gesagt.

»Igitt!«, hat Kiki geschrien. »Meinst du, dass der sie dann küsst?«

Caro hat gesagt, dass man das nie wissen kann, und darum müssen wir die Liebeskarte aufklären. Tieneke hat gesagt, na gut, dann macht sie auch mit. Und ich wollte es jetzt auch ganz unbedingt wissen. Mich aus Versehen mit einem verstecken, der in mich verliebt war, wollte ich jedenfalls nicht.

Da ist aber schon Frau Streng gekommen und hat unsere Klassentür aufgeschlossen, darum konnten wir unsere Pläne leider nicht weiter besprechen. Und sowieso mussten wir uns jetzt erst mal um etwas anderes kümmern.

Das andere war nämlich ein neues Mädchen, das wir gar nicht kannten, das stand neben Imkes Stuhl in unserer Klasse und hat sich nicht hingesetzt, als wir uns alle hingesetzt haben (es gab ja auch keinen Platz mehr bei uns im Klassenzimmer), und hat immer so auf den Boden geguckt. Und es hatte auch gar keinen Schulranzen dabei, nur eine ganz kleine Tasche. Da bin ich gleich neugierig gewesen.

»Nanu?«, hat Frau Streng ganz überrascht gesagt. Aber auch ganz freundlich. Frau Streng ist nämlich überhaupt nicht streng, auch wenn sie so heißt. Sondern sehr nett und sehr lustig. Das hört man an ihrem Namen ja leider nicht. »Eine neue Schülerin? Und das Schulbüro hat mir gar nichts davon gesagt?«

Aber da hat Imke sich gemeldet, und sie hat überhaupt nicht gewartet, bis Frau Streng sie drangenommen hat.

»Das ist doch Heike!«, hat sie gesagt. »Die ist doch meine Freundin!«

»Oh«, hat Frau Streng gesagt. »Wie schön! Aber dann würde es ja bald ziemlich voll in unserer Klasse werden, wenn alle Kinder einfach immer ihre Freunde zur Schule mitbringen würden!«

Das stimmt aber nicht. Weil unsere Freunde ja sowieso fast alle in unserer Klasse sind.

Imke hat gesagt, es ist auch nur, weil Heike bei ihr zu Besuch ist. Ihre Mutter hat morgen Geburtstag, und da gibt es eine große Feier, und da sind Heike und ihre Mutter aus Altenburg gekommen. Und für Heike ist es ja langweilig so den ganzen Morgen nur mit zwei erwachsenen Frauen zu Hause, da wollte sie lieber mit zur Schule kommen.

»Na, so was!«, hat Frau Streng gesagt. »Kinder, die freiwillig zur Schule gehen, sind bei uns immer herzlich willkommen. Dann setzt du dich am besten mal mit zu Imke an den Tisch, Heike. Da passen doch vielleicht auch drei Kinder hin.«

Und das hat tatsächlich gestimmt. Auch wenn es ein bisschen gequetscht war.

In der ersten Stunde haben wir immer alle zu der neuen Heike hingeguckt. Ich finde es so besonders, wenn Besuchskinder bei uns in der Klasse sind. (Adrian hatte auch schon mal einen Cousin dabei, aber der war ziemlich blöde.) Zuerst hat Heike immer nur so ganz schüchtern vor sich auf den Tisch geguckt, aber dann haben wir Wortarten gemacht, und da hat sie sich plötzlich sogar gemeldet.

Nämlich, als wir sagen sollten, was »gelb« für eine Wortart ist. André war zuerst dran, und er hat gesagt, »gelb« ist ein Farbwort, und da haben alle gelacht. Und Frau Streng hat gesagt, das war jetzt nicht nett von uns. Wir hatten doch abgemacht, dass wir in unserer Klasse nicht lachen, wenn einer etwas Falsches sagt, das kann schließlich jedem mal passieren. Und so ganz falsch war Andrés Antwort ja auch gar nicht, Gelb ist schließlich eine Farbe. Aber »Farbwort« ist leider keine Wortart.

Da hat sich die Besuchs-Heike blitzschnell gemeldet und hat gesagt, dass es ein Adjektiv ist und man kann auch Eigenschaftswort dazu sagen. Oder Wie-Wort, das sagen aber die Babys.