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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

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Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2569

 

Das Goldene Zeitalter

 

Eine schicksalhafte Begegnung – Bellyr erzählt die Geschichte der Ahnen

 

Michael Marcus Thurner

 

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In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1463 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Jahr 5050 christlicher Zeitrechnung. Eigentlich herrscht seit über hundert Jahren Frieden.

Doch seit die Terraner auf die sogenannten Polyport-Höfe gestoßen sind, Zeugnisse einer längst vergangenen Zeit, tobt der Konflikt mit der Frequenz-Monarchie: Sie beansprucht die Macht über jeden Polyport-Hof und greift mit Raumschiffen aus Formenergie oder über die Transportkamine der Polyport-Höfe an.

Die Terraner und ihre Verbündeten wehren sich erbittert – der Kampf findet in der Milchstraße und in Andromeda statt. Man entdeckt die Achillesferse der Vatrox, der Herren der Frequenz-Monarchie: Sie verfügen mittels ihrer Hibernationswelten über die Möglichkeit der »Wiedergeburt«. Als die Terraner ihnen diese Welten nehmen und die freien Bewusstseine dieses Volkes einfangen, beenden sie die Herrschaft der Frequenz-Monarchie. Allerdings sind damit nicht alle Gefahren beseitigt: Noch immer gibt es Vatrox und mindestens zwei rivalisierende Geisteswesen, die mit dieser fremden Zivilisation zusammenhängen.

Das Stardust-System in den geheimnisvollen Fernen Stätten der Superintelligenz ES ist ein wichtiger Schauplatz der Auseinandersetzung: Dort erschien VATROX-VAMU – das Geisteswesen konnte von den terranischen Kolonisten dank der Hilfe von ES vorläufig verjagt werden. Damit ist die Gefahr jedoch nicht gebannt, aber zum Glück gibt es weitere Helfer. Einige sind nicht sofort als solche erkennbar, und andere erinnern sich an DAS GOLDENE ZEITALTER …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Oberprotektor Bellyr – Der Elfahder erinnert sich.

Stuart Lexa – Der Stardust-Terraner erhofft sich Informationen dank eines Wracks.

Marten – Ein junger Mann kann mit seinen Mitmenschen nichts anfangen.

Ana Leshkov – Die Bordärztin der KATARAKT muss sich mit einem Query herumschlagen.

1.

Das Hörensagen. Vorwort.

 

Jahrtausende. Jahrzehntausende. Mehr Jahre, als ein Verstand erfassen kann.

Unser Volk durchlief in dieser Zeit alle Höhen und Tiefen. Es veränderte sich, es wurde verändert, und wir sind längst nicht am Ende unserer Entwicklung angelangt. Wer weiß, was das Schicksal mit uns vorhat? Was die Höheren Mächte mit uns vorhaben?

Wir durchlebten ein goldenes, ein glückliches Zeitalter. Das darauf folgende Abrutschen in die Niederungen der Bedeutungslosigkeit ist bloß eine Talstation auf dem erneuten Weg nach oben. Dessen bin ich mir sicher.

Damit du begreifst, Leib meines Leibes, möchte ich dir erzählen, was andere mir erzählt haben. Du spürst diese Erinnerungen in dir, nicht wahr? Ich habe sie dir mitgegeben, als du von mir gegangen bist. Doch sie sind verwirrend. Du kannst sie nicht einordnen. Du benötigst eine führende Hand, um ihren Gehalt mit deinem sich entwickelnden und neu ordnenden Verstand zu erfassen.

Also, hör gut zu, was ich sage. Es gibt keinerlei schriftliche Aufnahmen oder Bilder unserer Geschichte. Wir sind darauf angewiesen, die Erinnerungen in uns lebendig bleiben zu lassen.

2.

Gestatten: Marten

 

Schon mal ein Sonnensystem verschwinden sehen? Ist eine ziemlich spektakuläre Sache. Wenn man sich allerdings in unmittelbarer Nähe befindet, wird das Spektakel zu einem angsterregenden und schweißtreibenden Abenteuer, das man liebend gerne missen möchte.

Mit anderen Worten: Wir haben allesamt mächtig die Hosen voll.

Stuart Lexa wirkt äußerlich wie die Ruhe in Person. Doch ich kenne ihn mittlerweile gut genug, um zu wissen, wie es in ihm aussieht. Er spürt den Druck der Verantwortung für die Besatzung der KATARAKT, er fürchtet sich vor dem Scheitern – und nicht zuletzt sorgt er sich um sein eigenes Leben.

Schon mal einen Hypersturm aus unmittelbarer Nähe miterlebt?

Natürlich nicht. Aus unmittelbarer Nähe bedeutet, dass man's recht bald hinter sich hat. Ein Gewitter auf hyperdimensionaler Basis kann man bestenfalls von seinem Rand aus beobachten und auf ein Wunder hoffen. Außer, man hat mich an Bord.

»Behalt gefälligst die Datenreihen im Auge, Marten!«, schnauzt mich Stuart an. Mit fast empathisch wirkender Zuverlässigkeit erkennt er, wenn jemand nicht bei der Sache ist.

Ich ärgere mich. Ich mag diesen Ton nicht. Es dauert einige Augenblicke, bis ich die notwendige Konzentration zurückgewinne, um die im Datenkubus durcheinanderwirbelnden Informationen zu filtern und zu verarbeiten.

Sie lösen das, was wir vor uns auf dem Bildschirm sehen, in Parameter auf, die mir nützen sollen, einen Weg durch das Chaos vor uns zu finden.

Ich bemühe mich, den Anblick der Sonne zu vergessen, die in einen Schlund aus Schwarz und Rot gezogen wird. Ich vermeide den Gedanken an ihre acht Planeten und die unzähligen Monde, die wie von einem gewaltigen Nussknacker zerdrückt und zerquetscht werden, sodass Planetenschalen nach allen Richtungen davonspritzen und das Innere nach außen gekehrt wird. Das Innere, glühendes Fluidum, gefriert rasch. Unter großem Druck zerbricht es neuerlich und wird von sich gegenseitig beeinflussenden hyperdimensionalen Wellenfronten zerrieben, bevor die kümmerlichen Reste endgültig erkalten.

Vielleicht existierte Leben auf einem der Planeten; wir wissen es nicht. Es spielt keine Rolle. Wir sind nicht in der Lage, Hilfe zu leisten. Wir müssen zusehen, dass wir heil aus dieser Sache rauskommen.

»Nun?«, fragt mich Stuart. Wie so oft verlässt er sich nicht nur auf die Intelligenz der Schiffspositronik. Er möchte greifbare, verständliche Antworten. Er liebt meine blumigen Vergleiche, so schlecht und unpassend sie manchmal sein mögen.

»Sieht schlecht aus«, gebe ich zur Antwort. »Ist eine kalte nasse Suppe da draußen.«

»Das heißt?«

Ich greife in den Kubus, mein liebstes Spielzeug, das ich mir selbst zurechtgelegt und geformt habe. Ich verschiebe Datenketten, spalte sie, hole mir Querverweise aus Unterordnern, erzeuge neue Verknüpfungen. Muster entstehen, die ich nur zu gut aus theoretischen Betrachtungen kenne.

»Du kennst die Herbststürme vor Evalin auf Zyx? Ja? Gutes Fischgebiet, aber lebensgefährlich, wenn sich die Wellen aufschaukeln. Gegen die Felsen branden, zurückgeworfen werden, sich kreuzen, gegeneinander kämpfen. – Hier ist es schlimmer. Viel schlimmer. Wir treiben nicht an der Oberfläche, sondern stecken mitten in einer derartigen Wellenfront. Felsen, Riffe, Treibholz, ständig wechselnde Kraftvektoren. Gierige Schnappfische, die im Augenblick des Todes noch einen Happen zu sich nehmen möchten.«

»Jaja! Weiter!«

Stuart wird ungeduldig. Wie immer. Er versteht nicht, dass ich Anlaufzeit benötige, um meine Gedanken zu sortieren. »Also: Hyperenergetische Wogen prallen gegeneinander. Interferieren. Schaukeln sich gegenseitig hoch, werden unberechenbar. Die Hyperemissionen haben sich um eine gute Zehnerpotenz vergrößert, seitdem der Sextadimschleier perdu ist. Der Einfluss all der anderen Sonnen in unmittelbarer Umgebung von Far Away wird umso deutlicher spürbar, je mehr Zeit vergeht.«

Der letzte Planet des namenlosen Sonnensystems vergeht in einer Stichflamme. Ein Hauch von Blau bleibt für einige Sekunden sichtbar, bevor auch er ins Nichts gesogen wird. Die hitzige Sonnenmasse ist mittlerweile ein lang gezogenes Materieband, das sich wie Gummi vom Gestirn löst und ins Nichts treibt.

»Sieht echt derb für uns aus«, sage ich und lächle.

Stuart verzieht unwillig das Gesicht. Er versteht meine Art von Humor nicht.

»Marten, du bist anerkanntermaßen ein Genie als Ortungsdatenanalyst. Aber du kannst einen auf die Palme bringen.«

»Weiß ich. Sagst du mir ein- bis zweimal pro Tag.« Und nicht nur er. Ich gelte als Query. Die wenigsten Menschen kommen mit mir zurecht. Ihre Schuld, nicht meine.

»Also: Kommen wir hier weiter? Oder müssen wir umkehren und uns einen neuen Weg suchen?«

»Geht nicht mehr, Stuart. Wir haben zu viel Zeit mit Geschwätz vergeudet. Wir müssen weiter. Da durch.«

Ich deute auf einen Ausschnitt des Panoramaschirms, der einen Ausschnitt Far Aways zeigt. Das Bild leuchtet weiß und gelb. Die Sterne stehen dicht an dicht, sodass ein Durchkommen unmöglich erscheint.

Stuart Lexa blickt auf ein Holo und unterhält sich leise, für mich unhörbar, mit der Schiffspositronik. »Die KATARAKT ist anderer Meinung.«

»Weil sie laufend Wahrscheinlichkeitsrechnungen anstellt, diese aneinanderfügt und dir die besten Ergebnisse präsentiert. Weil sie die Chancen nicht erkennt, die meine Passage bietet. Da gibt's eine einzige Engstelle. Haben wir sie überwunden, gilt freie Fahrt. Bis zum Ziel.«

»Und diese Engstelle ist …?«

»Sehr eng, keine Frage. Wir müssten ein gewisses Risiko eingehen und auf unser Glück vertrauen.«

»Die Worte Glück und Risiko kommen dir viel zu häufig über die Lippen, Marten.«

»Vertraust du mir oder dem Blechkübel?«

Stuart Lexa sieht mich an. Seine Blicke sind bohrend.

Ich hasse das. Ich werde nervös, erröte. Ich bluffe nicht besonders gut und ich befürchte, durchschaut zu werden. Das Risiko ist weitaus größer, als ich Stuart gegenüber eingestanden habe.

Aber ich möchte diese Passage nehmen. Unbedingt. Die Erkenntnisse, die wir bei dieser Reise gewinnen könnten, würden womöglich die Grundlage für zukünftige, verbesserte Reisebedingungen durch dieses Raumgebiet legen.

»Also schön, Marten«, sagt er. »Leg los! Berechne den Kurs. Aber ich verlange, dass du mit der Positronik zusammenarbeitest und die Risken so weit wie möglich minimierst.«

»'türlich!«, sage ich und unterdrücke einen Seufzer.

Die Sonne vor uns vergeht endgültig. Wird aufgefressen. Zerrieben zwischen Nichtsen.

Ich beschäftige mich mit den Informationskonvoluten im Datenkubus. Sie verheißen nichts Gutes. Die Chancen stehen schlecht. Ich werde improvisieren müssen, und Stuart wird mir, sollten wir überleben, ganz schön Feuer unterm Hintern machen.

Macht nichts. Ich bin's gewohnt.

 

*

 

Das Geflecht aus Hyperfeldlinien umschließt uns. Wir treiben dahin, suchen nach Schlupflöchern in diesem sich stetig ändernden, mindestens fünfdimensionalen Kosmos. Sie sind da. Winzig wie Mauselöcher, und sie bleiben meist nur für wenige Minuten geöffnet.

Ich messe zwei weitere Tryortan-Schlünde an: tiefrote Wirbel, die von schwarzen Blitzen zerfurcht werden. Sie entstehen und vergehen, tauchen an neuer Stelle auf. Unberechenbar, durch nichts zu bändigen.

Ich ignoriere sie. Sie sind Teil des Risikos, das ich gewählt habe.

Selbstverständlich entscheide ich nicht allein. Es gibt Kommandant, Pilot, Funker, Hochenergie-Spezialisten. Ich wäre froh, käme ich ohne sie aus und könnte die KATARAKT nach eigenem Gutdünken lenken. Doch ich sehe ein, dass selbst ich nicht dazu imstande wäre.

Warum muss ich ausgerechnet an Ludje Melnyck denken, die Bordpsychologin? Sie meint, salopp formuliert, dass ich ein völlig kaputter Typ wäre, der auf der KATARAKT nichts zu suchen hätte. Sie würde mich wohl gern als Muster-Query ausgestopft in ihrer Praxis in Stardust City ausstellen. Als Beispiel für durch eine von Vielzahl von Neurosen und Manien verhunztes Talent.

Es ist mir einerlei, was sie oder Ana Leshkov, der Leithammel der Schiffsärzte, über mich denken. Es ist mein Leben, das ich ruiniere.

Ich dirigiere Pilot, Funker, Orter, Kommandant. Sie sind gut aufeinander abgestimmt. Meine Kursanweisungen werden augenblicklich umgesetzt, die Schiffspositronik übernimmt die Feinjustierung.

Ich wühle mit den Händen durch den Datenkubus. Der Hauptinformationsstrang, den ich das Schiff entlang bewege, ist sauber. Wir haben freie Fahrt. Meine Aufgabe ist, das Ringsumher im Auge zu behalten und mögliche Gefahren im Ansatz zu erkennen.

Ich ertaste eine Kette, die womöglich einen Störfaktor ergeben könnte. Mit den Fingern zerteile ich sie, fächere die Informationen weiter und weiter auf. Sie beziehen sich auf einen Asteroidenschwarm, der sich etwa 30 Lichtsekunden voraus befindet.

»Ausweichkurs!« Ich gebe einen Koordinatensatz weiter.

Die anderen starren mich ungläubig an, ich kann es spüren. Lexa entbindet mich weiterer Aussagen. Er trommelt mit den Fingern ungeduldig auf die Lehne seines Sitzes; die Betroffenen verstehen den Wink und setzen meine Anweisungen in die Tat um.

Die KATARAKT beschleunigt mit für dieses Umfeld besorgniserregenden Werten. Ich muss dem Schiff einiges zumuten, doch das damit verbundene Risiko hält sich in Grenzen. Weitaus größere Probleme erwarten uns, sollte ich mich irren.

Der mögliche Störfaktor gewinnt an Wahrscheinlichkeit. Die Asteroiden vor uns ziehen sich blitzartig zusammen. Sie kontrahieren, strömen aufeinander zu, verdichten binnen weniger Sekunden zu einem Kleinplaneten. Sobald Zeit dafür ist, möchte ich die Energiewerte berechnen, die ein derartiges Masseverhalten erzeugen. Das brauche ich aber nicht, um zu wissen, dass sie ein Schiff wie die KATARAKT vernichten können. Zum Glück haben wir den Kurs längst angepasst.

Wir passieren den Gefahrenort. Schutzschirme, Energiezufuhr und Triebwerke werden überdurchschnittlich belastet. Hunderte weitere Kleinigkeiten, die beachtet und reguliert werden müssen, beschäftigen die Besatzungsmitglieder der Zentrale.

Ein Wimpernschlag vergeht. Wir passieren das ehemalige Asteroidenfeld, die Situation beruhigt sich. Ein Planetoid bleibt hinter uns zurück. Er verdichtet immer mehr. Die Kompressionskräfte machen aus dem Planetoiden einen dunklen, kaum hundert Meter großen Brocken, der wiederum ins Innere eines hell leuchtenden, vielfach verästelten Blitzzackens gleitet und für alle Zeiten aus dem vierdimensionalen Raum verschwindet.

»Hatte ich nun recht, oder nicht?«, frage ich in die Runde.

Man starrt mich an. Verwirrt, wütend, mitunter hasserfüllt. Niemand antwortet mir. Sie wollen und wollen mich nicht verstehen. Ich bin ein Außenseiter und Störfaktor im sonst ach so tollen Bordgefüge. Ich gelte als nicht gesellschaftsfähig.

Aber was soll's? Solange ich, Query, besser bin als sie alle, müssen sie mich akzeptieren.

 

*

 

Eine Linearetappe über fünf Komma drei Lichtjahre … Was zu anderen Zeiten und an anderen Orten wie eine nichtssagende Lappalie klingt, bedeutet in unserem Fall schwere, schweißtreibende Arbeit. Der Überlichtfaktor, mit dem wir reisen, ist so gering, dass ich nicht darüber reden möchte. Es widert mich an, in diesen viel zu klein geratenen Dimensionen zu denken – und dennoch werde ich von den sich stetig ändernden Umständen dazu gezwungen.

Vier Millionen Sonnen umgeben uns, wirken auf uns ein, erdrücken uns. Sie stechen aus diesem hyperdimensionalen Geflecht wie Rosinen heraus, und ich hasse Rosinen.

Ein Roboter bedient mich. Ein hässliches, unförmiges Gebilde, dessen auf den Rundkopf gemalte Fratze mir den Geschmack am Kaffee vergällt. Ich scheuche ihn beiseite und greife einmal mehr in den Datenkubus. Meine Finger sind wund. Ein Mechanismus, der mich die Berührung der Informationsstränge wie Nadelstiche spüren lässt, macht mich darauf aufmerksam, dass ich eine Pause einlegen sollte. Ich brenne aus, ich überanstrenge mich.

Die Linearetappe nähert sich ihrem Ende. Wir haben unser Etappenziel beinahe erreicht. Nur noch wenige Minuten muss ich durchhalten, dann ist mir der Applaus der Besatzung sicher. Ich giere danach. Ich möchte, dass sie sich gezwungen fühlen, mir zuzujubeln. Was hat man denn sonst für Freuden im Leben …

Wir kehren in den Normalraum zurück. Die Antriebssysteme des Unterlichtfluges greifen ein, sanft, kaum spürbar, während jene, die für die Reise zwischen den Dimensionen gesorgt haben, abrupt in den »Leerlauf« gleiten.

Ich kühle meine Finger in einer Schüssel bereitstehenden Gels und schließe die Augen. Noch ist meine Arbeit nicht getan. Ich schalte für einige Sekunden ab, sammle mich von Neuem, bevor ich mich der Sonne zwei Lichtmonate vor uns widme.

Ein F2-Typ. Harmlos. Langweilig. Aber auch diese Sonne spielt ihre Rolle in diesem riesigen, mehrdimensionalen Stimmkörper, der die höherdimensionale Struktur des Weltraums erfasst.

In ihrem Schutz warten 35 Schiffe der Stardust-Union auf unser Eintreffen, angeführt von der AVEDA, einem Omniträger der POSEIDON-Klasse, und damit dieselbe Baureihe wie die KATARAKT.

Ich kümmere mich nicht um die Details der Kontaktaufnahme. Die Funker beider Seiten unterhalten sich angeregt, die Geschehnisse auf Planetoid P-17-25-1463 werden augenblicklich thematisiert. Man tauscht Grüße aus, erweist sich gegenseitig Respekt und zeigt Erleichterung über die geglückte Kontaktaufnahme. Zwischenmenschliches Interagieren. Es kümmert mich nicht weiter.

Meine Finger gehen wieder auf Wanderschaft. Sie spüren neue Verbindungen auf, stellen Zusammenhänge her, suchen nach weiteren Gefahrenquellen. Unweit unseres Ziels branden energetische Sturmböen gegen eine Wand, die aus mehreren hundert Sonnen gebildet wird und die die Echowand eines Hyperorkanriffs bilden. Diese Sterne stellen für meine Finger gut spürbar, einen mehrstimmigen Chor in diesem Klangkörper namens »Far Away« dar. Alt, Mezzosopran und Sopran. Stimmen, die einander auf eigentümliche Weise ergänzen.

Ich ziehe mich stückchenweise zurück. Ich darf mich nicht ablenken, darf mich nicht irritieren lassen. Der Datenkubus, mein kleines Spielzeug, birgt Gefahren. Wie ein Emotionaut schwebe ich stets in Gefahr, mich in meinen Beobachtungen zu verlieren und der Verbindung zur Außenwelt verlustig zu gehen.

Der Weg ist frei. Die Wogen des Hyperorkanriffs reichen derzeit nicht weit genug in unsere Richtung. Ich nicke Stuart Lexa zu und deute dem glatzköpfigen Piloten – wie heißt er noch mal? Einerlei –, dass er meinem Kursvorschlag folgen soll.

Er verzieht das Gesicht zu einer Grimasse und gehorcht. Brav, mein Kleiner …

Ich stehe auf, strecke mich, zeige ein Grinsen. Sollen die Schafe hier im Raum ruhig wissen, was ich von ihnen halte. Ich habe keinen Respekt vor all diesen Karrieristen. Diesen Möchtegern-Generälen, die sich hehren Idealen hingeben und sich zeit ihres Lebens in Raumschiffs-Klüngeln verlustieren.

Stuart Lexa ist der Einzige, dem ich Respekt entgegenbringe. Er hat mich gegen den Willen seiner Zentralebesatzung mit an Bord des Schiffs genommen. Weil er weiß, dass ich gut bin. Dass ich Begabungen habe, gegen die seine Zinnsoldaten nicht anstinken können.