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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

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7.

8.

9.

10.

11.

12.

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2552

 

Totenspiel

 

Ein Vatrox wird wiedergeboren – und ein Erfinder trifft auf Fremde

 

Frank Borsch

 

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In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1463 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Jahr 5050 christlicher Zeitrechnung. Seit über hundert Jahren herrscht Frieden: Die Sternenreiche arbeiten daran, eine gemeinsame Zukunft zu schaffen.

Als aber die Terraner die Transport-Technologie sogenannter Polyport-Höfe, Zeugnisse einer längst vergangenen Zeit, zu entschlüsseln beginnen, tritt die Frequenz-Monarchie auf den Plan: Sie beansprucht die Macht über jeden Polyport-Hof.

Mit Raumschiffen aus Formenergie oder über die Transportkamine der Polyport-Höfe rücken die Vatrox vor, und anfangs scheinen sie kaum aufzuhalten zu sein. Dann aber entdeckt man ihre Achillesferse ausgerechnet in ihrer stärksten Waffe: Die Vatrox verfügen mittels ihrer Hibernationswelten über die Möglichkeit der »Wiedergeburt«. Als die Terraner ihnen diese Welten nehmen und die freien Bewusstseine dieses Volkes einfangen, beenden sie die Herrschaft der Frequenz-Monarchie.

Allerdings sind damit nicht alle Gefahren beseitigt: Noch immer gibt es Vatrox, darunter den gefährlichen Frequenzfolger Sinnafoch, und mindestens zwei rivalisierende Geisteswesen, die mit dieser fremden Kultur zusammenhängen. Sinnafoch hat es mit zwei Begleitern in einen unbekannten Raum verschlagen – dort kommt es zu einer unheilvollen Begegnung und zu einem TOTENSPIEL …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Sinnafoch – Der Vatrox erinnert sich an sein erstes Leben.

Kruuper – Der Okrivar ist in einer fremden Welt gestrandet.

Philip – Der Okrill drückt sich immer verständlicher aus.

F'har – Der Erfinder trifft Fremde, mit denen er nie rechnete.

Deliachlan – Der Soldat widmet sein Leben der Frequenz-Monarchie.

1.

 

Tot!

Es war der einzige Gedanke, zu dem Sinnafoch fähig war. Er wiederholte sich in einer endlosen Schleife, bar jeder Hoffnung, schnitt immer tiefer in das, was von dem Selbstverständnis des Vatrox geblieben war.

Seine Artgenossen: tot.

Über eine Milliarde Vatrox waren gestorben. Unsterbliche, die ein elendes Ende gefunden hatten, von eigener Hand. Perry Rhodan, die Terraner und ihre Verbündeten hatten eine Waffe gegen die Vatrox eingesetzt, gegen die jene wehrlos waren.

Hilflos hatte Sinnafoch verfolgen müssen, wie seine Artgenossen sich an ihren Körpern vergangen hatten und ihr Vamu, das aus den sterbenden Körpern flüchtete, von den Terranern eingefangen worden war. Nur mit letzter Kraft war es Sinnafoch gelungen, dem Drang, sich selbst zu entleiben, zu widerstehen und auf den Handelsstern FATICO zu flüchten.

Die Helfer der Frequenz-Monarchie: tot.

Sicherheitsschaltungen hatten angesprochen, als die Vatrox starben. Eines nach dem anderen hatten sich die Schlachtlichter der Frequenz-Monarchie selbst vernichtet. In der Glut ihrer Explosionen waren unzählige Darturka und Okrivar und Helfer anderer Völker vergangen. Mit ihrer glühenden Asche war die Macht der Frequenz-Monarchie verweht.

VATROX-CUUR: tot.

Das Psi-Wesen, seit Anbeginn der Geschichte Mentor und Hüter der Vatrox, war erloschen. VATROX-CUUR hatte nicht bestehen können, nachdem die Terraner das Vamu von so vielen Vatrox abgeschöpft hatten.

Er selbst, Frequenzfolger Sinnafoch: so gut wie tot.

Sinnafoch hatte es vermocht, seinen Körper zu retten, den Anker seines Vamu. Er hatte das Feld der verlorenen Schlacht hinter sich gelassen, war den Terranern entkommen. Doch es war nur ein Aufschub.

Sinnafoch war zum Tode verurteilt. Die Hibernationswelten waren vernichtet. Irgendwann würde dieser Körper sterben. Im Kampf, an einer Krankheit, bei einem Unfall oder einfach an seinem Alter. Dann würde Sinnafochs Vamu verwehen und kein neuer Körper würde darauf warten, dass es ihn beseelte.

Es war vorbei.

Er war tot.

»Sinnafoch!«

Die Stimme war laut und drängend. Sinnafoch kümmerte es nicht. Er war tot. Nicht einmal die Induktivzelle, die jeden seiner Gedanken las und kaum einen kommentarlos durchgehen ließ, rührte sich. Die Zelle schwieg, womöglich für immer. Es war ein Gedanke, der den Vatrox zugleich erschreckte und mit unbändiger Hoffnung erfüllte.

»Sinnafoch, zurückkomm!« Hände packten ihn an den Schultern, griffen so fest zu, dass es schmerzte.

Er öffnete die Augen, sah einen behelmten Kopf. Hinter dem Visier sah er graue Haut und einen schmalen, gespitzten Mund. Zwei Augen, schmalen Schlitzen gleich, sahen auf ihn herab.

»Weiter, Sinnafoch! Weiter wir müssen!«, sagte der Mund. »Terraner nicht Ruhe geben!«

Ein Okrivar. Er sprach merkwürdig. Es war Kruuper, der Gefährte, den Sinnafoch nicht gewollt hatte. Wenn Philip nicht gewesen wäre …

»Philip?«, flüsterte Sinnafoch. »Wo ist Philip?«

»Ruhig«, antwortete Kruuper, klopfte mit einer Hand auf den Boden, auf dem Sinnafoch lag. »Philip hier ist. Er dich trägt.«

Sinnafoch hörte ein Niesen, der »Boden« unter ihm bewegte sich. Dann schoss eine lange, warme Zunge von der Seite vor und leckte ihm über das Gesicht.

Die Geste des Okrills rührte etwas in Sinnafoch an, milderte seine Verzweiflung. Philip, das ehemalige Tier, dem er Intelligenz geschenkt hatte, stand zu ihm, ganz gleich, was geschah. Selbst wenn die Frequenz-Monarchie untergehen sollte.

Doch was nützte das? In diesen Minuten ging die Monarchie unter.

»Es ist sinnlos«, beschied Sinnafoch Kruuper. »Es ist vorbei.«

»Nicht vorbei ist«, widersprach der Okrivar. »Leben du. Leben Philip. Leben Kruuper. Wollen bleiben am Leben!«

»Ja …« Sinnafoch spürte, als er das Wort aussprach, dass es stimmte. Er wollte leben. Immer noch. Trotz der vielen Leben, die er gelebt hatte. Auch wenn seine Existenz eine Qual war. Eine Last, die mit jedem neuen Leben erdrückender wurde. Dennoch wollte Sinnafoch nicht, dass es jemals zu Ende ging. Doch wie …?

Kruuper hielt ihm ein Gerät hin. »Hier, benutz!«

Es war ein rechteckiges Gehäuse mit abgeflachten Kanten. Ein Controller der C-Klasse. Eine Steuerung, die ihrem Besitzer nahezu unbegrenzte Macht über das Polyport-Netz gewährte. Der Controller hatte ihnen die Flucht auf den Handelsstern ermöglicht. Er würde ihnen auch ermöglichen, FATICO wieder zu verlassen, weiter zu fliehen.

»Weg von Terranern!«, sagte Kruuper. »Finden uns werden hier, dann wir tot wirklich!«

Kruupers Sprache war wie üblich seltsam verschachtelt, aber Sinnafoch hatte zu schätzen gelernt, dass der Okrivar ein ungewöhnlich kluges Wesen war. Und eines ohne Illusionen. Er sah die Dinge, wie sie waren; nicht, wie er sie sich zurechtlegte. Kruupers Einschätzungen trafen zu: Die Terraner würden ihnen folgen, mit Sicherheit.

Aber wozu noch vor ihnen flüchten? Es gab keinen neuen Körper für ihn, Sinnafoch, er war so gut wie tot. VATROX-CUUR war nicht mehr, die Hibernationswelten waren vernichtet, ausnahmslos, und …

… und ein neuer Gedanke kam Sinnafoch: Die Hibernationswelten in Hathorjan waren vernichtet. Aber die Frequenz-Monarchie erstreckte sich über elf Galaxien. Andernorts mochte noch nicht alles verloren sein …

Sinnafoch nahm Kruuper den Controller aus der Hand, aktivierte ihn. Noch war nicht das ganze Polyport-Netz von den Terranern erobert. Teile waren nach wie vor frei, er musste sie nur finden. Eine Niederlage, ermahnt er sich, war erst dann eine Niederlage, wenn man sich damit abfand.

Der Vatrox überprüfte das Polyport-Netz und fand schließlich, was er suchte. In Anthuresta existierten noch Hibernationswelten. Dort gab es zwar keinen Klon seines Körpers, aber das war ein Hindernis, das überwindbar war. Man konnte neue Klone aus seinem gegenwärtigen Körper erschaffen. Oder er begnügte sich mit dem Klon eines Vatrox, dessen Vamu von den Terranern gefangen worden war. Etwas würde sich finden, und er würde weiterleben und …

»Du wieder Mut gefasst hast?«, sagte Kruuper. »Gut! Wohin jetzt?«

Sinnafoch sagte ihm den Weg.

 

*

 

Sinnafoch ritt auf Philip.

Er hatte wieder gewissen Lebensmut gefasst, aber noch schienen ihm seine Kräfte ebenso brüchig wie seine Entschlossenheit. Sinnafoch war sich nicht sicher, ob ihn die eigenen Beine tragen würden.

Außerdem hatte er Besseres zu tun. Sinnafoch konzentrierte sich auf den Controller, während der Okrill und der Okrivar ihre nächste Umgebung im Auge behielten.

Der Controller war ein mächtiges Werkzeug. Sinnafoch steuerte damit den Handelsstern FATICO – der verlassen war – und vermochte tief in das Polyport-Netz zu greifen.

Der Vatrox programmierte ihr Ziel: Es war der Handelsstern JERGALL in der Galaxis Anthuresta, nicht weit von der siebten Hibernationswelt.

Sinnafoch und seine Begleiter gelangten ohne Zwischenfall zu der Halle mit dem Transferkamin – ein Unterschied zu gewöhnlichen Polyport-Höfen.

Statt der üblichen vier Röhren öffnete sich in der Halle nur ein einziger Transferkamin. Die Konstrukteure des Handelssterns hatten ihre Gründe dafür gehabt, und für seine Zwecke genügte ein einziger Transferkamin.

Sinnafoch versetzte Philip einen Klaps, und der Okrill lief zu der Plattform am Eingang der Röhre, von der aus der Transfer beginnen würde. Kruuper mit seinen kurzen Beinen blieb hinter ihnen zurück und erreichte die Plattform erst später und heftig keuchend.

Der Vatrox hob den Controller, um den Transfer einzuleiten, als auf dem Display eine Meldung erschien. »Transferportale freigeschaltet«, las Sinnafoch.

Der Vatrox zögerte. Portale? Er hatte nur einen einzigen Transfer programmiert. Neugierig geworden, rief er weitere Informationen ab. Der Controller erzeugte ein Hologramm in Augenhöhe des Vatrox.

»Schlachtturm erfasst«, kam die Meldung. Dann eine zweite: »Feindschiff erfasst.« Ein Feindschiff? Wieso hier?

Der Controller schien davon auszugehen, dass er auch das unbekannte Schiff transferieren wollte. Deshalb die Portale und nicht nur eines.

Sinnafoch rief die Daten auf. Ein Raumschiff erschien. Es gehörte den Terranern. Nein, dem Terraner. Perry Rhodan. Zwei seiner drei Module – eine Kugel und ein daraus hervorragender Zylinder – waren tatsächlich von Traktorstrahlen erfasst worden.

Die Unterlichttriebwerke des Terranerschiffs waren kleine, glühende Sonnen, die mit voller Kraft versuchten, den Raumer aus dem Griff der Traktorstrahler zu befreien. Vergeblich. Die Macht der Traktorstrahlen war den Triebwerken des Schiffs weit überlegen.

Das Terranerschiff war verloren. Spontan bestätigte Sinnafoch den unausgesprochenen Vorschlag des Controllers.

Ein Schlund hatte sich bereits in der Sonnentarnung des Handelssterns geöffnet. Er schimmerte blau und hatte einen vielfachen Durchmesser des Terranerschiffs.

Nun verschluckte der Schlund den Terraner.

Grimmige Zufriedenheit erfasste Sinnafoch. Sie war nicht gerechtfertigt. Abertausende Schlachtlichter waren an diesem Tag vernichtet worden, Milliarden unsterbliche Artgenossen gestorben, VATROX-CUUR erloschen. Und ihm war es gelungen, ein einziges Terranerschiff in eine Falle zu locken. Es war eine Randnotiz, selbst wenn sich Perry Rhodan an Bord aufhalten sollte, ohne Bedeutung für den Ausgang des Ringens zwischen Vatrox und Terranern.

Doch für den Frequenzfolger war es ein Symbol. Sinnafoch war nicht mehr länger nur ein gehetztes Wild, er reagierte nicht mehr nur auf den Feind. Er hatte das Heft des Handelns wieder in die Hand genommen. Dieses Terranerschiff war nur der Anfang …

Die Terraner würden sich am Handelsstern JERGALL wiederfinden – und Sinnafoch instruierte die Besatzung des Sterns, den Mördern VATROX-CUURS den Empfang zu bereiten, der ihnen zustand.

Sinnafoch schaltete das Holo aus. »Wir können aufbrechen«, sagte er zu Kruuper und Philip, die wortlos gewartet hatten.

Der Vatrox leitete die Transfersequenz ein. Mit etwas Glück würden sie JERGALL rechtzeitig erreichen, um Zeuge der Vernichtung des Terranerschiffs zu werden.

Der Transferkamin verfärbte sich, dann fühlte Sinnafoch sich sanft angehoben und in die Röhre getragen. Philip, auf dessen Rücken er noch immer ritt, nieste aufgeregt, als die Wände der Röhre in ein nicht greifbares, graues Wabern übergingen, von aufflammenden Elmsfeuern erleuchtet.

Sinnafoch tätschelte ihn beruhigend. Der Transfer war ein Routinevorgang. Das Grau würde sich in kurzer Zeit auflösen, als handele es sich bei ihm um Nebel, und den Blick auf die Pracht des Universums freigeben. Sie würden Zeuge des Werdens und Vergehens von Galaxien werden, der Unvergänglichkeit, in der die Wandelbarkeit des Universums begründet lag.

Philip verstummte. Das Grau lichtete sich und …

… übergangslos sah Sinnafoch sich einem Vatrox gegenüber. Er stank, sein linkes Auge war blicklos, tot. »Schlag mich, Sinnafoch!«, sagte er. »Los, du willst es doch!«

… der Vatrox verschwand …

… und ein Referror stand vor ihm, plump und rosig, und rief: »VATROX-CUUR sei Dank! Wir haben uns solche Sorgen gemacht!«

Sinnafoch zuckte zurück und schrie. Niemand hörte ihn. Er riss die Arme hoch, barg den Kopf schützend zwischen den Händen. Als er es wagte, zwischen den Fingern hervorzuspähen …

… sah er nur eine weiße Scheibe. Sie schwebte im All. Ein Planet. Und das Weiß war kein Weiß, sondern ein Grau wie die Zeit zwischen den Leben …

… und dann durchdrang und erfüllte ihn das Grau, als solle er niemals wiedergeboren werden. Die Vergänglichkeit drang ihm in die Nase, verklebte seine Lunge. Sinnafoch war nicht allein. Neben ihm waren Soldaten. Sie waren wie Darturka … und nicht wie Darturka. Sie waren zu klein.

»Sie kommen«, sagte der kleine Darturka neben Sinnafoch. »Bereitmachen zum Sterben. Asche zu Asche.« Und der kleine Darturka entsicherte sein Strahlergewehr …

… und dann stand ein Vatrox vor ihm, in der Zentrale eines Schlachtlichts. Die orangenen Augen glühten vor Wut. »Ich sollte euch auf der Stelle hinrichten lassen«, sagte der Vatrox. »Es ist euer Glück, dass wir jeden Mann an der Front brauchen. Auch solche, die den Verstand verloren haben. Sucht euren Tod dort!« …

… und dann hörte er einen Schrei: »Sinnafoch, nein! Erkennst du mich nicht? Nein!« Und Sinnafoch versuchte zu erkennen, wer schrie, aber plötzlich war er alleine und hörte sich selbst schreien, so laut er konnte: »Sei nicht traurig, Freund. Wir sehen uns im nächsten Leben!« …

… und er wusste weder, woher die Worte kamen, noch wieso er sie schrie …

… und dann rutschte Sinnafoch plötzlich weg – und er fiel und fiel und fiel …

2.

Vergangenheit

 

Es waren die ersten Augenblicke seines ersten neuen Lebens, Sinnafochs erste Wiedergeburt.

Sie waren köstlich.

Die Luft schmeckte süß. Sie streichelte seinen Mund und seine Nase, seinen Rachen und seine Lunge. Sinnafoch schmeckte Plastik und den stechenden Duft von Desinfektionsmitteln. Der Vatrox atmete tief ein.

Es war der Hauch des Lebens. Seines zweiten Lebens, dem noch unzählige weitere folgen sollten.

Der Vatrox öffnete die Augen. Licht empfing ihn. Bunte Punkte, die wie Sterne glitzerten, ihm aufmunternd zuzwinkerten.

Sinnafoch hatte es vollbracht. Er hatte seinen Tod überlebt.

»Wie fühlst du dich, Frequenzanwärter Sinnafoch?«, fragte eine Stimme.

»Großartig!« Seine Antwort kam prompt. Er musste nicht über sie nachdenken.

Sinnafoch wandte den Kopf, um zu sehen, wer zu ihm sprach. Das Kissen, auf dem er ruhte, erfühlte die Bewegung, drehte sich mit, um seine Nackenmuskeln zu unterstützen. Der Vatrox blickte in ein grobes, rosiges Gesicht. Es erinnerte ihn an ein Bild, das ein Kind gemalt hatte. Klare Linien, überzeichnet. Die Augen waren zu groß, standen heraus wie die Gummibälle, mit denen Sinnafoch als Kind gespielt hatte. Sie wirkten wie mit Klebstoffstreifen an dem Gesicht angebracht, und als das rosige Wesen sich ihm entgegenbeugte, kullerten sie, drohten sie abzufallen.

»Du brauchst nicht zu erschrecken, Sinnafoch.« Der rosige Mund öffnete sich, gab den Blick auf ein Gebiss mit rechteckigen, identischen Zähnen frei. »Ich bin Referror-172. Ich bin ganz für dich da. Du bist wiedergeboren, Sinnafoch.«

»Ich weiß«, antwortete der Vatrox.

Niemand musste ihm erklären, dass er lebte. Sein Puls schlug hart vor Aufregung, vor Ungeduld auf sein neues Leben.

»Der Plan der Vatrox ist gelungen«, sagte Referror-172. »Ihr seid gestorben, um die Ära der Hyperanomalie unbehelligt zu überdauern. Nun kehrt ihr zurück ins Leben.«

Ich lebe!, dachte Sinnafoch. Ich lebe! »Wie viel Zeit ist vergangen?«, fragte er.

»Nahezu eineinhalb Millionen Jahre«, sagte Referror-172 und hob dabei die plumpen Arme, als wolle er sich für seine Auskunft entschuldigen.

Eineinhalb Millionen Jahre … eine lange Zeit. Eine Zeit, in der ganze Völker zu Intelligenz aufstiegen, ihre Blüte erlebten, zu den Sternen vordrangen und wieder vergingen. Ein unvorstellbar langer Zeitraum für einen gewöhnlichen Sterblichen. Unzählige von ihnen waren geboren worden und wieder vergangen. Staub war zu Leben und wieder zu Staub geworden. Vamu war entstanden und wieder verweht.

Doch für Sinnafoch, für die Vatrox hatten die Jahrmillionen keine Bedeutung. Ihr Vamu, ihre Essenz, war unvergänglich. Es überdauerte Jahrmilliarden, vielleicht sogar das Ende der Zeiten. Nur ihre Körper waren sterblich gewesen – bisher.

»Eine neue Hyperdepression ist angebrochen?«, fragte Sinnafoch.

»So ist es«, bestätigte Referror-172.

Damit begann das Leben von Neuem, das wahre Leben.

Sinnafoch richtete den Oberkörper auf. Er konnte es nicht abwarten, sich in das neue Leben zu stürzen. Er fühlte sich grenzenlos stark.

Mit einer Schnelligkeit, die der Vatrox dem plumpen Wesen nicht zugetraut hätte, ließ Referror-172 seine dicken Arme nach vorne schießen. Sie hielten ihn auf der Liege. Sinnafoch drückte gegen die Arme – sie waren warm und gleichzeitig so hart wie die eines Roboters –, aber er vermochte es nicht, sie nur einen Fingerbreit wegzuschieben.

»Was soll das?«, rief er. »Lass mich los!«

»Ich muss respektvoll widersprechen, Frequenzanwärter Sinnafoch«, entgegnete Referror-172. »Du bist noch schwach.«

»Das bin ich nicht! Ich bin stark!«

»Das glaubst du. Dein neuer Körper, den wir aus der Substanz deines alten geklont haben, ist frisch und unverbraucht, auf der Höhe seiner Leistungsfähigkeit.« Die dicken Arme drückten Sinnafoch sanft, aber unwiderstehlich zurück auf das Polster. »Doch deine Stärke täuscht. Die Verbindung zwischen deinem Vamu und deinem neuen Körper ist noch frisch, instabil. Du musst einige Tage ruhen, bis sie ausgereift ist.«

Es war Unsinn. Sinnafoch spürte es. Er war zurück im Leben. Unwiderruflich. Und selbst wenn er sich irren sollte –