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Geleitwort

Menschen sind unterschiedlich, Menschen haben aber auch sehr viel Gemeinsames. Diese banale Erkenntnis stellt uns tagtäglich vor neue Herausforderungen und vor Probleme: Probleme sind Chancen – in Arbeitskleidung! Eine pragmatische Definition von Problem lautet auch: Abweichung zwischen einem vorgefundenen »Ist« und einem angestrebten »Soll«. Gäbe es diese Abweichung nicht, gäbe es auch die Chance einer Veränderung nicht. Menschen können sich verändern, aber nicht beliebig, sondern – wenn sie authentisch sein wollen – in einem je nach Persönlichkeit mehr oder weniger breit gesteckten Rahmen. Die lang währende Diskussion zwischen den »Vererbungsfetischisten« (alles ist genetisch bedingt) und den »Behavioristen« (die menschliches Verhalten durch Beobachtung der von außen kommenden Reize sowie deren Einflüsse erklären) gilt zwar seit Jahren mit der salomonischen »50 zu 50«-Regel als abgeschlossen; praktisch kann sich im Einzelfall aber durchaus auch eine »20 zu 80«-Regel als zutreffend herausstellen.

Die Unterschiedlichkeit von Menschen und das Akzeptieren dieser Verschiedenheit als eine essenzielle Problematik ist seit geraumer Zeit eine internationale Herausforderung. Erfreulicherweise hat sich 2006 in einer Vielzahl von Nationen eine Unternehmensinitiative mit der Zielsetzung gegenseitiger Akzeptanz entwickelt: Unter der generellen Thematik »Diversity« wurde die »Charta der Vielfalt« deklariert. Diversity war bereits vor Jahrzehnten in den USA – dem ethnischen Schmelztiegel der Welt – ein zentrales Thema, wurde aber meiner Erinnerung nach schon damals nur sehr eingeschränkt, und zwar vor allem im Hinblick auf ethnische Aspekte, betrachtet.

Bezogen auf das Thema dieses Buches – die Persönlichkeitsanalyse – greift auch die »Charta der Vielfalt« noch erheblich zu kurz. Es geht in der Deklaration u.a. darum, zukünftig eine diskriminierende Behandlung von Menschen zu vermeiden. Aufgelistet werden acht »Dimensionen der Verschiedenartigkeit«: Nation, Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, physische Fähigkeiten (Behinderungen), ethnische Zugehörigkeit sowie Religion/ Weltanschauung und Identität. Die Prioritäten werden allerdings durchaus unterschiedlich gesehen: Von 19 im Jahr 2012 befragten DAX-Unternehmen gaben jeweils knapp 20 Prozent »Geschlecht«, »Ethnie« und »Alter«, 15 Prozent »Behinderung« und 10 Prozent der »sexuellen Orientierung« eine Priorität. Das Schlusslicht bildete Religion (8 Prozent).

In der »Charta der Vielfalt« fehlt jedoch das für das Zusammenleben von Menschen entscheidende Kriterium: die Akzeptanz der dem Verhalten zugrunde liegenden unterschiedlichen Charaktere bzw. Eigenschaftsbündel. Genau dieser Aspekt steht bei den Persönlichkeitsanalysen im Vordergrund. Aus diesem Grund stellt die Beschäftigung mit diesem Thema eine wertvolle Bereicherung der Diversity-Diskussion dar und ist darüber hinaus eine entscheidende Hilfe in allen Fragen der Kommunikation sowie in der Personal- und Organisationsentwicklung, für Partnerschaften und für die individuelle Entwicklung und Selbstverwirklichung.

Hierzu kann eine kleine, aber wichtige definitorische Klärung einen grundlegenden Beitrag leisten: In der Regel sprechen wir von »Stärken« und »Schwächen«, meinen aber mit Letzteren vorwiegend eigentlich »Nicht-Stärken«, die subjektiv oft als Schwächen empfunden, aber von der Umwelt nicht als störend wahrgenommen werden. »Schwächen« dagegen – interpretiert als Übertreibungen unserer Stärken – können Beziehungen ggf. erheblich beeinträchtigen. So kann etwa aus einem gesunden Selbstbewusstsein Arroganz entstehen, aus Vielseitigkeit Verzettelung, aus Hilfsbereitschaft ein Helfersyndrom oder aus Ordnungsliebe Pedanterie, um nur je ein Beispiel aus vier grundlegenden Eigenschaftsbündeln zu nennen. Bekannt ist dieses Phänomen auch in der Heilkunde: Es ist eine Frage der Dosis, ob eine Substanz tödlich wirkt oder heilt.

Diese essenzielle Erkenntnis können durchaus alle bewährten Instrumente zur Analyse der Persönlichkeitsstruktur bieten, letztlich auch – wenngleich nicht expressis verbis – die Unterscheidung zwischen Schwächen und Nicht-Stärken: Letztere sind – ebenso wie die Stärken – weitgehend genetisch fundiert, Erstere dagegen »hausgemacht«, also änderungsfähig. Diese Erkenntnis bringt das »Gelassenheitsgebet« – eine uralte Weisheit – sehr eindrucksvoll zum Ausdruck:

Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

»Wir haben die Temperamente«, sagt etwa Goethe: »Wir haben alle vier in uns, aber in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen.« Diese Unterschiedlichkeit bedingt rund sieben Milliarden einzigartige Menschen, die sich alle in ihren Stärken und naturgemäß auch in ihren Nicht-Stärken unterscheiden.

Diese Erläuterungen zur großartigen Gemeinsamkeit aller Menschen waren in der Einführung zur ersten Auflage des Buches »Persönlichkeits-Modelle« enthalten, das ich 2002 gemeinsam mit Lothar J. Seiwert und Martina Schimmel-Schloo im GABAL Verlag herausgegeben habe. Bereits vor über zehn Jahren hat mich die Vielfalt von Persönlichkeitsprofilen – vor allem ihre Bedeutung für den Einzelnen, für die Unternehmen und nicht zuletzt für unsere Wirtschaft und Gesellschaft – fasziniert und zugleich motiviert, eine Übersicht über die seinerzeit marktrelevanten Modelle vorzulegen.

In Helmut und André Jünger, die inzwischen den von mir gegründeten GABAL Verlag übernommen hatten, fand ich für diese Idee aufgeschlossene Verleger und in einem der Starautoren des GABAL Verlags einen kompetenten und am Projekt sehr interessierten Mitherausgeber. Um die Authentizität der unterschiedlichen Konzepte zu gewährleisten, haben wir bereits damals das Prinzip der Selbstdarstellung durch die Protagonisten der einzelnen Instrumente genutzt.

Es sind nunmehr zwar neue und unsere Erkenntnis bereichernde Instrumente hinzugekommen, aber die generelle Aussage gilt nach wie vor: Alle Menschen haben gemeinsame Eigenschaftsbündel, unabhängig davon, ob diese als Dreiermodell präsentiert werden (von Ayurveda bis Struktogramm/ Biostruktur-Modell), als statistisch fundiertes Fünfermodell oder als das jahrtausendealte Viererkonzept der Elemente oder Körpersäfte (Hippokrates) bis zu den Temperamenten von Galenus, worauf sich – mit wenigen Ausnahmen – die heute angebotenen Instrumente weitgehend zurückführen lassen.

Der nun vorliegende deutlich erweiterte und überarbeitete dritte Marktüberblick über die führenden Persönlichkeitsanalysen erfasst etwa die doppelte Anzahl von Instrumenten (statt 11 inzwischen 21). Die Erfahrung zeigt, dass die Ergebnisse unterschiedlicher Instrumente entsprechend unterschiedlich sind: Es gibt nicht »die« beste Analyse, da es jeweils auf Zielsetzung, Methode und Kontext ankommt. Hinzu kommt, dass sich die einzelnen Analysen weder zwangsläufig gegenseitig ausschließen noch bestätigen müssen; sie können durchaus miteinander kombiniert werden, insbesondere, wenn sie Unterschiedliches messen. Es kann nicht ein einziges Instrument geben, das die Persönlichkeit eines Menschen ganzheitlich erfassen kann, es bedarf unterschiedlicher Tools für unterschiedliche Facetten der menschlichen Persönlichkeit. Die Tatsache, dass dieses Buch nun eine große Anzahl unterschiedlicher Instrumente vorstellt, ist ein großer Gewinn für Leser und Anwender.

Mit diesem von Markus Brand, Frauke Ion und Sonja Wittig herausgegebenen Werk wird eine wichtige Hilfe geboten – im Hinblick auf Transparenz und zur Befriedigung menschlicher, darüber hinaus aber auch systemischer Bedürfnisse nach Selbsterkenntnis. Der besondere Nutzen von Persönlichkeitsanalysen ist heute nicht zuletzt darin zu sehen, dass Menschen besseren Zugang zu sich selbst und zu anderen und gerade auch zu deren Unterschiedlichkeit finden – was wiederum auf den Aspekt der Diversity Bezug nimmt. Und hier besteht nicht gerade selten eine Blockade im Kopf, die ich gern wie folgt kennzeichne:

Ich weiß, wie ich denke und fühle – und ich bin normal!
Wenn du anders denkst und fühlst, kannst du doch (logischerweise) nicht normal sein!

Mit diesem Standardwerk dürfte es nicht zuletzt gelingen, Dogmatismus und Konkurrenzdenken aufzubrechen – beides Dinge, die im Markt der Persönlichkeitsanalysen nach wie vor anzutreffen sind. Darüber hinaus kann ein Beitrag dazu geleistet werden, künftig noch stärker über die Schwelle einer einzelnen Persönlichkeitsanalyse hinaus zu denken und stärker auf einen synergetischen und vernetzten Zugang zu setzen. Mithilfe einer möglichst passgenauen, diagnostikgestützten Personal- und Persönlichkeitsentwicklung kann Einzelpersonen, Teams und Organisationen zu mehr Erfolg und Zufriedenheit verholfen werden, etwa im Sinne der Definition im STUFEN-Konzept:

Erfolg ist die Zufriedenheit aufgrund von Art und Grad der Zielerreichung.

Zufriedenheit ist auch die Grundlage für körperliche und seelische Gesundheit. Insoweit erscheint es mir bemerkenswert, dass Martin Seligman, Urheber der Positiven Psychologie, seinen Zielbegriff »Glück« in »Zufriedenheit« geändert hat. Dieses Ziel dürfte auch für die vorliegende Publikation gelten. Das Werk kann darüber hinaus eine Grundlage sein für weitere Diskussionen über »Sinn und Unsinn der Nutzung von Persönlichkeitsanalysen in der Weiterbildung« – wozu bei einer von den Herausgebern initiierten Podiumsdiskussion auf der GSA Convention 2014 bereits ein Anfang gemacht wurde.

Prof. Dr. Hardy Wagner

Ehrenvorsitzender GABAL e.V., Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung STUFEN zum Erfolg

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Vorwort der Herausgeber

Liebe Leserin, lieber Leser,

• Wer bin ich?

• Wer bist du?

• Wer sind wir?

Diese drei Fragen begleiten uns seit Jahren. Als Experten für diagnostikbasierte Personal- und Persönlichkeitsentwicklung unterstützen wir Menschen, Teams und Organisationen dabei, ihre Persönlichkeit durch verschiedene Instrumente zu erfassen, ihre Individualität auf unterschiedlichen Ebenen zu erkennen und persönlichkeitsgerechte Maßnahmen für mehr Leistung und Zufriedenheit zu entwickeln.

Seit 2004 beschäftigen wir uns mit der Theorie der 16 Lebensmotive nach Steven Reiss. Wir waren begeistert von den neuen Erkenntnissen, die diese Analyse uns aufzeigte, konnten auch unsere Kunden dafür begeistern und schlussendlich andere Trainer, Coaches und Berater für die Nutzung des Reiss Profiles® ausbilden. Mit der Zeit aber wurde uns klar, dass das Reiss Profile® nur einen Teil der menschlichen Persönlichkeit analysiert und abbildet, die so individuell und komplex wie ein Fingerabdruck ist. Also begaben wir uns auf die Suche nach weiteren zielführenden und ergebnisbringenden Analysetools. Inzwischen arbeiten wir erfolgreich mit mehreren diagnostischen Instrumenten – und das hat uns motiviert, ein Buch über die Vielfalt der Persönlichkeitsanalysen herauszugeben. Das Resultat halten Sie heute in den Händen.

Wir wollen damit nicht werten oder beeinflussen, sondern vielmehr darüber aufklären, dass jedes Tool seine Berechtigung hat und unterschiedliche Aspekte, Bereiche und Facetten der Persönlichkeit analysiert und abbildet.

Machen Sie sich mit diesem Werk Ihr eigenes Bild. Finden Sie das Instrument, das zu Ihrer Situation am besten passt, um mehr über sich selber und andere zu erfahren. Erkennen und verstehen Sie, dass jeder anders ist, aber anders gut und damit eine Bereicherung für unser Leben.

Häufig werden wir gefragt: Warum ist der Einsatz von Persönlichkeitsanalysen überhaupt sinnvoll? Warum sollte ich als Geschäftsführer, Unternehmer, Führungskraft, Personalentwickler oder Privatperson in den Einsatz von diagnostischen Instrumenten investieren? Ist das nicht alles nur »Psychokram«, der mir für teures Geld aufzeigt, was ich sowieso schon weiß?

Oft sind die Erkenntnisse aus den Persönlichkeitsanalysen eine Darstellung dessen, was wir zwar schon wussten, aber nicht richtig benennen konnten. Das ist auch gut so, denn niemand kennt uns besser als wir uns selbst. Wir sind der unangefochtene Experte für unsere eigene Persönlichkeit, schließlich leben wir seit unserer Geburt mit ihr.

Allgemein hat der Einsatz von Persönlichkeitsinstrumenten mehrere große Vorteile:

• Die Ergebnisse sind wissenschaftlich fundiert und verschaffen uns damit eine ganz neue Sicht darauf, wer wir sind und worin wir uns voneinander unterscheiden.

• Persönlichkeitsanalysen machen das sichtbar, was wir vielleicht vorher nur geahnt haben. Durch sie sehen wir »bunt auf weiß«, was uns auszeichnet und uns besonders macht.

• Die Modelle fassen das in Worte, wofür wir vorher meistens keine Sprache hatten. Was oft nur »so ein Gefühl« oder ein »besser kann ich das nicht beschreiben« war, kann nun klar benannt werden – sodass wir z.B. anderen besser mitteilen können, wie wir sind.

• Diagnostische Instrumente machen bewusst nutzbar, was wir vorher nur unbewusst oder passiv eingesetzt haben. Wenn wir uns unserer Werte, Motive, Stärken, Verhaltenspräferenzen etc. bewusst werden, können wir unser Leben, unser Umfeld und unsere Aufgaben gezielt darauf ausrichten. Wir können eine bestmögliche Passung herstellen und uns anderen gegenüber so verhalten, wie es hilfreich ist.

Kein Wunder also, dass mittlerweile jeder dritte Coach, Trainer und Berater für mindestens ein Persönlichkeitsinstrument ausgebildet ist, jeder vierte zwei Tools nutzt und jeder fünfte sogar im Besitz von drei oder mehr Lizenzen ist.* Die Vorteile sind für alle Beteiligten vielseitig:

• Der Trainer, Coach bzw. Berater erhält durch den Einsatz von Persönlichkeitsanalysen und -modellen ein wissenschaftlich solides und objektives Fundament, um darauf die weitere Zusammenarbeit aufzubauen und maximale Passgenauigkeit zu erreichen. Ob es um Themen wie Führung, Kommunikation, Vertrieb, Service, Gesundheit oder Lebensbalance geht – Persönlichkeitsinstrumente ermöglichen es ihm, die persönliche Relevanz zu steigern und jeden mittelbar oder unmittelbar am Prozess Beteiligten mit ins Boot zu holen.

• Der einzelne Teilnehmer erhält die Möglichkeit, sich selbst zu reflektieren und im Sinne eines »Stärken stärken«-Paradigmas mit seiner Persönlichkeit zu arbeiten, anstatt gegen sie. Darüber hinaus wird er darin unterstützt, andere besser zu verstehen und zu erkennen, dass sie zwar anders sind – aber anders nicht unbedingt besser ist, sondern sich gerade aus der Diversität viele Chancen und Synergien entwickeln können.

• Ähnlich verhält es sich, wenn Persönlichkeitsinstrumente bei Teams eingesetzt werden: Die Teilnehmer erfahren und besprechen, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede die Teamkultur prägen. Sie lernen, diese zu erkennen und konstruktiv zu nutzen.

• Auch für Unternehmen und Organisationen ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten. Passgenaue Personalauswahl, zielgruppenspezifisches Personalmarketing und kulturgerechtes Changemanagement sind nur einige der Chancen, die sich aus Ergebnissen der eingesetzten Persönlichkeitstools ergeben. Leider ist das Wissen über den Nutzen dieser Tools in vielen Unternehmen und Organisationen noch begrenzt.

Lange Zeit standen beim Einsatz von Persönlichkeitsinstrumenten vor allem folgende Fragen im Vordergrund:

• Wer bin ich?

• Wie ticke ich?

• Was zeichnet mich aus?

• Was macht mich besonders?

• Und wie kann ich das für meine Ziele nutzen?

Das sind wichtige Fragen, ohne Zweifel. Aber wir wollen noch einen Schritt weiter gehen. Für uns geht es immer auch darum, die eigene Persönlichkeit nicht nur zur persönlichen Selbstoptimierung genauer in den Blick zu nehmen. Wer nur bei sich bleibt, wird immer nur mit einer eingeschränkten Perspektive auf die Welt schauen:

»Wir alle treffen – mit unterschiedlichen Bedürfnissen, Sicht- und Verhaltensweisen in unserem ›Lebensrucksack‹ – auf andere Menschen und setzen erst einmal voraus, dass unsere Bedürfnisse, Verhaltens- und Sichtweisen die einzig logischen sind. Wir blicken aus unserer Perspektive heraus auf die Welt und können nicht verstehen, wie für den anderen ein Würfel plötzlich rechteckig sein kann.«**

Wer wirklich erfolgreich sein will, sollte seinen Blick daher immer auch auf die anderen richten. Die goldene Regel mag vielleicht lauten: »Behandele andere so, wie du selbst behandelt werden willst.« Aber die Platin-Regel kann nur der beschreiten, der sich von seiner eigenen Persönlichkeit löst und weiter blickt: »Behandele andere so, wie sie behandelt werden wollen.«

Persönlichkeitsanalysen und -modelle sind für uns zentrale Wegweiser dorthin. Sie bieten uns einen Rahmen, Kategorien und Anregungen, um über Fragen wie

• Wer bist du?

• Wie tickst du?

• Was zeichnet dich aus?

• Was macht dich besonders?

• Und wie kann ich das für meine Ziele nutzen?

nachzudenken. Manchem mag insbesondere die letzte Frage manipulativ erscheinen. Für uns hat das aber nichts damit zu tun, unser Wissen oder unsere Einschätzung des anderen ausschließlich für die eigenen Zwecke zu nutzen. Letztlich geht es doch immer um die Interaktion und das Miteinander, das über eine bessere Kenntnis des jeweils anderen verbessert und gestärkt wird. Erst wer über sein eigenes ICH nachdenkt und dann das DU in den Blick nimmt, kann schließlich das WIR fokussieren:

• Wer sind wir?

• Wie ticken wir?

• Was zeichnet uns aus?

• Was macht uns besonders?

• Und wie können wir das für unsere Ziele nutzen?

Erst wenn wir an einem Punkt sind, an dem wir uns selbst genau kennen und den anderen in seiner Individualität erfassen können, haben wir die Möglichkeit, Gemeinsamkeiten und Unterschiede maximal synergetisch zu nutzen.

Vielleicht fragen Sie sich an dieser Stelle, warum wir dann in diesem Buch ganze 21 Instrumente vorstellen. Könnte nicht auch ein Instrument all diese Fragen beantworten? Die Antwort darauf ist: Nein. Es gibt nicht den einen Ansatz, der immer und grundsätzlich das Nonplusultra ist. Jedes Instrument hat seine ganz eigene Herangehensweise, spezifische Anwendungsschwerpunkte und Vorteile.

Stellen Sie sich vor, die menschliche Persönlichkeit wäre eine Werkzeugkiste. Wenn wir darin nur einen Hammer vorfinden, werden wir überall Nägel sehen und draufhauen. Erst wenn wir einen Schraubenzieher haben, können wir auch Schrauben in Wände drehen. Und erst ein Zollstock ermöglicht es uns, den optimalen Abstand zwischen zwei Nägeln oder Schrauben zu bestimmen.

Mit diesem einfachen Bild wollen wir aufzeigen, wie vielschichtig die menschliche Persönlichkeit ist. Je nach Kontext, Teilnehmern, Zielsetzung und Rahmenbedingungen kann mal das eine, mal das andere und manchmal auch eine Kombination verschiedener Instrumente die höchste Erfolgswahrscheinlichkeit bieten. Trainer und Coaches, Personalentwickler und Führungskräfte benötigen daher eine gut ausgestattete Werkzeugkiste, aus der sie sich je nach Klient und Situation individuell bedienen können. Denn wenn wir nur einen Hammer haben, sieht auch alles aus wie ein Nagel.

Mit der Vorstellung verschiedener Instrumente möchten wir Sie in diesem Buch einladen, selbst herauszufinden, welches Instrument oder welche Modellkombination zu Ihren Zwecken und Ihrer Zielgruppe am besten passt. Es lohnt sich, nicht nur eines, sondern mehrere Instrumente in den Blick zu nehmen und Ihre persönliche Zielsetzung durch die verschiedenen Tool-Perspektiven zu betrachten. Wir sind uns sicher: Jedes Instrument wird einen neuen und interessanten Aspekt eröffnen. Nicht ohne Grund konnte bisher keine der aktuell in Deutschland genutzten Persönlichkeitsanalysen eine den Markt dominierende Stellung erreichen.***

Daher dieses Buch. Unser Ziel ist es, einerseits die Vielfalt der verfügbaren Instrumente in Deutschland darzustellen und Ihnen andererseits eine Entscheidungshilfe an die Hand zu geben, welcher oder welche Ansätze am besten zu Ihnen passen. Wie wir das schaffen wollen?

Auf den nächsten Seiten erläutert zunächst Benjamin Schulz, welche Vorteile Persönlichkeitsanalysen für die Marktpositionierung von Trainern, Coaches und Beratern haben. Als Geschäftsführer von werdewelt, Agentur für Personalmarketing, verfügt er über langjährige Erfahrung in Sachen Personal Branding und strategische Positionierung in der Weiterbildungsbranche. Anschließend werden Ihnen die führenden Experten und Lizenzinhaber ihr jeweiliges Tool (in alphabetischer Reihenfolge) vorstellen.

Mit Feedback2you und dem Kernquadrat lernen Sie abschließend noch ein Instrument zum 360-Grad-Feedback und ein Modell zur Persönlichkeitsreflexion ohne einen klassischen, testtheoretisch aufgebauten Fragebogen kennen.

Alle Beiträge folgen einem standardisierten Aufbau, damit Sie in kürzester Zeit zu den für Sie relevanten Informationen gelangen können:

1. Allgemeine Darstellung

2. Entstehungsgeschichte

3. Wissenschaftlicher Hintergrund

4. Profilerstellung

5. Selbsteinschätzung

6. Anwendung

7. Lizenzierung, Akkreditierung oder Ausbildung

8. Zusammenfassung

9. Literatur

Jedes dieser Kapitel steht für sich, sodass Sie jederzeit zu dem Teil gelangen können, der Sie am meisten interessiert.

Außerdem haben wir darauf geachtet, dass Sie mithilfe umfangreicher Anwendungsbeispiele aus der Praxis (jeweils kursiv gedruckt) und Anregungen zur Selbsteinschätzung direkt einen Bezug zu Ihrer Persönlichkeit, zu Personen aus Ihrem Umfeld, zu Ihrem Unternehmensalltag und zu Ihrer persönlichen Zielsetzung herstellen können.

Falls Sie sich gerne tiefer gehend mit den einzelnen Ansätzen vertraut machen möchten, schauen Sie doch auf die Websites der jeweiligen Autoren oder besuchen Sie unsere Website zum Buch. Unter www.handbuch-persoenlichkeitsanalysen.de stellen Ihnen viele der Autoren vertiefende Materialien zum kostenlosen Download zur Verfügung.

Nicht zuletzt geben wir und die Autoren Ihnen die Möglichkeit, viele der vorgestellten Persönlichkeitsinstrumente zu einem rabattierten Preis kennenzulernen. Eine Übersicht aller Rabatte und Informationen dazu, wie Sie Ihre Rabatte einlösen können, finden Sie ebenfalls unter www.handbuch-persoenlichkeitsanalysen.de.

Abschließend möchten wir noch die Gelegenheit nutzen, uns bei all jenen zu bedanken, ohne die dieses Buch niemals seinen Weg in Ihre Hände gefunden hätte:

• Den Autoren Dr. René Bergermaier, Andreas Bornhäußer, Dr. Elke Brenstein, Jos Donners, Friedbert Gay, Malin Gebken, Hans-Georg Geist, Uwe Göthert, Dr. Harald Hauschildt, Silke Hermann, Wernfried Hübschmann, Eberhard Jung, Dieter Kannenberg, Rainer Krumm, Stefan Laebe, Mathis Martin, Regine Martin, Christoph Nagler, Stefan Oppitz, Dr. Lana Ott, Oliver Reindl, Frank M. Scheelen, Juergen Schoemen, Ben Schulz, Jürgen Schuster, Thomas Staller, Maike Stöckel, Stephan van der Vat, Dr. Ulrich Vogel und Renate Wittmann für ihre Expertise, ihre Offenheit, die professionelle Zusammenarbeit und die gelungenen Beiträge. Wir freuen uns auf den weiteren Austausch!

• Dem Team des GABAL Verlags, insbesondere Ute Flockenhaus, für die hervorragende Begleitung und Unterstützung – bei diesem Buch und unseren anderen Veröffentlichungen.

• Britta Dickten, Kathrin Piepenbrock, Lena Sablowski und Ursula Stenzel vom Institut für Persönlichkeit. Ohne euch wäre dieses Buch und so vieles mehr noch nicht einmal im Ansatz möglich gewesen. Vielen Dank für euer Engagement, eure Ideen und eure Tatkraft!

Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, wünschen wir nun viel Freude bei der Lektüre. Wenn Sie nachfolgend in der männlichen Form angesprochen werden, dann ist dies natürlich ausschließlich der besseren Lesbarkeit geschuldet. Wir hoffen, dass Sie ein interessantes Leseerlebnis haben und einige spannende neue Erkenntnisse über Persönlichkeitsanalysen und -modelle allgemein, aber auch über sich selbst und Ihr Umfeld gewinnen können.

Herzlichst,

Markus Brand, Frauke Ion und Sonja Wittig

Anmerkungen

* Vgl. Graf, Jürgen: Potente Persönlichkeitsmodelle. Methodenstudie Weiterbildungsszene 2014. In: Training aktuell, Juni 2014, S. 6

** Ion, Frauke: Ich sehe was, was du nicht siehst. Durch Perspektivenwechsel zu besseren Ergebnissen. Offenbach: GABAL 2014, S. 13

*** Vgl. Graf, Jürgen: Potente Persönlichkeitsmodelle. Methodenstudie Weiterbildungsszene 2014. In: Training aktuell, Juni 2014, S. 6–9

Ben Schulz
Analysetools & Personal Branding

Ohne Tools läuft nichts

Während Coaches und Trainer immer stärker Analyseinstrumente für Themen wie Führungskräfte- oder Teamentwicklung, Leadership, Headhunting, Prozessoptimierung, Recruiting, Change usw. einsetzen, sind diese Tools auch im Personenmarketing mittlerweile unverzichtbar. Erhebliche Pluspunkte dabei sind Transparenz, Verständlichkeit und Praxistauglichkeit – bei den Anwendern wie bei den Kunden. Dieser Trend wird in Zukunft weiter wachsen und Weiterbildnern den Erfolg für morgen sichern.

1. Analysetools für die Arbeit mit Kunden

Dass Analysetools für Unternehmen immer interessanter werden, beobachten Experten schon seit Langem. Entscheider haben längst erkannt, dass es angesichts der zunehmenden Komplexität der Welt überhaupt nicht mehr möglich ist, ohne zusätzliche Hilfsmittel Ursachen aufzudecken, geschweige denn, die nötigen Schritte in die Wege zu leiten. Meist handelt es sich bei den Themen lediglich um Teilbereiche eines großen Ganzen. Um dieses darzustellen bzw. zu verstehen, werden Tools so dringend gebraucht.

Der Ruf nach gewissen Minimalanforderungen an heutige Analysetools kommt daher nicht nur von den Trainern, Coaches und Beratern, die für ihre Kunden jeweils passende Tools einsetzen, sondern primär von den Auftraggebern selbst.

Diese wollen verständlicherweise auf der einen Seite die Analyse und deren Durchführung verstehen und auch nachvollziehen können. Auf der anderen Seite wollen sie natürlich wissen, was sie mit den Ergebnissen in der Praxis anfangen können, und fragen sich z.B.: Was sind die nächsten Schritte? Was bedeutet das für die Mitarbeiter und die Zukunft des Unternehmens? Sie wollen »sichtbar machende« Tools, die Prozesse vereinfachen und klar herausarbeiten, was zu tun ist. Auf diese Weise ist es auch eher möglich, die ganze Belegschaft für eine Sache zu gewinnen. Nur wer auch versteht, was wie und vor allen Dingen warum unternommen werden muss, kann selbst einen wichtigen Beitrag leisten, der zum Gelingen eines Projekts beiträgt.

2. Analysetools für Weiterbildner

Für Weiterbildner stellen Analysetools wichtige Hilfsmittel dar, die mittlerweile aus einer fundierten Berater- bzw. Trainerarbeit nicht mehr wegzudenken sind. Hier bedienen sich die externen Experten gerne unterschiedlicher Tools, die je nach Anwendung oder Einsatz miteinander kombiniert werden können.

Speziell von Weiterbildnern im beratenden Sektor wird mittlerweile sogar erwartet, dass sie ihre »Analysepakete« gleich mitliefern, weiß z.B. Jürgen Kluge, der ehemalige Deutschlandchef von McKinsey & Co (Risch, 2014). Dabei ist es den Kunden besonders wichtig, dass die verwendeten Tools gleich auf ihr Unternehmen zugeschnitten sind. Gleichermaßen wichtig sind Auftraggebern die Themen Transparenz und Praxistauglichkeit, denn schließlich sollen die Ergebnisse der Analysen direkte Erkenntnisse darüber liefern, was als Nächstes auf der To-do-Liste stehen muss.

Sobald mehrere Tools gemeinsam für eine Auswertung herangezogen werden, um sich ein Gesamtbild verschaffen zu können, sollte nach möglichen Schnittstellen gesucht werden, die mehrere Ergebnisse zusammentragen und zu einem großen Ganzen zusammenfassen.

Wichtig ist dabei immer: Der Kunde muss die Prozesse nachvollziehen können und verstehen, was das im Doing für ihn bedeutet und wie er mit den gewonnenen Daten weiter vorgehen kann. Hier haben Coaches und Trainer die Möglichkeit, ihre Ideen zur Entwicklung eines eigenen Tools mit einzubringen. Auf diese Weise bieten sie dem Kunden nicht nur einen individuellen Mehrwert für dessen Alltag und die Umsetzung in die Praxis, sondern heben sich auch gegenüber ihren Mitbewerbern im Markt ab.

3. Tools für Personal Branding – Marketing für Berater, Trainer & Coaches

Was haben Analysetools nun mit Personal Branding zu tun? So wie ein Trainer, Berater oder Coach diese Instrumente für die Diagnostik einsetzt, um anschließend mit einzelnen Personen, wie z.B. Führungskräften, Teams oder ganzen Unternehmen zu arbeiten, setze ich Analysetools für die Vermarktung von Personen ein. Hier geht es darum, eine Person so im Markt zu positionieren, dass sie als Experte wahrgenommen wird und dabei die eigene Identität leben kann.

Für Personal Branding setze ich sogenannte Strategietage ein, an denen das Thema »Identität« zum Kernpunkt wird. Darauf bauen die nächsten Schritte für Marketingmaßnahmen etc. auf. Hier setze ich u.a. Persönlichkeitsanalysen ein, um mit meinen Klienten herauszuarbeiten, wie sie »ticken«, wo ihre Stärken liegen und wie sie diese gekonnt einsetzen können – aber auch, wo Schwächen liegen und wie sie mit ihnen umgehen. Mithilfe dieser Analyseergebnisse arbeite ich im nächsten Schritt heraus, bei welchem Thema sie ihren persönlichen Schwerpunkt finden, wofür »ihr Herz brennt« und was sie damit nach außen kommunizieren möchten.

Ein aktuelles Problem auf dem Markt der Weiterbildner ist, dass sich sehr viele Berater, Trainer und Coaches mit einer Art »Bauchladen« im Markt präsentieren. Sie bieten eine umfangreiche Palette an Themen an, um möglichst viele potenzielle Kunden anzusprechen. Das »verwässert« den Markt und bringt gleich zwei Probleme mit sich:

• Diese Anbieter sind keine absoluten Experten auf einem Gebiet, sondern beherrschen mehrere Themen lediglich mittelmäßig.

• Für potenzielle Kunden gestaltet sich damit die Suche nach einem Experten für ihr Anliegen extrem schwer.

Durch erfolgreiches Personal Branding erreichen meine Kunden eine Spezialisierung. Je klarer sie sich mit ihrem Bereich im Markt positionieren, desto einfacher werden sie von Kunden gefunden, und sie reduzieren gleichzeitig Anfragen für jene Bereiche, die sie nicht abdecken.

Aus meiner Erfahrung gelingt erfolgreiches Personal Branding nur nach dem Prinzip der »artgerechten BodenHaltung« – ein Begriff, der sich aus dem Dreiklang »artgerecht«, »Boden« und »Haltung« zusammensetzt.

• »Artgerecht« bedeutet, seine Werte leben zu können und niemals vorzugeben, jemand zu sein, der man nicht ist. Sich täglich »verstellen« zu müssen, gelingt auf Dauer nicht, weil die Identität nicht gelebt werden kann.

• »Boden« steht für alle Gesetzmäßigkeiten, die nun einmal gegeben sind, damit ein System funktioniert. Zahlen, Daten und Fakten haben z.B. in einem Unternehmen ihren Stellenwert. Sie sind Teil des Systems und müssen akzeptiert werden.

• »Haltung« steht gleich für zwei Dinge. Zum einen hat jeder Weiterbildner eine große Verantwortung gegenüber Klienten und Kunden. Jeder Einzelne sollte nur das verkaufen und versprechen, was er auch halten kann. Zum zweiten gibt es die ebenso große Verantwortung gegenüber der Branche, in der man sich bewegt.

Analysetools sind wichtige Instrumente für meine Arbeit: die Positionierung der »Marke Ich«. Sie liefern interessante Ergebnisse, aus denen ich wichtige Erkenntnisse ableiten kann, die letztlich meinen Kunden zu einer starken Marke werden lassen.

In meiner Arbeit erlebe ich oft, dass ein Trainer, Berater oder Coach ein eigenes, gutes Tool entwickelt hat. In diesem Zusammenhang begleite ich Weiterbildner dabei, solch ein Tool zu konzipieren, zu professionalisieren und zu vermarkten – sowie es onlinefähig aufzubereiten und so zu positionieren, dass sie mit ihrem Alleinstellungsmerkmal einen professionellen Mehrwert für ihren Kunden bieten.

4. Personal Branding in der Praxis: drei Beispiele

Im Personenmarketing steht als elementarer Punkt am Anfang meiner Arbeit mit einem Klienten das Thema »Identität«. Was motiviert ihn, diesen Job zu machen? Was war für ihn zehn Jahre zuvor der Auslöser, in die Selbstständigkeit zu gehen? Dazu ein paar Beispiele aus der Praxis.

Wenn sich eine Person »verkauft«, steht hinter dem, was sie tut, nicht einfach nur ein Job. Dahinter steht etwas, für das sie einmal gebrannt hat, wofür sie sich aus tiefstem Herzen eingesetzt hat. Doch was passiert im Laufe der Zeit? Dieses ursprüngliche Feuer brennt immer weiter herunter, bis es nur noch eine kleine Flamme ist, die leise vor sich hin knistert. Die anfängliche Leidenschaft ist zum Trott geworden und man stellt sich keine Fragen mehr. Lust und Spaß können verloren gegangen sein.

Auf meine Frage »Was ist eigentlich dein Motivator für dich selbst und für den Job, den du machst?« fällt meinen Klienten die Antwort meist sehr schwer. Sie müssen zurückdenken und den Ursprung für die Antwort finden, der mittlerweile mehrere Jahre zurückliegt. Was war damals der energetische Sog? Was hat sie damals zu diesem Schritt veranlasst? Was ist emotional passiert, welche Leidenschaft und Energie steckten ursprünglich dahinter? Und dann die Frage, was mit dieser Leidenschaft und Energie zwischenzeitlich passiert ist.

Beim Thema »Personenmarketing« versuche ich, meine Klienten zum Ursprung zurückzuholen. Dafür setze ich das Reiss Profile® ein, mit dem ich die persönlichen Motivatoren herausfinden kann, also alles, was meinem Klienten wichtig ist. Diese können u.a. sein: Einflussnahme, Anerkennung, Ansehen, Status oder Beziehung. Stehen die Motivatoren fest, lege ich den Fokus auf deren Inhalte und erarbeite mit meinem Klienten Möglichkeiten und Wege, sie so in sein Business zu integrieren, dass er diese Inhalte in der Selbstständigkeit leben und daraus wieder Energie ziehen kann.

Gemeinsam mit meinem Klienten erarbeite ich so sechs bis zehn Schlüsselwörter, die zu den Ursprüngen führen. Das Reiss Profile® verschafft mir also einen Einblick darüber, was ursprünglich die Antreiber und Motivatoren für meinen Kunden gewesen sein können, diesen Job zu machen. Mit diesem Wissen bekommt man als Berater oder Coach ein ganz anderes Gefühl für den Menschen. Die Herausforderung besteht darin, ihm den Blick zu seinem Ursprung zu ermöglichen, damit diese Energie wieder angezapft werden kann. Die Erkenntnisse aus der Reiss-Analyse unterstützen mich dabei, dieses Wissen ins Doing zu integrieren.

Geht es meinen Klienten um den Umgang mit Kunden, Kollegen, Vorgesetzten etc., liefert mir das Analysetool »9 Levels of Value Systems« wichtige Informationen. Der Hintergrund ist folgender: Immer wenn zwei Menschen aufeinandertreffen, findet ein Abgleich auf Basis ihrer Wertesysteme statt. Dieser Abgleich läuft permanent unbewusst im Hintergrund, und zwar durch Bildsprache, Kommunikation, Inhalt und Haltung. Während dieses Vorgangs lässt das Gehirn ein Bild bzw. ein Raster entstehen, was sich wiederum in einem Gefühl ausdrückt:

• Passt der zu mir?

• Können wir miteinander?

• Kann ich ihm vertrauen?

Da sich Menschen bevorzugt in der Umgebung solcher Menschen wohlfühlen, deren Wertesystem ihrem eigenen ähnlich ist, kann es bei unterschiedlich ausgerichteten Wertesystemen zu Missverständnissen und Konflikten kommen. Mit 9 Levels bekomme ich einen Überblick über das Werteverständnis meiner Klienten. Dabei stellen wir die Kernwerte zusammen, die ihm z.B. im Umgang mit Kunden wichtig sind. Bei den drei bis vier am höchsten ausgeprägten Werten setze ich an und beginne zu konkretisieren: Welches sind die auf seinem Wertelevel intensivsten Werte? Welche Auswirkungen hat das auf seinen Umgang mit Kunden, um in dem genannten Beispiel zu bleiben?

Befindet sich mein Klient z.B. auf dem Level Orange und zu seinen drei am höchsten ausgeprägten Werten gehören Karriereorientierung, Leistung und Wettbewerb, kann sein wertebedingter Drang, Ziele kurzfristig erreichen zu wollen, den Kunden unter Druck setzen. Die Erkenntnisse daraus setze ich dann wieder ins Doing um: Was muss sich eventuell verändern, damit der Umgang mit Kunden wieder passt? Bei solchen und ähnlichen Fragestellungen hilft mir das Analysetool 9 Levels.

Je nach Anforderung setze ich auch beide Analyseinstrumente in Kombination ein. Geht es meinem Klienten z.B. um Vertriebsaktivitäten, gibt mir das 9 Levels-Analysemodell eine Auswertung über sein Werteverständnis, und ich kann herauslesen, welche Bedingungen gegeben sein müssen, damit er sich in diesem Kontext wohlfühlt und es für ihn »artgerecht« ist. Das kann das lockere Zwiegespräch in angenehmer Atmosphäre sein, aber auch die harte Kaltakquise am Telefon. Andere kommen erst dann richtig auf Touren, wenn der Kunde »Nein« sagt. Dabei gibt es kein Rechts oder Links, Richtig oder Falsch. Es geht darum festzustellen, was dem Klienten liegt und was für ihn persönlich richtig und wichtig ist. Die Spannbreite dafür ist wahnsinnig groß.

Setze ich zusätzlich noch das Reiss Profile® ein, erfahre ich etwas über seine persönlichen Motivatoren und kann dieses Wissen mit den Erkenntnissen aus der 9 Levels-Auswertung kombinieren. Dann weiß ich, was ihm Energie gibt, und fokussiere mich als Nächstes auf die Frage, wo es solche Settings geben könnte, und auf die Herausforderung, diese zu finden.

Stellen sich bei einem Vertriebler z.B. die Reiss®-Motive »Essen« und »Beziehungen« als hoch ausgeprägt heraus, kann man daraus ein Vertriebsmodell erarbeiten, das beides kombiniert: Der Vertriebler lädt potenzielle Kunden an einen Ort seiner Wahl ein – das kann bei ihm zu Hause sein, in einem Hotel oder in seinem Büro –, wichtig ist, dass er sich in dieser Umgebung wohlfühlt. Dort gibt es dann beispielsweise Aperol und Häppchen und das Networking kann beginnen. Die meisten Abschlüsse werden bei ihm in dieser Umgebung stattfinden, weil er sich unter diesen Bedingungen wohlfühlt. Eine Kaltakquise am Telefon würde für einen Vertriebler mit diesen Motiven überhaupt nicht funktionieren.

5. Zusammenfassung

Analysetools sind für Unternehmen und Weiterbildner unverzichtbar geworden. Auch in unserem Schwerpunkt, dem Personal Branding, läuft ohne Tools nichts. Sie ermöglichen es uns, noch schneller und noch gezielter an Antworten zu kommen. Indem sie das große Ganze erleb- und anfassbar machen, tragen sie zu Transparenz und Verständlichkeit bei.

6. Literatur

Brand, Markus; Ion, Frauke (Hrsg.): Die 16 Lebensmotive in der Praxis. Training, Coaching und Beratung nach Steven Reiss. Offenbach: GABAL 2011

Krumm, Rainer: 9 Levels of Value Systems. Haiger: werdewelt Verlags- und Medienhaus 2014

Risch, Susanne: Nur kein Mitleid. Interview mit Jürgen Kluge. In: brandeins, Thema: Unternehmensberater – vom Besserwisser zum Bessermacher, Ausgabe 1, Mai 2014

Schulz, Benjamin: 30 Minuten: Personality. Offenbach: GABAL 2015

Schulz, Benjamin: Marketing Heroes never die! Erfolgspower für Coachs, Trainer und Berater. Zürich: Midas Management 2013

Schulz, Benjamin: Raviolität – Identität oder Quatsch mit Soße? Haiger: werdewelt Verlags- und Medienhaus 2012

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Rainer Krumm
9 Levels of Value Systems

Wertesysteme von Personen, Gruppen und Organisationen messbar machen

Werte sind unsere ständigen Begleiter in allen Lebenssituationen und haben einen entscheidenden Einfluss auf unser Denken und Handeln: Sie treiben uns unbewusst an, geben die Richtung vor, steuern unsere Entscheidungen usw. So essenziell Werte für das eigene Verständnis, das der anderen Menschen und der Welt um uns herum sind, so schwierig war es bisher, diese Werte zu verstehen und zu »greifen«.

Mit »9 Levels of Value Systems« gibt es nun ein Werkzeug für die Analyse von Wertesystemen – wissenschaftlich fundiert, pragmatisch und ideal für die Anwendung in der Praxis. 9 Levels erfasst die Wertesysteme von Personen, Gruppen und Organisationen, bereitet diese in Zahlen auf und bildet die Grundlage für die nächsten Schritte in der Beratung, im Training oder fürs Coaching. Es ist ein Modell, das die ständige Veränderung der Welt mit ihrer ganzen Dynamik abbilden kann und tiefer greifende Erklärungsansätze liefert, als es bisher möglich war.

1. Allgemeine Darstellung

Die Bedeutung von Werten ist allgemein bekannt, und die meisten Firmen haben heute das Ziel, ihre Unternehmenswerte nicht nur offen zu kommunizieren, sondern sie auch zu leben. Werte sind für die meisten Menschen allerdings sehr schwer zu »greifen«. Mit der Entwicklung der 9 Levels of Value Systems hat sich das geändert. Dieses Analysetool ermöglicht es uns, die Denk- und Verhaltensweisen von Personen, Gruppen oder Teams und Unternehmen bzw. Organisationen zu erkennen und sichtbar zu machen sowie die Entwicklung von Wertesystemen darzustellen. Das Ergebnis einer Werteauswertung lässt uns z.B. erkennen, ob eine Person in ein Unternehmen passt, ob ein Team die aktuelle Aufgabe bewältigen kann oder ob ein Unternehmen den sich verändernden Herausforderungen des Marktes auch noch in Zukunft gewachsen sein wird. 9 Levels weckt das Verständnis für sich selbst als Einzelner, als Mitglied eines Teams oder eines Unternehmens sowie für die aktuelle Situation – und auch dafür, wie und warum andere Menschen, Abteilungen und Organisationen genau so sind, wie sie sind.

Die drei Perspektiven – Personen, Teams, Organisationen – werden über drei unterschiedliche Systeme erfasst:

• Personal Value System: analysiert die Person und ihr Wertesystem mit Fokus auf einen Lebensbereich. Dabei werden die unterschiedlichen Wertesysteme je nach Rolle oder Aufgabe analysiert und ausgewertet.

• Group Value System: Besonders im Bereich der Teamentwicklung wird das Group Value System eingesetzt. Es geht dabei z.B. um die Analyse von Konflikten, um das Erkennen von Weiterentwicklungsmöglichkeiten oder die Erkenntnis, dass gewisse Veränderungen notwendig sind.

• Organisation Value System: Das nur schwer greifbare Phänomen »Unternehmenskultur« lässt sich mit dem Organisation Value System erfassen und messen. Es geht darum, den aktuellen Stand eines Unternehmens aufzuzeigen und darauf hinzuweisen, was sich eventuell verändern muss, damit es auch zukünftig für neue Rahmenbedingungen gewappnet ist.

Mit 9 Levels of Value Systems ist es möglich, den Ist-Zustand der aktuellen Wertesysteme dieser drei Perspektiven zu ergründen und den gewünschten Soll-Zustand zu ermitteln. Es weckt Verständnis für die aktuelle Situation, zeigt die Notwendigkeit von Veränderungen und dient als Ansatzpunkt für die weiteren Schritte.

Das Besondere an 9 Levels ist, dass es als dynamisches Modell die Veränderungen in uns und um uns herum abbildet und diese in jede Auswertung entsprechend mit einbezieht. Abbildung 1 visualisiert diese Dynamik sehr schön.

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Abb. 1: Die 9 Levels of Value Systems

Von der Geburt bis zu unserem Tod durchleben wir viele Entwicklungsschritte und sind permanent in Bewegung. Die Wendeltreppengrafik visualisiert diese stetig aufwärtsstrebende Entwicklung. Auf dem Weg »nach oben« gibt es immer wieder entscheidende Entwicklungsstufen, die in der Grafik als farbige Podeste abgebildet sind. Sie symbolisieren jeweils eine Werteebene. Dabei geht jede Entwicklung individuell mal schneller, mal langsamer vonstatten.

Manche Menschen sind absolut zufrieden mit dem, was sie erreicht haben und wo sie in ihrer Entwicklung stehen; sie streben keine Weiterentwicklung an, da eine Passung mit den Herausforderungen der individuellen Lebenswelt vorliegt. Andere suchen infolge von Veränderungen nach Möglichkeiten weiterzukommen, Neues zu lernen und zu entdecken. Jeder von uns befindet sich auf seiner ganz individuellen Entwicklungsstufe (seinem ganz persönlichen Level) – wobei das nicht gewertet wird. Ist jemand hoch oben auf der Treppe angesiedelt, bedeutet das nicht, dass er besser ist als alle anderen, die sich auf den Levels darunter befinden. Jede Entwicklungsstufe ist gut und richtig; es kommt im Grunde nur auf die erwähnte Passung an. Darüber hinaus ist jeder Mensch auch eine Mischung verschiedener Level (vgl. Abb. 4 und 5).

In jedem Level herrschen bestimmte Werte vor. Wenn wir uns verändern resp. weiterentwickeln, kann die Entwicklung sowohl innerhalb des Levels stattfinden, auf dem wir uns befinden, oder uns auf das nächsthöhere Level bringen. Die Weiterentwicklung verläuft immer von einem Level zum nächsten – es ist nicht möglich, einen Entwicklungsschritt zu überspringen. Es geht immer darum, zu sehen, ob die Wertesysteme zur eigenen Lebenswelt mit ihren ganz spezifischen Herausforderungen passen.

Professor Graves – der »Urvater« des Modells, auf dessen Erkenntnissen die Weiterentwicklung zu den 9 Levels of Value Systems beruht – hat festgestellt, dass wir Menschen verschiedene Entwicklungsstufen durchlaufen und dabei immer von einem Ich- zu einem Wir-Bezug pendeln. Auch das 9 Levels-Modell hat diese zwei Seiten. Die unterste Ebene beruht auf den Erfahrungen unserer Vorfahren aus der Steinzeit, in der elementare Grundbedürfnisse wie Nahrungsaufnahme, Wärme, Unterkunft und Fortpflanzung Priorität hatten. Es ging schlicht ums reine Überleben, und das erklärt den Beginn der Entwicklungstreppe auf der Seite des Ich-Bezugs.

Der weitere Verlauf unserer Entwicklung führt auf die Seite des Wir-Bezugs, denn hier bekommt das Stammesleben eine große Bedeutung, das mit einem Anführer oder »Häuptling« an der Spitze Schutz und Geborgenheit in einer Gruppe bietet. Auf dieser Seite ist uns die Gruppe oder Organisation, in der wir uns befinden, am wichtigsten. Wir selbst kommen erst an zweiter Stelle. Befinden wir uns auf der Seite des Ich-Bezugs, sind wir uns selbst am nächsten, denken also primär an uns selbst und unsere eigenen Interessen.

Wichtig: Eine Arbeit mit den 9 Levels bedeutet immer, Systeme in Individuen, Teams oder Organisationen abzubilden; es geht also nicht darum, deren Typ zu beschreiben. 9 Levels weckt das Verständnis für die jeweiligen Entwicklungsebenen und erklärt typisches Verhalten auf dieser Stufe. Es beschreibt, wie Menschen bzw. Systeme denken – und nicht, wie sie sind.

Durch die Flexibilität des Modells der 9 Levels werden die Stationen der Entwicklung bezüglich ihrer Passung zur Lebenswelt immer wieder reflektiert und bewertet. Hier spielen die vier Wirkungsbereiche Person, Gruppe, Organisation und Markt eine entscheidende Rolle: Befinden sich diese vier Wirkungsbereiche alle auf derselben Werteebene, ist das Gleichgewicht intakt (es liegt also eine Passung vor) und keine Veränderung notwendig. Sobald sich jedoch nur ein Bereich verändert, entsteht ein Ungleichgewicht und die anderen drei Bereiche sind gefordert, sich so weit anzupassen, dass das Gleichgewicht wieder hergestellt ist. Verändert sich beispielsweise das Käuferverhalten auf dem Markt, müssen Organisation, Gruppe und Personen reagieren und die notwendigen Veränderungen einleiten, um sich dem neuen Käuferverhalten entsprechend anzupassen.

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Abb. 2: Die vier Wirkungsbereiche und deren Gleichgewicht

2. Entstehungsgeschichte

Der Grundstein für die Entwicklung der 9 Levels of Value Systems wurde von Clare W. Graves gelegt, einem Psychologieprofessor am Union College in Schenectady im Bundesstaat New York. Graves beschäftigte sich mit der Überlegung, was genau einen psychisch gesunden Menschen ausmacht. Auslöser für seine Forschungsarbeiten in den 1950er-Jahren war die Frage seiner Erstsemesterstudenten, welcher der Theoretiker (Maslow, Freud, Jung, Rogers, Watson etc.) mit seinen Theorien zu diesem Thema recht habe. Nach diesem Impuls entschied sich Graves, das Thema über einen neuen Forschungsweg anzugehen. Dabei entwickelte er die Theorie zur Entstehung menschlicher Existenzebenen (levels of human existence) und erarbeitete aus seinen Ergebnissen ein Modell.