Niccolò Machiavelli


Der Fürst

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Klassiker als ebook herausgegeben bei RUTHeBooks, 2016


ISBN: 978-3-95923-093-3


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Kapitel 26


Ermahnung, Italien von den Barbaren zu befreien


Wenn ich nun alles bisher Gesagte erwäge, und bei mir selbst bedenke, ob in Italien gegenwärtig die Zeiten darnach gewesen sind, einen neuen Fürsten zu Ehren zu bringen, und ob darin Stoff vorhanden war, der einem Klugen und Tüchtigen Gelegenheit gäbe, eine neue Form dort einzuführen, welche ihm Ruhm, und der Gesammtheit der Landesbewohner Glück bringen könnte, so scheinen mir so viele Dinge zu Gunsten eines neuen Fürsten zusammenzutreffen, dass ich nicht wüßte, welche Zeit je hiezu geschickter gewesen wär. Und wenn, wie ich sagte, um die Tugend des Moses zu sehen, nötig war, dass das israelitische Volk in die Knechtschaft der Ägypter geraten mußte; wenn, um die Seelengröße des Cyrus kennen zu lernen, die Perser von den Medern unterjocht, und, damit des Theseus Werth zum Vorschein kam, die Athenienser zerstreut sein mußten, so tat es gegenwärtig Not, wenn eines Italischen Geistes Tugend erkannt soll werden, dass Italien dahingerieth, wo es nun ist: dass es ärgere Sklavinn als Judäa, unterwürfiger als die Perser, zerstreuter als die Athenienser, ohne Oberhaupt, ohne Verfassung, gestäupt verheert, berannt, zerfleischt war, und alle Arten des Verderbens über sich mußte ergehen lassen. Und wenn sich auch bisher an Diesem und Jenem ein schwacher Hauch gezeigt hat, aus dem man hätte schließen mögen, dass er von Gott zu seiner Errettung berufen wäre, hat man dennoch ihn nachher auf der höheren Bahn seiner Taten wieder vom Glücke verstoßen gesehen: so dass es schon, wie leblos, harrt, wer es doch sei, der seine Wunden heile, der den Plagen und den Plünderungen der Lombardey, dem Erpressen und Rauben im Königreich und in Toscana ein Ende mache, und ihm helfe von jenen seinen Schäden, die die Länge der Zeit schon vereitert hat. Wir sehen, wie es zu Gott steht, dass er ihm Einen senden wolle, der es von diesen barbarischen Grausamkeiten und Freveln erlöse; wir sehen es auch ganz willig und bereit, einer Fahne zu folgen, wenn nur Einer wär, der sie ergriffe: und nirgend sehen wir, worauf es in der Gegenwart eine größere Hoffnung setzen könnte, als auf Euer erlauchtes Haus: welches durch seine Tugend und Glück (von Gott begünstigt und von der Kirche, deren Fürst es nun ist) sich an die Spitze dieser Erlösung stellen möchte. 

Und dieses wird nicht allzu schwer sein, wenn Ihr die Handlungen und Leben jener Vorgenannten vor Augen nehmt. Zwar sind dergleichen Menschen selten und wunderwürdig; doch waren es Menschen, und Jeder von ihnen hatte geringeren Beweggrund als der jetzige ist; denn ihr Beginnen war nicht gerechter als dieses, nicht leichter, Gott war ihr Freund nicht mehr als der Euere. Hier ist hohe Gerechtigkeit; denn der Krieg ist gerecht, der notwendig ist: es sind fromme Waffen, auf denen die letzte Hoffnung ruht. Hier ist die höchste Vereinwilligkeit, und es kann nicht sein, dass da, wo diese groß ist, die Schwierigkeit groß sein sollte, wenn sie nur Mittel ergreift, wie jene Männer, die ich Euch oben Mustern empfohlen. Zudem, so sehen wir hier ungewöhnliche beispiellose Führungen Gottes: das Meer hat sich aufgethan, eine Wolke hat Euch den Weg gezeigt, das Mitleid die Wasser ergossen; hier ist das Manna herabgeregnet: Alles hat zu Eurer Größe mitgeholfen. Das Übrige müßt Ihr tun; Gott will nicht Alles tun, um den freien Willen uns nicht zu rauben, und den Teil des Ruhmes, welcher uns gebührt. Auch ist kein Wunder, wenn so mancher Landsmann, dessen wir früher gedacht, nicht leisten können was man von Euerm erlauchten Hause hoffen darf, und wenn, in so viel Umwälzungen Italien's, bei so vielen Kriegsbetrieben, immer scheint, dass hier die alte Soldaten-Tugend erloschen sei; weil dies daher rührt, dass unsre alten Ordnungen nicht gut gewesen, und niemand war, der neue zu finden verstanden hätte. Nichts macht einem Manne, der neu antritt, so große Ehre, als neue Gesetze und neue Ordnungen, die er er findet. Diese Dinge, wenn sie in sich begründet sind und Größe haben, machen ihn angesehen und bewundert; und in Italien fehlt es nicht an Stoff zu Einführung jeder Form. Hier ist die Tugend der Glieder groß, sobald sie nur nicht den Häuptern entsteht. Spiegelt Euch in den Duellen und Kämpfen der Wenigen, wie die Welschen da an Kraft, Geschicklichkeit und Geist überlegen sind: sobald sie aber in Schlachtordnung zusammentreten, verschwinden sie; und alles kommt von der Schwäche der Häupter, weil die Klugen nicht folgen wollen, und Jeder sich klug zu sein bedünkt, da Keiner bisher gewesen ist, der sich so hoch durch Tugend und Glück erhoben hätte, dass ihm die Andern gewichen wären. 

Daher kommt es, dass in so langer Zeit, in so vielen, diese zwanzig Jahre geführten Kriegen, wenn ein Heer aus lauter Italiänern bestand, es immer schlecht gefahren ist. Hiervon ist Zeugniß schon der Taro, dann Alexandrien, Capua, Genua, Vailà, Bologna, Mestri. Will also Euer erlauchtes Haus jenen vortrefflichen Männern folgen, die ihre Provinzen errettet haben, so ist, als wahres Fundament jedes Beginnens, vor allem Andern notwendig, sich mit eignen Truppen zu versehen, weil man keine treueren, keine echteren noch besseren Soldaten haben kann: und wenn von diesen schon jeder Einzelne gut ist, werden sie alle zusammen immer besser, wenn sie von ihrem Fürsten sich befehligt, und von Diesem geehrt und erhalten sehen. Darum ist es nötig, auf solche Truppen sich einzurichten, um sich mit italiänischer Tugend gegen die Fremdlinge schützen zu können. Und, für wie furchtbar das schweizerische und spanische Fußvolk auch gelten mag, so haben doch beide einen Mangel, wodurch eine dritte Stellung ihnen nicht nur widerstehen, sondern sie selbst zu überwinden hoffen mag: indem die Spanier die Pferde nicht aushalten können, und die Schweizer sich vor dem Fußvolke zu fürchten haben, wenn sie im Handgemenge es eben so störrig finden, wie sie selbst sind. Man hat daher aus Erfahrung gesehen und wird noch sehen, dass die Spanier eine französische Cavallerie nicht aushalten können, und dass die Schweizer von einer spanischen Infanterie geworfen werden: und wenn man gleich von diesem letzteren Falle noch keine vollständige Erfahrung gemacht hat, so hat man davon doch eine Probe im Treffen bei Ravenna gesehen, als die spanische Infanterie mit den deutschen Schaaren sich schlug, deren Stellung die der Schweizer ist, wo die Spanier mit körperlicher Gewandtheit, und von ihren leichten Schilden gedeckt, ihnen bis unter die Piken drangen und sie ganz sicher verletzen durften, ohne dass die Deutschen es hindern konnten; und hätte die Cavallerie ihnen nicht zugesetzt, sie hätten sie alle aufgerieben. Es läßt sich daher, wenn man die Mängel beider dieser Infan terien erkannt hat, eine neue ordnen, welche den Pferden widersteht, und vor dem Fußvolk sich nicht fürchtet; welches nicht durch die Art der Truppen, sondern durch die Veränderung der Schlachtordnungen bewirkt werden wird. Und dies sind nun eben solche Dinge, die, neu geformt, einem neuen Fürsten zur Größe und zum Ansehn verhelfen. Man muß daher diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, damit Italien, nach so viel Jahren, seinen Erlöser erscheinen sehe. Und nicht zu sagen ist es, mit welcher Liebe ihn die Provinzen alle empfangen würden, die unter dieser Fremdlingsfluth gelitten haben, mit welchem Durst der Rache, mit welcher eisernen Treue, mit welcher Frömmigkeit, welchen Thränen. Welche Thore würden sich Ihm verschließen? welche Völker Ihm den Gehorsam weigern? welcher Neid sich Ihm widersetzen, welcher Welsche Ihm zu folgen zögern? Jeden stinkt diese Barbarenherrschaft an. Ergreife demnach Euer edles Haus diese Sache mit jenem Mut und jener Hoffnung, womit gerechte Werke ergriffen werden, damit unter Seinen Fahnen dies Vaterland verherrlicht, und unter Seinen Zeichen das Wort Petrarka's erfüllet werde:

Tugend greift dann zum Schwert
Wider die Wuth, und bald wird Sieg erworben
Ist doch der alte Werth
In welschen Herzen noch nicht ausgestorben

 

 

Inhalt




Widmung

Kapitel 1 - Wie viele Gattungen von Fürstentümern es gibt, und auf welche Arten sie erworben werden

Kapitel 2 - Von den erblichen Fürstentümern

Kapitel 3 - Von den gemischten Fürstentümern

Kapitel 4 - Warum das durch Alexander eroberte Reich des Darius nicht Alexanders Nachfolgern nach seinem Tode abtrünnig ward

Kapitel 5 - Wie Städte und Staaten regiert werden müssen, welche von ihrer Occupation nach ihren eigenen Gesetzen gelebt haben

Kapitel 6 - Von denen neuen Fürstentümern, die man durch eigene Waffen und Tugend erwirbt

Kapitel 7 - Von denen neuen Fürstentümern, die man durch fremde Gewalt und durch Glück erwirbt

Kapitel 8 - Von Solchen, die durch Freveltaten zum Fürstentum gekommen sind

Kapitel 9 - Vom bürgerlichen Fürstentum

Kapitel 10 - Nach welchem Maasstab die Kräfte aller Fürstentümer zu messen sind

Kapitel 11 - Von den kirchlichen Fürstentümern

Kapitel 12 - Wie viele Arten der Miliz es gibt, und von den Mietsoldaten

Kapitel 13 - Von den Hilfssoldaten, den gemischten, und den eignen

Kapitel 14 - Was dem Fürsten in Hinsicht auf Kriegswesen obliegt

Kapitel 15 - Von denen Dingen, die den Menschen, und namentlich den Fürsten, Lob oder Tadel zuziehen

Kapitel 16 - Von der Freigebigkeit und Kargheit

Kapitel 17 - Von der Grausamkeit und Milde, und ob es besser ist, geliebt, oder gefürchtet zu werden

Kapitel 18 - Auf welche Weise die Fürsten Treu' und Glauben halten müssen

Kapitel 19 - Daß man vermeiden muß, geringgeschätzt und gehaßt zu werden

Kapitel 20 - Ob die Festungen und viele andere Dinge, die Fürsten öfters unternehmen, nützlich, oder schädlich sind

Kapitel 21 - Wie sich ein Fürst benehmen muß, um sich Ansehen zu verschaffen

Kapitel 22 - Von den Secretarien der Fürsten

Kapitel 23 - Wie man die Schmeichler fliehen müsse

Kapitel 24 - Warum die Fürsten Italien's ihre Staaten verloren haben

Kapitel 25 - Wie viel in menschlichen Dingen das Glück vermag, und auf welche Weise man ihm begegnen könne

Kapitel 26 - Ermahnung, Italien von den Barbaren zu befreien

 

 

 

Widmung


dem Erlauchten Lorenzo de Piero de Medici


Es pflegten meist Die, so sich bei einem Fürsten um Gunst bewerben, mit solchen Dingen ihm zu nahen, die ihnen selbst am teuersten sind, oder an denen sie sehen, dass er das meiste Wohlgefallen findet. Daher man ihnen denn öfters Pferde, Waffen, Goldstoff, edle Steine und ähnlichen Schmuck überreichen sieht, der ihrer Hoheit würdig sei. Indem nun ich auch irgend ein Zeugniß meiner Ergebenheit Eurer Erlaucht zu widmen mich gedrungen fühle, finde ich unter meinem Besitze nichts, was mir lieber und schätzbarer wäre, als die Erkenntnis der Handlungen wichtiger Menschen, wie ich dieselbe durch eine lange Erfahrung der neuen, und stete Betrachtung der alten Zeit mir erworben habe: welche ich lange mit großem Fleiße bedacht und erwogen, und jetzt zusammen in einen kleinen Band gebracht, Eurer Erlaucht überantworte. Und obschon ich dieses Werk für unwerth einer solcher Person erkenne, vertraue ich doch zur Genüge darauf, es werde Denselben, nach Ihrer Milde, willkommen sein, in dem Verdacht, dass Ihnen von mir kein größeres Geschenk zukommen kann, als die Gelegenheit, alles was ich in so viel Jahren und unter so viel eignen Gefahr und Beschwer erkannt und beherzigt habe, in kürzester Zeit überblicken zu können. Ich habe dieses Werk nicht geschmückt mit einer Fülle weitläufiger Reden, hochtrabender und prächtiger Worte, noch sonst mit einem andern Prunk auswendiger Verzierungen, womit so Manche ihre Sachen zu schreiben und zu schminken pflegen; weil ich gewollt, dass es entweder durch gar nichts sich empfehlen soll, oder die Wahrheit der Sachen allein und die Würde des Vorwurfs es angenehm mache. Auch möge es nicht als Anmaßung gelten, wenn sich ein untergeordneter Mann von niedrigstem Stande dazu aufwirft, der Fürsten Regierungen durchzugehen und ihnen Regeln geben zu wollen. Denn, wie Die, welche die Landschaft zeichnen, sich niedrig in die Ebene stellen, um die Natur der Berge und Höhen gewahr zu werden, hingegen den Standpunkt auf Bergen in der Höhe nehmen, wenn sie die Ebnen betrachten wollen, so muß man auch, um die Natur der Völker wohl zu erkennen, Fürst sein; und ein Gemeiner muß man sein, um die der Fürsten wohl zu erkennen. Nehme Ew. Erlaucht demnach dies kleine Geschenk in dem Sinne an, in welchem ich es Denselben biete. Wenn Sie es fleißig bedenken und lesen, wird Ihnen mein eifrigster Wunsch darin sichtbar, dass Sie die Größe erreichen mögen, die Ihnen sowohl das Glück verheißt, als Ihre übrigen Eigenschaften. Und wenn die Blicke Ew. Erlaucht vom Gipfel Ihrer Hoheit bisweilen nach diesen niedern Orten sich wenden, werden sie finden, wie unverschuldet ich eine große und dauernde Anbilligkeit des Geschicks ertrage.

Kapitel 1


Wie viele Gattungen von Fürstentümern es gibt, und auf welche Arten sie erworben werden


Alle Staaten, alle Gewalten, die über die Menschen Herrschaft geübt oder noch üben, waren und sind entweder Republiken oder Fürstentümer. Die Fürstentümer sind entweder erbliche, in denen ihres Herren Geschlecht seit langen Zeiten Fürsten gewesen, oder sind neue. Die neuen sind entweder durchaus neu, wie Mailand unter Francesco Sforza, oder sie werden als Glieder dem Erbstaat des Fürsten, der sie erwirbt, verbunden; so wie dem Könige von Spanien das Neapolitanische Königreich. Die so erworbenen Herrschaften sind entweder schon daran gewöhnt, unter einem Fürsten zu leben, oder in Freiheit hergekommen; und man erwirbt sie entweder mit fremder, oder mit eigener Waffengewalt, entweder durch Glück, oder durch Tugend.

Kapitel 2


Von den erblichen Fürstentümern


Ich will die Betrachtung der Republiken bei Seite lassen, weil ich davon schon anderswo ausführlicher gehandelt habe. Ich wende mich einzig zum Fürstentum, und will, mit Wiederanknüpfung der obigen Fäden, zu zeigen suchen, wie man gedachte Fürstentümer verwalten und behaupten kann. Also sage ich: dass in den erblichen, an den Stamm ihres Fürsten gewöhnten Staaten weit wenigere Schwierigkeiten sie zu behaupten sind, als in den neuen: weil schon genug ist, dass man nicht seiner Vorgänger Ordnung überschreite, und dann Schritt mit den Umständen halte. Dergestalt wird sich ein solcher Fürst, wenn er nur mäßiges Geschick hat, immer in seinem Staate behaupten, wenn nicht eine außerordentliche und übergewaltige Macht ihn darum bringt; und, wär er auch schon darum gebracht, wird er ihn durch das geringste Unglück des Occupanten wieder erlangen. Wir haben in Italien das Beispiel am Herzog von Ferrara, welcher den Einfällen der Venezianer i. J. 84, und denen Papst Julius X. aus keinem anderen Grunde widerstand, als weil er alter Landesherr war. Denn es hat der natürliche Fürst geringeren Anlaß und weniger nötig, den Untertanen Anstoß zu geben; daher er mehr geliebt sein muß: und wenn er durch ungewöhnliche Laster sich nicht verhaßt macht, so ist es der Vernunft gemäß, dass von Natur ihm die Seinen geneigt sind: und im Alterthum und der Dauer der Herrschaft erlischt das Gedächtnis der Neuerungen, sowie die Gründe zu denselben. Weil immer Eine Veränderung zum Anbau der nächstfolgenden gleichsam von selbst die Bezahlung nachläßt.

Kapitel 3


Von den gemischten Fürstentümern


Aber beim neuen Fürstentum treten die Schwierigkeiten ein. Und erstens, wenn es nicht gänzlich neu ist, sondern nur wie ein Glied, und das Ganze gewissermaßen gemischt zu nennen, entspringt die Wandelbarkeit desselben zuvörderst aus reiner natürlichen Schwierigkeit, die alle neue Regierungen teilen. Wiefern die Menschen, in Meinung sich zu verbessern, gern ihre Herren wechseln mögen, und diese Meinung sie bewegt, gegen den Herrscher die Waffen zu kehren; worin sie sich aber gleichwohl täuschen, weil ihnen darauf die Erfahrung lehrt, dass sie sich nur verschlimmert haben. Was wieder die Folge einer andern gemeinen Natur-Nothwendigkeit ist, nach welcher man niemals umhin kann, Die, über welche man neuer Fürst wird, zu kränken, sowohl durch bewaffnetes Kriegsvolk als durch unzählige andre Unbill, die einer neuen Erwerbung anhängt. So findest du nun als deine Feinde alle Die vor, die du gekränkt hast durch Occupirung jenes Staates, und kannst dir auch Die nicht zu Freunden erhalten, die dich hineinbefördert haben, weil du sie nicht befriedigen kannst in der Art, wie sie sich vorgestellt, und weil du keine starken Arzeneyen gegen dieselben brauchen kannst, indem du ihnen verpflichtet bist: denn immer, sei Einer auch noch so stark durch Truppenzahl und Heeresmacht, muß er zum Einschritt in eine Provinz die Gunst der Provinzialen haben. Aus diesen Gründen occupirte der König von Frankreich Ludwig XII. Mailand schnell, und verlor es auch schnell; und das erste Mal es ihm abzunehmen, waren die eigenen Streitmittel der Lodovico hinreichend; weil jene Völker, die ihm die Thore geöffnet hatten, als sie in ihrer Vorstellung, und um dies künftige Wohlergehen, so sie gehofft, sich betrogen sahen, des neuen Gebieters Überlast nicht zu ertragen im Stande waren. Nun ist es allerdings gegründet, dass, wenn man nachher die empörten Länder von neuem erwirbt, sie schwieriger wieder eingebüßt werden, wiefern der Fürst, die Gelegenheit der Empörung sich zu nutze machend, weit weniger bedenklich ist über die Mittel, sich sicher zu stellen durch Aufspürung der Verdächtigen, Bestrafung derer, die schuldig sind, Verstärkung aller schwachen Punkte. So dass, wenn es das erste Mal, um Mailand Frankreich zu entreißen, nur eines Herzogs Ludwig bedurfte, der auf der Grenze Lärm erhob, es ihm zum zweiten Mal zu entreißen, die ganze Welt ihm zu Leibe gehn mußte, und sein Heere aufgerieben und aus Italien verjagt sein mußten: was sich aus obigen Gründen ergab.