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Elisabeth Münzebrock
Teresa von Ávila
Mystikerin, Ordensgründerin,
Vagabundin Gottes

Elisabeth Münzebrock

Teresa von Ávila

Mystikerin, Ordensgründerin,
Vagabundin Gottes

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Inhalt

Prolog: Teresa heute:
eine „Heilige aus Leidenschaft“?

Auf dem Weg zur Mystikerin

1. Doña Teresa Sánchez de Cepeda y Ahumada: Kindheit und Jugend in bewegter Zeit

2. Erste Lebenskrise: der frühe Tod der Mutter (1528) und die Folgen

3. Teresas beschwerlicher Weg ins „Menschwerdungskloster“ (1535) und die folgenden „dürren Jahre“

4. Exkurs: Spaniens „Goldenes Jahrhundert“: kultureller und zivilisatorischer Glanz eines Riesenreichs

5. „Es ist ein anderes, neues Buch ab hier …“: neue „Innenansicht“ der Teresa von Ávila …

6. La Vida: Teresas folgenschwere Autobiographie (1565)

7. Der mühselige „Weg zur Vollkommenheit“

Teresa, Gründerin allen Hindernissen zum Trotz – „femina inquieta“ und „Vagabundin in Gottes Diensten“

8. San José: Erste Klostergründung mit Hindernissen (1562–1567)

9. Die Madre Fundadora: Teresas aufreibende Gründungsreisen quer durch Spanien

10. Teresa auf dem Höhepunkt ihrer geistlichen Suche: die „Burg mit den sieben Wohnungen“

11. Teresa als feinfühlige, kenntnisreiche Darstellerin innerer Vorgänge

12. Teresa, ein „Genie der Freundschaft“ zwischen Gott und den Menschen: „etwa 25 000 Briefe und kein Ende“ …

Zeittafel

Anmerkungen

Siglen und Abkürzungen

Literaturhinweise

Hinweise zu diesem Buch

Teresas Schriften werden grundsätzlich nach der altspanischen Werkausgabe zitiert: Santa Teresa de Jesús, Obras Completas, Biblioteca de Autores Cristianos (BAC), Madrid 1977, hg. v. Efrén de la Madre de Dios OCD und Otger Steggink O. Carm.

Die Übertragung der Zitate ins Deutsche besorgte – wo nicht anders vermerkt – die Autorin. Die dabei aus Gründen des Umfangs notwendig gewordenen Auslassungen und Kürzungen werden durch (…) gekennzeichnet.

Auf Fundstellen in der vollständigen Neuübertragung der Werke Teresas von Elisabeth Peeters OCD und Ulrich Dobhan OCD (Reihe Herder-Spektrum) wird bei Bedarf verwiesen.

Die übrigen Zitate sind pro Seite durch Kurztitel und Seitenangaben gekennzeichnet, sodass sie anhand des Literaturverzeichnisses zu verifizieren sind.

München, den 18. Dezember 2014
Elisabeth Münzebrock

Prolog: Teresa heute: eine „Heilige aus Leidenschaft“?

Wer mit Teresa von Ávila (1515-1582) in Berührung kommt, kann sich dem Zauber ihrer außerordentlichen Persönlichkeit nur schwer entziehen. Stark war sie, glaubwürdig, kompromisslos; unerschrocken im Umgang mit den Mächtigen ihrer Zeit.

Sinn und Halt ihres rastlosen Wirkens als Reformatorin des Karmels ist ihre Freundschaft mit Gott, der in ihr Leben einbricht, es bis in alle Tiefen erschüttert und immer aufs Neue ihre radikale und totale Antwort begehrt.

Nach jahrzehntelangem Ringen um ein „Loslassenkönnen“ all dessen, was ihrer Freundschaft mit Gott im Weg steht, gelangt Teresa zum Gipfel der mystischen Einigung. Sie wird eine der Größten in der Welt der Mystik und bleibt doch die Frau mitten im Alltag mit ihrem praktischen Verstand: Teresa, die „Gottes-Erfahrene“, Nonne, Ordensgründerin und Reformatorin, ist ebenso eine ausgezeichnete „Psychologin“ wie eine mit allen Qualitäten modernen Managements ausgestattete Organisatorin, die mit feurigem Herzen eine der bedeutendsten Reformbewegungen der Kirchengeschichte in die Wege geleitet hat.

Und zu alledem entwickelt sie sich – wiewohl Autodidaktin – nach und nach zu einer hochbegabten Schriftstellerin, die gleichsam als „inkarnierte Kommunikation zwischen Gott und den Menschen“ als Niederschlag ihrer Erfahrungen ein vielbändiges autobiographisches und mystisches Werk hinterlässt. Nach derzeitigem Kenntnisstand stammen etwa 25 000 Briefe aus Teresas Feder. Dass Teresa wirklich zu Recht als „Genie der Freundschaft“ gilt, belegt vor allem die überbordende Schreibaktivität der Heiligen, wobei sie in einer Fülle von Bildern und mit zuweilen herzerfrischender Schlagfertigkeit alles zu Papier bringt, was sie erlebt hat – in Innenwelt und Außenwelt. Dabei ist sie stets die ganz menschliche, mitfühlende, humorvolle, von Geist und Witz sprühende Gesprächspartnerin, wie sie uns überhaupt als eine ganzheitlich begabte „menschliche Heilige“ gegenübertritt.

Auf dem Weg zur Mystikerin

1.Doña Teresa Sánchez de Cepeda y Ahumada: Kindheit und Jugend in bewegter Zeit

Teresa Sánchez de Cepeda y Ahumada wurde am 28. März 1515 in bewegter Zeit als fünftes von zwölf Kindern in Ávila, Kastilien, geboren. Väterlicherseits stammt sie von sogenannten conversos ab, das sind konvertierte Juden, die entweder nach und nach aus Überzeugung dem Glauben der Väter abgeschworen oder sich durch Eheschließung – wie im Falle von Teresas Vater, Alonso Sánchez de Cepeda (1480–1543) – mit „Rechtgläubigen“ wie Beatriz Dávila y Ahumada [1494–1528/29]) verbunden hatten.

Tochter eines „hidalgo“ (Edelmanns) mit jüdischen Wurzeln: Teresas familiäres Umfeld

Don Alonso war also jüdischer Abstammung, gehörte jedoch kraft eines Adelsbriefes, den sein Vater bei seiner Konversion 1485 erworben hatte, offiziell dem niederen Adel an. Mit der bald nach der Konversion erfolgten Übersiedlung von Toledo nach Ávila versuchte die Familie in einer fremden Stadt eine neue Identität aufzubauen. In einer Art Familienstammbuch, in welchem Don Alonso die Geburten seiner Kinder eintrug, heißt es: „Am Mittwoch, dem achtundzwanzigsten März des Jahres fünfzehnhundertfünfzehn /1515/ um fünf Uhr früh, mehr oder weniger (denn es war schon fast Tagesanbruch an jenem Mittwoch), wurde meine Tochter Teresa geboren.1

Widersprüchliches zur Herkunft Teresas; und ein „beredtes“ Schweigen

Teresas Biographen haben jahrhundertelang ihre jüdische Herkunft verschwiegen oder bewusst geleugnet. Heutigen Lesern ist diese überzogene Betonung der „Reinheit des Blutes“ unverständlich, obwohl die Kenntnis hierüber für das Verständnis der geistigen Aufgeschlossenheit Teresas unabdingbar ist. Den conversos wird ein gewisser Hang zu Innerlichkeit und Weltverachtung nachgesagt, wobei hier auch die Wurzel des Verdachts, eine Alumbrada (Erleuchtete) und damit der Häresie verdächtig zu sein, liegen könnte, dem Teresa später immer wieder entgegentreten muss. Ihre Kritik der „honra“ (Ehre), ihre außerordentliche Begabung, „Netzwerke“ zu knüpfen mit Angehörigen aller Gesellschaftsschichten – vom Hochadel, den königlichen Beamten, Bankiers, Geschäftsleuten, Ärzten bis zu ihren zahlreichen Freunden und Gönnern – ist nur vor diesem Hintergrund einsichtig.

Teresas „Loblied auf die Familie“

Teresas erste Kindheitseindrücke sind eingebettet in den Schoß eines gläubigen und gottergebenen Elternhauses, wie wir in den ersten Kapiteln ihrer Autobiographie erfahren: „Mein Vater las gern gute Bücher; er war voll Liebe zu den Armen und Kranken, und selbst für die Dienstboten hatte er ein offenes Herz. Er war von großer Wahrhaftigkeit. Niemals kamen ein Fluch oder eine üble Nachrede über seine Lippen. Auch meine Mutter war von hervorragender Tugend. Sie war von seltener Schönheit, ohne jedoch jemals ein Aufhebens davon zu machen. Sie besaß die Gabe, Frieden zu stiften, und hatte einen scharfen Verstand. Zeit ihres Lebens musste sie viel Schweres erdulden. (…) Wir waren drei Schwestern und neun Brüder“ (V 1,1).

„… para siempre, siempre, siempre („für immer und ewig“): Die Wirkung der Heiligenlegenden auf das Kind Teresa

Nach Teresas wiederholten Aussagen prägen schon im Kindesalter Bücher ihr Leben. Begierig verschlingt sie alle ihr zugänglichen Heiligenlegenden und versetzt sich mit Inbrunst in das Schicksal ihrer Helden: „Zusammen mit meinem Lieblingsbruder las ich oft die Lebensbeschreibungen der Heiligen. Als ich nun sah, was die Märtyrer aus Liebe zu Gott auf sich genommen hatten, erschien es mir, als hätten sie dieses ‚Immer-bei-Gott-verweilen-Dürfen‘ wohlfeil erkauft, und so begann ich, den Tod herbeizusehnen.“

Früh zeigt sich dabei auch ein gewisser Hang zum „Feilschen“, wenn sie sich – wie selbstverständlich – als Gegenleistung „den Himmel“ erhofft (V 1,5).

„Sehnsucht einer Achtjährigen nach dem Martyrium: frühes Ausreißmanöver „ins Land der Mauren“

Wohl damals schon hat Teresa eine unwiderstehliche Sehnsucht nach dem, was „oben“ ist, verspürt. Sie ist ein kühnes, zu Abenteuern wie geschaffenes Kind, wenn sie früh beschließt, „den Himmel zu erringen, und zwar um jeden Preis“, wie man es aus ihrem Munde erfährt, als sie im Alter von acht Jahren Rodrigo, ihren 11-jährigen Lieblingsbruder, überredet, mit ihr „ins Land der Mauren zu ziehen“, damit – wie sie in ihrer Vita schreibt – „uns dort aus Liebe zu Gott die Köpfe abgeschlagen würden“ (V I,5).

Da den Geschwistern das Martyrium verwehrt bleibt, versuchen sie Einsiedler zu werden, um auf diese Weise die ewige Seligkeit zu verdienen (man beachte wiederum den merkantilen Aspekt ihrer Überlegungen!). Und doch scheint Teresa früh an diesen kindlich-frommen Übungen Gefallen gefunden zu haben: „Und es gefiel uns, oftmals zu sagen: für immer, für immer!“

Teresas standesgemäße Erziehung und Bildung

Obwohl „Frau“ zu sein zu Teresas Zeit bedeutet, keinen Zugang zu „Bildung und Wissen“ zu haben, erklärt sie mehrfach „ich war immer eine Liebhaberin von Studien“ (V 5,3), und wie sehr sehnt sie sich nach Bildung, wenn es später darum geht, ihre mystischen Erfahrungen ins Wort zu nehmen. Dennoch stellen wir im Falle Teresas eine überraschende Belesenheit fest. Gemäß dem Brauch ihrer Familie wurde sie unterrichtet in Kalligraphie, Gesang, Sticken und Spinnen und war offenbar eine gute Schachspielerin, wie diesbezügliche Beispiele in ihren Schriften belegen.

Aus Teresas eigener Feder wissen wir, dass die Lieblingsbeschäftigung ihrer Mutter, Ritterromane zu lesen, auf sie übergegangen war: (Meine Mutter) war versessen auf Ritterromane, doch nahm sie durch diesen Zeitvertreib nicht so großen Schaden wie ich, da sie deswegen ihre Arbeit nicht vernachlässigte. Wir Geschwister aber brachten unsere Aufgaben schnell hinter uns, um uns sogleich wieder der Lektüre zu widmen. Vielleicht tat meine Mutter das auch, um nicht an die großen Mühsale zu denken, die sie immer wieder durchmachte, und um uns Kinder zu beschäftigen, damit wir uns nicht in anderen Dingen verlieren würden. Darüber wurde mein Vater so unwillig, dass wir aufpassen mussten, dass er nicht dahinterkam. Ich machte es mir immer mehr zur Gewohnheit, sie (diese Romane) zu lesen, und so war dieser kleine Fehler, den ich an meiner Mutter wahrnahm, der Anfang dafür, dass meine guten Vorsätze lauer wurden und ich auch anderweitig fehlte. (…) Ich war derart davon besessen, dass ich mich unglücklich fühlte, wenn ich nicht immer wieder ein neues Buch hatte (V 2,1).

Ihr ganzes Leben lang wird Teresa ihre Zuflucht zu Büchern nehmen, wobei sie nicht nur gründlich liest und sich mit dem Gelesenen identifiziert, sondern auch durch Anstreichen das Gelesene memoriert und ihre eigenen Erfahrungen dokumentiert. Beispielsweise werden die Bekenntnisse des heiligen Augustinus für sie zu einer Art Vorlage für ihre spätere Autobiographie (La Vida), oder sie bekundet durch Unterstreichen ganzer Textpassagen in Laredos Aufstieg zum Berg Zion, dass sie in diesen Zeilen ihr eigenes Erleben wiedererkannt hat.

2.Erste Lebenskrise: der frühe Tod der Mutter (1528) und die Folgen

„Lebenslange Zuflucht bei der Muttergottes“ und „kleine Schatten auf der Familienehre“

Diese Art der Frömmigkeit ändert sich schlagartig mit dem frühen Tod der geliebten Muter, die – ausgelaugt von zehn Geburten – mit nur 33 Jahren verstirbt. „Ich erinnere mich, (…) als meine Mutter starb“ – (V 1,7) Teresa flüchtet sich zu einem Bild der Muttergottes und fleht sie unter Tränen an, doch von nun an ihre Mutter zu sein.

Die „schöne Teresa“ erregt erstes Aufsehen in Ávila

Teresa hatte von ihrer Mutter die „Vorliebe“ für die Lektüre von Ritterromanen so sehr übernommen, dass sie unruhig wurde, „wenn (sie) nicht immer ein neues Buch hatte“ (V 2,1). Als feinen Unterton hören wir heraus, dass diese Beschäftigung unerlaubterweise „hinter dem Rücken meines Vaters“ erfolgte, wenngleich Teresa noch beschwichtigend hinzufügt: „Mir kam es nicht schlimm vor, viele Stunden am Tag und sogar bei Nacht mit einer so nutzlosen Beschäftigung zu vertun, dazu noch hinter dem Rücken meines Vaters.“

Teresa, die spätere Meisterin der Analyse geistlichen Geschehens, spürt sehr wohl die „Abkühlung“ des ersten jugendlichen Elans ihrer Hinwendung zu Gott, „sodass meine guten Vorsätze lau wurden“ (V 2,1). Fortan ist sie auf Schönheit und weltliche Vergnügungen bedacht und gibt sich allerlei Zeitvertreib hin. „Ich begann, aufwändige Kleider zu tragen und wollte durch mein Aussehen gefallen, wobei ich viel Sorgfalt auf meine Hände und Haare verwendete, mit Parfum und allerlei Schnickschnack, was ich so auftreiben konnte – und das war einiges, denn ich war sehr eitel. Dabei war meine Absicht nicht schlecht und ich wollte keinesfalls, dass jemand meinetwegen Gott beleidigte. Diese große Eitelkeit, mich zu sehr herauszuputzen, und anderes Gebaren, das mir keineswegs als Sünde vorkam, hielt über Jahre an. Heute sehe ich ein, wie verkehrt das alles gewesen sein muss“ (V 2,2).

Als sie beginnt, ihre „weiblichen Reize“ – die nach ihrer eigenen Aussage „zahlreich waren“ – zu entdecken, steht sie immer mehr im Mittelpunkt des Interesses ihrer gleichaltrigen und älteren Cousins. „Auch hatte ich ein paar Cousins – denn andere kamen bei uns gar nicht ins Haus, weil mein Vater da sehr streng war – und hätte es Gott doch gefallen, dass er es auch mit diesen gewesen wäre! (…) Sie (meine Vettern) waren fast in meinem Alter, ein wenig älter als ich. Wir steckten andauernd zusammen. Sie hatten mich sehr gern; und ich unterhielt sie mit allem, was ihnen Spaß machte, und hörte ihnen zu, wenn sie von ihren so gar nicht erbaulichen Liebeleien und Kindereien erzählten. Und was noch schlimmer war: Meine Seele ließ sich auf das ein, was der Grund für ihre ganze Verderbtheit war“ (V 2,2).

Teresa selbst analysiert hier sehr präzise die „Gefahren“, bei diesen „Spielchen“ eventuell ihre „Ehre“ zu verlieren, und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Das Bewahren der Ehre ist ein absolutes „Muss“ für die Gesellschaft des spanischen 16. Jahrhunderts. Und so begibt Teresa sich auf eine andauernde „Gratwanderung“, wie sie uns selbst berichtet: „Diese Furcht gab mir die Kraft, meinen guten Ruf nicht ganz zu verlieren, und ich glaube, ich hätte mich durch nichts auf der Welt hiervon abbringen lassen, noch hätte die Liebe zu einem Menschen mich dazu verführt, in diesem Punkt nachzugeben“ (V 2,3).

Dennoch gelingt es einer „Verwandten“, die es mit dem „guten Ruf“ nicht allzu genau nimmt, Teresa in die Scheinwelt des galanten Zeitvertreibs, der Tändeleien und „Liebeleien“ einzuführen; „dafür nahm ich alles, was mir schadete, von einer Verwandten an, die oft in unserem Hause verkehrte. Sie pflegte so leichtfertigen Umgang, dass meine Mutter alles darangesetzt hatte, sie von unserem Haus fernzuhalten (V 2,3).

Teresa differenziert auch in der Folge ihres Berichts schonungslos: „Später, nachdem diese Furcht ganz weg war, blieb mir nur noch die um mein Ansehen, die mich bei allem, was ich tat, in Qual versetzte. In der Hoffnung, dass es nicht bekannt würde, wagte ich vieles, was gegen mein Ansehen und auch gegen Gott gerichtet war (V 2,5). Teresas „Scharfsinn“ erspäht alle Gelegenheiten, ihrem „riskanten Zeitvertreib“ nachzugehen, und es scheint dann auch eine erste Liebe ins Spiel zu kommen, sodass Teresa erwägt, das Ganze der normalen Lösung in einer Ehe zuzuführen.

Erneute Wende und „Zwischenstation“ bei den Augustinerinnen

Eben wegen jenes „riskanten Zeitvertreibs“ sieht ihr Vater sich schließlich genötigt, seine 17-jährige bildhübsche und geistreiche Tochter in das Kloster der Augustinerinnen, ein Stift für adelige junge Mädchen, zu stecken, wo Teresa durch ihr gewinnendes Wesen sogleich die Herzen erobert und sich ihre bislang ausgeprägte Abneigung gegen den Ordensstand mindert.

Eine besondere Rolle kommt hierbei der dortigen Leiterin, Doña María de Briceño, zu, einer hochgebildeten, feinsinnigen und frommen Ordensfrau, die es versteht, Teresas unruhigen Geist zu führen und ihr verschüttetes Interesse für „die ewigen Dinge“ wieder zu erwecken: „Als ich an der guten und frommen Unterhaltung mit dieser Schwester zunehmend Gefallen fand, freute es mich zu hören, wie gut sie von Gott sprach“ (V 3). Noch als reife Frau erinnert Teresa sich daran, dass für die Berufung der besagten Klosterfrau das Matthäus-Zitat „Viele sind berufen, wenige aber auserwählt“ (Mt 20,16) ausschlaggebend gewesen war (V 3,1).

Gott rückt wieder mehr in den Mittelpunkt von Teresas Denken und Beten. Während sie sich zunächst mit dem mündlichen Beten begnügt, einem Beten mit vorgegebenen Worten, taucht erneut ein Thema auf, das sie fortan lebenslang begleiten wird: Sie wendet sich in der Meditation dem leidenden Herrn zu, um ihn in seiner Not zu trösten.

Es beginnt eine dreimonatige harte Zeit der „Güterabwägung“: Ehe gegen Klostereintritt – wobei sie wiederum beinahe „knallhart“ kalkuliert, wenn sie gesteht: „In diesem Kampf verbrachte ich drei Monate, wobei ich mir mit folgender Argumentation Zwang antat: dass die Härten und die Qual eines Lebens im Kloster nicht größer sein könnten als die des Fegefeuers, dass ich aber sehr wohl die Hölle verdient hatte, und dass es nicht viel bedeutete, mein Leben wie in einem Fegefeuer zu verbringen, weil ich danach geradewegs in den Himmel kommen würde, was ja ohnehin mein Wunsch war“ (V 3,6).

Und an anderer Stelle verhehlt Teresa auch nicht, dass sie nicht bereit war, die dauerhaften Mühen einer Ehe mit andauernden Schwangerschaften – wie sie es an ihrer Mutter leidvoll erlebt hatte – auf sich zu nehmen.

3.Teresas beschwerlicher Weg ins „Menschwerdungskloster“ (1535) und die folgenden „dürren Jahre“

Teresa ist hin- und hergerissen: Einerseits zieht es sie zu einem standesgemäßen Leben mit Festen und guten Freunden, andererseits bricht erneut und mit Macht diese „unstillbare Sehnsucht“ ihrer Kindheit nach einem „Seelenheil „für immer und ewig“ in ihr auf. Schließlich ergreift Gott selbst die Zügel … „Obwohl ich in dieser Zeit ziemlich um mein Seelenheil besorgt war, lag dem Herrn noch mehr daran, mich auf die Lebensform vorzubereiten, die am besten für mich war. Er ließ mich sehr krank werden, so dass ich zu meinem Vater nach Hause zurückkehren musste. (…) Als ich wieder gesund war, brachte man mich zu meiner Schwester, die in einem nahegelegenen Dorf wohnte, denn ihre Liebe zu mir war extrem (…).

Auf dem Weg dorthin lebte ein Bruder meines Vaters, ein sehr gebildeter und tugendhafter Witwer, den der Herr mehr und mehr darauf vorbereitete, ihn an sich zu ziehen (…). Er wollte, dass ich einige Tage bei ihm verbrachte. Seine Beschäftigung bestand in der Lektüre guter Bücher in der Muttersprache und seine Gespräche waren auf Gott und die Nichtigkeit der Welt gerichtet. Er bat mich, ihm vorzulesen, und obwohl mich seine Bücher nicht wirklich interessierten, tat ich so als ob. In diesem Punkt, anderen eine Freude zu machen, war ich extrem, auch wenn es mir schwerfiel (…).

Wenn ich auch nur wenige Tage dort blieb, erinnerte ich mich durch die Kraft, mit der sich die gelesenen oder gehörten Worte Gottes in mein Herz einprägten, und durch die gute Gesellschaft an die Wahrheit meiner Kindheit, die Nichtigkeit und Vergänglichkeit dieser Welt, und ich fühlte Angst in mir hochsteigen, dass ich in die Hölle käme, wenn ich jetzt sterben würde. Und wenn mein Wille auch noch nicht zu einem Eintritt ins Kloster bereit war, so sah ich doch ein, dass dies wohl die beste und sicherste Lebensform wäre, und beschloss, mich nach und nach zum Eintritt in ein Kloster zu zwingen (V 3,3 ff.).

Teresas rätselhafte Krankheiten und ein „Klostereintritt aus Höllenfurcht“

Wir begegnen hier einem weiteren für Teresa charakteristischen Phänomen: ihren lebenslangen Krankheiten, die einerseits – nach heutigem Verständnis – Ausdruck eines permanenten Somatisierungsprozesses waren, sich andererseits aber durch die nie endenden inneren Spannungen zwischen dem, was sie im Gebet zu erkennen glaubte, und ihrer „ungenügenden Ant-Wort“ erklären lassen: „Es befielen mich neben Fieberschüben auch immer wieder starke Ohnmachtsanfälle, da ich schon immer eine sehr schwache Gesundheit hatte. Indessen erfüllte mich die Freude an guten Büchern mit Leben. So las ich in den Briefen des hl. Hieronymus, die mir so viel Mut machten, dass ich mich entschloss, meinen Vater in meine Klosterpläne einzuweihen, was schon fast so viel war, wie den Habit zu nehmen. Denn ich war so besorgt um meine Ehre, dass ich diesen Schritt niemals zurückgenommen hätte, sobald ich ihn einmal ausgesprochen hatte (V 3,7).

Am 2. November 1535 tritt Teresa – aus Höllenfurcht, wie sie selber bekennt – in den Karmel von der Menschwerdung (Encarnación) zu Ávila ein, wo sie ein Jahr später eingekleidet wird und am 3. November 1537 Profess ablegt. „Ich erinnere mich noch ganz genau daran, dass der Schmerz, den ich empfand, als ich das Haus meines Vaters verließ, nicht stärker sein konnte, als wenn ich stürbe, denn mir war es, als löste sich jeder Knochen einzeln aus meinem Körper“ (V 4,1).

Immerhin stellt sich – vorübergehend – eine Art innerer Glückszustand bei Teresa ein: Sie, die an Geschmeide und Wohlleben gewöhnte und „verwöhnte“ junge Adelige, empfindet plötzlich eine innere Genugtuung beim Kehren der Klostergänge und bei anderen haushaltlichen Tätigkeiten, wenngleich sie im Kloster – ihrem Status gemäß – noch eine Dienerin bei sich hat.