cover.jpg

Elke Ottensmann – Von Gartenzwerg und Wackeldackel | Geschichten mit Herz und Humor – SCM Hänssler

SCM | Stiftung Christlicher Medien

Der SCM-Verlag ist eine Gesellschaft der Stiftung Christliche Medien, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-7751-7253-0 (E-Book)
ISBN 978-3-7751-5620-2 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book:
Beate Simson, Pfaffenhofen a. d. Roth

© der deutschen Ausgabe 2015
SCM-Verlag GmbH & Co. KG ·
Max-Eyth-Straße 41 · 71088 Holzgerlingen
Internet: www.scmedien.de · E-Mail: info@scm-verlag.de

Die Bibelverse sind, wenn nicht anders angegeben, folgender Ausgabe entnommen:
Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung 2006,
© 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

Umschlaggestaltung: Jens Vogelsang, Aachen
Titelbild: fotolia.com
Satz: typoscript GmbH, Walddorfhaslach

Inhalt

Begegnungen

Begleit-Erscheinungen

Mein jähzorniger Urgroßvater

Da steht ein Auto auf dem Flur

Beste Freundinnen

Wenn Zahnstocher auf Reisen gehen

Das verschenkte Geschenk

Toni und sein Terminkalender

Einmal berühmt sein

Mein Mann und seine Weggefährtin

Die schweigende Sängerin

Von Gartenzwerg und Wackeldackel

Flucht ins Meer

Omas Käfer

Der vergessene Bruder

Wenn der Opa mit dem Enkelsohne

Einmal Venedig und zurück

Wer zu früh kommt

Der beschwipste Dalmatiner

Eine Kaffeefahrt ist lustig

Ski Unheil

Es war einmal und ist nicht mehr

Der Fuß in der Suppe

Vom Pech verfolgt?

Der neue Teppich

Ein Pfarrer im Baumwipfel

Für einen Augenblick

Anmerkungen

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Gartenzwerg

Begegnungen

Den allermeisten Menschen dieser Erde begegnen wir nie und viele treffen wir nur einmal im Leben. Einige gehen ein Stück des Wegs mit uns, wenige begleiten uns ein Leben lang. Manchen wären wir zwar lieber nie begegnet, andere jedoch leuchten in unserem Leben auf wie ein Licht und hinterlassen nachhaltige Spuren auf unserem Lebensweg. Manchmal ist es nur ein Lächeln, das unser Herz erhellt, oder ein freundliches Wort zur rechten Zeit. Oft treffen uns diese Begegnungen unerwartet und überraschend, doch sie fallen dann wie Sonnenstrahlen in unser Herz und wärmen unsere Seele. So kurz diese Augenblicke auch sein mögen, sie bleiben uns oft ein Leben lang in schöner Erinnerung und erfreuen uns noch Jahre später.

Auch vierbeinige Weggefährten bereichern unzählige Menschen mit ihrem treuen Blick, ihrem fröhlichen Schwanzwedeln oder ihrem wohligen Schnurren und tragen zu manchen heiteren Erlebnissen bei.

In diesem Buch begegnen Sie Menschen und Tieren, deren Geschichten uns zum Schmunzeln bringen oder auch besinnlich stimmen und uns bisweilen in nostalgischen Erinnerungen schwelgen lassen. Nicht zuletzt begegnen Sie dem Schöpfer allen Lebens, der uns von Anfang an begleitet und uns ab und zu sogar einen Engel über den Weg laufen lässt. Er ist auch dann noch bei uns, wenn uns nicht mehr viele Menschen begegnen.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Gartenzwerg

Begleit-Erscheinungen

Wer heutzutage Menschen beobachtet, bemerkt schnell, dass die alte und die junge Generation häufig etwas gemeinsam haben: Viele ältere und beinahe alle jungen Leute haben einen Knopf im Ohr. Doch damit hört die Gemeinsamkeit auch schon wieder auf, denn zwischen den beiden Ohrstöpseln liegen Welten.

Während das Hörgerät im Ohr den Senioren helfen soll, die für sie leiser werdende Welt besser zu verstehen, eröffnet der mit einem kleinen Gerät verbundene Ohrstöpsel den jungen Leuten den Zugang zu einer immer lauter werdenden Welt. Während der ständige Begleiter im Ohr für viele ältere Menschen eher lästig ist, wollen die jungen Leute auf ihren verkabelten Weggefährten nicht mehr verzichten.

Egal, wohin man schaut, sei es in der Stadt, im Bus oder im Zug, überall sieht man junge Leute mit einem Knopf im Ohr und einem kleinen Gerät in der Hand. Auch in Wartezimmern, bei Verwandtschaftsbesuchen und selbst im Gottesdienst wollen manche nicht darauf verzichten. Bis vor gar nicht allzu langer Zeit war man mit dem tragbaren Telefon, dem Handy, topaktuell. Wer aber heutzutage noch ein herkömmliches Handy benutzt, gilt schon als altmodisch. Das klassische Handy wurde längst von dem viel intelligenteren Smartphone übertrumpft: besser, schneller und vielfältiger, nicht nur ein Telefon, sondern ein Computer im Miniformat. Keiner muss mehr alleine sein, denn das Smartphone ist wie ein Tor zur Welt. Tritt man in diese Welt ein, kann man nicht nur telefonieren, sondern auch Nachrichten empfangen und versenden, Musik hören, Filme abspielen und sich dank Navigationsgerät den Weg weisen lassen. Wird es doch einmal langweilig, stehen zahlreiche Spiele zur Verfügung, oder man befragt den integrierten Terminkalender nach dem aktuellen Tagesplan. Natürlich kann man auch schnell einmal seine Freunde in Australien oder Amerika per Skype besuchen und sie somit nicht nur hören, sondern sogar sehen! Nie ist man allein, jederzeit stehen Freunde auf Knopfdruck bereit. Hauptsache, man ist gut vernetzt, und das am besten rund um die Uhr. Je mehr Kontakte man über sein kleines Gerät hat, desto weniger ist man allein – oder etwa nicht?

Doch wie war das vor noch gar nicht allzu langer Zeit, als wir nichts von alledem wussten, weil es weder die Geräte, geschweige denn Begriffe dafür gab? Wie konnten wir bloß leben ohne diese Weggefährten der modernen Technologie?

Was für uns früher ganz normal war, kann sich die junge Generation nicht einmal mehr vorstellen. Unsere Geschichten aus den Zeiten ohne Computer, Handy und Internet muten heute beinahe wie Märchen an.

Wer oder was begleitete die Menschen früher, so ganz ohne tragbare Geräte? Wie konnte man es aushalten, nicht auf Schritt und Tritt erreichbar zu sein, nicht mit Stöpsel im Ohr herumzulaufen und nicht den ganzen Tag beschallt zu werden? Was machte man in seiner Freizeit ohne Videospiele oder Internet?

Während heutzutage die Finger stundenlang Tasten drücken und per Knopfdruck elektronische Befehle erteilen, entstanden früher unter fleißigen Händen selbst hergestellte Dinge wie gestrickte Pullover und genähte Kleider, bestickte Bettwäsche oder Tischdecken und handgeknüpfte Teppiche. Man vergnügte sich mit Gesellschaftsspielen oder traf sich nach getaner Arbeit abends, um gemütlich miteinander zu plaudern. Die Kinder spielten stundenlang mit ihren Freunden draußen, durchstreiften Wiesen und Wälder und waren mit den Gegebenheiten der Natur vertraut. Das Rauschen der Wälder oder das Gezwitscher der Vögel war ihnen nicht fremd.

Der Klang der Kirchenglocken begleitete die Menschen täglich, und man wusste am Läuten der Glocke zu deuten, ob Hochzeit gefeiert wurde oder ob jemand gestorben war.

Die Jahreszeiten waren wegweisende Begleiter der Menschen und bestimmten zum großen Teil darüber, wie sie ihre Zeit verbrachten. Alles hatte seine Zeit, Alt und Jung lebte im Einklang mit der Natur. Mit dem Aufgang der Sonne begann das Tagewerk, bei Sonnenuntergang hörte es wieder auf, und dann kehrte für gewöhnlich Ruhe ein.

Begleiterscheinungen im Leben gab es schon immer. Die neuen Wegbegleiter bringen jedoch bisher nie da gewesene Begleit-Erscheinungen und Nebenwirkungen mit sich. Sie reichen von »selten« bis zu »sehr häufig«, und immer mehr Menschen sind davon betroffen. Stundenlanges Ausharren vor dem Computer führt zu mangelnder Bewegung, der starr ausgerichtete Blick auf den Bildschirm kann die Augen beeinträchtigen, und der Wortschatz schrumpft oft auf ein Minimum zusammen. Gesprochen wird nur das Nötigste, schließlich kann man sich im Internet schneller mit Wortkürzeln verständigen. Die Kommunikation im Kreise der Familie beschränkt sich häufig auf ein paar Sätze am Tag.

Die weltweite Vernetzung ermöglicht es uns wie nie zuvor, per Knopfdruck innerhalb von Sekunden unerschöpfliche Informationen zu erhalten. Doch auch hier sind Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen, sie sind sogar wie Pilze aus dem Boden geschossen und werden immer häufiger. Privates wird öffentlich gemacht, Bilder werden verbreitet, elektronische Daten werden geklaut, und es wird gemobbt, gelästert und beleidigt. In Sekundenschnelle werden Mitteilungen mit oft unabsehbaren Folgen für die betroffene Person versandt. Sobald die Nachricht abgeschickt ist, verbreitet sie sich unwiderruflich wie ein Lauffeuer durch die Computerwelt.

Viele unserer Wegbegleiter haben sich verändert. Aber Gott sei Dank nicht alle. Wie seit Urzeiten begleitet uns die Sonne am Tag und der Mond in der Nacht; nach wie vor wechseln Ebbe und Flut sich regelmäßig ab, und immer noch gibt es bei uns Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Über alledem steht wie eh und je ein Weggefährte, der immer derselbe ist: unser Vater im Himmel. Er hat sich seit Menschengedenken nicht verändert und wird es auch bis zum letzten Tag nicht tun. Gott kennt unseren Weg bereits vom Ende her. Wenn wir es zulassen, wird er uns leiten und bis ans Ziel bringen, mögen die Wege auch noch so verschlungen sein. Gott ist da wie ein Fels in der Brandung, stark und fest. Sein Versprechen gilt heute noch genauso, wie es immer schon gegolten hat: Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende (Matthäus 28,20). Und das tut gut.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Gartenzwerg

Mein jähzorniger Urgroßvater

Mein Urgroßvater muss ein ganz besonderer Mensch gewesen sein. Er wurde im neunzehnten Jahrhundert geboren und war ein Mann vom alten Schlag aus einer Zeit, in der Werte noch viel mehr zählten als heute. Leider habe ich ihn nicht mehr kennengelernt. Er starb im Jahr 1936 im Alter von 71 Jahren, nur ein paar Wochen bevor mein Vater und sein Zwillingsbruder geboren wurden. Den unerwarteten Zwillingssegen seiner Tochter durfte er zwar nicht mehr erleben, dafür blieben ihm aber die Schrecken des Zweiten Weltkrieges erspart.

Zeit seines Lebens war mein Urgroßvater ein begnadeter Künstler. Seine Leidenschaft war die Malerei, die er dank seiner großen Begabung sogar zum Beruf machen konnte. Schon als junger Mann wurde er Porzellanmaler und arbeitete für eine Porzellanmanufaktur, wo er kostbares Geschirr bemalte. Unter seiner Hand entstanden wunderschöne Blumenmuster und Landschaftsszenen, die er mit feinsten Pinseln auf Teller, Schüsseln und Tassen malte. Auch in seiner Freizeit schaffte er manches Kunstwerk; einige seiner Porzellanmalereien befinden sich heute noch im Familienbesitz. Die geschmackvollen Motive und Verzierungen zeugen von einem großartigen Fingerspitzengefühl des Malers, von seinem feinen Gespür fürs Detail, von seiner Liebe zur Schöpfung und von seiner großen Geduld beim Malen.

Neben seinen vielen guten Seiten hatte mein Urgroßvater aber auch einen Makel, der ihm zeit seines Lebens zu schaffen machte. Immer wieder kam er sich selbst damit in die Quere. Es war sein Jähzorn, der ab und zu aufflammte, weswegen er bisweilen auch gefürchtet wurde. Mein Urgroßvater war sich seines Makels bewusst, und obwohl er ständig dagegen ankämpfte, gewann sein Jähzorn gegen seinen Willen oft die Oberhand. Gerade das war für ihn sehr demütigend, die Kontrolle über sich selbst zu verlieren und sich damit vor anderen bloßzustellen. Dazu kam, dass ihm das Wort Gottes heilig war. Er kannte die Verse 19 und 20 aus dem ersten Kapitel des Jakobusbriefs nur allzu gut: Ein jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn. Denn des Menschen Zorn tut nicht, was vor Gott recht ist. Genau das wollte er sein Leben lang tun: das, was vor Gott recht ist. Sein Bemühen darum machte ihn trotz seiner Zornesausbrüche sehr liebenswürdig. Er versuchte nicht, sich zu rechtfertigen, wenn sein Jähzorn wieder einmal ausgebrochen war. Hinterher tat es ihm immer leid. Seine Familie wusste, dass er es nicht wirklich böse meinte und lernte mit der Zeit, ihm aus dem Weg zu gehen, wenn er zornig wurde.

Mein Urgroßvater hatte sich sogar einen Bibelspruch mit schwarzer Tinte in seiner schönsten Schrift aufgeschrieben und über seinem Schreibtisch aufgehängt: Ein Jähzorniger handelt töricht (Sprüche 14,17). Dass er diesbezüglich immer wieder versagte, wurmte ihn gewaltig.

Einmal brachte er es sogar fertig, sich sein Handgelenk im Schlaf zu brechen. Wieder einmal war es sein Jähzorn, der sich seiner bemächtigt hatte – nachts im Traum! Er träumte von einem seiner Kinder. Welches es war, vermochte er später nicht zu sagen. Doch dieses Kind erregte in seinem Traum so sehr seinen Zorn, dass er es für richtig hielt, ihm eine schallende Ohrfeige zu geben. Der Traum verpuffte danach sehr schnell, denn mein Urgroßvater schlug mitten in der Nacht im Schlaf so fest zu, dass seine Hand mit voller Kraft an die Schlafzimmerwand knallte. Dadurch weckte er sich äußerst unsanft selbst auf. Meinem Urgroßvater war es zwar unangenehm, den wahren Grund seines gebrochenen Handgelenks zu erzählen, doch ehrlich, wie er war, bekannte er sich zu seinem nächtlichen Anfall von Jähzorn.

Als mein Urgroßvater beinahe siebzig Jahre alt war, ahnte er wohl, dass er nicht mehr allzu lange leben würde. Er sprach ab und zu davon, wie es wohl nach dem Sterben sein würde, und versprach seiner Frau: »Wenn ich euch aus dem Jenseits etwas mitteilen kann, werde ich es machen. Ich werde mich bei euch melden, wenn es eine Möglichkeit dazu gibt.« Nach seinem Tod im Alter von 71 Jahren dachte meine Urgroßmutter oft an seine Worte. Sie wusste, dass er ihr ein Zeichen geben würde, wenn er es könnte. Doch sie hörte nie wieder etwas von ihm. Sie vertraute darauf, dass ihr Mann bei Gott geborgen war und dass dieses letzte große Geheimnis des Lebens den Menschen erst dann eröffnet wird, wenn sie in Gottes Herrlichkeit eingehen.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Gartenzwerg

Da steht ein Auto auf dem Flur

Einem Auto zu begegnen ist heutzutage nichts Ungewöhnliches. Autos sind zu unseren täglichen Weggefährten geworden, ohne sie können wir uns das Leben nicht mehr vorstellen. Vor sechzig Jahren war das noch anders. In den Fünfzigerjahren war das Verkehrsaufkommen bei Weitem nicht so hoch, obgleich damals bereits der einmillionste VW-Käfer vom Band rollte.

Zu dieser Zeit machte mein Vater seine Lehre zum Werkzeugmechaniker und besuchte im Rahmen seiner Ausbildung einmal in der Woche die Berufsschule in einer kleinen Stadt im Schwarzwald. Die jungen Männer hatten während des Schulunterrichts aber nicht nur ihre Ausbildung vor Augen, sondern waren stets zu Scherzen aufgelegt und nutzten manch langweilige Unterrichtsstunde, um ihrem Lehrer einen Streich zu spielen. Außer dem gleichen Berufsziel hatten sie noch eine Gemeinsamkeit: Jeder von ihnen träumte davon, eines Tages ein eigenes Auto zu besitzen. Sie wussten auch genau, welches Auto auf dem Schulparkplatz zu welchem Lehrer gehörte. In den Pausen trafen sie sich oft auf dem Parkplatz, wo sie sich die verschiedenen Automodelle ansahen. Obwohl längst nicht alle Lehrer ein Auto besaßen, gab es für die jungen Männer eine interessante Auswahl zu sehen: vier VW-Käfer, einen Borgward, zwei Goggomobile und einen Fiat 500C, der von allen nur Mäuschen genannt wurde. Außerdem eine Ente von Citroën und den Kleinwagen des beliebten Lehrers Herrn Mittelbrunn, eine BMW Isetta. Mit ihrer ungewöhnlichen Türkonstruktion erregte diese bei den Schülern besondere Aufmerksamkeit. Sie freuten sich jedes Mal, wenn Herr Mittelbrunn nach Ende des Schulunterrichts die Fronttür wie bei einem Kühlschrank aufklappte und dann das Lenkrad mit der Tür nach vorne schwenkte.

An einem sonnigen Tag im Mai versammelten sich die Schüler von Herrn Mittelbrunn während der großen Pause um seine Isetta und heckten einen besonders einfallsreichen Streich aus. Ihrem Klassensprecher Moritz war nämlich der Gedanke gekommen, dass die zweisitzige Isetta klein genug wäre, um auf den Flur im zweiten Stockwerk des Schulgebäudes zu passen. Das Lehrerzimmer befand sich am Ende des Flures, sodass jeder Lehrer, also auch Herr Mittelbrunn, unweigerlich an dem Auto vorbeikommen würde. Nachdem zwei der Schüler den Eingang zum Schulgebäude und das Treppenhaus ausgemessen und mit den Maßen der Isetta verglichen hatten, stellten sie erfreut fest, dass sie das kleine Auto ohne großen Aufwand in die Schule bringen konnten. Den jungen Auszubildenden war jedoch klar, dass sie nicht viel Zeit haben würden, das Auto vor Ort wieder zusammenzubauen, ohne dabei gesehen zu werden. Sie wussten, dass das Lehrerkollegium sich jeden Donnerstagmorgen eine Stunde vor Unterrichtsbeginn zur Besprechung im Lehrerzimmer traf. Dieser Zeitpunkt war die Gelegenheit, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen.

So lauerten an einem Donnerstag im Mai morgens um halb sieben alle sechzehn Schüler der Werkzeugmechaniker-Klasse mit Wagenheber und Werkzeugen bestückt hinter der Parkplatzmauer. Sie beobachteten, wie ein Lehrer nach dem anderen mit dem Auto, dem Fahrrad oder zu Fuß ankam, und zählten genau mit, um sicher zu sein, dass auch alle da waren. Kaum war der letzte Lehrer ins Schulhaus gegangen, machten sich die jungen Männer ans Werk. Sie hatten im Vorfeld alles genauestens geplant und abgesprochen. Zuerst wurde der Wagen aufgebockt, dann die vier Räder abgeschraubt. Während Günther, Hermann, Dieter, Klaus, Walter und Horst die Isetta zum Schulgebäude trugen, transportierten Helmut, Manfred, Karl und Rolf jeweils einen Reifen. Willy hielt die Tür auf, und Siegfried, Heinz und Alfred brachten die Werkzeuge hinterher. Mühevoll trugen die sechs ausgewählten Schüler das Auto hinauf in den zweiten Stock, wo die vier Räder in aller Eile wieder angeschraubt wurden.

Da die Täter im Einzelnen nicht zu ermitteln waren, verdonnerte Herr Mittelbrunn seine Klasse zu der Kollektivstrafe: eine Stunde nachsitzen. Nach Unterrichtsende musste jeder einzelne Schüler mithelfen, die Isetta unbeschädigt und startbereit wieder auf dem Parkplatz aufzustellen.

Wenige Wochen nach diesem gelungenen Streich sah man Herrn Mittelbrunn in einem VW-Käfer anrollen, den er für seine Isetta eingetauscht hatte. Niemand wusste so genau warum. Vielleicht weil der Käfer für einen Parkplatz auf dem Flur zu groß war?