Typenkompass

Alexander Lüdeke

Panzer der UdSSR

1917–1945

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Einbandgestaltung: Luis dos Santos

Titelbild: Vincent Bourguignon

Bildnachweis: Die zur Illustration dieses Buches verwendeten Aufnahmen stammen – wenn nicht anderes vermerkt ist – vom Verfasser.

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1. Auflage 2014

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Lektorat: Joachim Köster

ISBN: 978-3-613-31047-6

Vorwort

Thema dieses Typenkommpass sind die in der Sowjetunion gebauten Kampfpanzer zwischen 1917 und 1945. Nach zögerlichen Anfängen brachte die Rüstungsindustrie der UdSSR ab Anfang der 1930er Jahre eine Vielzahl von Entwürfen hervor. In der Tat war die Vielfalt so groß, dass nicht alle in einem Typenkompass Platz finden können. Bis auf die Ausnahme des T-34M mussten leider Projekte, die nicht über das Planungsstadium hinaus kamen, außen vor bleiben oder konnten nur kurz erwähnt werden. Gleiches gilt leider auch für einige Prototypen leichter Panzer, die Mitte der 1930er Jahre entstanden. Zwischen 1917 und 1945 in der Sowjetunion bzw. Russland entworfene gepanzerte Radfahrzeuge (zu denen ich auch den Zar-Panzer zähle) sowie Selbstfahrlafetten bzw. Sturmgeschütze/Jagdpanzer werden hoffentlich Thema eines künftigen Typenkompass sein. Leider sind nicht alle Fotografien von bester Qualität. Dies liegt an ihrem Alter sowie den Umständen ihrer Entstehung. Oft sind diese Aufnahmen jedoch alles, was verfügbar ist. Auch eine umfassende Darstellung der politischen, industriellen und militärischen Hintergründe der Panzerentwicklung in der UdSSR würde den Rahmen dieses Buches leider sprengen.

Wie immer haben mich zahlreiche Personen und Institutionen bei meinen Recherchen unterstützt. Ihnen allen gebührt mein Dank. Besondere Erwähnung verdient Oliver Missing, der erneut seine bestechenden Grafiken, Tipps und Fachwissen beisteuerte. Auch bei Vincent Bourguignion und Vitaly V.Kuzmin möchte ich mich ausdrücklich bedanken. Nicht zu vergessen sind auch meine Frau Martina sowie unser Sohn Thore, deren Unterstützung und Geduld diesen Typenkompass erst möglich machten.

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T-28 auf dem Roten Platz in Moskau.

Einleitung

Als während der Alliierten Siegesparade in Berlin am 7. September 1945 die Panzer der Roten Armee an der Tribüne vorbeirollten, erbebte die Erde. Unter den zahlreichen sowjetischen Kampf­fahrzeugen befanden sich auch 52 schwere Panzer des Typs JS-3. Der erste öffentliche Auftritt dieser Giganten hinterließ unter den anwesenden westlichen Militärs bleibenden Eindruck, denn keine westliche Armee verfügte zu jener Zeit, von Prototypen abgesehen, über vergleichbare Fahrzeuge. Dies war umso erstaunlicher, als die UdSSR 20 Jahre zuvor praktisch keine Panzer besessen hatte. Zwar gab es bereits während des 1. Weltkrieges im zaristischen Russland eine Reihe von Entwürfen für gepanzerte Fahrzeuge, von denen jedoch nur zwei als Prototypen gebaut wurden. Das Wesdechod (russ. für Geländefahrzeug, siehe S. 8) war ein kleines Kettenfahrzeug, während der Zar-Panzer ein riesiges, 17 m langes Ungetüm mit drei Rädern war, von denen die beiden vorderen einen Durchmesser von rund 9 m erreichten. Das Wesdechod erwies sich jedoch als nicht steuerbar, während der Zar-Panzer sich bei seiner ersten Erprobungsfahrt festfuhr. Doch selbst wenn diese beiden Entwürfe sich als erfolgreich herausgestellt hätten, Russland fehlte es zu jener Zeit an der industriellen Basis, um diese Idee auch umzusetzen.

Obwohl reich an Menschen und Bodenschätzen, konnten weder das vorrevolutionäre Russland noch die junge Sowjetunion im westlichen Maßstab als industrialisiert gelten. Das Reich des Zaren und Lenins trennten auf diesem Gebiet Welten von Großbritannien, Frankreich, Deutschland oder den USA. Die chaotischen Verhältnisse nach der Revolution von 1917 trugen im Gegenteil eher dazu bei, dass sich der Rückstand noch verschlimmerte. Ein auf die Revolution folgender Bürgerkrieg zwischen »Roten« (den Kommunisten oder »Bolschewiken«) und den »Weißen« (Anhängern des Zaren, bürgerlich und national gesonnenen Kräften), zerriss und verwüstete das Land. Die »Weißen« erhielten militärische Unterstützung aus Frankreich, Großbritannien, Japan und den USA, darunter auch Kampfpanzer, z. B. britische Mk V und Whippet sowie französische Renault FT 17. Eine ganze Reihe dieser Fahrzeuge fiel in die Hände der Roten Armee, die so in die Lage versetzt wurde, ihre ersten Panzereinheiten aufzustellen. Erbeutete FT 17 dienten zugleich als Vorlage für den ersten in der UdSSR gebauten Kampfpanzer, den Russkiy Reno (russischen Renault). Obwohl der FT 17 ein vergleichsweise simples Fahrzeug war, stellte sein Nachbau die sowjetische Industrie doch vor erhebliche Probleme. Es fehlte an Unternehmen, die in der Lage gewesen wären Motoren, Getriebe, Waffen, ja selbst die notwendigen Panzerbleche herzustellen. Es war daher nötig auf vielen Gebieten von Null zu beginnen und zu improvisieren, was entsprechende Fehler mit sich brachte. Manche Quellen gehen sogar davon aus, dass nicht 15, sondern nur ein einziger Russkiy Reno neu gebaut wurde und die restlichen 14 Panzer nichts anderes als zuvor erbeutete und dann grundüberholte FT 17 waren. Wie dem auch sei, die Zahl der bis Mitte der 1920er Jahre in der jungen UdSSR produzierten Kampfpanzer war verschwindend gering. Das Interesse an dieser neuen Waffe war jedoch sehr groß.

Bereits 1923 stellte die Rote Armee Studien über den Einsatz von Kampfpanzern im In- und Ausland seit 1916 an und formulierte auf dieser Grundlage im Sommer 1924 die Anforderungen für einen neuen Kampfpanzer. Das Ergebnis war der im März 1927 fertig gestellte Prototyp T-16, der schließlich zum T-18 (oder MS-1 für Malyi Soprowoschdenija - kleiner Begleitpanzer, Typ 1) weiterentwickelt wurde, dem ersten in der UdSSR in Großserie gebauten Kampfpanzer. Dies geschah im Zuge des ab 1928 durchgeführten ersten Fünfjahresplan, der die bisher vor allem landwirtschaftlich geprägte UdSSR in einen Industriestaat verwandeln und den raschen Aufbau der Rüstungsproduktion gewährleisten sollte. Dazu erwarb die Sowjetunion im großen Stil zivile und militärische Technologie, Werkzeuge und Maschinen im Ausland. So besuchten sowjetische Einkaufkommissionen 1929/1930 westliche Staaten und beschafften u. a. in Großbritannien und den USA Kampffahrzeuge. Des Weiteren schloss man Abkommen über deren Lizenzherstellung in der UdSSR.

Der britische Rüstungskonzern Vickers lieferte 26 Tanketten des Typs Carden-Loyd Mk IV, 15 Panzer des Typs Mk E Typ A (Vickers 6-Tonner) und 8 Schwimmpanzer A4E11/A4E12, die schließlich zur Tankette T-27, zum leichten Panzer T-26 und zu den Schwimmpanzern T-41/T-37/T-38 wurden. Aus den USA kamen, getarnt als »landwirtschaftliche Traktoren«, zwei Christie-Panzer, welche die Grundlage für die spätere BT-Reihe bildeten und maßgeblich die Konstruktion des T-34 beeinflussten. Auch der mittlere Panzer T-28 und der schwere Typ T-35 waren erheblich von britischen Vorbildern geprägt. Praktisch alle Panzer der Roten Armee beruhten also bis Ende der 1930er Jahre auf Entwürfen, die aus dem eigentlich feindlichen kapitalistischen Ausland kamen. Doch auf der Grundlage der Erfahrungen, die mit der Herstellung und Weiterentwicklung dieser Typen gemacht worden waren, gelang es der sowjetischen Industrie ab Ende der 1930er Jahre, eigenständige Entwürfe zu entwickeln, welche die Welt verblüfften und zu jener Zeit weltweit ihresgleichen suchten. Typen wie der KW-1 und T-34 überraschten durch ihre Feuerkraft, ihre Panzerung und (zumindest der T-34) Mobilität.

Hatte die Rote Armee 1929 nur 340 Panzer besessen, so war die Zahl 1935 auf 7633 angestiegen. Die UdSSR verfügte damit bereits Mitte der 1930er Jahre über mehr Panzer, als alle anderen Armeen der Welt zusammen. Am Vorabend der deutschen Invasion im Juni 1941 konnte die Rote Armee (inklusive Reserve- und Schulfahrzeugen) schließlich auf die erstaunliche Zahl von 28.800 Panzern zurückgreifen.

Doch nicht nur auf technischem Gebiet machte die Sowjetunion große Fortschritte, auch auf militärtheoretischem und taktischem Gebiet ging man neue Wege. Die Unterstützung der Westmächte und Japans für die »Weißen« durch Material und Truppen während des Bürgerkriegs sowie die in der eigenen Ideologie angelegte Vorstellung der »Weltrevolution« verfestigten in der sowjetischen Führung die Meinung, ein Krieg mit dem Westen sei unausweichlich. Um diesen mit Erfolg führen zu können, studierte die Rote Armee sehr genau die Ereignisse des 1. Weltkriegs und des heimischen Bürgerkriegs. Ab Mitte der 1920er Jahre entstand daraus die Doktrin der »Tiefen Operation« (auch »Tiefer Schlag«), bei der die gegnerische Front in ihrer ganzen Tiefe durch koordinierte Aktionen von Infanterie, Artillerie, Pionieren, Panzern und Luftwaffe angegriffen werden sollte. Einen erheblichen Teil dieser Kräfte sollten Panzerformationen stellen. Neben Typen zur unmittelbaren Infanterieunterstützung (T-26) sollten dazu schnelle Fahrzeuge, die tief im Hinterland des Gegners operierten (BT-Reihe), und Panzer gehören, welche den Durchbruch durch stark verteidigte Stellungen zu erzwingen vermochten (T-28, T-35). Verfeinert und weiter vertieft wurde diese Theorie auch durch die Zusammenarbeit mit der deutschen Reichswehr von Ende der 1920er Jahre bis 1933. In jener Zeit betrieb die Reichswehr in Zusammenarbeit mit der Roten Armee z. B. die Panzerschule Kama nahe Kasan in der UdSSR, an der zeitweilig auch Ernst Volckheim, einer der damals führenden deutschen Theoretiker zur Panzerkriegführung, lehrte.

Die Rote Armee war 1941 zahlenmäßig die stärkste Macht Europas, und damit wohl auch der Welt. Und doch brachte die Wehrmacht die UdSSR im Sommer und Herbst 1941 an den Rand einer Niederlage. Von den 28.800 Panzern vor Kriegsbeginn waren Anfang 1942 nur noch rund 1500 verfügbar, der Rest war zerstört oder mehr oder minder beschädigt den Deutschen in die Hand gefallen. Die Gründe für diese Katastrophe waren vielfältig. Es lag weniger daran, dass viele Fahrzeuge der Roten Armee technisch auf einem Stand waren, der jenem von 1935 entsprach – viele Panzer der Wehrmacht waren nicht besser. Die 45-mm-BK L/46 des T-26, BT-5 oder BT-7 war eine ernstzunehmende Waffe, die auf Kampfentfernung alle deutschen Panzer auszuschalten vermochte. Obwohl die genannten sowjetischen Typen nur über eine dünne Panzerung verfügten, war jene ihrer deutschen Kontrahenten nur wenig stärker. Weit entscheidender war die Tatsache, dass die Rote Armee oft mehr Wert auf Quantität statt Qualität gelegt hatte. Sowjetische Fahrzeuge jener Zeit mangelte es – selbst an den Standards jener Zeit gemessen – häufig an mechanischer Zuverlässigkeit und sie bedurften intensiver Wartung. Im Handbuch des damals sehr modernen T-34 wurde 1941 angegeben, dass z. B. der Luftfilter nach wenigen Stunden gründlich zu reinigen sei, um zuverlässig zu arbeiten. Tat man dies nicht, kam es unweigerlich zu Motorschäden. Unter Kampfbedingungen sind solche Vorschriften natürlich nur schwer einzuhalten. Zudem fehlte es der Roten Armee im Sommer 1941 an Ersatzteilen und die Ausbildung der Panzerbesatzungen war dürftig.

Große Probleme bei fast allen Panzerfahrzeugen bereiteten Kupplungen und Getriebe. Hier zeigte sich, dass es der jungen sowjetischen Industrie beim Entwurf und der Herstellung dieser elementaren und enorm stark beanspruchten Schlüsselkomponenten noch an Erfahrung fehlte. Eine weitere wichtige Ursache für die schlechten Leistungen der Roten Armee nach dem Angriff der Wehrmacht waren die von Stalin ab 1937 initiierten »Säuberungen«. So wurden bis 1938 ca. 33.000 bis 35.000 von insgesamt 178.000 militärischen Führungskräften wegen angeblicher Spionage und Landesverrates verhaftet, darunter 13 von 15 Armeegenerälen und 154 von 186 Divisionskommandeuren. Deren Nachfolger waren im besten Falle unerfahren, oft aber einfach nur aus politischen Gründen befördert worden, obwohl sie sich eigentlich gar nicht für diese Posten eigneten.

Der deutsche Vormarsch führte ab Herbst 1941 dazu, dass die sowjetischen Panzerwerke aus Leningrad, Charkow und Moskau nach Osten verlegt wurden, was zu einem Einbruch der Produktionszahlen führte. Als diese Werke jedoch wieder damit begannen, Panzer herzustellen, taten sie dies ungestört von deutschen Luftangriffen und mit der Gewissheit, auf praktisch unbegrenzte Rohstoffreserven zurückgreifen zu können. Denn im seltenen Fall, dass es etwas im eigenen Land nicht gab, lieferten es die USA. Die Konzentration auf wenige Typen wie den T-34, die KW- und JS-Reihe sowie deren rücksichtslose Anpassung an die Erfordernisse der Massenfertigung führten zu erstaunlichen Produktionszahlen, die jene des deutschen Reiches um ein Mehrfaches übertrafen. Entstanden z. B. vom PzKpfw IV von 1937 bis 1945 8223 Exemplare und vom PzKpfw V Panther von 1943 bis 1945 5984 Stück, so wurden von 1940 bis 1945 insgesamt 34.780 T-34/76 und 1944/45 22.559 T-34/85 gefertigt. Allerdings wurden diese hohen Fertigungszahlen nicht selten durch Verarbeitungsmängel erkauft, die jedoch nach sowjetischer Ansicht bei Fahrzeugen, deren Lebensdauer sich meist ohnehin nur in Wochen oder Monaten bemaß, nicht ins Gewicht fielen. Hatte ein T-34 auch nur einen einzigen deutschen Panzer abgeschossen, so hatte er seinen Zweck erfüllt.

Wegweisende Entwürfe wie der T-34, die Konzentration auf wenige, massenproduktionstaugliche Typen, die Reorganisation der zunächst desolat auftretenden Roten Armee sowie massive Hilfe der Westalliierten (im Zuge der Lend-and-Lease Lieferungen erhielt die UdSSR rund 430.000 Jeeps und Lkw sowie 21.500 gepanzerte Fahrzeuge. Darunter befanden sich über 4000 M4 Sherman, ca. 1200 M3 Stuart und in etwa 1000 M3 Grant sowie rund 3000 Matilda und Valentine) ermöglichten es der Roten Armee schließlich, den Sieg über das Deutsche Reich davonzutragen. Doch dieser Sieg musste teuer erkauft werden. Die UdSSR erlitt hohe Verluste an Menschen und Material. Weite Teile im Westen des Landes waren verwüstet und die Bevölkerung ertrug unermessliches Leid. Dennoch, nach Ende des 2. Weltkrieges stieg die UdSSR zu einer der beiden Supermächte auf – und zu dieser Stellung hatte die Entwicklung der Panzerwaffe seit 1917 nicht unerheblich beigetragen.

Leichte Kampfpanzer

Im August 1914 bot der Flugzeugbauingenieur Alexandrowitsch Porochowschtschikow der russischen Armee an, ein Geländefahrzeug (russisch Wesdechod) zu konstruieren. Der Bau begann im Februar 1915; ab Mai jenes Jahres erfolgte die Erprobung. Das Wesdechod besaß nur eine einzige, zentral angeordnete Kette, die aus gummiertem Gewebe bestand und über vier Rollen lief. Die erste Rolle war angehoben, um die Kletterfähigkeit zu verbessern, die letzte Rolle brachte die Kraft eines 10-PS-Ottomotors auf die Kette. An seitlichen Auslegern waren zwei Räder angebracht, die der Lenkung dienten und auf denen sich die vordere Hälfte des Fahrzeugs auf hartem Grund abstützte. Auf weichem Untergrund sanken die Räder ein und die zentrale Kette trug das gesamte Gewicht. Die Räder sollten dann, Rudern ähnlich, die Steuerung übernehmen.

Obwohl sich das Wesdechod bei Tests als recht geländegängig erwies, war es abseits fester Wege praktisch nicht zu steuern (Kettenfahrzeuge mit zwei Gleisketten steuern zumeist ja mittels der Abbremsung einer Laufwerksseite). Da sich die Steuerungsprobleme nicht lösen ließen, wurde die Entwicklung Ende 1915 eingestellt. Zur Jahreswende 1916/17 sollte das Projekt mit einem verbesserten Modell jedoch wieder aufgenommen werden – die weitere Spur des Wesdechod verliert sich in den Wirren der Revolution von 1917.

Leichter Panzerkampfwagen

Russisches Maschinenbauwerk

4000 kg

3600 mm

2000 mm

k.A

PMS 4-Zyl.-Ottomotor

15/20

5,0 PS/t

25 km/h (Straße)

k.A

k.A

1

1–2 x 7,62-mm-MG Typ
Maxim

max. 8 mm

k.A.

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Wesdechod

Auf die Oktoberrevolution 1917 folgte bald ein erbitterter Bürgerkrieg zwischen Roten (Kommunisten) und Weißen (Bürgerliche, Zar-Anhänger u. a.), wobei Großbritannien, die USA und Frankreich die Weißen unterstützten. Im Dezember 1918 lieferte Frankreich 20 Renault FT an die Weißen. Vom FT, dem wohl modernsten und erfolgreichsten Panzer seiner Zeit, wurden ab 1917 über 4500 Stück gebaut. Die Rote Armee erbeutete im März 1919 nahe Odessa vier dieser Renault, von denen einer nach Moskau gesandt und untersucht wurde. Im August 1919 entschied Lenin persönlich, dass der Panzer zu kopieren sei. Das erbeutete Fahrzeug wurde daraufhin zerlegt in das Werk Krasnoe Sormowo in Nischni Nowgorod transportiert. Wanne, Turm und Laufwerk baute man dort (bis auf kleine Abweichungen in der Panzerstärke) nach, bei anderen Komponenten war dies jedoch nicht so einfach.

Leichter Panzerkampfwagen

Werk Krasnoe Sormowo,
Nischni Nowgorod/Gorki

7000 kg

4000 mm

1750 mm

2250 mm (Turmoberseite)

AMO-Fiat 4-Zyl.-Ottomotor

25/33,5

4,5 PS/t

8 km/h (Straße)

90 l

60 km

2

1 x 37-mm-BK L/21 und/oder 1 x 7,62-mm-MG Typ DT

6,5-mm- bis 16-mm-Panzerstahl

0,5 m

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Drei Russkiy Reno auf dem Roten Platz in Moskau. Man beachte, dass der rechte Panzer ein Turm-MG trägt.

Da das ursprüngliche Getriebe auf dem Weg nach Nowgorod abhanden gekommen war, musste ein eigenes Getriebe entwickelt werden. Beim Triebwerk griff man auf einen in Lizenz gebauten 33-PS-Fiat-Motor zurück.

Die Hauptbewaffnung bestand aus alten 37-mm-Hotchkiss-Kanonen, die in den 1880er Jahren aus Frankreich importiert worden waren. Ursprünglich wurde der FT in Frankreich in zwei Varianten gebaut, einer Kanonenversion mit 37-mm-BK und einer MG-Version. Die sowjetischen Konstrukteure folgten dieser Praxis zunächst, fanden dann jedoch einen Weg, ein MG in die seitliche Turmwand zu integrieren, sodass einige (vermutlich acht) der FT-Kopien sowohl über eine Kanone als auch ein MG verfügten. Dies geschah allerdings zu Lasten der Bewegungsfreiheit des Kommandanten im ohnehin schon sehr engen Turm. Das erste Serienexemplar des russischen Renault (Russkiy Reno) wurde im August 1920 fertiggestellt. Die Produktion endete schließlich Mitte 1921 nach wahrscheinlich nur 15 Panzern. Die meisten dieser Panzer erhielten Namen, z.B. Pariser Kommune, Freiheitskämpfer Genosse Lenin, Leo Trotzki, Roter Stern, Roter Kämpfer, Karl Marx, Proletarier, Sieg, Sturm, Karl Liebknecht, Kertsch, Ilja Murometz und Chernomorets.003_S.10.jpg

Nachbau des Panzers »Freiheitskämpfer Genosse Lenin« in Nischni Nowgorod, aufgenommen 2010. Im Hintergrund ein T-34/85.
(Foto: Alexey Beloborodov, © CC-BY-SA-3.0)

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Äußerlich unterschied sich die russische Kopie kaum vom französischen Original, allein interne Elemente wie Motor, Getriebe und Bewaffnung differierten.

Russkiy Reno