Karl May



Scepter und Hammer

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Klassiker als ebook bei RUTHeBooks, 2015


ISBN: 978-3-95923-039-1


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Kapitel 16 - Kampf und Sieg



Einige Tage vor den letzt erzählten Ereignissen breitete ein stürmischer regnerischer Abend seine dunklen Schwingen über die Residenz von Süderland aus. Der Schein der Straßenlaternen vermochte kaum die Flut der herabströmenden Tropfen zu durchdringen, und wer nicht durch Not oder Pflicht gezwungen war Wohnung.

Dennoch gab es einen der äußeren Stadtteile, in welchem ein aufmerksamer Beobachter verschiedene Gestalten bemerkt hätte, die hier und da schnell über das falbe Laternenlicht zu huschen versuchten. Wer ihnen gefolgt wäre, der hätte jedenfalls bemerkt, daß sie alle nach einem und demselben Ziele steuerten, nämlich einem in schönen Tagen sehr viel besuchten Vergnügungsorte, welcher, ungefähr eine halbe Stunde von der Residenz entfernt, in beinahe ländlicher Einsamkeit zwischen den Anfängen eines Laubwaldes verborgen lag.

Hatten sich diese Leute nur wegen des niederströmenden Regens so sorgfältig verhüllt, oder gab es noch einen andern Grund der sie veranlaßte, sich und ihre Gesichter so wenig wie möglich bemerken zu lassen? Kam es je vor, daß einer in schnellerem Schritte den andern überholte, so geschah dies ohne Wort und Gruß, trotzdem sie sichtlich einen und denselben Zweck verfolgten, welcher auch vornehme Personen herbeizuziehen schien, denn es rollten auch öfters Kutschwagen und sogar feine Equipagen die Straße entlang, und es war sonderbar, daß dieselben nicht ganz bis zum bereits angegebenen Ziele fuhren, sondern immer in einiger Entfernung von demselben halten blieben, bis die Insassen ausgestiegen waren und dann in schnellem Tempo wieder zurückkehrten.

Unter all den einzelnen Fußgängern hätte man nur ein einziges Mal Zwei bemerken können, welche sich beständig neben einander hielten. Der eine von ihnen war hoch und breitschultrig gebaut; der andere war von kleiner schmächtiger Figur. Wäre es Tag oder heller gewesen, so hätte man noch Folgendes bemerken können:

Der von einem dichten Haarwuchse bewaldete Kopf des Großen zeigte ein vom Wetter hart mitgenommenes Gesicht, dessen scharfes und offenes Auge mit den derben gutmütigen Zügen sehr glücklich harmonierte. Dieser Kopf war bedeckt von einem Hute, der so alt war, daß man den Stoff, aus welchem man ihn gefertigt hatte, und die ursprüngliche Farbe nur nach einer eingehenden chemischen Untersuchung hätte bestimmen können. Er war in unzählige Knillen und Falten gedrückt, und weil sein Besitzer jedenfalls eine freie Stirn liebte, so hatte er denjenigen Teil der breiten Krämpe, welcher bestimmt ist das Gesicht zu beschatten, sehr einfach mit dem Messer abgeschnitten. Der Oberleib stak in einem kurzen, weiten, seegrünen Rocke, dessen Ärmel so kurz waren, daß man den vorderen Teil der sauber gewaschenen Hemdärmel sah, aus denen ein paar braune riesige Hände hervorblickten, die einem vorsinnflutlichen Riesengeschöpfe anzugehören schienen. Unter dem breit über den Rock geschlagenen sauberen Hemdkragen blickte ein rot und weiß gestreiftes Halstuch hervor, dessen Zipfel weit über die Brust herab bis auf den Saum der blau und orange karirten Weste hingen. Die Beine staken in hochgelben Nankinghosen, welche in fett geteerten Seemannsstiefeln verliefen, in die zur Not ein zweijähriger Elephant hätte steigen können. Sein Gang schlug herüber und hinüber, von Backbord nach Steuerbord und von Steuerbord wieder nach Backbord, gerade wie bei einem lang befahrenen Matrosen, der während der Dauer von vielen Jahren den festen sichern Erdboden nicht unter den Füßen gehabt hat.

Das große Frauentuch, in welches er des Regens wegen seinen Oberkörper jetzt geschlagen hatte, hätte am Tage sicher gerechtes Aufsehen erregt, denn es zeigte alle möglichen Blumen und Arabesken, die in den hellsten und schreiendsten Farben des Regenbogens erglänzten.

Der Andere trug eine rote phrygische Mütze, unter welcher ein rabenschwarzes Haar in langen Locken hervorquoll. Sein hageres Gesicht war außerordentlich scharf geschnitten und zeigte jenen eigentümlichen orientalischen Typus, welchen man in dieser Ausprägung nur bei den Zigeunern zu sehen pflegt. Sein schwarzes unruhiges Auge wanderte scharf und ruhelos von einem Gegenstande zum andern, und jeder Zollbreit des Mannes zeigte jene Beweglichkeit und Rastlosigkeit, die dem wandernden Volke der Gitani eigentümlich ist. Seine Kleidung war einfach, bequem und nicht so auffallend in Form und Farbe wie diejenige seines gigantischen Reisegefährten, doch trug sein schwankender Gang ganz dieselben Spuren einer zurückgelegten längeren Seereise.

Auch er hatte sich in ein Frauentuch gehüllt, welches durchweg dunkelrot gefärbt war. Der Seemann liebt einmal die hellen Farben.

Die Umschlagetücher schienen nur zum Schutze der Kleidung vorhanden zu sein, denn Beide trugen die Köpfe hoch wie beim schönsten Wetter und ließen sich den Regen mit aller Gemütlichkeit in das Gesicht schlagen; er schien sie auch nicht im mindesten in ihrer Unterhaltung zu stören.

Thomas.

"Heiliges Mars- und Brahmenwetter," meinte der Riese, "ist das hier eine Zucht und Unordnung!"

"Was?"

"Daß diese Wagen vorübersegeln, ohne zu fragen, ob es noch andere Kreaturen gibt, die auf Erden wandeln. Dieser letzte hätte mich beinahe über den Haufen gerissen, und ich bin mit Kot bespritzt von der Mastspitze an bis zum Kiele herab."

"Geht wieder weg!"

"Aber mein schönes neues Tuch! Das Wasser tut nichts, aber dieser Dreck. Wer soll morgen noch die Blumen und Guirlanden erkennen! Aber weiter mit Deiner Insel!"

"Gut also! Diese Höhle zu finden, macht mir keiner nach, und auch ich hätte sie nicht entdeckt, wenn mich nicht dieser Zufall hingeführt hätte."

"Aber warum nahmst Du nicht alle Steine und das ganze Gold mit fort?"

"Das hätte mir sehr verhängnisvoll werden können. Ich hatte mir nur einige Proben des Schatzes mitgenommen, als ich in meine Hütte zurückkehrte, und bereits am andern Morgen kam das Schiff in Sicht, welches mich nachher aufnahm. Konnte ich mehr holen? Die Leute wären mir gefolgt und hätten meinen Schatz ganz sicherlich entdeckt."

"Das ist wahr. Aber ist er denn wirklich so bedeutend?"

"Ich verstehe mich nicht darauf ihn abzuschätzen, aber nach dem, was ich für den einen Rubinen nur erhalten habe, der mir gewiß nicht hoch genug bezahlt worden ist, sind viele Millionen vorhanden."

"Heiliges Mars- und Brahmenwetter, da wollte ich doch gleich, daß ich auch einmal über diese Juweleninsel hinwegstolperte!"

"Sind wir hier zu Lande fertig, so fahren wir hin, Steuermann, und holen die Steine."

"Aber wenn Dir etwas passiert? Die Zeiten sind so, daß man seine Schiffsbücher sehr in Ordnung halten sollte."

"Ist bereits geschehen. Im Rücken meiner Weste sind einige Papiere eingenäht, die Alles enthalten, was zu wissen notwendig ist. Sollte mir etwas passieren, so bist Du der Vollstrecker meines Testamentes. Auch Zarba weiß davon; sie hat die Abschriften in der Tannenschlucht versteckt."

"Still, Bootsmann, vom Testamente! Ich mag nichts erben und habe auch gar nicht gemeint, daß gerade Dich ein Unglück ansegeln soll. Aber dort guckt ein Licht zwischen den Bäumen heraus. Sollte da der Hafen sein, in den wir einlaufen müssen?"

"Jedenfalls, wenn die Beschreibung stimmt."

"Also wie heißt der Kerl, an den wir uns zu wenden haben?"

"Karl Goldschmidt."

"Und was für ein Wort müssen wir sagen?"

"Es sind zwei. Vor der äußeren Tür "Vergeltung" und vor der zweiten "Rache." Bei zwei Stichworten hat man eine größere Sicherheit als bei nur einem."

"Natürlich. Hier scheint der Weg abzuzweigen. Also hinüber nach Steuerbord!"

Sie kamen an ein Gebäude, welches eine sehr breite Fronte hatte. Dennoch war nur ein einziges Fenster erleuchtet, aber so scharf, daß die Strahlen des Lichtes weit hinaus auf die Straße fielen. Die Tür war verschlossen. Karavey klopfte an. Nach einigen Sekunden ließen sich Schritte hören, welche sich von innen der Tür näherten.

"Wer klopft?"

"Gäste."

"Weshalb?"

"Zur Vergeltung."

Der Riegel wurde geöffnet.

"Eintreten."

Es war vollständig finster im Flur, so daß sie die Person nicht erkennen konnten.

"Wohin?" fragte Karavey.

"Ah, Ihr seid noch nicht dagewesen?"

"Nein."

"So!" klang es zurückhaltend. "Geradeaus trefft Ihr den Eingang."

Sie tasteten sich im Dunkel vorwärts, bis sie an eine Tür kamen; dort klopften sie wieder an.

"Wer ist da?" klang es von Innen.

"Gäste."

"Ihr wollt herein?"

"Ja."

"Wozu?"

"Zur Rache."

"Kommt!"

Die Tür wurde aufgemacht, und sie traten in ein kleines Gemach, in welchem eine bedeutende Zahl abgelegter Röcke, Mäntel, Hüte und Schirme erraten ließ, daß sehr viele Leute vorhanden seien. Der Mann, welcher ihnen geöffnet hatte, betrachtete sie verwundert und beinahe mißtrauisch.

"Wer seid Ihr?"

Diese Frage schien nicht nach dem Geschmacke des Steuermanns zu sein.

"Heiliges Mars- und Brahmenwetter, sehen wir etwa aus wie Verräter und Spitzbuben! Wir haben die Parole, und damit basta! Wo ist die Versammlung?"

Während dieser Worte hatte er sein Umschlagetuch abgenommen, so daß der Türhüter seine Gestalt und seinen Habitus sehr eingehend mustern konnte. Er lächelte.

"Alle Teufel, seid Ihr ein forscher Kerl! Ihr wart Beide noch nie hier, und da wird man wohl fragen können, wer Ihr seid. Es ist dies sogar meine Pflicht."

"Schön. Ich heiße Balduin Schubert und bin Steuermann auf Seiner Norländischen Majestät Kriegsschiffe Neptun; dieser Mann ist mein Freund, der Bootsmann Karavey."

"Schön. Ihr seid Freunde und könnt durch jene Tür eintreten, Vorher aber möchte ich Euch fragen, ob Euch irgend ein besonderer Umstand herführt."

"Werdet es wohl noch erfahren!"

Er warf sich das nasse Tuch über die eine Achsel und schritt zu der bezeichneten Tür. Der Bootsmann folgte. Sie traten in einen hell erleuchteten saalähnlichen Raum, dessen sämtliche Fenster so dicht verhangen waren, daß sicherlich von außen kein Lichtstrahl zu bemerken war. Auf den vorhandenen Bänken und Stühlen saßen wohl mehrere hundert Personen, welche den verschiedensten Ständen anzugehören schienen. Sogar Offiziere waren vorhanden, wie man, obgleich sie Civil trugen, an ihrem Äußeren erkennen konnte. Im Hintergrunde war eine Rednertribüne errichtet, auf welcher ein junger Mann stand, der soeben einen Vortrag beendigt zu haben schien, dessen Wirkung eine außerordentliche war, denn alle Hände klatschten und alle Stimmen vereinigten sich zu einem rauschenden Beifallssturme.

Kellner liefen geschäftig hin und her, um die geheimnisvollen Gäste zu bedienen, und das war ein Anblick, bei welchem sich die Miene des Steuermannes sichtlich erheiterte.

"Komm, Bootsmann! Hier ist noch Platz. Heute ist Grogwetter. Nimmst Du einen mit?"

"Ja."

"Kellner!"

Der laute Ruf dieser Stimme war bei der nach dem Applaus eingetretenen Stille über den ganzen Raum hin zu vernehmen, und Aller Augen wandten sich den zwei Männern zu, deren Eintritt man gar nicht bemerkt hatte. Das Äußere derselben erregte auch hier eine bemerkbare Verwunderung.

Der Kellner erschien.

"Sie wünschen?"

"Zwei Grogs und Auskunft."

"Auskunft worüber?"

"Ist ein Mann zugegen, welcher Karl Goldschmidt heißt?"

"Ja. Es ist der Herr, welcher soeben gesprochen hat."

"Wir haben mit ihm zu reden."

"Mit ihm? Dem Präsidenten?"

"Ja. Schicken Sie ihn her!"

Der Literat Goldschmidt, ganz derselbe, welcher jenes unglückliche Rencontre mit dem wilden Prinzen gehabt hatte, war vom Podium gestiegen und kam, als ihm der Kellner den Wunsch der Beiden gemeldet hatte, herbei. Sein Gesicht war noch sehr bleich, ganz wie das eines Mannes, der erst vor Kurzem von einer schweren Krankheit genesen ist und sich noch nicht vollständig erholt hat. Er reichte den Beiden freundlich die Hand.

"Sie sind Eingeweihte?"

"Ja."

"Aber keine Führer, denn sonst müßte ich Sie kennen. Hier verkehren nicht gewöhnliche Mitglieder, sondern nur die Führer, und daher vermute ich, daß Sie Boten irgend eines Bruders sind."

"Boten sind wir allerdings," antwortete Karavey, "aber nicht von einem Bruder, sondern von einer Schwester."

"Von einer Schwester?" fragte Goldschmidt freudig überrascht. "Wir haben nur eine einzige Schwester, und erwarten von ihr allerdings wichtige Botschaften."

"Zarba?"

"Ja. Ihr kommt von ihr?"

"Von ihr. Ich habe diesen Brief an Sie abzugeben."

Goldschmidt nahm ihn in Empfang, öffnete und las ihn. Seine Augen leuchteten auf; er eilte davon und betrat die Tribüne.

"Meine Brüder. Soeben ist mir ein Schreiben unserer geheimnisvollen Anführerin zugegangen, welches unserem Warten ein Ende macht und uns zum schleunigsten Handeln auffordert. Die Truppenbewegungen an der Grenze haben nicht den Zweck der Übung, sondern sie bedeuten eine Invasion nach Norland. Der Aufstand dort ist bis in das Kleinste eingeleitet, und das geringste unvorhergesehene Ereignis kann den Schneeflocken bewegen, welcher zur Lawine wird. Halten wir uns daher bereit. Die Erhebung unseres Nachbarvolkes ist eine künstlich vorbereitete, nicht eine aus gerechtfertigten Ursachen sich natürlich entwickelnde wie die unsrige. Der Herzog von Raumburg trachtet nach dem Throne; er will ihn auf dem Wege der Revolution beschreiten. Er wird Tausende um Freiheit, Glück und Leben bringen, ohne seinen Zweck zu erreichen, denn die Regierung kennt seine Umtriebe und wird ihn mit seiner eigenen Waffe schlagen. Die beiden unter dem Prinzen Hugo stehenden Armeekorps sind bestimmt, auf den ersten Ruf Raumburgs in Norland einzurücken und ihn zu unterstützen, während unser übriges Militär bereit steht, nachzufolgen. Wir sind klüger und vorsichtiger gewesen als dieser Herzog, der sein Volk dem angestammten Könige entfremdete, um selbst zum Herrscher und Tyrann zu werden. Kein Uneingeweihter ahnt, daß im Innern Süderlands selbst das Feuer glimmt, welches da drüben mit Gewalt angefacht werden soll. Wenn der König von Norland sein Ohr dem richtigen Rate zuwendet und seinen Untertanen eine Konstitution verheißt, so wird ihm Alles entgegenjubeln und der Aufstand wird zu einer ungeheuren Beifallsbewegung werden. Dann stehen unsere Truppen drüben isoliert und beschämt. Diesen Affront müssen wir benutzen und vorher Alles aufbieten, ihn hervorbringen zu helfen."

Lebhafte Beifallsrufe belohnten diese Worte. Er fuhr weiter fort:

"Dies geschieht am Besten dadurch, daß wir unser Militär degeneriren, jeden strategischen und taktischen Zusammenhang zerstören und ganz besonders unsere Marine zerstreuen. Wir wissen, daß sich binnen jetzt und wenigen Tagen eine Kriegsflotte in Tremona sammeln wird, um Süderhafen zu nehmen und die norländischen Küsten zu blockieren. Dies muß verhindert werden. Es sind Brüder unter uns, welche zu den höchsten Angestellten der Marine und des Kriegsministeriums gehören. Ihnen wird es leicht, alle Fäden zu zerreißen, welche Norland und uns gefährlich werden können. Erlauben Sie mir, diesen Brief vorzulesen und dann zur Beratung zu schreiten!"

Er las das Schreiben Zarbas vor, welches ungeteilten Beifall fand und alle mit Bewunderung über die Allwissenheit der Zigeunerin erfüllte. Dann bildeten sich einzelne Gruppen zur lebhaftesten Diskussion, um welche sich aber weder Karavey noch der Steuermann viel bekümmerten.

Nach einiger Zeit trat Goldschmidt zu ihnen heran.

"Sie sind Seemänner, wie es scheint?"

"Ja," antwortete Schubert. "Ich bin Steuermann, und dieser ist Bootsmann, alle beide Norländer. Sie kennen also unsere Zarba?"

"O, sehr!"

"Da muß ich Ihnen sagen, daß mein Kamerad ihr Bruder ist."

"Ah! Ists möglich?"

"Ja. Er hat eine ganz bedeutende Rechnung mit diesem Raumburg quitt zu machen."

"Da könnte ich Ihnen ja mein vollstes Vertrauen schenken?"

"Heiliges Mars- und Brahmenwetter, das können Sie!"

"Ist Ihre Zeit sehr kurz bemessen?"

"Wir haben Urlaub so lange wir wollen."

"Darf ich Ihnen eine ähnliche Botschaft anvertrauen, wie diejenige ist, welche Sie uns gebracht haben?"

"Versteht sich!"

"Es ist nicht notwendig, Ihnen zu erklären, weshalb ich gerade Ihnen diesen wichtigen Auftrag erteile. Waren Sie bereits einmal in Tremona?"

"Früher oft."

"Kennen Sie dort das Schloß des Fürsten von Sternburg?"

"Ja."

"Sein Sohn, der Fregattenkapitän Arthur von Sternburg wohnt jetzt dort. Er ist mein Freund, und an ihn sollen Sie einen Brief abgeben, der keinem andern Menschen in die Hände kommen darf. Kennen Sie ihn?"

"Habe ihn gesehen, aber nur von weitem."

"Also, wollen Sie?" sich!"

"So kommen Sie morgen Mittags wieder hierher. Der Wirt, welcher Ihnen vorhin den zweiten Eingang öffnete, wird Ihnen das Schreiben geben. Sie leisten diesen Dienst nicht nur uns, sondern ganz vorzüglich auch Ihrer Schwester Zarba."

"Ist die Sache nachher eilig?"

"Innerhalb von drei Tagen muß der Kapitän das Schreiben erhalten haben."

"So brauchen wir also nicht mit allen Segeln und voller Dampfkraft zu steuern?"

"Nein. Wir haben Vorbereitungen zu treffen, welche in dem Augenblicke, an welchem Sie den Brief übergeben, beendet sein müssen."

Zwei Tage später stiegen mit dem Mittagszuge die beiden Seeleute in Tremona aus. Der Weg nach Schloß Sternburg führte eine Strecke längs des Hafens hin. Der Steuermann blieb bei jedem Schiffe stehen, um es mit Kennermiene zu betrachten.

"Hm," meinte er. "Hier geht etwas vor."

"Was?"

"Siehst Du nicht, daß alle Kriegsfahrzeuge zum in die See stechen rüsten?"

"Hat nicht den Anschein."

"Heimlich, alter Junge, heimlich. Es gibt eine Expedition, von welcher Niemand etwas wissen soll und bei der die alten Kartaunen wohl ein wenig brummen werden."

"Scheint wahrhaftig so!"

"Bemerkst es auch?"

"Ja. Dort die alte Brigantine hat mitten im Teeren und Kalfatern aufgehalten und macht sich das neue laufende Zeug an die Raaen."

"Paß auf, heute Abend ist kein einziges dieser Fahrzeuge mehr im Hafen."

"Auch dort das kleine Ding scheint zum Aufbruche zu rüsten. Was für eine Art von Kahn oder Boot ist es denn eigentlich?"

"Hm, sonderbar! Die Masten zum Niederlegen; habe das bei einer Yacht noch gar nicht gesehen. Muß ein Privatschiff sein und gehört vielleicht einem Englishman, der eine gute Portion Spleen und einige andere Mucken hat."

"Wollen es einmal betrachten!"

Sie schritten näher, konnten aber Beide nicht recht klug werden.

"Komm," meinte Karavey. "Erst hinauf zum Schlosse, und dann stauen wir uns in irgend eine kleine Koje, wo es einen guten Schluck zu haben gibt."

Der Steuermann blickte zur Höhe empor.

"So schlagen wir gleich diesen Fußweg ein, der wie eine Strickleiter zum Schlosse führt. Komm!"

Sie stiegen denselben Weg empor, auf welchem soeben Arthur herniederkam.

"Stopp!" meinte Karavey. "Siehe Dir doch einmal den Maate an, der da herabgesegelt kommt. Kennst Du ihn?"

"Ah!"

"Bill Willmers."

"Heiliges Mars- und Brahmenwetter, es ist wahr!"

"Was tut der da oben?"

"Hm, da kommt mir ein Gedanke. Sagte ich Dir nicht, als wir ihn da droben im Gebirge zuerst sahen, daß er ganz wie der Kapitän Sternburg sieht?"

"Das ist wahr."

"Ich lasse mich kielholen, wenn er es nicht ist."

"Aber warum soll er denn als Matrose gehen?"

"Um sich ein Späßchen zu machen, wie es so vornehme Leute manchmal tun."

"Er war doch damals als Bedienter droben!"

"Tut nichts. So eine hübsche kleine Feluke, wie das Mädchen war, würde ich auch bedienen, und wenn ich ein König wäre."

"Was wird er sagen, wenn er uns sieht?"

"Das wirst Du bald hören. Komm!"

Er faßte Karavey beim Arme und zog ihn hinter ein Kirschengesträuch, welches am Wege stand. Arthur kam heran, ohne sie zu bemerken. Kaum war er vorüber, so meinte der Steuermann mit halblauter Stimme:

"Herr Kapitän!"

Sofort drehte sich der Gerufene um. Die Beiden traten hinter dem Busche hervor, der Bootsmann halb verlegen, der Steuermann aber mit einem höchst pfiffigen Gesicht, welches seinen ehrlichen gutmütigen Zügen außerordentlich interessant stand.

Sternburg?"

"Warum?"

"Weil wir da hinauf wollen, um den Herrn Kapitän zu suchen."

"Was wollt Ihr bei ihm?"

"Einen Brief abgeben."

"Von wem?"

"Braucht nur er selbst zu wissen."

Arthur warf einen Blick um sich. Er hatte keine Veranlassung, seinen Namen jetzt noch zu verschweigen.

"Ich bin es."

"Wer?"

"Der Kapitän."

"Kannst Du, können Sie das beweisen?"

Arthur lächelte und zog ein Papier aus der Tasche.

"Lest dies!"

"Eine Depesche an "Herrn Fregattenkapitän Arthur von Sternburg." Das stimmt."

"Glaubt Ihr es nun?"

"Hm, könnte auch in falsche Hände gekommen sein!"

"Ihr seid sehr vorsichtig. Ist der Brief denn von gar so großer Wichtigkeit?"

"Sehr!"

"So kommt mit mir! Ich werde Euch beweisen, daß ich die Wahrheit gesagt habe."

Der Steuermann wollte seine Sorgfältigkeit denn doch nicht bis zur Beleidigung eines so hohen Offiziers treiben und fragte:

"Haben Sie einen Freund in der Residenz, der Bücher schreibt?"

"Ja."

"Wie heißt er?"

"Karl Goldschmidt."

"Das stimmt! Und kennen Sie eine sehr geringe Frau, welche doch von Vielen Königin genannt wird?"

Arthur stutzte.

"Ja."

"Wie heißt sie?"

"Zarba."

"Auch das stimmt! Herr Kapitän, verzeihen Sie mir. Der Schreiben!"

Karavey nahm seine phrygische Mütze vom Kopfe, zog das Futter auf und brachte den Brief zum Vorschein. Der Kapitän sah sich noch einmal um und erbrach ihn dann, um ihn zu lesen. Sein Gesicht klärte sich auf, und er steckte das Schreiben mit einer Miene der höchsten Befriedigung zu sich.

"Ihr seid Norländer?"

"Ja."

"Auf Urlaub?"

"Ohne Heuer."

"Du warst Steuermann?"

"Ja, und dieser hier Bootsmann auf dem Neptun. Ich bin der Bruder des Obergesellen beim Hofschmied Brandauer."

"Ah, ists wahr?"

"Ja. Und dieser da ist der Bruder von Zarba."

"Nicht möglich!"

"Aufs Wort, Herr Kapitän!"

"Gut. Was werdet Ihr jetzt tun?"

"Hm! Wir haben bemerkt, daß man sich hier zum Absegeln rüstet. Jedenfalls gibt es für einen braven Steuermann volle Arbeit. Ich möchte nach Süderhafen, um mich nach einer Stelle umzutun."

"Und Du?" fragte er den Bootsmann. "Du bist wohl Deiner Schwester nötig?"

"Nein. Ich gehe mit nach Süderhafen."

"Mit welcher Gelegenheit?"

"Müssen uns eine suchen."

"Ich gehe auch dorthin in See, und zwar sofort. Wollt Ihr mit?"

"Wirklich?"

"Freilich!"

"Danke, Herr Kapitän, wir gehen mit!"

"Habt Ihr Gepäck mit?"

"Nein."

"So kommt gleich mit an Bord."

Er nahm zwischen ihnen Platz und führte sie nach der Yacht. Sein Vater, welcher einen andern Weg eingeschlagen hatte, schritt bereit.

"Du kennst mich noch?" fragte der Fürst.

"Ja, Effendi!"

"Du weißt, daß Dein Herr mir die Yacht anvertraut?"

"Befiehl, und ich werde gehorchen."

"Hast Du den verborgenen Kessel geheizt?"

"Es ist Alles bereit. Ich kannte Deine Diener und habe getan, was Du mir gebotest."

"Wir stechen sofort in See. Dieser Mann ist mein Sohn. Er wird das Kommando übernehmen."

In wenigen Minuten legte sich die Prise in die aufgenommenen Segel der Yacht, und der schlanke Leib derselben strebte erst langsam und dann in immer schnellerer Fahrt dem offenen Meere zu.

Arthur stand auf dem Quarterdecke und ließ sich das Fernrohr bringen. Er richtete es nach Schloß Sternburg hinauf. Dort auf dem hohen Altane stand der Kapudan-Pascha mit seiner Tochter. Der erstere hatte auch ein Fernrohr in der Hand, mit welchem er die Yacht zu finden suchte.

"Vater, her zu mir!" bat der Kapitän.

"Was ists?"

"Der Pascha hat bemerkt, daß sein Schiff in See geht. Hänge Dich hier an die Wanten und winke mit dem Tuche, damit er Dich erkennt."

"Du meinst um zu vermeiden, daß er uns verfolgen läßt?"

"Allerdings. Wenn er nicht erfährt, wer es ist, der ihm sein Schiff entführt, so gibt es eine Jagd."

"Werden uns nicht einholen."

"Das wohl, aber es ist besser wir vermeiden alles Aufsehen."

Der Fürst stieg auf die Wantensprossen, hielt sich mit der Linken fest und ließ mit der Rechten sein weißes Tuch wehen. Der Pascha mußte ihn erkannt haben, denn auch in seiner Hand schimmerte ein Tuch, und nun wußte Arthur, daß der Pascha nicht ganz unzufrieden mit der Art und Weise sei, in welcher es seinem Freunde geglückt war, zu entkommen.

Der Fürst stieg wieder herab und nahm neben seinem Sohne Platz.

"Wie kommst Du zu den beiden Männern, welche mit Dir an Bord kamen?"

"Du frugst mich in einem Deiner letzten Briefe nach der Zigeunerin Zarba?"

"Allerdings. Kennst Du ihren jetzigen Aufenthaltsort oder hast Du irgend ein Lebenszeichen von ihr?"

"Der Kleine dort ist ihr Bruder."

"Ah, ein Seemann?"

"Bootsmann. Und der Andere ist der Bruder eines Obergesellen beim Hofschmied Brandauer."

"Alle Wetter, so stehen sie jedenfalls unsern Absichten nicht sehr fern!"

"Nein. Sie haben mir einen Brief von Goldschmidt gebracht."

"Deinem Freunde?"

"Demselben. Du wirst erstaunen. In Süderland gibt es eine mächtige Agitation gegen die Regierung und die Politik des Herzogs von Raumburg. Zu ihr zählen die einflußreichsten Beamten des Königs, und ihre Sache ist so weit gediehen, daß sie vollständig schlagfertig sind. Die süderländische Flotte soll sich in Tremona sammeln; die geheime Verbrüderung aber hat durch einen der Ihrigen, der ein hoher Angestellter des Marineministeriums ist, einen Befehl ausfertigen lassen, in Folge dessen sämtliche Fahrzeuge in ferne Meere stationiert werden und die Flotte also zerstreut und unschädlich wird. Das hat mir der Brief gesagt. Hier, lies ihn! Ich habe dort im Hafen bemerkt, daß man bereits zur Abfahrt rüstet. Und ehe der Pascha sein Kommando faktisch übernimmt, sind alle Schiffe fort."

"Das wäre wahrhaftig ein Streich, den wir uns nicht besser wünschen könnten!"

"Er wird ausgeführt; darauf können wir uns verlassen. Ich kenne meinen Goldschmidt. Der "tolle Prinz" hat ihm seine Braut abspenstig und unglücklich gemacht und ihm dazu den Degen in die Brust gerannt, so daß sein Leben an einem einzigen Haare hing. Er haßt ihn aus dem tiefsten Herzen und hat aus Rache jene Verbindung in das Leben gerufen, welche zwar nicht den Thron stürzen aber doch wenigstens Zustände schaffen will, welche auf menschlicher und rechtlicher Grundlage errichtet sind."

"Bist Du Mitglied?"

"Nein. Dazu hatte ich als Ausländer keine Veranlassung. Aber in Fühlung mit dem Leiter der Bewegung habe ich mich erhalten, und Du siehst, welchen Nutzen es mir gebracht hat. Wenn in Süderhafen eine genügende Flottille zusammengebracht und ich diktiren."

"Habe ich Gelegenheit mit der Majestät zu sprechen so erhältst Du diesen Oberbefehl; darauf gebe ich Dir mein Wort."

Während dieses Gespräches hatte die Yacht den Hafen hinter sich genommen und die offene See erreicht, so daß sie von der Küstenhöhe aus gar nicht mehr bemerkt werden konnte. Sie steuerte nach Norden zu und ihr Gang war, da Arthur die verborgene Dampfkraft spielen ließ, von solcher Schnelligkeit, daß sie außer dem berühmten "Tiger" des "schwarzen Kapitäns" sicher jedes Schiff überholt hätte, welches auf eine Wettfahrt mit ihr eingegangen wäre.

Der Tag nach der Gefangennahme der beiden Raumburgs war vergangen. Die andern Arrestanten waren auf eine solche Weise in Sicherheit gebracht worden, daß kein Mensch, nicht einmal die Ihrigen, gemerkt hatten, was eigentlich vorging. Der König hatte eine ganze Menge treuer Männer heimlich in seinen geheimsten Gemächern versammelt, welche unter seiner und Maxens Leitung die riesigen Arbeiten zu bewältigen suchten, welche von der Gegenwart geboten waren.

Es war Nacht geworden, und man meldete dem Könige zwei Männer, welche um eine Audienz bäten.

"Wer ist es?"

"Sie wollen ihre Namen Ew. Majestät selbst nennen."

"Welches Aussehen haben sie? Zu so später Stunde bittet man nur wegen einer ungewöhnlichen Veranlassung um eine Audienz."

"Es scheinen Männer gewöhnlichen Standes zu sein. Sie haben dichte lange Vollbärte und tragen die Kleidung von ordinären Arbeitern."

"Laß sie ein! Max!"

Der Gerufene trat aus dem Nebenzimmer.

"Zwei Männer bitten unter Verschweigung ihrer Namen um eine Audienz. Ich rufe Dich zu meiner Sicherheit."

Die Betreffenden traten ein. Ihre Verbeugung war nicht diejenige eines Arbeiters.

"Was wünschen Sie?" fragte der König.

"Zunächst eine Unterredung mit dem Herrn Doktor Brandauer. Wir sind von ihm gerufen worden und hörten in seiner Wohnung, daß er sich hier bei Ew. Majestät befinde."

"Wer sind Sie?" fragte Max. "Ich kenne Sie nicht und weiß auch nichts davon, daß ich zwei Fremde zu mir bestellt habe."

"Du kennst uns," antwortete der Jüngere, "und hast uns wirklich gerufen, und zwar telegraphisch sogar."

Er nahm Bart und Perücke ab, und sein Begleiter tat dasselbe.

"Arthur!" rief Max, und "Sternburg!" rief der König.

Beide eilten auf die Genannten zu, um sie herzlich zu begrüßen.

"Ihr kommt zur rechten Zeit und schneller als wir dachten. Aber in dieser Verkleidung?"

"Wir kannten den Stand der Dinge nicht," antwortete der Fürst, "und hielten es für geraten unsere Ankunft keinen Menschen wissen zu lassen."

"Vortrefflich!" stimmte der König bei. "Die Details werdet Ihr kurz vernehmen, da uns keine Zeit zu längeren Auseinandersetzungen bleibt. Kapitän, Sie befanden sich längere Zeit in Tremona. Kennen Sie die Befestigungswerke dieses Hafens genau?"

"Ganz genau. Ich habe mir sogar einen sehr genauen Plan derselben ausgearbeitet."

"Brav! Ich höre, die süderländische Flotte hat gegenwärtig dort ein bedrohliches Rendez-vous?"

"Allerdings sollte sie es haben. In diesem Augenblicke aber befindet sich kein einziges Kriegsschiff mehr dort vor Anker."

"Ah! So segeln sie bereits gegen uns?"

"Nein. Die Flotte wurde zerstreut."

"Zerstreut? In wiefern?"

Arthur erklärte ihm die Umstände.

"Ausgezeichnet!" rief der Monarch erfreut. "Getrauen Sie sich einen Coup auf Tremona?"

"Wenn Majestät mir die dazu nötigen Fahrzeuge anvertrauen, ja."

"Wir haben bereits die darauf bezüglichen Vorkehrungen getroffen. Der Herzog, welcher bereits eingezogen ist, beabsichtigte, unsere Marineschiffe so zu zerstreuen, wie es jene Verbrüderung mit den Süderländischen getan hat; aber glücklicher Weise fand ich kommen?"

"Wenn ich sofort Extrazug nehme, bin ich in zwei Stunden in Süderhafen, und meine Yacht wird mich von da aus in sechs Stunden nach der Insel bringen."

"Ihre Yacht? Das muß ja ein ganz vortreffliches Fahrzeug sein."

"Das ist sie auch. Darf ich fragen, warum Majestät mich nach jener Insel dirigieren?"

"Weil dort der Sammelplatz unserer Flotte ist. Ich habe mich entschlossen, Ihnen nicht nur die Expedition gegen Tremona, sondern sogar den Oberbefehl über meine sämtliche Marine anzuvertrauen. Die nötigen Instruktionen werden Sie augenblicklich im Nebenzimmer erhalten."

"Danke, Majestät!"

"Sie sind zwar noch jung, aber Sie sind zugleich der Einzige, den ich für befähigt halte, es mit dem berühmten Nurwan-Pascha aufzunehmen. Eben jetzt sind meine Transportschiffe beschäftigt, an verschiedenen Küstenpunkten Truppen unter dem Schutze der Nacht aufzunehmen, welche zur Landung in Tremona bestimmt sind. Auf Bartholome werden Sie General Helbig finden, welcher sie kommandieren soll. Wir haben diese Insel gewählt, weil sie außer dem gewöhnlichen Kurse liegt und unser Vorhaben also nicht sofort entdeckt werden kann. Du, Sternburg, übernimmst die Leitung meiner kriegerischen Evolutionen im Lande selbst."

"Gern, Majestät, und ich hoffe es zu erreichen, daß mein König mit mir zufrieden ist."

"So kommt herein!"

Sie traten in das Nebenkabinet, welches gegenwärtig als Hauptarbeitsbureau diente.

Bereits nach einer Viertelstunde wurde es von dem Kapitän und nach eben derselben Zeit auch von seinem Vater wieder verlassen. Dann dauerte es eine Weile, bis Max auch erschien und gleichfalls fortging.

Sein Weg führte ihn nicht nach Hause, sondern hinaus vor die Stadt in die Richtung der Klosterruine. Zwar war der Major von Wallroth bestimmt gewesen, die Verschworenen gefangen zu nehmen, da er aber dann den Auftrag erhalten hatte, Zarba die erbetenen Geschütze zuzuführen, so hatte Max, trotzdem er ganz außerordentlich mit anderen Arbeiten beschäftigt war, es unternommen, diese hochwichtige Arretur zu leiten.

Er ging nicht direkt zur Ruine, sondern schlug, als er die Stadt hinter sich hatte, einen Weg ein, welcher nach einem seitwärts liegenden Walde führte. Kaum war er in denselben eingetreten, so hörte er das Knacken eines Gewehrhahnes.

"Werda!"

"Ein Freund. Bringen Sie mich zu Ihrem Kommandeur."

"Folgen Sie!"

Max wurde etwas tiefer zwischen die Bäume gebracht, wo sich die Offiziere der hier postirten Truppen befanden.

"Hier ist ein Mann, der nach dem Herrn Major verlangt," meldete der Posten.

"Wer sind Sie?" fragte der Genannte.

"Brandauer."

"Ah, der Herr Doktor! Ist es an der Zeit?"

"Wohl noch nicht ganz. Haben Sie das Terrain gehörig rekognosziert?"

"Ja."

"Die andern Herren auch?"

"Ja."

"Und was haben Sie beschlossen?"

"Ich beschloß, Ihren Befehl abzuwarten."

"Schön! Die Zeit ist nahe, in welcher die Leute kommen werden. Natürlich fangen wir sie nicht bei ihrer Ankunft ab, sondern wir gehen sicherer, wenn wir sie die Ruine unangefochten betreten lassen."

"Auch meine Ansicht."

"Sie geben mir einige zuverlässige Leute mit, in deren Begleitung ich die Versammlung beobachte. Im geeigneten Augenblicke lasse ich Sie benachrichtigen, worauf Sie die Ruine einschließen. Sind Sie stark genug, wenn wir bewaffneten Widerstand finden?"

"Ich denke es. Wir haben nur einen Angriff zu befürchten, wenn er sich in Masse nach einem einzigen Punkte richtete."

"Sie werden Ihre Leute so postieren, daß sie in diesem Falle augenblicklich an die bedrohte Stelle gezogen werden können."

"Dann entblößen wir andere Punkte und ermöglichen das Durchbrechen Einzelner."

"Sollte es keine Vorkehrung geben, dies zu verhüten?" werden."

"Ich stimme Ihnen bei. Sie haben scharf geladen?"

"Ja."

"Wer Widerstand leistet, wird einfach getötet. Aber bitte, gebrauchen Sie nur im Notfalle die Schußwaffen. Wir müssen jeden Lärm zu vermeiden suchen. Sollte es je Einem gelingen durchzubrechen, so folgen ihm die beiden Leute, zwischen denen er entkommt, sofort auf dem Fuße und versuchen, ihn entweder festzuhalten oder, wenn dies nicht gelingt, zu töten, während die anderen Glieder die Kette gleich wieder schließen. In einer Stunde kommt der Mond, dessen Licht uns von großem Nutzen sein wird. Also einige Männer, Herr Major!"

"Wie viele?"

"Nur zwei, die ich, um allen Eventualitäten zu begegnen, Ihnen als Boten zurücksenden werde. Sie lassen die Gewehre einstweilen hier."

Er verließ, gefolgt von den Soldaten, den Wald und ging vorsichtig der Ruine zu. Er erreichte unbemerkt den Aufgang und postirte sich an derselben Stelle hinter die Büsche, an welcher er den Prediger gefangen hatte. Nach oben verklingende Schritte sagten ihm, daß bereits einer oder einige von den Erwarteten eingetroffen seien.

Es kamen bald Mehrere, und als eine Stunde vergangen war, durfte er sich, da er sie gezählt hatte, sagen, daß die durch ihn Bestellten nun alle beisammen seien. Der Brunnen war natürlich zu klein, um sie alle zu fassen, die Versammlung befand sich also im Freien zwischen dem Gemäuer der Ruine. Er schickte jetzt die beiden Soldaten zurück und wartete.

Nach kaum zehn Minuten kehrte der Eine wieder und brachte den Major mit.

"Fertig?" fragte Max.

"Fertig!"

"Ich habe noch nicht gefragt, ob Sie mit dem nötigen Fesselzeug versehen sind."

"Jeder Mann hat zwei Stricke bei sich."

"Gut. Nun mögen Sie kommen!"

Aber sie kamen noch nicht. Sie meinten sich von dem Abbé bestellt und warteten auf diesen. Endlich mußte ihnen doch die Zeit zu lange geworden sein, denn es kamen Zwei den Berg herab, jedenfalls um dem Jesuiten entgegen zu gehen und ihn zur Eile zu ermahnen.

"Habt Acht!" kommandierte der Major hinter sich. "Mund zugehalten und sofort knebeln und fesseln!"

Die Männer gingen vorüber. Einige Augenblicke später vernahm Max einen unterdrückten ängstlichen Seufzer; dann war es still.

"Fertig?" fragte der Major.

"Fertig!" tönte die Antwort.

"So hübsch ruhig sollte es vom ersten bis zum letzten gehen," meinte der Offizier.

"Das wäre vielleicht zu ermöglichen, wenn man es wagen wollte hinaufzugehen."

"Um Gottes willen! Das hieße ja dem Tiger zwischen die Zähne laufen!"

"Nicht ganz. Ich bin im Besitze eines Talismans, welcher mir wohl Schutz gewähren würde. Ja, vielleicht geht es doch. Ziehen Sie hier einige Leute mehr zusammen!"

"Sie wollten wirklich ...?"

"Ja, ich will. Ich werde dafür sorgen, daß die Leute alle einzeln herunterkommen, Einer immer fünfzig bis sechzig Schritte hinter dem Andern. Sie hätten dann dafür zu sorgen, daß die Überrumpelung sofort und lautlos geschähe. Während der Eine gefesselt und fortgeschafft wird, müssen bereits wieder Leute zum Empfange des Nachfolgenden bereit sein. Die Wagen zum Transporte der Gefangenen werden eintreffen?"

"In einer halben Stunde. Sie sind an den Wald bestellt."

"Mit der nötigen Vorsicht?"

"Keiner der Fuhrleute weiß, um was es sich handelt."

"Gut. Ich gehe und werde in einigen Minuten wieder bei Ihnen sein."

"Aber wenn Sie nicht kommen, stürme ich das Nest."

"Sie würden nur dann vorgehen, wenn Sie einen Schuß vernähmen. Dann bin ich in Gefahr."

Er stieg den Berg hinan. Droben, wo der Weg auf das Plateau mündete, wurde er angefragt:

"Woher?"

"Aus dem Kampfe."

"Wohin?"

Siege."

"Wodurch?"

"Durch die Lehre Loyolas."

"Der Bruder kann passieren."

Er trat vor und gewahrte beim falben Scheine des aufgehenden Mondes die Versammlung, deren Glieder sich teils im weichen Gras gelagert hatten, teils zwischen dem Gemäuer hin- und hergingen, um einander aufzusuchen, oder auch in einzelnen Gruppen leise plaudernd bei einander standen. Man sah ihn kommen, und Einige traten ihm entgegen.

"Ein Bruder?"

"Ja."

"Woher?"

"Von unserem Meister."

"Ah! Warum kommt er noch nicht?"

"Er hatte wichtige Abhaltung und sandte mich herbei, dies zu melden."

"Er hat nicht einmal einen Posten gestellt."

"Er brauchte den Mann selbst und wußte ja, daß der Erste von Ihnen diesen Platz übernehmen würde."

"Dies ist auch geschehen. Er kommt also nicht selbst?"

"Hierher nicht. Bitte, lassen Sie die Herren eine solche Aufstellung nehmen, daß sie mich alle hören können!"

Dies geschah. Die Versammlung bildete einen Halbkreis, in dessen Mitte Max stand.

"Meine Brüder," begann er, "Sie sind telegraphisch zusammenberufen worden um zu vernehmen, daß Umstände eingetreten sind, welche es nötig machen, den bereits erhobenen Hammer endlich und schleunigst fallen zu lassen ..."

"Bravo!" wurde er von einer Stimme unterbrochen und "Bravo!" fielen die Übrigen in unterdrücktem Tone ein.

Max fuhr fort:

"Es freut mich, diesen Ruf zu vernehmen, denn er versichert mich Ihrer ungeteilten und frohen Zustimmung. Der Mann, den Sie alle kennen, und den ich heute noch Penentrier nennen will, beabsichtigt eine große Generalberatung, bei welcher ein Jeder seine Rolle überkommen wird. Er wollte diese Beratung hier in der Ihnen bekannten Ruine abhalten und wäre schon längst hier erschienen, wenn nicht Umstände eingetreten wären, die ihm dies unmöglich machten. Der Zweck der heutigen Versammlung bringt es mit sich, daß wichtige schriftliche Arbeiten vorgenommen werden, wozu ein erleuchtetes Lokal erforderlich ist. Da Sie nun hier vereinigt sind, so ladet Sie Herr Penentrier ein, nach dem Saale des Tivoli zu kommen. Das Haus liegt hier an der Straße; Sie Alle kennen es; der Wirt ist ein verschwiegener Mann, und es ist in jeder Beziehung dafür gesorgt, daß wir dort nicht gesehen und überrascht werden können."

"Ist der Herr Abbé bereits dort?" fragte einer.

"Natürlich! Er läßt Sie ersuchen, die Ruine einzeln zu verlassen, so daß immer der Eine zwischen sich und dem Andern eine Entfernung von fünfzig bis sechzig Schritten hält. Diese Maßregel ist unbedingt nötig. Die Herren vom Militär werden ersucht, jetzt einmal vorzutreten!"

Die Aufgeforderten traten zwischen den Zivilisten heraus.

"Ich weiß aus der Liste, daß Sie ihrer achtzehn sind, und ich sehe, daß Keiner fehlt. Ihnen habe ich die besondere Bitte auszusprechen, daß Sie sich nicht nach dem Tivoli begeben, sondern hier zurückbleiben sollen. Sie steigen hinab in den Brunnen, wo Seine Durchlaucht, dessen Namen ich nicht nenne, Sie aufsuchen und Ihnen seine strategischen und taktischen Weisungen übergeben wird. Darf ich ihm melden, daß Sie bereit sind?"

"Ja."

"So bin ich fertig. Also bitte, ja gehörig Distanz zu halten. Adieu für jetzt. Wir sehen uns nachher wieder!"

Er ging und stieg den Weg hinab.

"Werda?" klang es unten leise.

"Ich!"

"Ah, Herr Doktor, Gott sei Dank! Ist das Wagestück gelungen?"

"Vollständig. Die Leute vom Militär, welche am meisten zu fürchten und jedenfalls bewaffnet sind, habe ich unschädlich gemacht. Sie bleiben oben im Brunnen, wo sie uns sicher sind."

"Prächtig! Und die Andern?"

"Kommen einzeln und in dem erwähnten Abstande. Sind Ihre Vorbereitungen getroffen?"

"Der Empfang ist so organisiert, daß die Herren mit der Genauigkeit einer Maschine bearbeitet werden."

"Da kommt der Erste!"

Die Gestalt desselben kam langsam den Weg daher, ging vorüber und verschwand. Kein Laut ließ sich vernehmen. Der bange.

"Werden sie denn wirklich festgenommen, Herr Major?" fragte er seinen Nachbar.

"Natürlich."

"Dann arbeitet Ihre Maschine allerdings unvergleichlich!"

"Nicht wahr? Ja, meine Jungens sind gut; aber es stehen auch ihrer sechs gegen jeden der Verschwörer; da können sie auch etwas leisten."

Nur ein einziges Mal ließ sich ein nicht ganz unterdrückter Schrei vernehmen, aber er war nicht so laut, daß er auf sechzig Schritte Entfernung gehört werden konnte.

Endlich war außer dem Posten der Letzte vorüber.

"Alle?" fragte der Major.

"Ja. Nur der Wachtposten steht noch oben. Sind Sie überzeugt, daß bei Ihren Leuten Alles in Ordnung ist?"

"Ja. Im Gegenfalle hätte man mir Meldung gemacht."

"Geben Sie mir einen Offizier und zehn Soldaten mit."

"Hinauf?"

"Ja."

"Ich gehe selbst mit."

"Würde nicht geraten sein. Ihre Gegenwart scheint mir hier dringender notwendig als dort oben."

"Wie Sie wollen!"

Er ging einige Schritte rückwärts und erteilte eine Weisung. Gleich darauf kam ein Leutnant herbei, welchem zehn Mann Soldaten folgten.

"Herr Oberleutnant, Sie halten sich an meiner Seite. Ihre Leute legen die Gewehre ab; sie sollen mir nur helfen, einen Brunnen zuzudecken."

Er stieg mit dem Offizier empor. Droben klang ihm die Parole wieder entgegen. Er gab die bekannte Antwort.

"Kommt Durchlaucht bald?" fragte der Posten. "Ich muß doch auch nach dem Tivoli."

"Hier ist doch Durchlaucht!" antwortete Max, auf den in einen Capot gekleideten Leutnant deutend. "Sie können gehen, denn ich werde die Wache übernehmen."

Er trat auf ihn zu.

"Sind die Herren bereits im Brunnen?"

"Ja, Alle."

"So können wir ja zugreifen!"

Bei diesen Worten faßte er ihn mit der Linken bei der Gurgel und gab ihm mit der rechten Faust einen Schlag an die Schläfe, daß er zusammenbrach.

"Binden und knebeln Sie ihn!" gebot er den hinterher kommenden Soldaten.

Dies geschah in kurzer Zeit; dann folgten sie ihm mit leisen Schritten nach dem Brunnen. Der Strick hing in denselben hinab. Max zog ihn empor.

"So, jetzt sind sie unser, denn sie können nicht herauf. Zu noch besserer Sicherheit jedoch wollen wir die Öffnung so zudecken, daß es ihnen ganz unmöglich wird zu entkommen. Hier liegen Steine. Greifen Sie zu!"

Einige Platten ähnliche Steine wurden auf den Brunnenmund gelegt; auf diese kamen noch andere, bis eine förmliche Pyramide entstand, welche man von innen unmöglich beseitigen konnte. Die Herren vom Militär, unter denen sich sogar Generale befanden, waren gefangen, ohne Gegenwehr leisten zu können.

Während dies in der unmittelbaren Nähe der Residenz geschah, ging in größerer Entfernung etwas Anderes vor, dessen sich weder der König noch Max Brandauer versehen hätten.

In der Irrenanstalt saß der Schließer mit seinem Weibe beim Abendbrot; aber es schien, als ob sie sich mehr mit ihren Gedanken als mit dem Essen beschäftigten.

"Weißt Du es auch wirklich ganz genau?" fragte sie.

"Ganz und gar."

"Schrecklich!"

"Ja, schrecklich. Ein Herzog in der Zwangsjacke!"

"Ohne daß man etwas sagen darf!"

"Er gab stets ein gutes Trinkgeld!"

"Dieser Brandauer aber gar nichts!"

"Und der König auch nicht!"

"Er würde viel, sehr viel geben, wenn er frei sein könnte."

"Natürlich!"

"Wir sind arm."

"Trotzdem ich so lange im Dienste bin. Zwanzig Jahre bereits spielen wir in der Lotterie, ohne jemals einen Pfennig gewonnen zu haben. Wer kein Glück haben soll!" zugreift."

"Wo hätte ich denn zugreifen sollen?"

"Früher nicht, aber jetzt, heute!"

"Wenn und wo?"

"Dummrian!" halsbrecherisch."

"Gar nicht. Du hast die Schlüssel."

"Das ist wahr. Ich kann überall hin."

"Na, also! Wie lange wird es dauern, kommt der Wärter des ersten Korridors und läßt sich zum Abendbrot ablösen. Da dazu."

"Man kann nicht wissen. Es ist in letzter Zeit so viel Ungewöhnliches passiert, daß man niemals sicher sein kann. Die beiden Ärzte sind stets auf den Beinen."

"Ich werde Wache stehen und Dich warnen, sobald ich etwas sehe."

"Das ginge. Wie viel soll ich verlangen?"

Taler."

"Fünftausend? Bist Du gescheidt!"

"Weniger gar nicht."

"Auch noch weniger? Fällt mir gar nicht ein! Ich muß, wenn ich so etwas tue, gleich so viel bekommen, daß ich gemächlich von den Zinsen leben kann."

"Nun?"

"Zwanzigtausend." zuviel!"

"Nein. Der Herzog wird schon Ja sagen. Er ist unermeßlich reich und gibt gewiß lieber eine solche Summe, als daß er sich verrückt machen oder zu Tode martern läßt."

"So versuche es!"

"Aber die Gefahr!"

"Ich sehe keine. Wer will beweisen, daß Du es bist, der sie befreit hat?"

"Ich müßte ihnen die Seitenpforte öffnen und Alles so einrichten, daß auf mich kein Verdacht fallen kann."

"Natürlich."

"Wie aber will mich der Herzog bezahlen?"

"Das müßt Ihr besprechen."

"Will mir die Sache überlegen!"

Er lehnte sich zurück und grübelte über den verwegenen Plan nach, bis der vorhin erwähnte Wärter erschien.

"Schließer, nehmen Sie meinen Korridor auf ein halbes Stündchen!"

"Gut!"

Er stieg die Treppe empor. Als er sich überzeugt hatte, daß der Wärter sich entfernt habe und seine Frau auf ihrem Posten stehe, öffnete er die Zelle Nummer Eins, trat ein und löste die Riemen von dem Zwangsstuhle des Herzogs.

"Durchlaucht!"

Ein gurgelnder Laut war die Antwort.

"Durchlaucht!"

"Ah!"

"Kommen Sie zur Besinnung!"

Die Augen des Herzogs erhielten Ausdruck und Leben. Er war nicht barbarisch eingeschnallt gewesen, aber die Ungewohntheit der Lage hatte ihn fürchterlich ermattet.

"Wer, was ist?" fragte er.

"Ich bin es, der Schließer."

"Ah, Du! Was willst Du?"

"Sie retten!"

Mit einem Sprunge stand der Herzog auf den Beinen. Das eine Wort "retten" hatte ihn zur vollständigen Besinnung gebracht. "Du willst? Wenn?"

"Heute in der Nacht."

"Ists wahr?"

"Es ist mein Ernst! Sie waren mir stets ein so guter und freigebiger Herr, daß ich es versuchen will, Sie zu befreien."

"Mensch, wenn Du die Wahrheit sagst, so werde ich Dich wahrhaftig königlich belohnen. Sage mir, wie viel Du verlangst!"

"Was wollen Durchlaucht geben?"

"Fünfundzwanzigtausend Taler für mich, und noch zehntausend für diesen da, noch heute auf das Brett gezählt!"

"Ists wahr, gnädiger Herr?" fragte der Schließer, freudig erschreckt von der Höhe dieser Ziffern.

"Ich gebe Dir mein heiliges Wort!"

"Wo und wie werde ich das Geld erhalten?"

"Baar in meinem Palais."

"In der Residenz?"

"Ja."

"Kann ich nicht! Ich müßte selbst mitgehen, und dann wäre es ja verraten, wer Sie befreit hat."

"Schadet nichts! Ich werde für Deine Sicherheit Sorge tragen. Du besorgst ein Fuhrwerk für vier Personen und nimmst Deine Frau gleich mit. Sofort nach unserer Ankunft in der Residenz erhältst Du Dein Geld, und morgen wenn man meine Flucht entdeckt, bist Du bereits mit meinen Empfehlungen auf dem Wege nach Süderland."

"Ja, wenn das so ginge!"

"Es geht. Ich gebe Dir auch hierauf mein Ehrenwort!"

"So werde ich mit meiner Frau sprechen, Durchlaucht. Aber jetzt muß ich Sie wieder einschließen."

"Alle Teufel! Kannst Du mich nicht ..."