Karl May



Satan und Ischariot II

Impressum




Klassiker als ebook bei RUTHeBooks, 2015


ISBN: 978-3-95923-025-4


Für Fragen und Anregungen: info@ruthebooks.de


RUTHeBooks
Am Kirchplatz 7
D 82340 Feldafing
Tel. +49 (0) 8157 9266 280
FAX: +49 (0) 8157 9266 282
info@ruthebooks.de
www.ruthebooks.de

Kapitel 6 - Vergebliche Jagd



Es war mir über allen Zweifel erhaben, daß Thomas Melton den Nachlaß Hunters irgendwo versteckt hatte, und ich nahm mir vor, den betreffenden Ort zu suchen. Der Scharfsinn Winnetous und Emerys mußten mir dabei von großem Nutzen sein. Vorher aber galt es, das erwähnte Dokument über den Befund der Leiche Hunters aufzusetzen. Das dazu nötige Papier war im Gepäck Krüger-Beis vorhanden. Das Schriftstück wurde in arabischer und englischer Sprache verfaßt und von uns unterschrieben. Krüger-Bei und der Scheik untersiegelten es außerdem noch mit ihrem Chawatim. Ich glaubte, daß es drüben in den Vereinigten Staaten die gewünschte Geltung finden werde.

Eigentlich hatten wir nun die beabsichtigte Nachforschung beginnen wollen, doch ließ uns der Scheik jetzt noch nicht dazu kommen, denn er sagte:

"Ich habe meinen Vertrag erfüllt, und werde auch später Wort halten; nun aber bitte ich, daß auch ihr das eure tut!"

"Was meinst du?" fragte ich.

"Uns die Uled Ayun übergeben."

"Du sollst sie haben, doch nur unter der Bedingung, daß sie ihr Leben erkaufen dürfen."

"Das sollen sie. Bringt sie herbei! Ich werde die Versammlung der Ältesten berufen, in welcher den Ayun unsere Forderungen bekannt gegeben werden sollen."

Ich wußte, daß uns da ein schweres Stück Arbeit bevorstand, und es wurde noch weit schwerer, als ich gedacht hatte. Die Ayun fanden die Forderung von hundert Kamelstuten für ein Leben viel, viel zu hoch; sie waren überzeugt, daß wir weit herabgehen würden, und gingen erst dann auf unser Verlangen ein, als sie erkannten, daß es uns wirklich Ernst mit demselben sei und der Scheik ihnen erklärte, daß sie noch bis Mitternacht alle sterben müßten, falls sie sich länger weigern sollten.

Damit keine Zeit verloren würde, wurden zwei Uled Ayar als Boten zu den Uled Ayun geschickt, um diesen mitzuteilen, was geschehen und dann beschlossen worden war. Die beiden Beduinen liefen dabei keine Gefahr. Boten, welche kommen, um die Diyeh zu fordern, gelten bei allen diesen Stämmen für unverletzlich.

Für Elatheh hatte ich wirklich auch hundert Stuten ausgewirkt. Krüger-Bei versprach, mit seinen Truppen dafür einzustehen, daß alles bezahlt werde. Die Frau konnte also überzeugt sein, daß sie die hundert Stuten oder deren Wert gewiß erhalten werde, und darum kam sie mit ihrem "Herrn und Gebieter" zu mir, um sich für die Rettung ihres Lebens und für den ihnen bevorstehenden Reichtum zu bedanken.

Der Mann war allerdings arm. Er besaß nur das Kleid, welches er anhatte, und dieses bestand aus einem

ärmellosen Hemde und einem Kopftuche. Dennoch versicherte er mir im Tone eines mächtigen Fürsten:

"Effendi, du hast mein Weib und Kind vom Tode errettet, und nur durch deine Güte wird Reichtum in mein Zelt einziehen, welches ich jetzt freilich noch nicht besitze. Mein Herz ist voller Dank für dich. Du stehst unter meinem ganz besonderen Schutze, so lange du dich hier bei uns befindest!"

Wir waren jetzt Freunde der Ayars und hatten gegen vierhundert Reiter bei uns; es war also nicht wohl zu ersehen, was mir der Schutz des armen Teufels nützen sollte; aber es ist kein Geschöpf Gottes, am allerwenigsten aber kein Mensch, so schwach, gering und klein, daß man seine Liebe von sich weisen darf.

Nun hätten wir wohl Zeit gehabt, nach der Hinterlassenschaft Small Hunters zu suchen, aber es war für heute zu spät dazu. Die Verhandlung mit den vierzehn gefangenen Ayuns hatte so lange gedauert, daß sich jetzt schon die Zeit der Dämmerung nahte. Wir mußten also bis morgen warten.

Das tat nichts, denn wir hatten Zeit, und die beiden Meltons waren uns sicher. Bei dem Alten hielten stets zwei Kavalleristen Wache, welche von zwei zu zwei Stunden abgelöst wurden, und der Junge befand sich bei den gefangenen Ayuns, welche von den Ayars bewacht wurden.

Was Thomas Melton betraf, so war sein Schicksal vorauszusehen. Er wurde mit nach Tunis genommen und dort als Verräter hingerichtet. Welcher Art da sein Tod sein werde, das hing von der Bestimmung des Pascha ab. Das Schicksal seines Sohnes war weniger fest bestimmt, doch da er im Komplotte mit seinem Vater gewesen und also als dessen Mitschuldiger zu betrachten war, so stand zu erwarten, daß seine Bahn auch nicht mit Rosen bestreut sein werde.

Ich bedauerte natürlich auf das herzlichste, daß es mir nicht gelungen war, Small Hunter am Leben zu erhalten; aber die beiden Meltons waren nun unschädlich gemacht, und ich durfte überzeugt sein, daß die Angehörigen der Familie Vogel nun sicher zu ihrem Erbe kommen würden. Wenn ich an die Freude der Leute dachte, hielt ich alle Mühe, welche die Angelegenheit mir verursacht hatte, für gering.

Während wir im Verlaufe des Tages in der beschriebenen Weise tätig gewesen waren, hatten die Krieger der Ayars und die Soldaten Vorbereitungen zu dem Fest- und Friedensmahle getroffen, welches am Abende abgehalten werden sollte. Denn daß es ohne ein solches nicht abgehen konnte, das verstand sich nach den dortigen Gebräuchen ganz von selbst.

Unsere Soldaten hatten einen bedeutenden Vorrat von trockenen Lebensmitteln bei sich. Die Ayars hatten südlich von dem Engpass eine kleine, für ihre Kriegerschar bestimmte Schlachtherde weiden, welche im Laufe des Tages herbeigetrieben worden war. Es gab also Fleisch, Mehl, Datteln und auch anderes mehr als genug. Wasser war auch da, denn es gab, wie ich noch nicht bemerkt habe, in der Schlucht einen Quell, welcher die Veranlassung gewesen war, daß die Ayars vor unserer Ankunft dort gelagert hatten. Licht wurde zu dem Feste nicht gebraucht, denn der Mond ging bald auf und verbreitete einen so hellen Schein, daß künstliche Beleuchtung ganz unnötig war.

Die Beschreibung des Mahles kann ich füglich übergehen. Der Beduine ist äußerst mäßig, kann aber bei solchen Veranlassungen eine ganz erstaunliche Menge von

Lebensmitteln zu sich nehmen. Gespart wurde nicht, denn es wußte jeder, daß die Uled Ayun bald ganze Herden bringen würden.

Das Leben, welches in den beiden Lagern herrschte, ermüdete erst nach Mitternacht. Die mehr als gesättigten Esser legten sich in Gruppen zu einander schlafen. Bald herrschte dann Ruhe. Ich hatte ein Zelt angewiesen bekommen, welches ich mit Winnetou teilte. Bevor ich mich niederlegte, machte ich einen Rundgang, um nach den beiden Meltons zu sehen. Sie befanden sich in der Obhut ihrer Wächter, und es schien keine Veranlassung zur Sorge da zu sein. Als ich dann zum Zelte kam, saß vor demselben ein Beduine, in welchem ich den Mann von Elatheh erkannte.

"Was tust du hier?" fragte ich.

"Wachen, Effendi," antwortete er.

"Das ist nicht nötig. Lege dich getrost auch nieder!"

"Effendi, wenn ich am Tage schlafe, kann ich des Nachts wachen. Du stehst ja unter meinem Schutze."

"Ich bedarf desselben aber nicht!"

"Weißt du das? Nur Allah kann es wissen! Ich habe dir soviel zu verdanken und bin so arm, daß ich dir nichts dafür geben kann. Erfreue mich also durch die Erlaubnis, hier bleiben zu dürfen. Meine Wachsamkeit ist das einzige, was ich dir bringen kann!"

"Nun wohl! So will ich dich nicht dadurch betrüben, daß ich dich fortschicke. Allah sei mit dir, mein Hüter und mein Freund!"

Ich gab ihm die Hand und trat dann in das Zelt. Daß ich ihn Freund genannt hatte, war ein Vorzug, der ihn jedenfalls stolz und glücklich machte.

Winnetou war auch ermüdet, da er in voriger Nacht ebenso wenig geschlafen hatte, wie ich; wir schliefen bald ein. Ungefähr gegen drei Uhr nach Mitternacht, also nach gar nicht langer Zeit, wurde ich geweckt durch einen Ruf, welcher draußen erscholl:

"Werda! Zurück!"

Ich horchte. Auch Winnetou richtete sich auf.

"Zurück!" rief es draußen noch einmaL

Wir gingen hinaus. Mein Freund und Hüter saß nicht mehr am Eingange des Zeltes; er war aufgestanden und stand lauschend an der Seite desselben. Der Mond war untergegangen.

"Was gab es?" fragte ich.

"Ich saß an der Tür und wachte," antwortete der Mann. "Da sah ich einen Menschen gekrochen kommen und rief ihn an. Er verschwand darauf schnell. Ich erhob mich von der Erde und ging um das Zelt. Da sah ich einen zweiten davonspringen und rief ihm nach."

"Vielleicht sind's zwei Tiere gewesen?"

"Was für welche sollten es sein! Es waren Menschen, die es auf dich abgesehen hatten!"

"Das glaube ich nicht. Wir befinden uns ja unter lauter Freunden!"

"Weißt du das? Allah allein kann es wissen! Doch geh hinein, und leg dich getrost wieder schlafen; ich wache für dich!"

Ich ging hinein, vollständig überzeugt, daß der Mann sich getäuscht hatte. Winnetou war derselben Ansicht. Wie gut aber wäre es gewesen, wenn wir dem Beduinen geglaubt hätten!

Wir schliefen bald wieder ein, wurden aber nach vielleicht einer Stunde durch einen Heidenlärm, welcher draußen erscholl, wieder aufgeweckt. Wir griffen nach unsern Waffen und eilten hinaus. Eben stieg der erste Schein des Tages im Osten auf; man konnte leidlich sehen. Der erste Mensch, auf welchen mein Auge fiel, war Krüger-Bei, welcher nach unserm Zelte gelaufen kam. Er rief mir atemlos zu, und zwar vor Aufregung in deutscher Sprache:

"Die Gefangenen sind fort mit drei Kamelen!"

"Welche denn? Wir haben verschiedene Gefangene, die beiden Meltons und die vierzehn Ayuns. Welche meinen Sie?"

"Die Ayuns nicht."

"Also die Meltons? Alle Wetter! Das wäre ein Streich! Dann müssen wir sofort nach! Aber da laufen Ihre Leute nach allen Richtungen hin und her, und verderben mir die Spuren. Geben Sie den Befehl, daß jeder sofort an dem Platze zu bleiben hat, an welchem er sich jetzt befindet!"

Er rief mit einer wahren Donnerstimme diese Weisung über die beiden Lager hin, und sofort trat Ruhe ein. Der Scheik und Emery kamen auch herbei, und nun berichtete Krüger-Bei:

"Als jetzt vor zehn Minuten zwei neue Wächter zu dem Kolarasi Melton kamen, um die früheren abzulösen, war er fort. Seine Fesseln lagen da und daneben der eine Wächter mit dem Messer im Herzen."

"Liegt der Tote noch dort?" fragte ich.

"Ja."

"Kommt hin!"

Ja, da lag er, der arme Teufel! Die Klinge war ihm bis an das Herz gestoßen worden. Er hatte jedenfalls nicht ein Wort sagen, nicht einen Ruf ausstoßen können. Das Sonderbarste aber war, daß man erst nach dieser Entdeckung bemerkt hatte, daß auch der junge Melton fehle. Dazu waren die drei besten Eilkamele fort!

Winnetou hatte kein Wort von denen, die wir gesprochen hatten, verstanden. Er sah mich fragend an, und ich erklärte ihm das neue, nicht eben freudige Ereignis. Er senkte den Kopf, überlegte eine kleine Weile und sagte dann:

"Ein Wächter ist tot. Wo ist aber der zweite?"

"Auch fort!" antwortete Krüger-Bei, dem ich die Frage verdolmetschte.

"Dann war der andere Wächter im Einverständnisse mit Melton," erklärte der Apatsche. "Und darum hat Melton zu dir gesagt, er sei nicht so machtlos, wie du anzunehmen scheinest."

"Ganz richtig!" stimmte ich bei. "Und wir beide sind durch die Aufmerksamkeit unsres Hüters einer großen Gefahr entgangen. Die Meltons haben sich nach unserm Zelte geschlichen, um sich zu rächen, sind aber von diesem Manne vertrieben worden."

"Wir müssen ihnen nach!"

"Ja, und zwar ohne Säumen. Leider haben sie die besten Kamele mitgenommen. Wir müssen uns mit den nun besten begnügen."

Ich teilte dem Herrn der Heerscharen unsern Entschluß mit und bat ihn, drei schnelle Tiere aussuchen und für mehrere Tage mit Wasser und Proviant versehen zu lassen.

"Nur drei? Warum nicht mehr?"

"Weil nur wir drei reiten werden, Emery, Winnetou und ich."

"Ich nicht auch?"

"Nein. Die Pflicht verbietet es dir. Du mußt bei deinen Truppen bleiben."

Wenn wir deutsch sprachen, nannten wir uns Sie; redeten wir aber arabisch, so brauchten wir das in dieser Sprache geläufigere Du.

"So will ich euch einige Offiziere und tüchtige Soldaten mitgeben?" schlug er vor.

"Auch das muß ich ablehnen. Schnelligkeit ist hier die Hauptsache. Viele Begleiter würden uns nur hinderlich sein. Wenn wir drei die besten Kamele bekommen, würden die andern, welche keine guten haben, bald hinter uns zurückbleiben; sie können uns also auf keinen Fall etwas nützen. Es bleibt dabei, wir drei reiten allein. Befiehl, daß man sich beeile!"

Das tat er denn auch. Winnetou war schon über das Lager hinausgegangen, um nach den Spuren zu suchen. Er kam zurück und meldete:

"Sie sind nordwärts geritten."

"Also nach Tunis," meinte Krüger-Bei. "Das war vorauszusehen."

"Nein," antwortete ich. "Ich möchte wetten, daß sie nicht dorthin reiten, weil das für den Kolarasi zu gefährlich ist.

Man kennt ihn dort. Findet er nicht sofort ein Schiff, so muß er warten. Kommen dann inzwischen seine Verfolger dort an, so befindet er sich in der größten Gefahr, ergriffen zu werden."

"Aber du weißt doch, daß er nach dort gewollt hat!"

"Gewollt, ja, aber jetzt wohl nicht mehr. Damals, als er seinen Sohn kommen ließ, lagen die Verhältnisse anders. Jetzt weiß er, daß Emery, Winnetou und Old Shatterhand sich nicht nur hier befinden, sondern sich sofort an seine Spur hängen werden. Wir würden ihm nach Tunis folgen; das weiß er ganz bestimmt. Und findet er nicht augenblicklich dort ein Schiff, so kann er überzeugt sein, daß wir ihn unbedingt erwischen werden. O nein, er geht nicht nach Tunis, sondern nach irgend einem Hafen des Golfes von Hammamet. Das ist derjenige

Teil des Meeres, welcher von hier aus am schnellsten zu erreichen ist."

"Aber Winnetou hat doch gesagt, daß sie nach Norden geritten sind! Da liegt ja Tunis!"

"Das macht mich nicht irre. Melton hat längere Zeit unter Präriejägern und Westmännern gelebt; er kennt die Kniffe derselben, wenn er auch nicht Meister darin ist. Er will uns irre führen und ist darum zunächst nordwärts geritten, damit wir ihm dorthin folgen sollen. Dann wartet er, bis er einen Boden erreicht, der so hart ist, daß wir die Fährte seiner Kamele nicht erkennen können, und sobald dies geschieht, wendet er sich nach Osten."

"Aber in Tunis fände er Geld. Hier am Golfe von Hammamet gibt es keinen Menschen, von welchem er welches bekommen kann."

"Er braucht keines. Erstens hat sein Sohn welches. Da ich diese Wendung der Dinge nicht vorhersehen konnte, habe ich es ihm nicht abgenommen. Und zweitens hatte Small Hunter ganz gewiß eine bedeutende Summe bei sich."

"Ob das aber Melton hat? Wir fanden doch nichts bei ihm!"

"Er hatte es versteckt und ist jedenfalls nicht von hier fort, ohne es sich vorher zu holen. Jetzt aber sehe ich, daß die drei Kamele gesattelt und bepackt sind. Wir können aufbrechen."

"Wann kommt ihr wieder?"

"Wenn wir die beiden ergriffen haben."

"Sei deiner Sache nicht zu sicher! Bedenke, daß sie schnellere Tiere haben als ihr und schon jetzt im Vorsprunge vor euch sind."

"Das ist richtig. Auch müssen wir viel Zeit auf ihre Spur verwenden, während sie ohne allen Aufenthalt immer forteilen können, aber wir werden sie ergreifen, darauf kannst du dich verlassen. Fassen wir sie nicht hier, so fallen sie uns desto bestimmter drüben in Amerika in die Hände."

"Maschallah! Soweit wollt ihr ihnen nach?"

"Soweit, bis wir sie haben."

"Und wenn ihr sie nicht hier fangt, so kommt ihr doch nach Tunis, bevor ihr unser Land verlaßt?"

"Das läßt sich nicht vorher sagen. Deine Kamele bekommst du auf alle Fälle wieder; dafür werde ich sorgen."

"Das ist das Allerwenigste! Die Hauptsache ist, daß die beiden Halunken uns nicht entkommen. Kennst du den Weg hinüber nach dem Golfe von Hammamet?"

"Von hier aus nicht; aber wir werden ihn schon finden, denn wir haben einen vortrefflichen Wegweiser in der Spur derer, die wir verfolgen; diese bringt uns sicher dorthin, wo sie sich befinden."

"Dennoch will ich dir einige Andeutungen geben. Die gerade Linie von hier nach Hammamet führt nach dem Wadi Budawas, den Ruinen von el Khima und über den Dschebel Ussala nach der Gegend am Meere. Die Beduinen, welche du da antreffen wirst, sind die Meidscheri, die Ussala und die Uled Said, lauter friedliche Leute, die euch kein Leid tun werden, wenn ihr sagt, daß ihr meine Freunde seid."

Bei der Aufzählung dieser Stämme hatte er einen, gerade den wichtigsten, vergessen, und diese Unterlassung sollte uns verhängnisvoll werden. Ich meine die uns feindlichen Uled Ayun, von denen wir eine so hohe Diyeh verlangt hatten. Sie weideten ihre Herden auch oft bis nach dem Wadi Budawas herauf, wo sie Nachbarn der Meidscheri waren. Daran hatte der Herr der Heerscharen nicht gedacht, und ich nahm also gleich von vornherein an, daß wir mit diesen Leuten nicht zusammentreffen würden.

Die Verhältnisse gestatteten uns nicht, viel Zeit auf den Abschied zu verwenden. Nur einige Minuten nachdem die Kamele bereitstanden, ritten wir von dannen. Der Herr der Heerscharen konnte sich doch nicht so schnell trennen; er warf sich auf sein Pferd, ritt uns nach und dann noch eine halbe Stunde mit uns weiter in das Wart hinein. Er wollte noch allerhand nützliche Bemerkungen machen und gute Regeln geben; aber wir konnten nicht so, wie er wollte, auf ihn achten, sondern mußten alle unsere Aufmerksamkeit auf die Spur lenken, der wir folgten und die hier zwischen den Felsblöcken nur für das Auge eines Westmannes zu erkennen war; ein Beduine hätte sie wohl nicht gefunden. Darum hielt er endlich an, reichte mir die Hand zu meinem hohen Sitze herauf und nahm Abschied.

Als wir das Warr hinter uns hatten und die Ebene wieder offen vor uns lag, erblickten wir zu unserm Erstaunen in einiger Entfernung von uns einen Menschen, welcher ratlos in der weiten Einsamkeit zu stehen schien. Er sah uns auch und wendete sich, als ob er davonlaufen wolle, blieb aber bald wieder stehen, da er einsah, daß wir als Reiter ihn, den Fußgänger, sehr schnell einholen würden. Ein Fußgänger hier in der Wüste war jedenfalls eine seltene Erscheinung.

Die Erklärung sollte uns bald werden, denn als wir näher kamen, sahen wir an seiner Uniform, daß es einer unserer Kavalleristen war.

"Der entflohene Posten!" meinte Emery.

"Ohne Zweifel!" nickte ich.

"Warum der aber hier steht!"

"Er ist heimtückisch zurückgelassen worden. Melton muß man kennen! Um befreit zu werden, hat er dem Menschen alles mögliche versprochen, und nun es gelungen ist, läßt er ihn hier sitzen, ohne ein einziges seiner Worte zu halten."

"Dann wehe dem Soldaten! Was wird er tun, was anfangen?"

"Werden sehen!"

"Desertion und Befreiung Gefangener. Wird unbedingt erschossen! Willst du ihn retten?"

"Das kommt auf sein Verhalten an."

"Wird dir aber schwer werden!"

"Nein. Krüger-Bei tut mir sicher auch einen solchen Gefallen."

Jetzt erreichten wir den Mann. Er hatte uns stehend erwartet, jetzt aber sank er in die Knie und rief, indem er die Hände flehend erhob:

"Gnade, Effendi, Gnade! Ich bin bestraft genug!"

Er wendete sich an mich, weil er gesehen hatte, daß ich von uns dreien derjenige war, mit welchem der Herr der Heerscharen am intimsten verkehrte. Daß er sich nicht trotz- und starrköpfig zeigte, sondern seine Schuld gleich eingestand, indem er um Gnade bat, ließ darauf schließen, daß er kein schlechter Mensch war. Dennoch antwortete ich in sehr ernstem Tone:

"Bestraft genug? Du bist Deserteur, Deserteur im Felde! Weißt du, was für Strafe darauf steht?"

"Der Tod."

"Und außerdem hast du Gefangene befreit. Dafür wirst du, ehe man dich erschießt, entsetzliche Hiebe erhalten."

"Ich weiß es; aber Effendi, dein Wort gilt sehr viel bei dem Herrn der Heerscharen. Ich flehe dich an, bitte bei ihm für mich!"

"Sage mir zunächst, wie die Flucht vor sich gegangen ist!"

"Wir kamen als Doppelposten zu ihm. Ich setzte mich hin; mein Kamerad aber ging auf und ab; wenn er entfernt genug war, konnte er nicht hören, daß der Kolarasi leise zu mir sprach."

"Was sagte dieser?"

"Er verlangte sein Paket zurück."

"Was für ein Paket?"

"Welches ich ihm hatte aufheben müssen."

"Ah! Wann hat er es dir gegeben?"

"Als ihr die Uled Ayar in der Schlucht eingeschlossen hattet. Wir lagen als Gefangene in derselben, ich aber befand mich nicht bei den Gefangenen, sondern bei dem Kolarasi, dessen Diener ich war. Ihr hattet die gefangenen Kameraden befreit, und dann ging der Scheik fort, um mit euch zu verhandeln. Nachher sahen wir ihn mit dir zurückkehren, und da sagte der Kolarasi zornig "Nun ist alle Hoffnung hin; der Hund wird die Ayar überreden und mich an Krüger-Bei ausliefern!" Er gab mir schnell ein Päckchen, es heimlich aufzubewahren, und eilte dann fort, um bei dem Scheik gegen dich zu sprechen. Er hatte keinen Erfolg, und man brachte ihn bald gebunden und mit zerschlagenem Gesicht getragen. Er war Gefangener. In einem unbewachten Augenblicke verbot er mir, zu bleiben. Er dachte, du würdest kommen und bei ihm suchen; dann hättest du auch mich ausgesucht. Ich mußte mich also entfernen, das Päckchen aber stets bei mir tragen."

"Warum?"

"Um es ihm jeden Augenblick wiedergeben zu können."

"Hat er dir gesagt, welchen Inhalt es hatte?"

"Ja, einen echten Kuran aus Mekka und einige Fransen von el Wdibs Grabestuch aus der Okba-Moschee in Kairwan."

"Sehr heilige Sachen!"

"Aber es war nicht wahr!"

"Das weiß ich freilich. Wie erfuhrest du denn, daß es eine Lüge war?"

"Von ihm selbst. Als ich dann des Nachts als Wächter bei ihm saß, sagte er mir leise, daß das Paket nicht diese Gegenstände, sondern Geld, sehr viel Geld enthalte. Er bot mir fünftausend Piaster davon an, wofür ich ihn losbinden sollte."

"Die brauchte er dir doch nicht zu bieten, denn du hattest ja das Paket mit dem ganzen Gelde in der Tasche!"

"Es nütze mir nichts, sagte er. Es war kein gewöhnliches Geld, sondern dasselbe bestand aus Papieren, welche er selbst dem Serafi in Tunis geben mußte, denn ein anderer würde kein Geld dafür erhalten. Ich sollte mit ihm fliehen, mit ihm nach Tunis reiten, und die fünftausend Piaster sogleich erhalten, wenn er die Papiere umgewechselt haben würde."

"Das Anerbieten blendete dich?"

"Ja, Effendi. Ein armer Soldat und fünftausend Piaster! Er schwor mir bei Mohammed und allen Kalifen zu, daß ich das viele Geld sofort nach unserer Ankunft in Tunis erhalten würde."

"Der Schwur gilt nichts bei ihm, denn er ist eigentlich nicht ein Moslem, sondern ein Ungläubiger, ein Heide, der an gar nichts glaubt."

"Hätte ich das gewußt! Aber ich vertraute ihm und schnitt ihm die Hände frei. Darauf gab ich ihm mein Messer."

"Und dein Kamerad, der andere Posten?"

"Der sah und wußte nichts davon, denn ich machte mit dem Kolarasi aus, daß er sich erst dann vollends befreien solle, wenn wir abgelöst sein würden. Aber er hielt nicht Wort, denn sobald er das Messer hatte, schnitt er sich vom Pfahle los und machte auch seine Füße frei, blieb aber so liegen, als ob er noch gefesselt sei. Dann setzte sich mein Kamerad zu uns; der Kolarasi drang plötzlich auf ihn ein und stieß ihm das Messer in das Herz."

"Schrecklich! Was tatest du?"

"Ich wollte schreien, konnte aber vor Entsetzen nicht. Er wollte mich beruhigen; das gelang ihm nicht. Da drohte er mir. Er war frei, und mein Messer steckte in der Brust meines Kameraden. Das zeugte gegen mich. Ich war verloren, wenn ich blieb, und mußte also mit ihm fort."

"Aber ihr ginget nicht gleich?"

"Nein. Ich mußte am Platze warten, und er entfernte sich. Nach einiger Zeit kam er mit dem fremden jungen Manne, der mit entflohen ist. Wie er ihn befreit hat, ohne daß jemand etwas bemerkte, das weiß ich nicht. Wir gingen, um ganz leise die drei besten Kamele des Herrn der Heerscharen zu satteln. Als dies geschehen war, führten wir die Tiere eine Strecke fort; ich mußte bei denselben bleiben; die beiden aber kehrten noch einmal ins Lager zurück, um nach deinem Zelte zu gehen."

"Woher weißt du das?"

"Aus den grimmigen Worten, welche sie fallen ließen."

"Ja, sie wollten mich ermorden, aber das gelang ihnen nicht, weil ein Wächter vor meinem Zelte saß."

"Das dachte ich mir, denn ich hörte einige laute Rufe, und dann kamen sie eilends zurück, um unter

Fluchen auf die Tiere zu steigen. Ich tat dies auch, und wir ritten fort."

"Sprachen sie denn arabisch miteinander?"

"Ja, zuerst. Das war Unbedachtsamkeit, denn ich hörte Dinge, welche ich eigentlich wohl nicht hören sollte. Dann aber bedienten sie sich einer fremden Sprache, von welcher ich kein Wort verstand."

"Weißt du, wohin sie wollen?"

"Nach Tunis."

"Das glaube ich nicht. Sie werden ebenso wenig nach Tunis reiten, wie du deine Piaster bekommen wirst."

"Die bekomme ich freilich nicht; sie haben mich darum betrogen, mich schmachvoll hintergangen! Nicht weit von hier stiegen sie ab und forderten mich auf, dasselbe zu tun. Kaum stand ich auf der Erde, so fielen sie über mich her und nahmen mir meine Waffen ab, sodaß sie nun alle Macht über mich hatten. ich mußte vor ihren auf mich gerichteten Läufen weichen; sie aber stiegen wieder auf, nahmen mein Kamel beim Halfter und ritten hohnlachend davon. O, Effendi, hätte ich dem Kolarasi, dem ungläubigen Heiden, doch nicht ein so großes Vertrauen geschenkt!"

"Das ist ein ganz falscher Wunsch. Nicht dein Vertrauen zu ihm hat dich in das Unglück geführt, sondern die Habsucht und die Pflichtvergessenheit. Du solltest rufen: Wäre ich doch meiner Pflicht treu geblieben! Du hast zwei schwere Verbrechen begangen. Was gedenkst du nun zu tun?"

"Wirst du mich denn nicht festnehmen?" fragte er verwundert.

"Nein. Ich bin weder dein Vorgesetzter noch ein Polizist oder gar dein Richter. Du magst gehen, wohin du willst; wir werden dich nicht halten."

"Ich danke dir, Effendina! Deine Güte ist weiter als die Wüste, und deine Gnade höher als der Himmel! Aber wohin soll ich gehen? Ich habe weder Wasser, noch Speise, noch Geld, noch Waffen, auch habe ich kein Pferd oder Kamel. Wer soll mich aufnehmen? Ich bin Deserteur und werde also allen Stämmen, welche unter dem Schutze des Pascha wohnen, so unwillkommen sein, daß sie mich lieber an ihn ausliefern, als bei sich behalten. Der Kolarasi hat mich zum unglücklichsten Menschen gemacht, den es nur geben kann."

"Der Kolarasi nicht; du selbst trägst die Schuld. Aber deine Taten reuen dich, und ich habe von dir einiges erfahren, was mir wichtig ist; darum will ich dir einen Weg zeigen. Kehre zum Herrn der Heerscharen zurück! Ich will dir einen Zettel mitgeben, auf den ich einige Zeilen schreibe, welche dich seiner Gnade empfehlen. Ich denke, daß deine Strafe milde sein wird."

"Tue das, Effendi, tue das! Deine Worte erleichtern mein Herz und erquicken meine Seele!"

Da wendete sich Emery in englischer Sprache an mich:

"Unsinn! Entweder helfen wir gar nicht, oder ganz. Der Kerl ist kein schlechter Mensch. Kehrt er zu Krüger-Bei zurück, so wird er infolge deiner Befürwortung wohl zwar nicht erschossen, aber man schneidet ihm die Nase oder die Ohren ab, oder gibt ihm wenigstens die Bastonnade, um ihn nachher fortzujagen. Was soll er dann anfangen? Und außerdem bringst du durch deine Fürbitte den Herrn der Heerscharen mit seiner Pflicht in Konflikt. Er muß einen Verbrecher laufen lassen dir zuliebe, und alle seine Soldaten wissen, daß er das nicht darf. Du blamierst ihn also vor seinen Leuten. Wie weit ist es von hier bis zur algerischen Grenze?"

"Wenn man Dörfer und Brunnen nicht zu berühren braucht, kann man sie schon eher erreichen; auf dem Karawanenwege aber, wo er von Zeit zu Zeit Wasser findet und sich in den Dörfern auch Lebensmittel kaufen oder erbitten kann, wird ein Fußgänger sie in zwanzig Wegstunden erreichen."

"Gibt es nahe da drüben französisches Militär?"

"Ja, in Tibessa; von hier aus vierundzwanzig Stunden weit."

"So schick ihn dort hinüber! Ich will ihm das Geld dazu geben, und in Tibessa mag er sich von der glorreichen France anwerben lassen."

Er zog seine lange, volle Börse und warf dem Manne einiges Geld vom Kamele zu.

"Ist dir der Weg von hier nach Lheïs bekannt?" fragte ich den letzteren.

"Ja."

"So wende dich dorthin. Von da aus gehst du über Zaufur, Thaleh und Hydra nach Keifah, welches nicht mehr tunesisch, sondern algerisch ist. Dann hast du nicht mehr weit nach der kleinen französischen Stadt Tibessa, wo Militär liegt. Dort kannst du dich anwerben lassen, wenn du nicht Lust hast, zu etwas anderem zu greifen. Jemand, der schon Soldat gewesen ist, wird von jedem Werber gern willkommen geheißen. Du hast von hier bis nach Tibessa immer Karawanenweg, und wirst also weder zu hungern noch zu dursten brauchen."

Das Gesicht des Mannes wurde sonnenhell; er brach in wahrhafte Dankeshymnen aus; wir aber hatten keine Zeit, dieselben anzuhören, und ritten weiter.

Die Spur war mit großer Deutlichkeit zu sehen, wich aber bald, wenn auch nur ein wenig, nach Westen ab.

"Sonderbar!" brummte Emery. "Wir denken, die Kerle werden nach Osten abbiegen, und nun tun sie es westlich!"

"Jedenfalls nicht ohne Absicht," antwortete ich. "Wahrscheinlich kennt der Kolarasi dort drüben ein Terrain, welches felsig ist und keine Fährte annimmt; da will er uns verschwinden."

"Wird so einem Flachkopfe aber nicht gelingen!"

"Schwerlich! Wir reiten einfach geradeaus. Die Meltons sind nach Westen geritten, um ihre Spur zu verwischen; dann werden sie nach Osten umbiegen; folglich müssen wir, wenn wir ihnen nicht folgen, sondern geradeaus reiten, unbedingt wieder auf ihre Fährte treffen."

"Well! Und haben dabei eine tüchtige Zeit gewonnen!"

Winnetou war uns ein wenig voraus und hatte also unsern Gedankenaustausch nicht gehört, doch kannte ich ihn gut genug, um überzeugt zu sein, daß er nicht anders rechnen werde, als wie wir. Und richtig! Er hielt sein Kamel an, stieg ab, betrachtete die Spur genau, stieg wieder auf und ritt in gerader Richtung weiter, ohne sich nach uns auch nur umzusehen. Er kannte eben auch meine Art, zu denken und zu schließen, gerade so genau, wie ich mit der seinigen vertraut war. Wir hatten uns vollständig ineinander hineingelebt.

Wir ritten eine Stunde lang und noch eine. Emery wollte ungeduldig werden, denn er begann zu glauben, daß wir uns doch vielleicht verrechnet hätten. Da aber sahen wir, daß Winnetou, welcher uns jetzt weiter voraus war, wieder abstieg und den Boden betrachtete. Als wir ihn einholten, sahen wir eine Fährte von drei Kamelen, welche von Westen her gerade über unsere Richtung nach Osten führte.

"Sie sind es," meinte der Apatsche. "Wollten Winnetou und Old Shatterhand irre führen. Pshaw!"

Es war köstlich, dabei sein Gesicht zu sehen; ungefähr so, wie dasjenige eines Professors der Astronomie, dem ein Kohlengrubenarbeiter die Entfernung des Sirius berechnen, oder die Entstehung der Kometen erklären will. Freude hatte ich über die Art und Weise, wie er auf dem Kamele saß. Er, der ohne alle Übung war, zeigte dabei eine Sicherheit, welche mich in Erstaunen hätte versetzen können, wenn mir nicht bekannt gewesen wäre, mit welcher Leichtigkeit er sich in alles fand, was körperliche oder geistige Gewandtheit voraussetzte.

Nachdem er wieder aufgestiegen war, wendeten wir uns in einem rechten Winkel rechts, nach Osten zu, wohin die wiedergefundene Spur jetzt führte. Wir folgten derselben den ganzen Tag, bis es so dunkel wurde, daß wir sie nicht mehr sehen konnten. Da hielten wir an, um auf der freien, ringsum ebenen Steppe zu übernachten. Am nächsten Morgen wurde, sobald es Tag geworden war, der Ritt fortgesetzt. Die Fährte war jetzt nicht mehr so deutlich wie gestern. Emery sprach die Ansicht aus, daß sie bald wieder frisch sein werde, da die Flüchtlinge doch höchst wahrscheinlich während der Nacht auch geruht haben mußten, doch war ich anderer Meinung. Die beiden Meltons waren sicher bestrebt gewesen, einen möglichst großen Vorsprung zu bekommen, und hatten gewiß die ganze Nacht dazu verwendet. Das konnten sie, weil der ältere von ihnen die Gegend kannte, da er als Offizier früher wiederholt hier gewesen war. Winnetou stimmte mir bei.

"Aber warum sollen sie so erpicht auf einen so großen Vorsprung sein?" fragte der Engländer. "Sie haben denselben ja gar nicht nötig."

"Nicht?" antwortete ich. "Wieso?"

"Weil sie annehmen werden, daß sie uns irre geführt haben."

"Und daß wir etwa nach Tunis reiten?"

"Ja. Sie sind ja gestern abgewichen, um ihre Spur unkenntlich zu machen. Nun werden sie überzeugt sein, daß sie uns vollständig getäuscht haben."

"Überzeugt wohl nicht, wenn sie auch annehmen können, daß die Möglichkeit dazu vorhanden ist. Thomas Melton kennt Winnetou und mich. Er mag annehmen, daß er uns getäuscht hat, doch nur auf kurze Zeit. Wenn er sich alles vergegenwärtigt, was er von uns weiß, so muß er sich sagen, daß wir durch seinen Kniff, falls wir uns durch denselben überhaupt täuschen ließen, höchstens einige Stunden Zeit verloren, dann aber die Spur wiedergefunden haben, um derselben desto nachdrücklicher zu folgen."

"Hm! Ob sie überhaupt für gewiß annehmen, daß wir ihnen nachreiten?"

"Ganz sicher! Wäre dies nicht der Fall, so hätten sie sich nicht die Mühe gegeben, uns irre führen zu wollen, auch wären wir längst an ihre Lagerstelle gekommen. Sie sind die ganze Nacht fortgeritten."

"Mein Bruder Scharlieh hat recht," stimmte mir der Apatsche bei. "Sie haben gar nicht angehalten und sind weit vor uns, weil sie bessere Kamele besitzen als wir und weil wir gelagert haben. Wir müssen uns beeilen."

Es stellte sich heraus, daß wir uns nicht geirrt hatten, denn wir ritten den ganzen Vormittag auf der immer undeutlicher werdenden Spur, ohne zu sehen, daß die beiden Reiter auch nur einmal abgestiegen waren.

Die Steppe war längst wieder in Sandwüste übergegangen. Jetzt trafen wir aber auf einzelne, spärliche Grashalme, welche nach und nach dichter und kräftiger wurden, und dann erkannten wir niedrige, lang gestreckte Hügel, welche sich vor uns im Osten erhoben und von Nord nach Süd zu streichen schienen.

"Das muß das Wadi Budawas sein," sagte ich. "Hinter demselben liegen dann die Ruinen von El Khima, welche wir südlich liegen lassen müssen, um über den nördlichen Abhang des Dschebel Ussalat zu reiten."

"Ich denke, wir müssen der Fährte folgen," bemerkte Ernery.

"Allerdings; aber ich bin überzeugt, daß die Meltons denselben Weg einschlagen, weil er der bequemste nach der Küste ist."

"Well! Doch, sind da drüben links nicht Reiter?"

Er deutete nach Nordost, wo sich allerdings einige bewegliche Punkte sehen ließen. Dieselben näherten sich uns schnell. Bald erkannten wir acht Beduinen, welche auf Pferden saßen. Sie hatten natürlich auch uns gesehen, kamen uns ein Stück entgegen und blieben dann halten, um uns zu erwarten. Sie waren gut bewaffnet, schienen aber keine feindlichen Absichten zu hegen. Ungefähr zwanzig Schritte vor ihnen hielten wir an, und ich grüßte:

"Sallam! Ist es das Wadi Budawas, welches da hinter den Höhen liegt?"

"Ja," antwortete derjenige, welcher der Anführer zu sein schien.

"Zu welchem Stamme gehört ihr?"

"Wir sind Krieger der Meidscheri und waren auf der Gasellenjagd. Wir haben kein Wild getroffen und kehren nach dem Wadi zurück, in welchem unsere Herden weiden."

"Wann seid ihr zur Jagd ausgeritten?" "Heute, als der Morgen tagte."

"So könnt ihr mir eine Frage beantworten. Es sind zwei fremde Reiter auf sehr guten Reitkamelen durch das Wadi gekommen?"

"Ja. Heute früh, eben als wir fortreiten wollten."

"Stiegen sie bei euch ab?"

"Ja. Wir luden sie ein, und sie folgten unserer Bitte, obgleich sie erklärten, eigentlich keine Zeit dazu zu haben."

"Wie lange blieben sie? "

"Nur so lange, bis ihre Kamele getrunken hatten." "Wißt ihr, wer sie waren?"

"Der eine war ein Kolarasi des Pascha, wie wir an seiner Kleidung sahen, der andere ein Freund von ihm, der aber nicht Soldat war."

"Wo wollten sie hin?"

"Nach El Kairwan, sagten sie. Wer aber seid denn ihr?"

"Kennst du Krüger-Bei, den Herrn der Heerscharen?"

"Ja. Er ist unser Beschützen"

"Weißt du, wo er sich jetzt befindet?"

"Wir hörten von den beiden Reitern, daß er gegen die Uled Ayar gezogen sei, um sie zu züchtigen."

"Wie steht ihr euch mit diesen letzteren?"

"Wir leben mit ihnen in Frieden, nicht aber mit den Uled Ayun, welche Allah verderben möge!"

"Sie sind auch unsere Feinde. Wir kommen von Krüger-Bei, welcher die Uled Ayar besiegt und dann ein Bündnis mit ihnen geschlossen hat."

"Maschallah! Er besiegte seine Feinde und begnadigte sie dann? Sein Herz ist voller Güte und Wohlwollen selbst gegen seine Feinde! Wenn ihr von ihm kommt, so steht ihr wohl auch unter seinem Schutze?"

"Er zählt uns zu den besten Freunden, welche er besitzt."

"Wenn das ist, so tut uns nicht das Herzleid an, bei uns vorüberzureiten. Eßt von unsern Speisen, und trinkt von unserm Wasser! Ihr seid uns so willkommen, als ob der Herr der Heerscharen sich selbst bei euch befände!"

"Wie ist der Name eures Scheiks?"

"Welad en Nari; ich bin es selbst."

"Du also bist der Scheik der tapferen und gastfreundlichen Meidscheri? Dann müssen wir deiner Einladung Folge leisten. Zwar haben auch wir große Eile, aber soviel Zeit, wie nötig ist, unsere Schläuche mit frischem Wasser von euch zu füllen, können wir dir doch schenken."

"Und von der Gaselle, welche wir gestern geschossen haben, müßt ihr auch kosten. Ich bitte euch, uns nach unserm Bet es Sijara zu folgen!"

Der Scheik wendete sein Pferd den erwähnten Höhen zu; wir schlossen uns ihm an, und seine Leute folgten hinter uns drein. Gesprochen wurde jetzt nicht mehr. Nach der Sitte des Landes mußten wir warten, bis wir wieder angeredet wurden. Das legte uns aber nicht die Verpflichtung auf, auch unter uns zu schweigen. Darum übersetzte ich Winnetou, was ich mit dem Anführer gesprochen hatte. Er warf ihm einen forschenden Blick zu und fragte mich dann:

"Gefällt der Mann meinem Bruder?"

"Hm! Wenigstens mißfällt er mir nicht. Warum fragst du so?"

"Ein dichter Bart bedeckt sein ganzes Gesicht, aber für Winnetou ist der Bart doch nur ein Schleier, durch welchen man blicken kann."

"Was siehst du da?"

"Die Freude, daß wir mit ihm reiten."

"Das ist doch natürlich! Er hat uns eingeladen und freut sich darüber, daß wir seinen Wunsch erfüllen."

"Aber es ist eine böse Freude! Winnetou hat kein Vertrauen zu dem Manne!"

"Und ich denke, daß kein Grund zur Besorgnis vorhanden ist. Die Meidscheri sind, wenigstens jetzt, friedlich gesinnte Leute."

"So mag mein Bruder vertrauen; Winnetou aber wird vorsichtig sein!"

Ich hegte wirklich kein Mißtrauen; das war aber noch kein Grund für mich, die übliche Vorsicht aus den Augen zu setzen. Ich war gewohnt, sehr viel auf die Ansichten des Apatschen zu geben; also konnte auch sein Mißtrauen nicht ohne Eindruck auf uns bleiben.

Wir hatten jetzt die Anhöhen erreicht und ritten über sie hinweg. Hinter ihnen senkte sich jählings der Boden, um ein Tal zu bilden, dessen Breite da, wo wir hielten, eine Viertelstunde betragen konnte. Das war das Wadi Budawas, welches, wie ich gehört hatte, eine Länge von mehreren Stunden oder gar Meilen besitzt.

Es gab am diesseitigen Ufer eine Stelle, welche nicht so steil war; da ritten wir hinab. Man sah, daß das Wadi zur Regenzeit einen Fluß bildete; jetzt aber war es eine grünende Talmulde, welche zahlreiche feuchte Stellen enthielt, wo man nur einige Fuß tief zu graben brauchte, um trinkbares Wasser zu erhalten.

Wir ritten eine kurze Strecke abwärts, kamen um eine Krümmung und sahen nun das eigenartige Leben eines afrikanischen Hirtenlagers sich vor uns entwickeln. Das Wadi war hier viel breiter als vorher und trug Gras, welches beinahe saftig genannt werden konnte. Soweit wir blicken konnten, sahen wir Pferde, Schafe, Ziegen, Rinder und Kamele, welche nach vielen Tausenden zählten. Dazwischen gab es so wenig Hirten, daß es zu verwundern war, wie die wenigen Leute so viele

Tiere in Ordnung zu erhalten vermochten. Auch einige Zelte waren zu sehen, welche wohl den reichen Herdenbesitzern gehörten; die ärmeren Beduinen mußten im Freien nächtigen, was die Leute aber gewöhnt sind.

Die Hirten, an denen wir vorüberkamen, erhoben sich respektvoll von der Erde und grüßten uns, indem sie sich verneigten. Das schien auf Winnetou einen beruhigenden Eindruck zu machen, denn der Ausdruck seines Gesichtes wurde immer weniger streng, als er vorher gewesen war.

Wir ritten jetzt über Felsen, in denen sich eine schmale Spalte befand, nach welcher der Scheik sein Pferd lenkte. Einige Schritte vor derselben hielt er an, stieg ab und sagte:

"Willkommen in unserm Wadi! Hier ist das Haus des Besuches, in welchem alle unsere Gäste bewirtet werden. Es ist kühl und erquickt den Ermüdeten. Tretet mit mir ein und sättigt euch an den Speisen, welche uns sogleich vorgesetzt werden!"

Seine Begleiter stiegen auch ab, und wir taten dasselbe, doch folgten wir nicht gleich seiner Aufforderung, sondern musterten zunächst unsere Umgebung. Oberhalb der Stelle, an welcher wir uns befanden, lagen wiederkäuend vielleicht ein Dutzend prächtiger Reitkamele, wie ich sie hier zu Lande so edel noch nicht gesehen hatte. Unweit davon sahen wir die doppelte Anzahl Reitsättel und alles Dazugehörige am Felsen liegen. Noch weiter oben weideten drei hochedle Pferde; sie waren in einem Pferche eingeschlossen, welcher aus in die Erde gesteckten Lanzen bestand, um die man, von einer zur andern, Palmenfaserstricke gezogen hatte. Schon der Umstand, daß man die Tiere in der Weise von den andern abgesondert hatte, ließ auf ihren Wert schließen; den Kenner aber mußte ihr Anblick in Entzücken versetzen. Unweit davon lagen die Sättel, das Riemenzeug und die Schabracken. Der Scheik bemerkte, mit welcher Bewunderung ich diese Pferde betrachtete und sagte:

"Ihr Stammbaum reicht bis hinauf zur Lieblingsstute des Propheten. Diese Pferde sind mehr wert als sämtliche Herden unseres Stammes."

Also in die Felsspalte sollten wir treten; sie war das "Haus des Besuches", von welchem der Scheik gesprochen hatte! Ein eigentümliches Haus! Der Felsen war wohl an die fünfzig Ellen hoch; die Spalte reichte vielleicht bis zur Hälfte der Höhe hinauf, war aber so schmal, daß unten zu ebener Erde nur zwei Mann stehen konnten, wenn sie sich zusammendrängten; sie war also weit eher ein Riß, als eine Spalte zu nennen. Neben ihr, oder vielmehr ungefähr zehn, zwölf Schritte von derselben, sickerte das Wasser aus der Erde und bildete einen kleinen Tümpel, dessen Inhalt selbst für Menschen sehr gut genießbar war.

Der Scheik mochte bemerken, daß die Spalte uns nicht so einladend erschien, wie er es wünschen mochte; darum sagte er:

"Es ist hier wirklich das Haus des Besuches, von welchem ich gesprochen habe. Die Spalte wird, sobald man hineingetreten ist, so breit, daß sie eine Murabba bildet, in welcher mehr als zehn Menschen Platz finden können. Folgt mir nach!"

"Erlaube uns, zunächst für unsere Tiere zu sorgen!" bat ich.

"Meinst du, wir kennen die Pflichten der Gastfreundschaft so wenig, daß wir euch selbst die Arbeit machen lassen? Meine Leute werden eure Kamele tränken und eure Schläuche füllen."

Jetzt war eine Weigerung, wenn wir ihn nicht beleidigen wollten, unmöglich. Und da er uns voranschritt, so gab es auch gar keinen Grund, seiner Aufforderung nicht Folge zu leisten. Wenn die Höhle eine Gefahr für uns barg, so befand er sich doch bei uns, und wir konnten ihn zwingen, teil an derselben zu nehmen.

"Da hinein?" fragte Winnetou, als er ihn in der schmalen Öffnung verschwinden sah. "Wird mein Bruder ihm folgen?"

"Ja, er ist ja bei uns!"

"Wenn er uns aber betrügt!"

"Wir nehmen alle Waffen mit."

Wir hatten die wenigen Worte englisch gesprochen. Emery sagte, als er sie hörte:

"Warum so zagen! Was soll der Scheik und was seine Leute von uns denken! Sie müssen uns für Feiglinge halten. Hinein also und ihm nach!"

Er folgte dem Scheik und wir ihm, nachdem wir unsere Waffen an uns genommen hatten. Solange ich meinen Henrystutzen besaß, brauchte ich mich vor keiner offenen Feindseligkeit zu fürchten. Vor einem arglistigen Angriffe aber konnte auch er mich freilich nicht bewahren.

Rechts neben der Spalte lag ein Stein, oder vielmehr er stand, und zwar eigentümlicherweise auf seiner Spitze. Er war ein Felsentrümmer von der ungefähren Gestalt der Hälfte einer von oben nach unten durchschnittenen ungeheuern Flasche. Diese halbe Steinflasche mochte wohl an die zwölf Zentner schwer sein und stand nicht mit ihrem Boden, sondern mit ihrem Halse auf der Erde. Dies konnte der reine Zufall sein und war mir nicht auffällig genug, irgend welches Bedenken in mir zu erregen.

Als wir den Eingang hinter uns hatten, sahen wir allerdings, daß das Innere des Spaltes geräumiger war, als man von draußen vermuten konnte. Zehn Mann hatten gut Platz. Der Raum bildete ein längliches Viereck, dessen Boden mit Bastmatten belegt war. In der Mitte lag ein besserer Teppich, auf welchem eine Sufra stand, ein kleines, höchstens zehn Zoll hohes Tischchen, wie man es häufig in Beduinenzelten findet. Gerade aufrichten konnte man sich allerdings nur in der Mitte des Raumes, weil er sich schnell nach oben verengerte. Und kühl war es hier, wunderbar kühl! Eine wahre Erquickung nach dem Sonnenbrande, dem wir draußen ausgesetzt gewesen waren.

Der Scheik setzte sich vor dem Tischchen nieder und winkte uns, seinem Beispiele zu folgen. Warum sollten wir das nicht tun, da wir uns nun einmal mit ihm hier befanden?

Kaum hatten wir uns bei ihm niedergelassen, so brachte uns ein junger Hirte drei kleine mit Wasser gefüllte Kalebassen, welche wir austranken; ein zweiter kam mit vier Tschibuks, einem Tabaksbeutel und einem kleinen Holzkohlenbecken. Der Scheik stopfte die Pfeifen selbst, gewiß eine außerordentlich seltene Ehrenerweisung, legte eigenhändig glühende Kohlen auf den Tabak, reichte jedem von uns eine Pfeife und meinte:

"Raucht mit mir! Der Tabak gibt Wolken des Duftes, weiche die Seele zum Himmel heben. Bald werden auch die Speisen kommen."

Wir folgten seinem Beispiele und seiner Aufforderung und rauchten ein Kraut, welches den Verhältnissen angemessen gar nicht übel war; das taten wir wortlos, da unser Wirt nicht sprach. Vielleicht hielt er das Schweigen für seiner Würde angemessen, vielleicht auch für einen Erweis seiner Höflichkeit und Ehrerbietung gegen uns.

Wir hatten die Tschibuks noch nicht ausgeraucht, so kam einer der Hirten wieder und brachte eine Schüssel mit kaltem Kuskussu, welche er auf das Tischchen stellte.

"Wie steht es mit dem Fleische, Selim?" fragte ihn der Scheik.

"Ich werde es gleich bringen," antwortete der Gefragte, indem er sich entfernte.

"So bring doch auch gleich ..."

Er unterbrach sich, denn Selim war schon hinaus.

"Selim, Selim, hörst du!" rief er ihm nach.

Es erfolgte keine Antwort: da sprang er auf und eilte an den Spalt, um Selim den beabsichtigten Befehl nachzurufen. Wir hatten kein Arg und hinderten ihn also nicht, sich auf so wenige Schritte zu entfernen.

"Selim, Selim!" wiederholte er, indem er ganz hinaustrat.

"Herein muß er, herein!" meinte Winnetou, obgleich er nicht arabisch verstand.

Er sprang auf, um den Scheik zu fassen und hereinzuziehen, konnte seine Absicht aber nicht ausführen, denn noch ehe er die Öffnung ganz erreicht hatte, geschah draußen ein dumpfer Fall und die Spalte schloß sich. Man hatte den vorhin beschriebenen, so eigenartig geformten Stein umgeworfen, und er stand nun gerade vor der Spalte, so hart vor derselben, daß man kaum einen Finger zwischen ihn und den Felsen stecken konnte.

"Heigh-ho!" rief Emery, indem er aufsprang.

"Winnetou hat es geahnt," meinte der Apatsche, indem er zurückkehrte und sich so ruhig wieder niedersetzte, als ob nichts geschehen sei.

Ich sagte gar nichts. Draußen aber ließ sich ein Jubelgeschrei von vielen Stimmen hören. Es mußten jetzt viel mehr Menschen da sein, als wir vorhin gesehen hatten.

"Ich glaube gar, wir sind gefangen!" zürnte der Engländer.

Ich sagte auch jetzt noch nichts.

"So antworte doch!" forderte er mich auf. "Ich glaube, wir sind gefangen!"

"Ist uns ganz recht! Warum haben wir nicht auf Winnetou gehört!"

"Well! Aber es gab keinen Grund zum Mißtrauen. Der Herr der Heerscharen hat selbst versichert, daß wir von den Meidscheri nichts zu fürchten haben!"

"Sind es Meidscheri?"

"Sie sagten es doch!"

"Der Scheik hat uns belogen. Wenn er wirklich zu diesem Stamme gehörte, würde er uns nicht in diese Falle gelockt haben!"

"Richtig! Aber zu welchem Stamme soll er dann gehören?"

"Höchst wahrscheinlich zu den Uled Ayun."

"Das wäre für uns fatal! Aber dennoch kann ich nicht begreifen, warum er uns gefangen nimmt. Er kennt uns nicht; er hat uns nicht einmal nach unsern Namen gefragt."

"Er kennt uns! Die beiden Meltons sind ja hier gewesen, oder sie befinden sich möglicherweise sogar jetzt noch hier."

"All devils!"