Dunkle Seiten
IV

 

 

Horror, Mystery und Dark Fantasy

 

 

 

Twilight-Line Medien GbR

Obertor 4

D – 98634 Wasungen

Deutschland

 

www.twilightline.com

redaktion@twilightline.com

 

ISBN: 978-3-941122-72-7

2. Auflage / August 2016

eBook-Edition

 

© 2011-2016 Twilight-Line Medien GbR
Alle Rechte vorbehalten.

Inhalt

 

 

 

Bloodsucking Whore

Marc Gore

 

Ellingtown

Christoph Lang

 

Vorräte

Vera Klee

 

Kirschen kann niemand widerstehen!

Alexander Knörr

 

Haus des schreienden Todes

Jasmin Schneider

 

Der Tunnel

Micha Rienitz

 

Stück für Stück

Marc Hartkamp

 

Eine unverhoffte Erbschaft

Heiko Hölzel

 

Ware erster Qualität

Marcus Borchel            

 

BLOODSUCKING WHORE

 

Marc Gore

 

Im Proberaum roch es nach Gras, Alkohol und Schweiß. Es war der Schweiß der Musiker, die fast täglich mehrere Stunden in diesem Raum in einer heruntergekommen Seitengasse von San Francisco zubrachten und neue Songs probten. Der Raum war spartanisch ausgestattet. Karge Holzwände, an denen an der einen Wand ein hochkantes A1-Live-Poster angebracht war, auf dem Glen Benton, Bandleader der Death Metal-Band DEICIDE, mit seinem Bass hinter dem Mikro stand, eingehüllt in dichte Nebelschwaden. Er war abgebildet mit seinem Nietenpanzer und den mächtigen Stahlnägelbändern in Kniehöhe an den Hosenbeinen. An der Wand gegenüber hing ein etwa 50 cm langes Logo der legendären Band SUFFOCATION, die sich leider 1998 aufgelöst hatte. Ein unhaltbarer Verlust für die weltweite Death Metal-Szene! Neben diesem Logo hing noch ein kleines Schwarz/Weiß-Konzertposter im A 3-Format, welches die Logos der Bands MORTICIAN, EXHUMED und PROPHECY zeigten, die mal an dem aufgedruckten Datum zusammen gespielt und dieses Poster vollständig signiert hatten. Über dem Fenster des Proberaumes hing noch eine kleine Uhr, ansonsten waren die Wände leer. Momentan stand das Fenster offen, um etwas Frischluft einzulassen. Da das Fenster aufgrund des störenden Verkehrslärmes beim Proben stets verschlossen sein musste und die Sonne Kaliforniens für ihre sehr intensive Strahlung berühmt war, war es oft verdammt stickig. Beinahe wie im Backofen. Heute kam die Death Metal-Band CRYPTIC STENCH allerdings noch nicht zum Proben, denn Sänger Matt Evans musste noch einiges mit dem Labelboss Rick Wingers besprechen. Es ging um eine bald anstehende Europatour, bei welcher die Band den Support für die ebenfalls in Kalifornien beheimateten Bands DEEDS OF FLESH und DISGORGE bekommen sollte. Die Aussichten standen mehr als gut, denn CRYPTIC STENCH hatten sich im weltweiten Underground wegen ihrer zügellosen Brutalität und mitreißenden Live-Shows schon einen sehr guten Namen gemacht, so dass auch Europa den hoffnungsvollen Knüppelact garantiert mit offenen Armen empfangen würde. Dabei hatten sie schon in ihrer jungen Laufbahn recht viele Line up-Wechsel durchmachen müssen. Die im Jahr 1999 erschienene Mini-CD „In the Sign of the Skull“ erschien noch mit allen Gründungsmitgliedern, dem Sänger Scott Breiley, Tom Noonan und Nick Schaefer an den Gitarren, Gordon Stalks am Bass und dem Peruaner Julio Ortega an den Drums. Ein Schicksalsschlag für die Band war der Tod ihres heroinsüchtigen Fronters Scott Breiley, der sich wenige Wochen nach Erscheinen der Mini-CD Ende 1999 in seiner Wohnung in der Nähe der Golden Gate Bridge den goldenen Schuss gesetzt hatte. Gitarrist Nick Schaefer warf kurz danach aufgrund persönlicher Differenzen das Handtuch und wurde bis heute nicht ersetzt, so dass die Band als Quartett weitermachte. Über eine Anzeige im Magazin East Coast Rocker fand dann Matt Evans als Ersatz für den toten Scott Breiley in die Band. Unmittelbar nachdem er sich eingelebt hatte, wurde im Jahr 2000 dann auch das erste volle CRYPTIC STENCH-Album „Raped and mangled“ mit 10 Songs in knapp 27 Minuten Spieldauer veröffentlicht und zeigte dann auch die totale Hinwendung der Band vom brutalen Death der Marke alte CANNIBAL CORPSE hin zum blutrünstigen Goregrind in MORTICIAN-Manier. Wurde die vorangegangene Mini-CD „In the Sign of the Skull“ noch von einer schlichten Fotografie eines Totenschädels vor pechschwarzem Hintergrund geziert, hatten Matt Evans und Tom Noonan für die „Raped and mangled“-CD aus dem Internet eine Fotografie von einer Frau ergattern können, die in einer Parkanlage irgendwo in den USA vergewaltigt und mit dutzenden Schüssen durchsiebt worden war. Das Album wurde ein totaler Kult. Mit einer Körpergröße von 1,95 m und einem von unzähligen Tätowierungen übersäten Oberkörper, der zudem noch von gewaltigen Muskeln ausgestattet war und nicht zuletzt wegen der Glatze an Phil Anselmo von den Hardcore-Thrash-Heroen PANTERA erinnerte, nur dass seine musikalische Herkunft selbstverständlich eine total andere war, bot Matt Evans auf der Bühne immer wieder eine imposante Erscheinung. Seine Stimme erinnerte an das Brüllen eines angriffslustigen Löwen, und im Gegensatz zu seinem Vorgänger Scott Breiley benötigte Matt Evans keinen Harmonizer, um sein unmenschliches und bestialisches Gegrunze durch das Mikrophon zu jagen. Vor einigen Wochen hatte Bassist Gordon Stalks die Band aufgrund persönlicher Differenzen verlassen und seitdem wurde der Puerto-Ricaner Carlos Mendez als Ersatz eingearbeitet. Die Band arbeitete hervorragend zusammen. Es fiel nicht so schwer ins Gewicht, das von den Gründern nur noch Tom Noonan und Julio Ortega verblieben waren. Sie warteten zusammen mit Carlos Mendez auf Matt Evans. Sie waren alle drei gespannt auf das Ergebnis der Tourbesprechungen. Endlich öffnete sich die Tür und Matt Evans betrat den Proberaum. Er war noch relativ leger zurechtgemacht. Er trug seine schwarzen Nike-Turnschuhe und eine schwarze BW-Hose. Über seinen freien muskulösen Oberkörper mit den vielen Tätowierungen und den Piercing-Ringen in den Warzen des breiten Brustkorbs hatte er lediglich seine schwarze Lederweste mit Conchas geworfen. On Stage trug er meistens Ranger-Boots, Nietenarmbänder und kiloschwere Patronengurte.

Er ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen und sagte aufgeregt: „Es klappt, Männer. Nächsten Monat geht es ab nach Europa. Wir werden DEEDS OF FLESH und DISGORGE supporten und in jedem Land, in dem wir spielen, werden wir noch zusätzlich von 2 im jeweiligen Land beheimateten Newcomer-Acts supportet. Die Tour läuft unter dem Titel „Violating Europe“. Bevor die große Reise losgeht, absolvieren wir bis nächsten Monat noch eine kleine Headliner-Tour durch Kalifornien, Texas und Florida. Supportet werden wir unter anderem von GUTSPLASH aus Philadelphia.“

„Cool! Die haben doch vor 2 Monaten diese geile EP „Ultimate Gore Enjoyment“ veröffentlicht. Hoffentlich kommt von denen bald ein komplettes Album. Also geht’s nächsten Monat über den großen Teich...“ sagte Carlos Mendez.

Gitarrist Tom Noonan saß mit seiner ausgestöpselten B.C. Rich auf dem etwas versifften Sofa in der kleinen Sitzecke des Proberaumes und zupfte an den gerade frisch aufgezogenen neuen Saiten. Zwischendurch nahm er einen kräftigen Schluck aus einer Jack Daniels-Flasche. Er hatte gerade wieder einen Schluck genommen und antwortete, während er sich mit dem Handrücken über die Lippen wischte: „Na, das ist doch absolut genial! Ich habe nachher doch noch die Interviewfragen eines spanischen Fanzines per Mail zu beantworten. Dann kann ich denen ja ankündigen, dass wir Europa in Schutt und Asche legen werden.“

„Ja, Leute, genau. Dann lasst uns keine weitere Zeit verlieren. Wir haben noch einiges zu proben“ sagte Matt Evans voll Tatendrang.

Carlos Mendez drehte gerade einen Crack-Joint, den die 4 Musiker dann reihum gehen ließen. Unter Einfluss von Crack waren ihnen schon so viele brutale Kompositionen geglückt, dass sie auf die wundersame Wirkung ihres Rauschmittels nicht verzichten wollten. Sie fühlten sich unbeschreiblich leistungsfähig und konnten sich voll und ganz auf das Schreiben neuer Songs für das zweite Album „Stimulating decaying Flesh“ konzentrieren, welches sie unmittelbar nach der Rückkehr aus Europa aufnehmen wollten. 8 Tracks sollten auf dem Silberling erscheinen, eine limitierte Erstauflage im Digi-Pack-Format sollte zudem noch einen definitiven Kultsong der Band, „Corpse in the Shredder“ von den 2 Demos und der „In the Sign of the Skull“-Mini-CD, neu aufgenommen beinhalten. Zwei der neuen Songs, „Splattered Embryonic Breed“ und „My Dick in her Ass“, mussten noch bearbeitet werden, dann stand das gesamte Album, um aufgenommen zu werden. Für das Artwork des in den Startlöchern stehenden Albums war bereits die Fotografie aus der Wohnung eines kannibalischen Frauenmörders fest eingeplant, auf dem halb verweste Leichenteile der Opfer zu sehen waren. Ein Polizeifoto, an das die Band mit sehr viel Glück gekommen war.

„Wir werden in 4 Tagen in San Diego auf der Bühne stehen. Das wird dann der Startschuss für die kleine Tour, und direkt im Anschluss daran besteigen wir den Flieger Richtung England, wo wir das erste Mal europäischen Boden betreten werden. Die Heimat von EXTREME NOISE TERROR und NAPALM DEATH. Das wird cool! Dann geht’s über Skandinavien weiter bis runter zum Mittelmeer. Die ganze Palette eben“, freute Matt Evans sich, während er einen tiefen Zug vom Joint nahm und diesen dann an Tom Noonan weiterreichte.

„Ob die spanischen Senhoritas wohl noch geiler im Bett abgehen als die Latino-Bräute hier bei uns?“ fragte Tom, während er den Joint ansetzte.

„Darauf kannst Du wetten. Ich habe schon Vieles von den heißen Pussies gehört...“, antwortete Carlos.

„Um mich an den Geschmack zu gewöhnen, habe ich letzte Woche zweimal eine brasilianische Nutte genagelt, die ging ab wie eine Rakete. Die Spanierinnen werden wohl so ähnlich sein“ lachte Tom.

Die Band gab sich voll ihren Träumen über eine coole Reise durch die alte Welt hin und rauchte die Tüte auf. Danach schnappten sie sich ihre Instrumente und Matt stellte sich hinter sein Mikro. Sein unmenschliches Gebrüll erschütterte den Proberaum.

„Na Jungs? Würdet Ihr sagen ich bin in Form?“ fragte Matt und schlug sich mit den Fäusten auf die Brust wie ein Gorilla.

„Aber sicher doch! Du klingst wie immer nach Chris Barnes auf LSD! Mann, das waren noch geile Zeiten, als der noch bei CANNIBAL CORPSE hinterm Mikro stand“, rief Julio ihm zu uns setzte zu einem gewaltigen Trommelwirbel an.

Tom hatte seine „Kettensäge“ eingestöpselt und schrubbte die ersten Riffs von „Splattered Embryonic Breed“ herunter. Das Jammen konnte beginnen.

 

Nancy Robbins war ein 21jähriges sehr wohlgeformtes Mäuschen, welches sich seinen kargen Lebensunterhalt auf dem Straßenstrich San Diegos verdiente. Es dämmerte bereits, als sie auf dem Bürgersteig vor den grellen Sex-Shops auf- und abging und auf einen wohlhabenden Freier mit lockerer Geldtasche wartete. Nancy war ein makelloses sexy Luder. Sie trug ihre schwarzen Stöckelschuhe, Netzstrümpfe und den wirklich sehr knappen schwarzen Mini-Rock, so dass ihre langen schlanken Beine deutlich zu sehen waren. Ihre runden, sehr festen Brüste waren unter einem ebenfalls schwarzen Top verborgen und bei genauem Hinsehen zeichneten sich ihre Nippel unter dem Stoff ab. Der Bauchnabel war frei und man konnte den Piercing-Ring gut sehen. Sie hatte sich eine schwarze Jeansjacke über ihren zierlichen und wohlproportionierten Körper gezogen und ihre schwarze Handtasche über ihre rechte schmale Schulter geschwungen. Ihre dunkelbraunen Haare waren glatt und schulterlang. Die Lippen waren blutrot geschminkt und die pechschwarze Wimperntusche gab ihrem atemberaubenden Anblick noch den entscheidenden Rest. Mit 1,68 m Körpergröße war sie genau richtig. Ein schneeweißer Rolls Royce Corniche mit getönten Scheiben und heruntergelassenem Verdeck hielt plötzlich neben ihr. Der Fahrer grinste Nancy an. Ein vielleicht 40 Jahre alter Geldsack, der geil auf ein schnelles Abenteuer war. Er kam sofort zum Thema: „He Kleine, wieviel kostest Du?“

Nancy antwortete: „Für 25 Dollar blase ich Dir einen. Ein schneller Fick in Deiner Karre kostet Dich 50.“

„Das ist großartig. Los komm, steig ein, Du süßes kleines Ding...“

Nancy nahm auf dem Beifahrersitz Platz und das Cabrio fuhr in eine Seitenstraße.

Der Freier konnte sich nicht mehr gedulden und stöhnte bereits erregt während er seine Hose öffnete: „Okay, Kleine, zuerst will ich einen Quickie, damit ich auf Touren komme. Danach fahren wir in ein hübsches Hotel und dort werde ich mir noch etwas überlegen...“

„Erst die Scheinchen, Alter. Bei mir gibt’s alles nur im Voraus. 25 kriege ich von Dir“ fiel Nancy ihm ins Wort.

Der Mann angelte sein Portemonnaie aus der linken Hosentasche und zog zwei 10-Dollarscheine und einen 5-Dollarschein heraus. Zufrieden steckte Nancy das Geld in ihre Handtasche. Dann umspielte sie mit den Fingern ihrer rechten Hand den ausgepackten Schwanz ihres Freiers und während dieser sich zur vollen Größe aufrichtete, leckte sie mit der Zunge über den Hals des Mannes, der die Augen verdrehte und leise stöhnte. Er legte den Kopf zurück und wartete darauf, dass diese geile Braut seinen Dödel endlich in den Mund nahm. Während er den Kopf zurücklehnte, spannten sich die Sehnen an seinem Hals - und die Halsschlagader. Darauf hatte Nancy gewartet! Sie zog ihre Lippen zurück und entblößte nadelspitze Eckzähne. Da der Freier mit geschlossenen Augen und Kopf zurückgelegt hatte und sich dem kribbelnden Gefühl in seiner Peniswurzel hingab, während Nancy diesen zwischen ihren Fingern liebkoste, indem sie sanft rubbelnde Bewegungen ausführte, sah er nicht, wie Nancy ihre spitzen Zähne bleckte. Er wäre sowieso nicht zu einer Gegenwehr fähig gewesen, denn dazu ging alles zu schnell und Nancy wusste wie sie zuzubeißen hatte, um ihr Opfer sofort außer Gefecht zu setzen. Sie schlug die Zähne knackend genau in die Halsschlagader und ein Schwall von Blut ergoss sich aus dem Hals des Opfers und lief über ihr Gesicht. Der Mann stieß einen gurgelnden Schrei aus, während Nancy ihre Zähne immer weiter in seinen Hals hineintrieb und mit einer ruckartigen Bewegung die Haut des Halses aufriss, so dass der Blick auf die Halswirbel freiwurde, während das Blut hinausströmte und am Oberkörper des Mannes hinunterfloss. Nancy presste ihre Lippen auf das große Loch im Hals des Freiers, der immer weiter erlahmte, und fing mit den Saugbewegungen an. Blut floss in ihren Rachen. Viel Blut! Es mochte mindestens ein Liter sein, den sie sich einverleibte, und dann war ihr Verlangen nach Menschenblut erstmal wieder gestillt. Mit ein paar Taschentüchern, die sie aus ihrer Handtasche hervorkramte, wischte sie sich das blutverschmierte Gesicht sauber. Sie zog schnell noch das Portemonnaie aus der Hosentasche des toten Mannes und nahm sich das restliche Geld heraus. Es waren immerhin noch 167 Dollar und ein paar Cent-Münzen, die sie sich einsteckte. Vorsichtig verließ sie den Rolls Royce und schlich durch die dunkle Seitenstraße zurück zur sündigen Meile. Sie ging rasch zur Tankstelle gegenüber und verschwand im Waschraum, um sich vor dem Spiegel auch noch die letzten Spuren ihres blutigen Angriffs am Wasserhahn abzuwaschen und sich noch einmal nachzuschminken. Sie keuchte genervt. Es war jeden Abend nach Sonnenuntergang dasselbe! Sie hatte ihre Kindheit auf der Straße verbracht und verdingte sich nun schon seit 3 Jahren hier in San Diego auf dem Straßenstrich. Im Spätsommer letzten Jahres war ihr dann das Unfassbare widerfahren: Ein Freier, mit dem sie die Nacht in einer heruntergekommenen Absteige am Rande der Stadt verbracht hatte, war nach dem Ficken plötzlich über sie hergefallen und hatte versucht ihr mit langen spitzen Zähnen die Kehle zu durchbeißen. Sie konnte ihn noch mittels Kopfnuss mit der Nachttischlampe außer Gefecht setzen, aber eine Wunde hatte der Angreifer ihr doch am Hals beibringen können. Sie hatte daraufhin das billige Hotel verlassen und den Mann einfach zurückgelassen. Daraufhin hatte sie durch einen Zeitungsartikel von einem unheimlichen Leichenfund im Zimmer des Stundenhotels erfahren. Der von ihr überwältigte Angreifer wurde tot aufgefunden, zumindest das, was von ihm übrig geblieben war. Laut Zeitungsangaben handelte es sich um ein spärlich bekleidetes, total verbranntes und brüchiges Skelett, aus dem sämtliche Körperflüssigkeiten über das Bett, auf dem es lag, geflossen waren. Die Cops konnten sich das Ganze nicht erklären, man glaubte zuerst an einen perfekt inszenierten üblen Scherz, aber medizinische Untersuchungen hatten die Echtheit der Leiche ergeben. Nancy hingegen hatte sich seit dieser verhängnisvollen Nacht verändert. Sonnenstrahlen bereiteten ihr seitdem immer schlimmer werdende Schmerzen und seit sie sich durch einen Sonnenstrahl eine wunde Stelle an der Haut zugezogen hatte, war ihr klar, dass sie das Sonnenlicht strikt zu meiden hatte. In diesem ganzen Jahr seit diesem Vorfall mit dem unheimlichen Freier war sie zu einem Wesen der Finsternis mutiert, für welches die Sonne den sicheren Tod bedeutete. Sie hatte den Freier damals mit der Nachttischlampe bewusstlos geschlagen und hatte ihn auf dem Bett neben dem offenen Fenster liegen gelassen. Als die Sonne dann aufgegangen und der Mann bis dahin noch nicht wieder zur Besinnung gekommen war, geschweige denn sich in Sicherheit bringen konnte, waren die Sonnenstrahlen durch das offene Fenster geschienen und hatten den Körper des Ohnmächtigen im wahrsten Sinne des Wortes geröstet. Seine Haut restlos verbrannt und seine Innereien zum Schmelzen gebracht und die Matratze des Bettes vollgesogen mit ausgetretenen Körperflüssigkeiten. Seitdem war Nancy klar, dass sie einem Vampir zum Opfer gefallen war. Er hatte es nicht geschafft sie zu töten, also musste sie selber fortan als untote Blutsaugerin durch die Nacht ziehen. Sie konnte keine andere Nahrung vertragen, also musste sie sich ihrem Schicksal fügen, auch wenn sie nicht gerne das Blut getöteter Opfer trank. Ein angenehmer Nebeneffekt war, dass sie nicht weiter alterte. Genau genommen war sie heute noch immer 20, anstatt 21. Nur ihre Geburt lag etwas mehr als 21 Jahre zurück, aber sie würde bis in alle Ewigkeiten biologisch gesehen 20 Jahre alt bleiben. Verrückt! Tagsüber schlief sie in einem Stundenhotel, welches sie sich vom Geld ihrer getöteten Freier finanzierte. Sie zog dann stets die Gardinen vor die Fenster, damit auf keinen Fall Sonnenlicht hereintreten konnte und verließ das Zimmer erst, nachdem draußen die Sonne untergegangen war. Zum Glück war es auch nur ein Märchen, das Vampire kein Spiegelbild hätten. Sie konnte ihr Dasein als Schattenwesen daher gut kaschieren und vom Spiegel in diesem Waschraum hier gut Gebrauch machen. Sie hatte sich für diese Nacht finanziell gut aufgestockt. Allein daher brauchte sie für heute keinen Freier mehr. Und mit einem Opfer in einer Nacht kam sie recht gut über die Runden. Schlimm war es nur, wenn sie eine Nacht lang kein Opfer gefunden hatte. Soweit hatte sie es zwar noch nicht kommen lassen, aber sie hatte es in der ersten Nacht ihres Blutsauger-Daseins vergeblich versucht. Es hatte nicht funktioniert! Kurz vor Sonnenaufgang hatte sie vor quälenden Schmerzen gerast wie ein Junkie auf Entzug und im letzten Moment ein Opfer erledigt und sich gerade noch rechtzeitig vor den ersten Sonnenstrahlen in ihr Hotel retten können. Daher war ihr auch klar, dass sie gegen die Gier nach Menschenblut machtlos war. Das würde sie keine einzige Nacht lang durchhalten und wenn sie dies versuchte, würde sie gegen Ende der Nacht zu einer von Schmerz getriebenen Furie werden, die auch nicht mehr Herr ihrer Sinne war. So sehr sie auch ihr „Leben“ hasste, es gab keinen Ausweg für sie. Entweder andere töten, oder selbst sterben! Heute waren ihre trüben Gedanken jedoch abgelenkt. Heute Nacht stand ein Konzert in San Diego an, auf das sie seit 3 Wochen gespannt gewartet hatte. Die brutale Death Metal-Band CRYPTIC STENCH spielte einen Headliner-Gig in einer Großraumkneipe in der Stadt. Nancy hatte die Band noch nie gesehen, aber die CDs und der Sänger, den sie total sexy fand, verschlang sie bei jeder Gelegenheit mittels CD-Walkman. Sie beeilte sich zur Kneipe zu kommen, in welcher der Gig steigen sollte. Sie hatte schon mehrere Underground-Acts aus dem Death Metal- und Grindcore-Bereich dort spielen gesehen und sie freute sich jedes Mal, wenn sie von ihrer tristen Existenz durch solch aufregende Konzerterlebnisse etwas abgelenkt wurde.