Karl May


Winnetou IV

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Klassiker als ebook bei RUTHeBooks, 2015


ISBN: 978-3-95923-005-6


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Kapitel 8 - Der Sieg



Die Vorlesung wurde täglich fortgesetzt. Sie bewirkte Wunder. Ihre größte Wirkung war die, daß Young Surehand und Young Apanatschka stets die ersten waren, die sich einstellten. Sie konnten das Folgende kaum erwarten. So große Freude uns dies machte, so taten wir doch, als ob wir gar nicht darauf achteten. Und sie ihrerseits versäumten trotz dieses großen Interesses für unseren seelischen Winnetou doch keineswegs, den Aufbau ihres steinernen Bildes am Schleierfall so viel wie möglich zu fördern. Es wuchs zusehends empor, weil die einzelnen Teile schon fertig behauen waren und nur noch zusammengesetzt zu werden brauchten. Es war, als ob ein Wettstreit herrsche, welche Figur am ersten fertig sein werde, ihre steinerne oder unsere rein geistige, die sich in den Vorleseabenden in immer größerer Höhe und Schönheit entwickelte.

Am Abend des dritten Tages, nachdem die Gebrüder Enters bei mir gewesen waren, wurde ich von Hariman, dem einen Bruder aufgesucht. Er hatte, um nicht gesehen zu werden, zu diese heimlichen Visite die späte

Zeit der Dunkelheit gewählt. Es hatte Abend neue Ankömmlinge gegeben, die in der Unterstadt waren. Nach der Aufregung, die ihre Ankunft dort verursachte, schienen wichtige Personen dabei zu sein, deren Namen wir aber nicht erfahren hatten. Nun kam Hariman Enters, sie uns zu nennen. Ich empfing ihn in Gegenwart meiner Frau.

"Wißt ihr, Mr. Shatterhand, wer gegen Abend hier angekommen ist?" fragte er.

"Nein", antwortete ich.

"Eure Todfeinde, die vier Häuptlinge."

"Ah? Wirklich? Allein?"

"Mit nicht viel über dreißig Mann Begleitung, mehr nicht."

"Keine Unterhäuptlinge?"

"Nein."

"Wie unvorsichtig von ihnen! Daraus ist doch auf das zu schließen, was sie vorhaben! Die Unterhäuptlinge gehören unbedingt zu ihnen. Fehlen sie, so bedeutet das Gefahr. Sie sind natürlich bei den viertausend Reitern, die man nach dem ,Tal der Höhle' beordert hat?"

"Ganz sicher! Aber das ist jetzt Nebensache. Hauptsache ist, daß man Euch morgen zum Zweikampf herausfordern wird."

"Uff! Höchst interessant!"

Da aber fiel das Herzle schnell ein:

"Das ist ganz und gar nicht höchst interessant, sondern höchst unverschämt und höchst gefährlich! Wer ist der Mensch, der sich vorgenommen hat, meinen Mann umzubringen?"

Diese Frage war an Enters gerichtet. Er antwortete.

"Es ist nicht nur einer, sondern es sind vier."

"Wie? Höre ich recht? Vier? Wer sind denn diese vier?"

"Kiktahan Schonka, Tusahga Saritsch, Tangua und To-kei-chun."

"Wollen sie etwa alle vier zu gleicher Zeit auf einmal auf meinen armen Mann hineinhauen, hineinstechen oder hineinschießen?"

"Nur schießen, weiter nichts."

"So! Weiter nichts! Als ob das gar nichts wäre! Und alle vier zu gleicher Zeit?"

"Nein, sondern einer nach dem andern."

"Das verbitte ich mir! So hübsch einer nach dem andern! Etwa wie drüben in Deutschland beim Scheiben- oder Vogelschießen! Wenn der eine nicht trifft, trifft der andere! Danke! Da kann doch kein Mensch lebendig davon kommen!"

"Das meinen sie eben auch! Old Shatterhand muß unbedingt fallen. Dann ist nicht nur ihrer Rache Genüge geschehen, sondern auch der steinerne Winnetou gerettet. Man meint nämlich, daß er der einzige wirklich gefährliche Gegner des Denkmalbaues ist. Ist er tot, so ist mit Hilfe der viertausend Reiter alles durchzusetzen ..."

"Oho! " fiel ihm das Herzle zornig in die Rede. "Er wird aber nicht tot sein! Ehe ich mir ihn erschießen lasse, schlage ich diese viertausend alle tot, auch einen so ganz hübsch nach dem andern, und dann ..."

Sie hielt inne. Sie bemerkte, was sie da eigentlich gesagt hatte, und brach in ein fröhliches Gelächter aus, in welches ich einstimmte. Dadurch glättete sich ihre Erregung, und wir konnten in Ruhe weitersprechen.

Es war richtig, daß die vier unversöhnlichen Häuptlinge beschlossen hatten, mich zu einem echt indianischen Kampf auf Leben und Tod zu fordern. Daß sie dabei ihre Bedingungen derart stellten, daß ich unmöglich entkommen konnte, verstand sich ganz von selbst. Jetzt, heute Abend, ließ sich da weder etwas beschließen noch etwas tun. Man mußte die Bedingungen kennenlernen. Es war beschlossen, daß Pida, der Sohn Tanguas, mir die Forderung zu überbringen hatte. Er war mir, wie man weiß, freundlich gesinnt, und so ließ sich hoffen, daß es mir mit seiner Unterstützung gelingen werde, alles für mich Gefährliche abzuwenden.

Als ich das dem Herzle vorstellte, beruhigte sie sich ganz. Sie erhob sich sogar zu folgender Betrachtung:

"Die Sache ist allerdings nicht im geringsten gefährlich, sondern einfach lächerlich. Die vier Halunken werden riesenhaft blamiert. Du brauchst nur Mann zu sein, weiter nichts!"

"Hm! Wie meinst du das?" erkundigte ich mich.

"Sehr einfach: Du bist doch Duellgegner?"

"Sogar sehr!"

"Nun also! Wenn diese Kerle dich fordern lassen, sagst du: Ich bin Duellgegner und mache nicht mit! Da schleichen sie davon und müssen sich schämen!"

"Hm, hm!" lächelte ich. "Und da sagst du, ich hätte nur Mann zu sein?"

"Ja! Oder ist es etwa nicht männlich, seine Duellgegnerschaft offen und ehrlich zu bekennen?"

"O gewiß! Ich bin ja auch ganz gern bereit, mich als Mann zu zeigen, sogar als Doppelmann!"

"Doppelmann?" fragte sie. "Du, das klingt verdächtig! Wenn du in dieser Weise kommst, ist ganz gewiß etwas nicht richtig! Ich schöpfe Verdacht!"

"Verdacht? Kannst du nichts Besseres schöpfen, wenn überhaupt geschöpft werden muß? Ich werde diesem Pida sehr männlich gestehen, daß ich Duellgegner bin. Und ich werde dann ebenso männlich hinzufügen, daß ich trotzdem sehr gerne bereit bin, mich mit den vier Häuptlingen zu schießen. Ist das nicht doppelt Mann?"

"Nicht doppelt Mann, sondern doppelt falsch! Ich hoffe, daß du scherzt!"

"Ich scherze allerdings, und dennoch nehme ich es ernst, beides zugleich. Offen gesagt, ich nehme diese Forderung einfach als Faxe und werde sie als Faxe behandeln, obwohl sie von feindlicher Seite blutig ernst gemeint ist. In welcher Weise ich das tue, und wozu ich mich überhaupt entschließe, das kann ich jetzt nicht wissen. Laß Pida kommen, dann wirst du hören, was ich ihm antworte!"

"Du hältst die Sache also nicht für gefährlich?"

"Nein."

"Und glaubst, heiler Haut davonzukommen?"

"Unbedingt!"

"Daran haben die Häuptlinge auch gedacht", fiel da Harirman Enters ein. "Sie trauen Eurer List und Findigkeit nicht. Darum ließen sie mich und meinen Bruder kommen und teilten uns ihren Plan mit, Euch im Zweikampfe umzubringen. Falls Ihr dem Tod in irgendeiner Weise entgehen solltet, bin ich mit meinem Bruder von ihnen beauftragt, Euch auf die Seite zu schaffen, Euch und Eure Frau ..."

"Auch mich?" fiel ihm das Herzle in die Rede. "Seid Ihr darauf eingegangen?"

"Ganz selbstverständlich!"

"Aber nur zum Schein?"

"Nur zum Schein!" nickte er. "Es fällt uns nicht ein, uns an Euch zu vergreifen. Wir sind Euch treu. Wir werden Euch beschützen, nicht aber ermorden!"

"Das glaube ich Euch!" versicherte sie in schneller, aber aufrichtiger Herzensregung.

"Ist es wahr? Glaubt Ihr das wirklich?" fragte er, indem sein Gesicht sich froh erhellte.

"Es ist wahr", antwortete sie.

"Und Ihr, Mr. Shatterhand?"

"Auch ich glaube es", bestätigte ich.

"Das freut mich! Das freut mich ungemein! Ich kann Euch sogar beweisen, daß wir es ehrlich meinen. Ich habe dafür gesorgt, daß ich es kann. Ich bringe den Beweis, den unumstößlichen Beweis. Ich habe eine Art von Kontrakt."

"Etwa einen geschriebenen?" fragte ich.

"Ja."

"Unglaublich! Von wem ausgestellt?"

"Von den vier Häuptlingen ausgestellt und von Mr. Evening und Mr. Paper als Zeugen unterschrieben. Hier habt Ihr ihn."

Er gab ihn mir. Es war kein Kontrakt, sondern ein Zahlungsversprechen, dessen Ausstellung nur dadurch denkbar und möglich war, daß sowohl die beiden Brüder als auch die beiden Unterzeichneten von den Häuptlingen betrogen werden sollten. Daß diese Schrift auf absichtlichem Weg in die Hände eines Gegners gelangen könne, war für die Aussteller eine Unmöglichkeit gewesen. Sie hatte den Brüdern nur für eine kurze Zeit ausgestellt, dann aber wieder abgenommen werden sollen. Nachdem ich sie gelesen hatte, wollte ich sie Hariman Enters zurückgeben; er aber sagte:

"Kann sie Euch nützen, wenn Ihr sie behaltet?"

"Sogar viel", antwortete ich.

"So mag ich sie nicht wieder. Betrachtet sie als Euer Eigentum!"

"So danke ich Euch. Damit habt Ihr allerdings bewiesen, daß Ihr es ehrlich meint. Warum brachtet Ihr Euren Bruder nicht mit?"

"Weil niemand etwas wissen soll und zwei viel eher beobachtet und entdeckt werden als einer. Sobald wieder etwas zu melden ist, mag er es tun. jetzt aber bitte ich, mich zu entlassen."

"Er ist wirklich treu", sagte das Herzle, als er fort war "Ob aber auch sein Bruder?" fragte ich.

"Ich glaube nicht, daß er mir etwas Böses zufügt."

"Ja, dir! Aber mir? Mich liebt er nicht. Das ist gewiß. Ich fühle mich nur darum vor ihm sicher, weil alles Böse, was er mir zufügen könnte, ganz unbedingt auch dich mittreffen muß. Ich stehe also, wie überall, auch hier unter deinem Schutz!"

"Den hast du allerdings auch nötig!" scherzte sie mit. "Besonders morgen, wenn vier Häuptlinge auf dich schießen, so recht hübsch einer nach dem andern! Sei ja nicht etwa leichtsinnig! Dein Leben muß auf alle Fälle erhalten werden. Du gehörst nicht dir allein, sondern auch mir!"

Am nächsten Morgen stellten sich zwei Kiowa-Indianer ein, die mir meldeten, daß Pida, ihr Häuptling, mich zu sprechen habe. Ich solle ihm durch sie mitteilen, wann ich ihn empfangen wolle. Ich bestellte ihn auf Punkt die Mittagszeit. Als sie sich entfernt hatten, ließ ich durch Intschu-inta alle die Person, die zur Vorlesung zu erscheinen pflegten, so einladen, daß sie eine Viertelstunde vor Mittag bei mir einzutreffen hatten. Sie kann ich teilte ihnen in Kürze mit, um was es sich handelte. Ich wünschte, daß bei der Forderung soviel Zeugen wie möglich vorhanden seien.

Pida kam in großer Begleitung angeritten, wurde aber nur allein vorgelassen. Die bei ihm waren, standen nicht im Häuptlingsrang. Er suchte es zu verbergen, aber man sah es ihm doch an, überrascht war, mich nicht allein, sondern so viel andere bei sehen. Das Herzle, Aschta und Kolma Putschi waren auch mit da. Als er eingetreten war, stand ich von meinem Platz auf, ging ich ihm einige Schritte entgegen und sprach:

"Pida, der Häuptling der Kiowa, hat einst mein Herz gewonnen besitzt es auch heute noch. Doch weiß ich nicht, ob ich in der Sprache, des Herzens mit ihm reden darf oder nicht. Er sage mir, in welcher. Eigenschaft er zu mir kommt, ob als Gast, mich zu begrüßen, oder als Bote seines Vaters, der mir den kleinsten Gruß verweigern würde!"

Er war damals Jüngling gewesen, jetzt aber ein Fünfziger. Sei Gesicht war jetzt schärfer geschnitten als früher, aber noch immer, sympathisch. Sein Auge ruhte mit freundlichem Blick auf mir, doch klang seine Stimme ernst, als er mir antwortete:

"Old Shatterhand weiß, ob Pida ihn liebt oder haßt. Ich komme als Bote meines Vaters und seiner Verbündeten."

"So mag Pida sich setzen und dann sprechen!"

Indem ich das sagte, kehrte ich nach meinem Platze zurück und deutete ihm durch eine Handbewegung an, sich vor mir niederzulassen. Er aber lehnte ab, indem er fortfuhr:

"Pida muß stehen. Nur der Friede darf sich niederlassen und ruhen. Old Shatterhand sieht in mir den Boten von vier der berühmtesten Krieger. Ich nenne ihre Namen: Tangua, der Häuptling der Kiowa, To-kei-chun, der Häuptling der Racurroh-Komantschen, Tusahga Saritsch, der Häuptling der Kapote-Utahs, und Kiktahan Schonka, der Älteste Häuptling der Sioux. Es ist lange her, viele Sommer und viele Winter, daß diese Häuptlinge von Old Shatterhand gezwungen wurden danach zu trachten, daß er ausgelöscht werde aus der Reihe der Lebenden. Er entkam ihnen. Er lebt noch. Aber auch seine Schuld besteht noch, sie ist ungesühnt. Er hat sie vergessen. Er hat geglaubt, sie sei auch von ihnen vergessen. Er hat es gewagt, in ihr Land zu kommen und die Pfade zu betreten, die seinem Fuß verboten sind. Dadurch hat er sich ihnen ausgeliefert. Er ist ihr Eigentum. Er muß sterben. Aber die Zeiten des Marterpfahles sind vorbei, und die Häuptlinge gedenken, edel und gütig zu sein. Sie wollen ihm Gelegenheit geben, sich vom wohlverdienten Tod zu erretten. Sie wollen mit ihm kämpfen. Ich bin gekommen, ihn zu diesem Kampf einzuladen und aufzufordern. Was antwortet er mir?"

Da stand ich auf und sprach:

"Nicht nur die Zeiten des Marterpfahles, sondern auch die Zeiten der langen Reden sind vorüber. Was ich zu sagen habe, ist kurz. Ich bin der Feind keines einzigen roten Mannes gewesen. Ich habe weder Haß noch Tod verdient. Ich wandle auch heute nicht auf verbotenen Wegen und fühle mich den Häuptlingen keineswegs ausgeliefert. Auch die Zeiten der Mordtaten, der Faust- und der Zweikämpfe sind vorüber. Ich bin alt und bedachtsam geworden. Ich verdamme jedwedes Blutvergießen. Ich bin ein Gegner des Zweikampfes ..."

Da stieß mich das Herzle heimlich an und flüsterte mir zu:

"Recht so, recht so! Sei ein Mann!"

Sie konnte das tun, weil ich ganz dicht neben ihr stand. Ich aber fuhr fort:

"Aber weil ich die Berühmtheit der Häuptlinge kenne und ihr weißgewordenes Haar achte, will ich es vermeiden, sie durch eine Absage zu beleidigen. Ich bin also bereit, mit ihnen zu kämpfen."

"Bist du toll?" flüsterte mir das Herzle zu.

Hierauf ergriff Pida wieder das Wort:

"Old Shatterhand ist der alte. Er hat nie Furcht gekannt. Aber er sehe sich vor! Die Bedingungen, welche die Häuptlinge stellen, sind scharf, sind unerbittlich. Er wird dann zwar auch die seinigen stellen, aber es steht nicht zu erwarten, daß ..."

"Ich stelle keine", unterbrach ich ihn schnell. "Ich gehe auf alles ein, was die Häuptlinge von mir verlangen."

Da sah er mich ungewiß an und fragte:

"Spricht Old Shatterhand im Scherz oder im Ernst?"

"Im Ernst!"

"So sage er das, was ich jetzt hörte, noch einmal. Vorher aber höre er, was die Häuptlinge fordern. Die Waffe sei das Gewehr. Er hat mit einem jeden der vier Häuptlinge zu kämpfen. Die Reihenfolge wird durch das Los bestimmt. Geschossen wird im Sitzen. Es gibt für jeden nur einen einzigen Schuß. Die Gegner sitzen einander gegenüber, nur sechs Schritte voneinander entfernt. Den ersten Schuß hat stets der ältere. Der zweite Schuß fällt genau eine Minute nach dem ersten. Es wird gekämpft bis zum Tod. Wenn die vier Gänge mit den vier Häuptlingen vorüber sind und Old Shatterhand ist noch nicht tot, werden sie von vorn angefangen. Das sind die Bedingungen. Old Shatterhand mag sie erwägen!"

Er hatte immer da, wo die Gedankenstriche stehen, eine Pause gemacht und mich prüfend, ja beinahe besorgt angesehen. jetzt antwortete ich:

"Sie sind bereits erwogen. Wer kommandiert die Schüsse?"

"Der erste Vorsitzende des Komitees."

"Wie lange hat der zweite Schuß zu warten, wenn der erste nicht fällt?"

"Nicht fällt? Die Häuptlinge sind älter als Old Shatterhand, der noch nicht siebzig Jahre zählt. Keiner von ihnen wird zögern. Sie werden schießen, sobald das Kommando fällt."

"Wer kann das behaupten? Ich sah schon manches, was man für unmöglich hält, möglich werden. Also, ich frage: Die Häuptlinge haben jeder den ersten Schuß. Ich aber habe den zweiten. Wenn der erste Schuß nicht fällt, wann darf ich schießen?"

"Genau eine Minute, nachdem der erste hätte fallen sollen!"

"Einverstanden. Wohin soll geschossen werden?"

"In das Herz, genau in das Herz."

"Nach gar keiner anderen Körperstelle?"

"Nach keiner andern!"

"Wo findet der Kampf statt?"

"Auf der Scheide zwischen der Oberstadt und der Unterstadt. Der Platz wird abgesteckt."

"Wann?"

"Eine Stunde, bevor die Sonne hinter dem Mount Winnetou verschwindet."

"Wer sorgt dafür, daß diese Bedingungen eingehalten werden?"

"Zwei Personen auf jeder Seite. Die Häuptlinge haben hierzu den Agenten William Evening und den Bankier Antonius Paper gewählt. Old Shatterhand wähle ebenso zwei!"

"So nenne ich hierzu meinen Freund und Bruder Schahko Matto, den Häuptling der Osagen, und meinen Freund Wagare-Tey, den Häuptling der Schoschonen. Sie werden zu meinen Seiten stehen und jeden Häuptling sofort erschießen, der sein Wort bricht, indem er nach einer anderen Stelle als nur auf mein Herz zielt. Ist Pida, der Bote meiner Feinde, einverstanden?"

"Ich bin es", antwortete er. "Und Old Shatterhand?"

"Ich nehme den Kampf an, zu den Bedingungen, welche soeben besprochen wurden."

"Um Gottes willen!" raunte mir das Herzle so laut zu, daß alle es hörten. "Ich gebe es nicht zu! Du bist verloren!"

Es war ein Glück, daß sie deutsch gesprochen hatte, so daß niemand es verstand.

"Hat Old Shatterhand mir noch etwas mitzuteilen?" erkundigte sich Pida.

"Nur daß ich mich mit meinem Gewehr pünktlich einstellen werde, weiter nichts. Pida, der Häuptling der Kiowa, hat seine Botschaft ausgerichtet. Er kann gehen!"

Er machte eine grüßende Handbewegung und drehte sich um, sich zu entfernen. Aber noch unter der Tür blieb er stehen, besann sich, kehrte um, kam schnellen Schrittes auf mich zu, ergriff meine beiden Hände und sagte, indem sein Gesicht ein ganz anderes wurde:

"Pida liebt Old Shatterhand. Er will nicht, daß Old Shatterhand sterbe, sondern daß er lebe, und daß er glücklich sei. Kann Old Shatterhand an diesem Kampf, der doch unbedingt zu seinem Tod führen muß, nichts ändern?"

"Ich könnte wohl, aber ich will nicht", antwortete ich. "Pida ist mein Bruder, und ich bin der seine. Dieser Kampf wird nicht zu meinem Tode führen. Old Shatterhand weiß stets, was er sagt. Pida glaube auch jetzt an mich, wie er früher an mich glaubte! Kein Komantsche, kein Kiowa, kein Utah und kein Sioux wird mich töten! Nur noch kurze Zeit, so werden sie alle unsere Freunde sein. Ich bitte dich, das zu glauben!"

"Ich glaube es, und ich wünsche es", versicherte er. "Old Shatterhand spricht in Geheimnissen; aber jedes Wort hat bei ihm seinen Grund und seine Absicht. Er sieht und hört, was andere weder sehend noch hören. Darum weiß er voraus, was andere nicht wissen können. Ich habe gesprochen. Ich gehe!"

Ich schüttelte ihm die Hände und küßte ihn auf die Stirn. Seine Augen strahlten. Er grüßte und schritt erhobenen Hauptes hinaus.

Es läßt sich wohl denken, daß ich nun mit Fragen überschüttet wurde. Es war mir unmöglich, so zu antworten, wie man wünschte. Wollte ich nicht den ganzen Erfolg auf das Spiel setzen, mußte ich über das, was ich vorhatte, schweigen. Darum wuchs Spannung der Anwesenden immer mehr und wurde, als sie sich dann entfernten, hinunter in die Stadt getragen und dort verbreitet. Meinem Herzle gegenüber durfte ich freilich nicht schweigen. Ich mußte sie beruhigen. Ich sagte ihr, daß ich im Besitz von vier kugelfesten Panzern sei, durch die kein Schuß zu dringen vermöge. Diese Panzer waren die Medizinen, die wir vom "Haus des Todes mitgebracht hatten. Keinem Indianer kann es jemals einfallen, seine eigene Medizin zu verletzten. Er gibt sich lieber den Tod, als daß dieses tut. Die Medizin des alten Kiktahan Schonka bestand seinem Gürtel und aus den Hundepfötchen, die ich damals auf Stufen gefunden hatte. Was die Medizinen der drei anderen Häuptlinge vorstellten, das konnte man nicht sehen, weil sie in lederne Medizinbeutel eingenäht waren. Ich knotete die an ihnen vorha nen Riemen derart, daß die Medizinen, wenn ich sie mir um den hing, gerade auf das Herz zu liegen kamen. Das war die gar Vorbereitung, die ich für den so gefährlich erscheinenden Zweikampf zu treffen hatte. Als das Herzle das hörte, war sie sofort beruhigt. sie begann sogar, sich auf dieses "Duell" zu freuen.

Nicht lange, so war die Aufregung zu sehen, die sich Lager verbreitete. Man steckte den Kampfplatz ab, und besorgt um Plätze für Hunderte von Zuschauern. Es herrschte sowohl in der Unter- als auch in der Oberstadt eine lebhafte Bewegung. Man suchte einander auf. Man sprach von nichts anderem als bevorstehenden Kampf auf Leben und Tod zwischen Old Shatterhand und den vier berühmten Häuptlingen. Man sagte, daß es von ersterem geradezu wahnsinnig sei, auf so blutrünstige Bedingungen einzugehen. Aber man hielt dem entgegen, daß er oft ganz anders denke und ganz andere Wege gehe als andere Menschen und daß man darum auch jetzt nicht voreilig urteilen dürfe, sondern einfach den Ausgang des Kampfes abzuwarten habe. Kurz, das Abenteuer war in aller Mund, und es verstand sich ganz von selbst, daß auch Tatellah-Satah davon hörte, obwohl ich es unterließ, ihn zu benachrichtigen. Es war nach dem Mittagessen; da suchte er mich auf. Ich war mit dem Herzle allein. Er setzte sich nicht. Er sagte, er beabsichtige, gleich wieder zu gehen. Er sah mir forschend in das Gesicht und fragte dann:

"Du wirst dich mit den Häuptlingen schießen?" "Nein", antwortete ich.

Da ging ein frohes Lächeln über sein Gesicht, und er fuhr fort:

"Ich dachte es! Old Shatterhand ist kein Selbstmörder! Aber du wirst pünktlich erscheinen?"

"Ja."

"So frage ich nicht, was du vorhast. Du bist dein eigener Herr und hast keinen anderen Menschen um Erlaubnis zu fragen. Aber ich komme auch!"

"Allein? Oder mit deinen Winnetous?"

"So, wie du es wünschest."

"So komm allein! Man soll erfahren, daß wir nicht durch große Kriegerscharen, sondern durch uns selbst zu siegen wissen."

"Liest du heute Abend vor?"

"Ja. Es ist ein Tag wie jeder andere. Das Duell ist eine Faxe, ein Schwank, wenn auch mit sehr ernstem Hintergrund, weiter nichts."

"Wünschen wir, daß dieser Schwank nicht anders ende, als du denkst!"

Er reichte uns beiden die Hand und ging. Einige Zeit darauf sahen wir ihn unten im Lager. Er nahm den abgesteckten Platz in Augenschein und schien Befehle zu erteilen. Die uns befreundeten Häuptlinge hatten sich ihm zugesellt. Hierauf machte ich mit meiner Frau einen Spaziergang, aber nicht nach der Lagerstadt, sondern nach dem Binnental und dem Schleierfall hinunter. Auch dort gab es ein reges Leben, wenn auch in anderer Weise und zu einem anderen Zwecke. Man schlug hohe Pfähle ein. Man zog zahlreiche Schnüre und Drähte. Wir sahen ganze Haufen Papierlaternen liegen. Es gab elektrische Kabel, Lichtbirnen, Tulpen, Kugeln und andere derartige Glasformen. Hier und da hantierte man mit photographischen Apparaten. Ein Ingenieur, aber auch Indianer, schien die Aufgabe zu haben, einen großen Projektionsapparat am Felsen der Teufelskanzel anzubringen. Das interessierte das Herzle im höchsten Grad. Sie photographiert so gern. Sie ist da stets bereit, zum Alten Neues hinzuzulernen. Ich aber habe viel weniger Interesse für die Abbildungen als für die Gegenstände selbst. Darum nehme ich in ihrer photographischen Hochachtung keineswegs eine hervorragende Stelle ein. Sie weiß, sie ist mir über. Das genügt ihr. Und es ist ihr eine höchst angenehme Beruhigung, zu wissen, daß ich niemals die Absicht habe, mich in ihre lichtbildnerischen Geheimnisse einzudrängen. Sie ist da sehr resolut. Sie tut, als sei ich gar nicht vorhanden. Sie gibt mir da sehr leicht und auch sehr gern Gelegenheit, mich auf mich selbst und auf meine anderen Vorzüge zurückzuziehen. So ließ sie mich auch jetzt ganz einfach stehen und eilte in großen Schritten zu dem Ingenieur hin, um ihn in das Verhör zu nehmen, denn anders kann man das bei ihr nicht nennen. Was sie erfahren will, das bringt sie heraus, unbedingt heraus! Ich setzte mich inzwischen für mich nieder und beobachtete das rege Treiben rund umher.

Was hatte das für einen Zweck? Es war mir, wie schon gesagt, mitgeteilt worden, daß man den steinernen Winnetou beleuchten und illuminieren wolle, um die Zuschauer für das Denkmalprojekt zu gewinnen. Ich hatte da gesagt, daß das Denkmal viel eher in die Erde versinken werde, als daß ich dazu zu bringen sei, eine solche Entwürdigung meines Winnetou zuzugeben. Sollte das, was ich hier sah, etwa schon die Vorbereitung zu dieser Illumination sein? Aber die Figur war noch gar nicht fertig! Sie war erst bis zur Schulter gediehen. Hals und Kopf fehlten. Und sonderbar! Indem ich das dachte und mein Blick dabei an der Figur auf- und niederglitt, war es mir, als ob sie nicht mehr gerade stehe, sondern schief. Ich legte das Auge an verschiedene Stellen an und kam zu immer demselben Resultate. Man wird sich erinnern, daß ich die Figur am letzten Mal von der Straßenbiegung aus betrachtet hatte. Da war es mir erschienen, als ob alle Gerüstträger senkrecht gestanden hätten, nur einer von ihnen nicht. Ich ging jetzt zu dieser Stelle. Wahrhaftig, Gerüst und Figur hatten sich bewegt, hatten sich nach der einen Seite gesenkt, wenn auch nicht viel, aber doch so, daß ich es deutlich bemerkte. Es war kein Zweifel möglich. Der Pfosten, der erst schief gestanden hatte, stand jetzt gerade, und die anderen, welche gerade gestanden hatten, waren ganz zweifellos nach rechts geneigt.

Ich erschrak, als ich das sah. Ich dachte an die Risse und Sprünge, die ich da unten an der Höhlendecke bemerkt hatte, an das Streuen, Sieben und Niederbröckeln des Gesteins. War die Last der Figur für die ausgehöhlte Erdunterlage zu groß? Konnte diese Unterlage das so viele Zentner schwere Bild nicht tragen? Welch eine Katastrophe stand uns da allen bevor! Indem ich das dachte, kam das Herzle zurück. Sie hatte den Ingenieur ausgefragt. Es handelte sich einstweilen nur um eine Probebeleuchtung, die morgen Abend vorgenommen werden sollte. Man hatte vor, alle Anwesenden hierzu zu laden.

"Und was sollte der riesenhafte Projektionsapparat?" fragte ich.

"Er enthält die Bilder von Young Surehand und Young Apanatschka, welche auf der Spiegelfläche des Wasserfalles zu beiden Seiten des Denkmales erscheinen sollen. Die Schöpfer der Winnetougestalt, rechts und links neben ihrem Werk!"

"Das dulde ich nicht!" rief ich aus.

"Was willst du dagegen machen?" fragte sie.

"Es verbieten! Das genügt!"

"Ja, allerdings! Selbst wenn man deinen Willen nicht respektieren wollte, würdest du ihm Nachdruck zu geben verstehen. Aber bedenke, es ist nur erst zur Probe! Ist es nicht ratsam, diese Probe ungestört vorüber zu lassen, um zu warten, bis sie zur wirklichen Ausführung kommen soll?"

"Ja, vielleicht ist das richtiger. Aber ich glaube, wir haben diese Sache nicht mehr in unseren Händen. Es hat sich eine Gewalt ihrer angenommen, der wir nicht gewachsen sind."

"Wie meinst du das?"

"Schau genau hin, und sag: Steht die Figur gerade oder schief?"

Sie prüfte und antwortete dann:

"Sie steht gerade. Man wird sie doch wohl nicht schief aufstellen!"

"Absichtlich gewiß nicht. Aber sie steht dennoch schief. Du merkst das nicht, weil dein Auge nicht so geübt ist wie das meine und weil die Abweichung von der senkrechten Linie noch nicht so bedeutend ist, daß sie dir notwendigerweise auffallen müßte. Vergleiche einmal genau mit der Fallrichtung des Wassers, und sag mir ..."

Da fiel sie mir in die Rede:

"Sie steht schief, ja sie steht schief! Herrgott! Welch ein Gedanke! Meinst du, daß sie versinkt?"

"Ob ja oder nein, das kann man jetzt noch nicht sagen. Man hat abzuwarten, ob und wie sehr die Abweichung steigt. Heut habe ich keine Zeit. Aber morgen werde ich hinunter in die Höhle steigen, um nachzusehen, ob die Decke noch bröckelt."

"Ist das nicht lebensgefährlich?"

"Nein."

"Aber du hältst es doch für möglich, daß alles zusammenbricht!"

"Nicht nur für möglich, sondern sogar für wahrscheinlich. Aber so schnell, daß der Zusammenbruch schon heute oder morgen erfolgt, geschieht das nicht. Da müßte die Senkung vorher eine bedeutend größere werden. Aber bitte, halte alles geheim!"

"Gegen jedermann?"

"Ja."

"Auch gegen Tatellah-Satah?"

"Auch gegen ihn. Ich möchte diese Situation allein beherrschen. Es soll mir kein anderer dreinkommen und mich stören oder die Sache gar verderben!"

"Weißt du aber, was du da auf dich nimmst?"

"Ja. Es ist viel, sehr viel. Aber ich glaube, es verantworten zu können. Doch nun komm, Herzle! Wir müssen heim. Ich darf kein Minute zu spät zum Kampf erscheinen."

"Leider bin ich da nicht ganz ohne alle Sorge!" seufzte sie.

"Das ist überflüssig, vollständig überflüssig. Du hast viel mehr Veranlassung, zu lächeln, als bange zu sein!"

Als wir droben auf dem Schloß angekommen waren, ließ Tatellah-Satah uns sagen, daß er uns abholen werde. Von den Häuptlingen kam ein Bote, der mir meldete, daß auch sie sich einstellen würden, um mich hinunter zu begleiten. Ich ließ sie aber bitten, dies nicht zu tun, die Sache sei einer solchen Mühe gar nicht wert. Ich war verpflichtet, bei dieser Gelegenheit den Häuptlingsanzug zu tragen und lud den Henrystutzen, obgleich ich annahm, daß es wahrlich zu keinem einzigen Schuß kommen werde. Die vier Medizinen durfte ich nicht tragen. Das Herzle nahm sie in ihren Reisepompadour. Sie wollte, an meiner Seite sitzend, in dieser Weise an dem Zweikampf teilnehmen. Ich hatte nichts dagegen. Als die Zeit da war und wir in den Hof kamen, wo Intschu-inta unsere Pferde bereit hielt fanden wir den "jungen Adler" und unseren alten Pappermann vor, die es sich nicht nehmen ließen, mich nach dem Platz meines hoffentlichen Sieges zu begleiten. Zu gleicher Zeit erschien Tatellah-Satah auf seinem weißen Maultiere, ganz allein. Da setzten wir uns in Bewegung. Der "Bewahrer der großen Medizin", das Herzle und ich voran, der "junge Adler" und Pappermann hintendrein.

Wir sahen schon von oben, daß alles, was in der Ober- und der Unterstadt bisher zerstreut gewesen war, sich jetzt um den Kampfplatz eng zusammengezogen hatte. Es war eine Versammlung vieler, vieler Menschen, doch gab es keine Spur jener bekannten Unzuträglichkeiten, die bei Zusammenhäufungen sogenannter "zivilisierter" Mengen unvermeidlich zu sein scheinen. Jedermann war schon da. Kein einziger, der hatte kommen wollen, fehlte. Wir waren die letzten, die allerletzten.

Meine vier Gegner saßen bereit. Als wir in den Kreis traten, standen sie auf. Nur Tangua blieb sitzen, denn er konnte nicht stehen. Tatellah-Satah hatte seinen Sitz so bestellt, daß er dann gerade hinter mir saß und die vier Häuptlinge scharf im Auge hatte. Es wurde mir gesagt, daß der erste Vorsitzende des Komitees eine Rede halten werde. Hierauf werde jeder der vier Häuptlinge auch eine Rede halten. Zuletzt habe meine Rede zu kommen, worauf dann der Kampf beginnen könne. Da trat ich vor und äußerte mich so laut, daß jedermann, der im Kreis saß, es hören konnte:

"Old Shatterhand ist nicht gekommen, um zu reden, sondern um zu kämpfen. Wenn die Gefahr naht, reißt nur die Furchtsamkeit den Mund weit auf; der Mutige aber schweigt und handelt. Von all diesen Reden ist zwischen mir und Pida kein Wort erwähnt worden. Ich gestatte nur das, worauf ich eingegangen bin!"

Da vollführte der "erste Vorsitzende des Komitees" eine große, imponierend sein sollende Armbewegung und begann:

"Es wurde vom Komitee beschlossen, daß ich zu sprechen habe, und was vom Komitee beschlossen worden ist, das werde ich ..."

"Schweig!" donnerte ich ihn an. "Beschlossen worden ist nur zwischen Pida und mir! Euer Komitee ist für mich nicht vorhanden. Dich dulde ich nur. Ich habe erlaubt, daß du die Schüsse der Häuptlinge und genau eine Minute darauf auch die meinigen kommandierst. Mehr ist dir nicht gestattet!"

"Aber ich stehe doch nicht etwa hier, um ..."

"Wenn du nicht stehen willst, so setz dich!" unterbrach ich ihn, indem ich schnell auf ihn zuschnitt und ihn mit einem Griff und einem Druck auf die Erde niedersetzte, wo er ganz erschrocken eine Weile sitzen blieb. Dann fuhr ich in demselben lauten, energischen Ton fort:

"Ich habe mit Pida meine berühmten Brüder Schahko Matto und Wagare-Tey gewählt, sich die Bedingungen des Kampfes genau zu merken und darauf zu sehen, daß sie ehrlich eingehalten werden. Sie mögen jetzt sprechen und diese Bedingungen aufzählen!"

Sie standen von ihren Sitzen auf und taten dies. Zwar hatten meine vier Gegner ihren William Evening und ihren Antonius Paper zu dem gleichen Zweck gewählt, aber es fiel mir gar nicht ein, dazu beizutragen, daß diese überhaupt in Aktion zu treten hatten. Darum ließ ich durch Schahko Matto und Wagare-Tey auch gleich die Lose besorgen, und die vier Häuptlinge fügten sich dem allem mit innerem Behagen, weil sie überzeugt waren, daß dies doch sicher meine allerletzte Willensverschwendung in diesem Leben sei. Das Los ergab, daß meine Gegner in folgender Reihe auf mich zu schießen hatten: Tusahga Saritsch, To-kei-chun, Kiktahan Schonka und Tangua. Sie nahmen in dieser Reihenfolge in einem Halbkreis meinem Sitz gegenüber Platz. Sie waren alle mit Doppelgewehren versehen, und in ihren Minen glänzte das Bewußtsein des sicheren Sieges. Ehe ich meinen Platz einnahm, ging ich nach der Stelle, wo Avaht-Niah, der hundertundzwanzigjährige Häuptling der Schoschonen, saß. Ich beugte mich zu ihm nieder, küßte ihm die alte Hand und sprach:

"Du bist der Älteste von allen, die hier atmen. Auf deinem Haupt ruht der Segen und die Liebe des großen Geistes, der dich nicht hierher geleitet hat, um das Blut derer, die dir lieb sind, fließen zu sehen. Du bist der Weiseste und der Erfahrenste von uns allen. Du wirst der erste sein, der aus dem Kampf, zu dem ich hier gezwungen werde, ersieht, daß jeder Kampf zwischen den Menschenkindern nichts weiter als eine Torheit ist, über die man lachen könnte, wenn ihre Folgen nicht so traurig wären."

Er zog als Gegengruß nun auch meine Hand an seine Lippen und antwortete:

"Old Shatterhand mag uns diese Torheit zeigen, damit die, welche nach uns kommen, nicht mehr tun, was ihre Ahnen taten. Der Sieg sei dein! "

Nun ging ich zu der mir angewiesenen Stelle und setzte mich. Das Herzle ließ sich neben mir nieder. Da brauste Kiktahan Schonka zornig auf:

"Was soll die Squaw unter Kriegern? Fort, fort mit ihr!"

"Fürchtest du dich vor einer Squaw?" antwortete ich. "Dann geh! Sie aber fürchtet sich nicht; sie bleibt!"

"Ist Old Shatterhand ein Weib geworden, daß er die Beleidigung nicht fühlt, die ich als Krieger fühle?" fragte er.

"Als Krieger? Pshaw! Du fragst, was meine Squaw unter Kriegern solle? Glaubst du wirklich, daß ihr Krieger seid? Alte Weiber seid ihr, weiter nichts! Darum habe ich alle eure Bedingungen angenommen, ohne sie genauer zu betrachten. Es fällt Old Shatterhand nicht ein, mit euch zu kämpfen, denn er ist ein Mann. Er brachte euch seine Squaw, von der eine einzige Handbewegung genügt, einen jeden von euch zu vernichten. Fürchtet ihr euch vor ihr, so geht!"

"Sie bleibe!" rief Kiktahan Schonka ergrimmt. "Aber meine erste Kugel gilt dir, meine zweite ihr!"

"Ja, sie bleibe, sie bleibe! Sie falle und sterbe mit ihm!" stimmten die drei anderen bei. "Der Kampf beginne!"

Wir fünf Duellanten saßen in der Mitte des abgesteckten Platzes. Unsere Beigeordneten befanden sich in nächster Nähe. Tatellah-Satah saß, wie schon erwähnt, direkt hinter mir. Den ersten großen Kreis um uns bildeten die anwesenden Häuptlinge. Auch die zwölf Apatschenhäuptlinge waren da. Hinter ihnen kamen die Unterhäuptlinge und sonstigen Personen, welche eine Art von Rang besaßen. Und weiter hinaus gab es die gewöhnlichen Leute. Unter diesen fielen besonders die schon einmal erwähnten Arbeiter auf, welche in den Steinbrüchen und am Denkmalbau beschäftigt waren. Sie hatten ihre Arbeit verlassen, um das Schauspiel des Kampfes zu genießen, und betrugen sich als echte Rowdies, obgleich sie in Gegenwart so vieler Häuptlinge es nicht wagten, besonders laut zu werden. Bei den Häuptlingen saßen neben Kolma Putschi und den beiden Aschtas noch zwei andere Frauen, deren Gegenwart mir wichtig war, nämlich Pidas Frau und ihre Schwester, die jetzt weibliche Kleidung trug. Beide hatten es also durchgesetzt, mit nach dem Mount Winnetou genommen zu werden. Daß sie sich mit hier befanden, war für mich der sicherste Beweis, daß die viertausend Reiter sich unten in dem "Tal der Höhle" eingestellt hatten.

Daß die Augen aller dieser Menschen mit größter Spannung auf uns gerichtet waren, versteht sich ganz von selbst. Der Herr "Vorsitzende des Komitees", den ich niedergesetzt hatte, besann sich jetzt seines Amtes. Er stand auf und stellte sich bereit, die Schüsse zu kommandieren. Schahko Matto und Wagare-Tey zogen ihre Revolver, spannten sie und versicherten drohend, daß sie jeden meiner vier Gegner, der etwas Nichterlaubtes tue, augenblicklich niederschießen würden. Sie waren fest entschlossen, diese Drohung auszufahren. Und nun ergriff auch Tatellah-Satah das Wort. Er sprach:

"Jeder Teil des vierfachen Kampfes kann erst dann beginnen, wenn ich die Hand erhebe, eher nicht. Wer die Schüsse kommandiert, darf dies nicht eher tun, als bis er mein Zeichen gesehen hat. Der erste ist Tusahga Saritsch, der Häuptling der Kapote-Utahs. Ist er bereit?"

Der Gefragte spannte sein Gewehr und antwortete:

"Ich bin bereit. Nun mag Old Shatterhand beweisen, daß eine einzige Handbewegung seiner Squaw genügt, einen jeden von uns zu vernichten. Sie tue das!"

Ich nickte dem Herzle zu. Schnell nahm sie die Medizin dieses meines ersten Gegners aus dem Reisepompadour und hing sie mir um den Hals. Mein Herz wurde von ihr bedeckt. Hierauf meldete ich dem "Bewahrer der großen Medizin":

"Auch ich bin bereit. Der Kampf kann beginnen. Tusahga Saritsch mag schießen! Eine Minute später dann ich!"

Alles war still. Jedermann schaute auf den Beutel, den meine Frau mir umgehängt hatte. Niemand wußte sogleich, warum dies geschehen war. Da befahl Tatellah-Satah:

"Die Zeit ist da. Es beginne!"

Sofort erscholl das Kommandowort des Komiteevorsitzenden. Aber Tusahga Saritsch schoß nicht. Er hatte das Gewehr zur Hand, aber er hielt es gesenkt. Seine weit aufgerissenen Augen waren mit dem Ausdruck des Schreckens und der wachsenden Angst auf meine Brust gerichtet.

"Meine Medizin! Meine Medizin!" stammelte er.

"Schieß!" rief ich ihm zu.

"Auf meine eigene Medizin schießen?" jammerte er. "Wo hast sie her? Wer gab sie dir?"

"Frag nicht, schieß!" forderte ich ihn zum zweiten Mal auf.

Da ging es wie ein lauter, erlösender Atemzug über die Menge hin, in deren Mitte wir saßen. Man konnte zwar noch nicht begreifen, aber man sah nun doch, daß ich keineswegs so schutzlos war, wie man angenommen hatte. Die Gesichter meiner Freunde erhellten sich zusehends. Und die Stimme Tatellah-Satahs klang hell und froh, als er, die Hand zum zweiten Mal erhebend, sagte:

"Warum schießt Tusahga Saritsch nicht? Und warum wird das Kommando für Old Shatterhand nicht gegeben? Er hat nur eine einzige Minute zu warten, länger nicht! Beginnen wir noch einmal! Old Shatterhand ergreife sein Gewehr!"

Das tat ich. Das Kommando für meinen Gegner erscholl zum zweiten Mal. Er schrie auf:

"Ich kann nicht schießen! Ich darf nicht schießen! Wer seine eigene Medizin erschießt, erschießt sein ewiges Leben!"

"Die Minute ist vorüber!" rief Tatellsah-Satah.

Da ertönte das Kommando für mich. "Tusahga Saritsch, fahre in die ewigen Jagdgründe! " sagte ich und richtete den Lauf meines Stutzens auf seine Brust.

"Uff, uff!" brüllte er, so laut er brüllen konnte, sprang auf und rannte davon.

"Gott sei Dank!" raunte mir das Herzle zu. "Nun wird mir erst wieder wohl! Ich glaubte an dich und hatte trotzdem Angst!"

Es war lächerlich, den alten Häuptling mit der Schnelligkeit eines jungen Burschen davonspringen zu sehen; aber niemand lachte. Nach den alten, früher geltenden Gesetzen der Prärie war er nun ehrlos. Er hätte sich von mir erschießen lassen müssen.

Mein nächster Gegner war To-kei-chun. Der machte ein ganz eigenartiges, gar nicht zu beschreibendes Gesicht. Er wußte, daß und wo die vier Medizinen zusammengelegen hatten. Hatte ich die eine, so hatte ich höchstwahrscheinlich auch die andern, also auch die seine. Ich ließ ihn auch gar nicht lange in Ungewißheit. Ich ließ mir vom Herzle seine Medizin über die vorige hängen und meldete dann:

"To-kei-chun, der Häuptling der Racurrah-Komantschen, ist am Schuß. Ich bin bereit!"

Ich sah, daß ihm vor Entsetzen der Atem ausging, Er schnappte nach Luft. Seine Augen wurden klein und naß.

"Ist To-kei-chun fertig?" fragte Tatellah-Satah.

"Nein! Ich bin nicht fertig!" schrie der Gefragte, sprang auf und eilte ebenso schnell davon wie Tusahga Saritsch vorher.

Jetzt begann man schon zu lächeln.

"Nun kommt Kiktahan Schonka, Häuptling der Sioux", sagte ich.

Der aber fuhr mich in seinem grimmigsten Ton an:

"Old Shatterhand ist ein räudiger Hund, ein Schuft, ein Schurke. Er stiehlt Medizinen! Hat er auch die meine?"

"Ja", antwortete ich und ließ sie mir von meiner Frau auf die beiden anderen hängen, doch nur den Gürtel.

Er sah das, grinste mich höhnisch an und fragte:

"Glaubt Old Shatterhand etwa, daß auch ich ausreiße? Meine Kugel wird ihn sicher treffen, denn halbe Medizinen wirken nicht. Die Hälfte fehlt."

"Die Medizinen, die ich habe, sind nicht halb, sondern ganz", behauptete ich.

"Nein!" widersprach er. "Sie fehlt!"

"Sie fehlt nicht! Sie ist hier! Kiktahan Schonka mag sich überzeugen! "

Ich ließ mir die Hundepfötchen geben, hielt sie so, daß er sie deutlich sehen konnte, und hing sie dann dahin, wohin sie gehörten.

Er war zunächst starr vor Schreck. Dann zischte er mich in unbeschreiblich gehässiger Weise an:

"Sind räudige Hunde allmächtig? Wer gab dir das, was ich verloren habe?"

"Niemand gab es mir. Ich habe es gefunden."

"Wo?"

Auf der Teufelskanzel, auf welcher die Häuptlinge der Sioux und der Utahs sich über ihren Zug nach dem Mount Winnetou besprachen. Sie warteten dort auf Old Shatterhand, um ihn zu fangen. Während sie miteinander sprachen, erscholl die Stimme des großen Geistes. Sie erschraken und ergriffen die Flucht. Auf dieser Flucht verlorst du deine Skalpperücke und deine halbe Medizin. Die Perücke wurde dir nachgetragen. Die halbe Medizin aber steckte ich zu mir, um sie nun jetzt zur anderen Hälfte zu fügen."

"So hast du uns belauscht? Dort auf der Teufelskanzel?"

"Ja."

"Uff, uff!"

Er sah aus, als ob er sterben wolle. Er sank in sich zusammen, zwar so sehr, daß sein Gesicht auf die Kniee zu liegen kam.

"Ich bin bereit zum Kampf", meldete ich dem "Bewahrer großen Medizin".

Dieser fragte:

"Ist Kiktahan Schonka auch bereit?"

Da hob der Genannte den Kopf empor, schaute nach seinen Leute aus und gab ihnen einen Wink. Zwei von ihnen kamen herbei.

"Hebt mich auf und führt mich fort!" befahl er ihnen.

Sie taten es, halfen ihm auf sein Pferd und schritt nebenher, um ihn zu stützen.

Nun war nur noch Tangua, der Vater Pidas, übrig, der allergrimmigste und unversöhnlichste meiner Feinde. Er saß gelähmt an der Erde und hielt die Augen geschlossen, das Doppelgewehr in der Hand.Kein Zug seines Gesichtes verriet, was er dachte. Da sagte ich:

"Tangua, der älteste Häuptling der Kiowa, ließ mir schreiben: ,Hast Du Mut, so komm herüber nach dem Mount Winnetou! Meine einzige Kugel, die ich noch habe, sehnt sich nach Dir!' Ich bin gekommen. Hier sitze ich. Wo ist deine Kugel?"

Während ich das sagte, ließ ich mir vom Herzle seine Medizin umhängen. Er öffnete die Augen, schaute sie an und sprach:

"Ich dachte es! Auch die meinige ist da! Ich schieße nicht auf sie! Laß kommandieren! Ich verzichte auf meinen Schuß. Dich aber bitte ich: Gib mir nach deiner Minute eine Kugel in das Herz! Und bin ich tot, so leg mir meine Medizin in das Grab! Willst du das tun?"

"Nein!" antwortete ich.

"So habe ich mich in dir geirrt. Ich hasse dich, wie ich nie einen andern Menschen haßte. Ich will deinen Tod. Ich würde alles tun, alles, alles, ihn herbeizuführen. Aber ich habe dich für einen ehrlichen Feind gehalten!"

"Du irrst. Ich bin ehrlich, aber nicht dein Feind. Ich werde nicht auf dich schießen. Ich will nicht deinen Tod. Ich habe also nichts in dein Grab zu legen, auch nicht deine Medizin."

"Was hat du mit ihr vor? Was soll mit ihr geschehen? Willst du sie vernichten?"

"Nein. Eure Medizinen gehören mir nicht. Ich behalte sie nicht. Aber wem ich sie gebe, das kann ich jetzt noch nicht sagen. Das werdet ihr selbst entscheiden."

"Wir selbst? Wir vier?"

"Ja. Ich werde euch prüfen. Seid ihr es wert, so bekommt ihr eure Medizinen wieder. Seid ihr es nicht wert, so übergebe ich sie Tatellah-Satah. Er ist der Bewahrer der Medizinen und wird sie seinen Sammlungen einverleiben, damit die Kinder eurer Kindeskinder erfahren, was ihre Urväter für töricht böse Menschen waren. Also: Ich schenke dir dein Leben; aber ich schenke dir nicht deine Medizin. Verdiene sie dir! Ich habe gesprochen. Howgh!"

Ich stand auf. Das Herzle ebenso. Da erhob sich auch Tatellah-Satah und verkündete laut:

"Der Kampf ist zu Ende! Old Shatterhand hat gesiegt! Ein Sieg ohne Blut! Und darum ein zehnfacher Sieg!"

Wir gingen zu unsern Pferden und stiegen auf. Doch ehe wir den Platz verließen, ritt ich noch mal zu Tangua hin und sprach zu ihm:

"Ich bin der Freund von Tangua, dem Häuptling der Kiowa, ganz gleich, ob er mich haßt oder mich liebt. Aber um seinetwillen wünsche ich, daß er mir freundlicher gesinnt werde, als er es bis heute gewesen ist. Hat er mir hierüber nichts zu sagen?"

"Ich hasse dich und werde dich hassen, ohne aufzuhören!" antwortete er. "Ich werde dich verfolgen bis zu deinem Ende!"

"Oder bis zu dem deinigen!"

"Ganz gleich!"

"So bitte ich dich, auch wieder nur um deinetwillen, wenigstens nicht mit dem Komitee zum Denkmal verbunden zu bleiben und nichts gegen die, welche es bekämpfen, zu unternehmen!"

"Das verspreche ich nicht, sondern gerade das Gegenteil!"

"Ich sage dir, das führt zu deinem Verderben und zum Untergang deines Stammes!"

Da richtete er sich so hoch auf, wie er konnte, nahm sein Gewehr zur Hand und rief in drohendem Ton:

"Schweig! Und entferne dich! Wenn du das nicht sofort tust, jage ich dir beide Kugeln durch den Kopf!"

"Wage es, das Gewehr nur anzuschlagen, so bist du eine Leiche!" antwortete ich, auf Pappermann deutend, der schnell zu ihm getreten war und ihm den Lauf seines Revolvers vor die Nase hielt. "Erst habt ihr euch untereinander verbunden, um gegen das Denkmal zu sein, und nun gesellt ihr euch zu dem Komitee, um gegen dessen Gegner zu sein. Ist das eines Häuptlings würdig? Handelt so ein ehrlicher Mensch? Du willst mein Verderben; ich aber warne dich trotzdem in herzlicher Aufrichtigkeit: Hüte dich vor dem ,Tal der Höhle' und vor allen Dingen vor der Höhle selbst!"

Da duckte er sich zusammen wie eine Katze, fauchte mich mit flackernden Augen an und fragte:

"Was ist mit der Höhle? Und was ist mit ihrem Tale?"

"Frage dich selbst. Du bist mir einst entgegengetreten und hast es büßen müssen, durch eigene Schuld! Dein Leben ist das eines Krüppels gewesen, nicht das eines Häuptlings, durch eigene Schuld! Nun trittst du mir am Schluß dieses deines elenden Lebens wieder entgegen, um Schuld zur Schuld zu häufen. Bedenke die Folgen! Du bist nicht Herr für dich! Die Folgen, welche deine Person treffen, magst du verantworten können; aber die Folgen, welche deinen Sohn, deine Familie und deinen Stamm treffen, wird Manitou dir vorhalten, wenn du in jenem anderen Leben erscheinst, welches ihr die ewigen Jagdgründe nennt. Man wird dich dort nach deiner Medizin fragen. Was kannst du antworten? So! Nun bin ich fertig. Howgh!"

Nun ritt ich fort, in derselben Begleitung, in der ich gekommen war. Die Freunde riefen mir von allen Seiten jubelnd zu. Die Feinde verhielten sich still. Nur als wir an der Menge der Arbeiter vorüberkamen, hörte ich Worte erklingen, welche sehr geeignet waren, meine Aufmerksamkeit zu erregen.

"Old Shatterhand! Schuft! Eindringling! Hund! Coyote! Feind! Rache! Erwürgen! Totschlagen!" das waren so einige der Drohungen, die ich da zu hören bekam.

Das verwundene mich. Das hatte ich nicht für möglich gehalten. Ich ersah keinen Grund zu solchem Haß. Als ich mich hierüber zu Tatellah-Satah und dem "jungen Adler" äußerte, erklärte unser alter Pappermann:

"Ja, die Arbeiter hassen Euch, Mr. Shatterhand. Sie sind ergrimmt über Euch, vom ersten bis zum letzten. Und sie machen gar kein Hehl daraus. Sie wissen, daß besonders Ihr gegen den Bau des Denkmales seid. Sie behaupten, daß Ihr sie um ihre lohnende Arbeit, um ihre Existenz bringen wollt. Sie halten seit einigen Tagen heimliche Versammlungen ab, in denen beraten wird, in welcher Weise man sich von Old Shatterhand und Tatellah-Satah befreien kann. Und bei diesen Versammlungen sind die Herren vom Komitee zugegen!"

"Ah! So! Das ist wichtig, hochwichtig! " gestand ich ein. "Woher wißt Ihr das?"

"Von Sebulon Enters!"

"Nicht von Hariman?"