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Martin Thein | Jannis Linkelmann (Hrsg.)

Ultras im Abseits?

Porträt einer verwegenen Fankultur

Verlag die Werkstatt

Impressum

2. Auflage Juli 2012

Copyright © 2012 Verlag Die Werkstatt GmbH

Lotzestraße 22a, D-37083 Göttingen

www.werkstatt-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten.

Satz und Gestaltung: Verlag Die Werkstatt

Druck und Bindung: Westermann Druck Zwickau

Umschlagfoto: imago

ISBN 978-3-89533-848-9

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Fankultur im Wandel   Vom Aufstieg einer Subkultur

Elmar Vieregge: Fußball im Wandel

Marcus Sommerey: Entwicklungsgeschichte der deutschen Ultra-Bewegung

Von Rebellen, Idealisten und Pragmatikern   Identität und Selbstverständnis der deutschen Ultra-Bewegung

Markus Verma: „Der Weg ist das Ziel“

Gerd Dembowski: Eine notwendige Erfindung des Selbst

Peter Czoch: Wandel von Fanidentitäten im Zuge kommerzieller Entfremdung

Tobias Wark: Ultras und Politik

Einblicke in eine verborgene Szene   Mit Ultras im Gespräch

Jonas Gabler: „Sich die Freiheiten nehmen“

Martin Thein: Ultras hautnah!

Umstritten und gefürchtet   Eine Subkultur zwischen Gewaltvorwürfen, Repression und Prävention

Konrad Langer: Ultras zwischen Gewalt und Kriminalisierung

Udo Tönjann: Ultras und Polizei

Michael Müller / Silke Martin: Vom Verhältnis zwischen Polizei und Ultras

Volker Herold: Fansozialarbeit   Gewaltprävention im Umgang mit Ultras

Thomas Feltes: Ultras und Fanbeauftragte

Alexandra Schröder: Zu Risiken und Nebenwirkungen bei Fußballspielen in Spanien   ein Bericht

Ultras von außen   Spurensuche aus unterschiedlichen Perspektiven

Jan-Philipp Apmann / Gabriel Fehlandt: Pyrotechnik

Mike Glindmeier: Ultras in den Medien

Christoph Ruf: Occupy Sesame Street

Tilmann Feltes: Ultras und „die Anderen“

Martin Gerster / Oliver Stegemann / Alexander Geisler: Ultras und Sportpolitik in Deutschland

Jannis Linkelmann / Martin Thein: „Ich denke, wir waren auf einem guten Weg!“

Ultras im Abseits?   Chancen und Risiken einer Subkultur

Gerald von Gorrissen: „Ultra“ in Deutschland am Scheideweg

Michael Gabriel / Volker Goll: Die Ultras

Die Herausgeber

Die Autoren

Vorwort


Immer häufiger scheint der deutsche Fußball am Abgrund zu stehen. Das Verhalten der Fans rückt deutschlandweit regelmäßig medial in den Mittelpunkt und zeichnet das Bild einer von Hass und Gewalt durchsetzten Fankultur. Manche Medien sahen im Herbst 2011 in den Vorfällen bei den zwei DFB-Pokalspielen in Dortmund und Frankfurt Ende Oktober sogar ein „Attentat auf den Fußball“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) oder einen „Anschlag auf den Fußball“ (STERN Online). Nach umfangreichem Pyrotechnik-Einsatz und einem im Freudentaumel begründeten verfrühten Platzsturm beim Relegationsspiel für die 1. Bundesliga zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC aus Berlin im Mai 2012 verstärkte sich die Hysterie nachhaltig. Die Abschaffung der Stehplätze steht seitdem genau so im Raum wie ein Alkoholverbot in den Zügen des öffentlichen Nahverkehrs im Vorfeld von Fußballspielen. Einen unrühmlichen Höhepunkt fand die Diskussion in einer bekannten Fernseh-Talkshow, in der von „Taliban der Fans“ gesprochen und Choreografien als „faschistoide Versammlungsrituale“ dargestellt wurden. Heben die deutschen Vereine und Verbände die Fans häufig aufgrund ihrer Kreativität und der tollen Stimmung hervor, werden Fußballanhänger bei öffentlichkeitswirksamen Ereignissen schnell als Gewalttäter gebrandmarkt.

Die Darstellungen in der Öffentlichkeit vermittelten allgemein den Eindruck, dass Straftaten in und um Stadien nachhaltig gestiegen und die heutigen Fußballfans gewalttätiger als die früheren sind. Offizielle Verlautbarungen untermauerten dies: So berichtet die „Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze“ (ZIS) für die Saison 2010/11 in der 1. und 2. Bundesliga von insgesamt 846 verletzten Personen, wobei Unfallopfer in dieser Zahl nicht enthalten sind. Nach Angaben der ZIS handelt es sich dabei um den Höchststand der vergangenen zwölf Jahre.

Doch was löste diese vermeintliche Gewaltspirale aus? Gemeinhin werden die sogenannten Ultras für diese Entwicklung verantwortlich gemacht. Wer aber sind diese „Ultras“, wo kommen sie her und welche Rolle spielen sie in der heutigen Fußballwelt? Wer sind diese sich von der Masse so unterscheidenden Fans, über die jeder spricht, die jedoch kaum einer zu kennen scheint?

Betrachtet man die medialen Darstellungen oder fragt andere Stadionbesucher, so werden Ultras primär als Chaoten oder Gewalttäter klassifiziert und der Einsatz von Pyrotechnik wird mit Gewalt verwechselt. Vielen vorgenannten Beobachtern ist dabei jedoch oft gar nicht bewusst, dass es sich bei den Ultras um eine Form des Fanseins handelt, die mit keiner Fankultur der letzten Jahrzehnte zu vergleichen ist. Oftmals werden die Ultras mit den „Schlägern“ und „Hooligans“ der 1970er und 1980er Jahre gleichgesetzt und auf eine Differenzierung wird verzichtet. Für andere, meist jüngere Fußballfans sind Ultras zu Ikonen geworden, zu hippen Trendsettern und nachahmenswerten Rebellen der Kurve. Ob im Erscheinungsbild, den Aktionsformen oder der Einstellung, viele dieser Jugendlichen identifizieren sich immer öfter mit dem Lebensentwurf der Ultras, und das nicht nur beim Stadionbesuch.

Die Debatte um Ultras zeigte jedoch eines ganz deutlich: Viele verehren sie, aber noch mehr lehnen sie kategorisch ab. Aber kaum jemand hat sich wirklich die Mühe gemacht, sich mit dieser Erscheinungsform ernsthaft und ausgewogen auseinanderzusetzen.

Und so entschieden wir uns, dieses Phänomen aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. Es lag uns am Herzen, nicht nur etablierte Wissenschaftler einzuladen, sondern möglichst umfassende Ansichten zur Diskussion zu stellen. So konnten wir Journalisten, aktuelle und ehemalige Fußballfunktionäre, verschiedene Fanprojekte, Politiker, Nachwuchswissenschaftler, Vertreter der Polizei und natürlich einige Ultras selbst für eine Mitwirkung gewinnen. Dafür gilt allen Autoren und Interviewpartnern unser herzlicher Dank! Gerade durch die unterschiedlichen Perspektiven wollen wir allen Interessierten einen ausgewogenen Einblick in das komplexe soziale Gebilde der Ultra-Bewegung ermöglichen.


Köln, im Sommer 2012 

Jannis Linkelmann

Dr. Martin Thein