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›Elementarteilchen‹ ist der unmoralische Roman eines großen Moralisten: Michel Houellebecq berichtet in präziser Sprache und mit minutiöser Sachlichkeit vom glücklosen Leben der Halbbrüder Bruno und Michel. Sie teilen eine egoistisch lieblose Mutter aus der 68er-Generation, die sich ihrer sexuellen Selbstverwirklichung ausschweifend widmet – und sie teilen eine mit kalter Einsamkeit einhergehende lebenslange Verstörung. Bruno, der Ältere, wird zum Opfer seiner fanatischen sexuellen Obsessionen. Der Molekularbiologe Michel verbringt sein autistisches Forscherleben zwischen Supermarkt und Psychopharmaka, bis es ihm gelingt, das unsterbliche und geschlechtslose menschliche Wesen zu klonen – ein Leben jenseits des Egoismus und sexuellen Elends scheint plötzlich greifbar.

Michel Houellebecq wurde 1958 geboren. Er gehört zu den wichtigsten Autoren der Gegenwart, seine Bücher erscheinen in über vierzig Ländern. Auf Deutsch ist nahezu sein gesamtes Werk bei DuMont verlegt. Zuletzt erschienen der Roman ›Karte und Gebiet‹ (2011) und der Gedichtband ›Gestalt des letzten Ufers‹ (2014).

Michel Houellebecq

Elementarteilchen

Aus dem Französischen von Uli Wittmann

Imagepub

Von Michel Houellebecq ist im DuMont Buchverlag außerdem als eBook erschienen:

eBook 2014

ISBN eBook: 978-3-8321-8771-2
www.dumont-buchverlag.de

Vorrede

 

Dieses Buch ist in erster Linie die Geschichte eines Mannes, der während der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts gelebt und den größten Teil seines Lebens in Westeuropa verbracht hat – im allgemeinen allein, wenn auch ab und zu im Kontakt mit anderen Menschen. Er hat in einer unseligen Zeit voller Wirren gelebt. Das Land, in dem er zur Welt kam, glitt langsam, aber unvermeidlich in die Wirtschaftszone der halbarmen Länder ab; die Menschen seiner Generation waren häufig vom Elend bedroht und verbrachten darüber hinaus ihr Leben einsam und verbittert. Gefühle wie Liebe, Zärtlichkeit und Brüderlichkeit waren weitgehend verschwunden; in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen erwiesen sich seine Zeitgenossen sehr häufig als gleichgültig oder sogar grausam.

Bei seinem Tod wurde Michel Djerzinski einhellig als Biologe allerersten Ranges angesehen, und man hatte ernsthaft daran gedacht, ihm den Nobelpreis zu verleihen; seine wirkliche Bedeutung sollte erst ein wenig später erkannt werden.

Zu Lebzeiten Djerzinskis war man größtenteils der Meinung, die Philosophie besäße keinerlei praktische Bedeutung, ja nicht einmal einen Gegenstand. In Wirklichkeit bestimmt die unter den Mitgliedern einer Gesellschaft zu einem gegebenen Zeitpunkt am weitesten verbreitete Weltanschauung deren Wirtschaft, Politik und Sitten.

Die metaphysischen Wandlungen – das heißt, die radikalen, globalen Veränderungen der von der Mehrzahl der Menschen geteilten Weltanschauung – sind in der Geschichte der Menschheit selten. Als Beispiel einer solchen Wandlung kann das Aufkommen des Christentums angeführt werden.

Sobald sich eine metaphysische Wandlung vollzogen hat, breitet sie sich, ohne auf Widerstand zu treffen, bis zur letzten Konsequenz aus. Ungerührt fegt sie die wirtschaftlichen und politischen Systeme, die ästhetischen Urteile und die sozialen Hierarchien hinweg. Keine menschliche Macht kann ihren Lauf anhalten – keine andere Macht, es sei denn das Aufkommen einer neuen metaphysischen Wandlung.

Man kann nicht behaupten, daß die metaphysischen Wandlungen in erster Linie geschwächte Gesellschaften befallen, die bereits im Niedergang begriffen sind. Als das Christentum aufkam, befand sich das römische Reich auf dem Gipfel seiner Macht; perfekt organisiert, beherrschte es die bekannte Welt; seine technische und militärische Überlegenheit war unübertroffen; und dennoch hatte es keine Chance. Als im Mittelalter die moderne Wissenschaft aufkam, bot das Christentum ein umfassendes Erklärungssystem des Menschen und der Welt; es diente den Völkern als Regierungsgrundlage, brachte Wissen und Werke hervor, entschied über Frieden wie auch Krieg, regelte die Produktion und die Verteilung der Reichtümer; nichts davon konnte es jedoch vor dem Niedergang schützen.

Michel Djerzinski war weder ein Vorkämpfer noch der wichtigste Wegbereiter dieser dritten, in vieler Hinsicht radikalsten metaphysischen Wandlung, die eine neue Epoche in der Weltgeschichte einleiten sollte; doch aufgrund einiger außergewöhnlicher Lebensumstände, war er ein besonders bewußter, besonders hellsichtiger Wegbereiter dieser Wandlung.

 

Wir leben heute in einer ganz neuen Ordnung,

Und die Verflechtung der Umstände umhüllt unsere Körper,

Umströmt unsere Körper

Mit einem Strahlenkranz der Freude.

Was die Menschen früherer Zeitalter manchmal in ihrer Musik erahnten,

Verwirklichen wir jeden Tag in der praktischen Realität.

Was für sie dem Reich des Unerreichbaren und des Absoluten angehörte,

Betrachten wir als etwas ganz Einfaches, Wohlbekanntes.

Und dennoch verachten wir diese Menschen nicht;

Wir wissen, was wir ihren Träumen verdanken,

Wir wissen, daß wir nichts wären ohne die Verflechtung von Schmerz und Freude, die ihre Geschichte ausgemacht hat,

Wir wissen, daß sie unser Bild in sich trugen, als sie Haß und Angst durchquerten, sich im Dunkel stießen,

Als sie nach und nach ihre Geschichte schrieben.

Wir wissen, daß es sie nicht gegeben hätte, daß es sie nicht einmal hätte geben können, ohne diese Hoffnung tief in ihrem Innern,

Sie hätten nicht einmal ohne ihren Traum existieren können.

Jetzt, da wir im Licht leben,

Jetzt, da wir in unmittelbarer Nähe des Lichts leben

Und das Licht unsere Körper umströmt,

Unsere Körper umhüllt

Mit einem Strahlenkranz der Freude,

Jetzt, da wir uns in unmittelbarer Nähe des Flusses niedergelassen haben,

An unerschöpflichen Nachmittagen

Jetzt, da das Licht um unseren Körpern greifbar geworden ist,

Jetzt, da wir am Ziel angelangt sind

Und die Welt der Trennung überwunden haben,

Die gedankliche Welt der Trennung,

Und uns in der reglosen, fruchtbaren Freude

Eines neuen Gesetzes treiben lassen,

Können wir uns

Heute

Zum erstenmal

Das Ende der alten Ordnung vergegenwärtigen.

Erster Teil

Das verlorene Reich

1

Der erste Juli 1998 fiel auf einen Mittwoch. Daher war es durchaus logisch, wenn auch ungewöhnlich, daß Djerzinski seine Abschiedsfeier an einem Dienstagabend veranstaltete. Zwischen den Tiefkühltruhen für Embryos stand, ein wenig erdrückt von deren Vielzahl, ein Kühlschrank der Marke Brandt, in dem sich die Champagnerflaschen befanden; er diente normalerweise zur Aufbewahrung der üblichen chemischen Produkte.

Vier Flaschen für fünfzehn Leute, das war ein bißchen knapp bemessen. Alles war außerdem etwas knapp bemessen: Die Motivation, die sie zusammenführte, war oberflächlich; ein falsches Wort, ein schräger Blick, und schon würde sich die Gruppe auflösen und jeder zu seinem Fahrzeug eilen. Sie hielten sich in einem weiß gekachelten, klimatisierten Raum im Kellergeschoß auf, der mit einem Plakat deutscher Seen geschmückt war. Niemand hatte sich angeboten, Fotos zu machen. Ein bärtiger junger Forscher mit dümmlichem Aussehen, der seit Anfang des Jahres im Institut arbeitete, verdrückte sich nach wenigen Minuten unter dem Vorwand von Parkproblemen. Unter den Anwesenden breitete sich zunehmend spürbares Unbehagen aus; bald begannen die Ferien. Manche fuhren in ein Landhaus der Familie, andere verbrachten die Ferien im Grünen. Die Worte, die gewechselt wurden, peitschten langsam durch die Luft. Man trennte sich schnell.

Um neunzehn Uhr dreißig war alles vorbei. Djerzinski ging in Begleitung einer Kollegin mit langem schwarzen Haar, sehr weißer Haut und großen Brüsten über den Parkplatz. Sie war etwas älter als er; wahrscheinlich würde sie seine Nachfolge antreten und die Leitung des Forschungsinstituts übernehmen. Die meisten ihrer Veröffentlichungen beschäftigten sich mit dem Gen DAF3 der Drosophila; sie war unverheiratet.

Er stand vor seinem Toyota und reichte der Forscherin mit einem Lächeln die Hand (seit mehreren Sekunden hatte er sich vorgenommen, diese Geste, begleitet von einem Lächeln, auszuführen, und sich innerlich darauf vorbereitet). Die Handflächen verschränkten sich und schüttelten sich leicht. Ein wenig zu spät sagte er sich, daß es diesem Händedruck an Wärme gefehlt habe; angesichts der Umstände hätten sie sich umarmen können, wie es Minister oder manche Schlagersänger taten.

Nachdem die Verabschiedung vollzogen war, blieb er noch fünf Minuten, die ihm lang vorkamen, im Wagen sitzen. Warum fuhr die Frau nicht los? Onanierte sie, während sie Brahms hörte? Oder dachte sie etwa an ihre Karriere, an ihre neue Verantwortung, und falls ja, freute sie sich darüber? Schließlich verließ der Golf der Genetikerin den Parkplatz; er war wieder allein. Es war ein herrlicher Tag gewesen, die Hitze war noch zu spüren. In diesen Wochen des beginnenden Sommers schien alles in strahlender Unbeweglichkeit erstarrt zu sein; dabei wurden die Tage, wie Djerzinski bewußt war, schon wieder kürzer.

Er hatte in einer privilegierten Umgebung gearbeitet, dachte er, als auch er losfuhr. Auf die Frage »Sind Sie der Ansicht, daß Sie als Einwohner von Palaiseau von einer privilegierten Umgebung profitieren?« hatten 63 Prozent der Bewohner mit »Ja« geantwortet. Das ließ sich verstehen; die Gebäude waren niedrig und durch Rasenflächen getrennt. Mehrere Einkaufszentren ermöglichten eine mühelose Versorgung; der Begriff Lebensqualität wirkte in bezug auf Palaiseau kaum übertrieben.

Die Autobahn in Richtung Paris war wie ausgestorben. Er hatte den Eindruck, sich in einem neuseeländischen Science-fiction-Film zu befinden, den er während seines Studiums gesehen hatte: Der letzte Mensch auf Erden, nachdem alles Leben verschwunden ist. Es lag irgend etwas in der Luft, das die Vorstellung einer apokalyptischen Dürre aufkommen ließ.

Djerzinski wohnte seit gut zehn Jahren in der Rue Frémicourt; er hatte sich daran gewöhnt, das Viertel war ruhig. 1993 hatte er das Bedürfnis nach Gesellschaft empfunden; irgend etwas, das ihn abends beim Heimkommen empfing. Seine Wahl war auf einen weißen Kanarienvogel gefallen, ein ängstliches Tier. Er sang vor allem morgens; und dennoch wirkte er nicht fröhlich; doch kann ein Kanarienvogel fröhlich sein? Freude ist eine tiefe, intensive Empfindung, ein erhebendes Gefühl der Fülle, das das ganze Bewußtsein durchdringt; man kann die Freude mit dem Rausch, der Verzückung oder der Ekstase vergleichen. Einmal hatte er den Vogel aus seinem Käfig geholt. Zutiefst verängstigt hatte das Tier aufs Sofa geschissen, ehe es sich auf der Suche nach dem Eingang auf das Gitter stürzte. Einen Monat später hatte er den Versuch wiederholt. Diesmal fiel das arme Tier aus dem Fenster; der Vogel hatte den Fall gebremst, so gut es ging, und war mit Müh und Not fünf Stockwerke tiefer auf einem Balkon des gegenüberliegenden Hauses gelandet. Michel mußte warten, bis die Bewohnerin zurückkehrte, und hoffte sehnlichst, daß sie keine Katze hatte. Es stellte sich heraus, daß die junge Frau Redakteurin bei der Zeitschrift 20 Ans war; sie lebte allein und kam spät heim. Sie hatte keine Katze.

Es war bereits dunkel gewesen; Michel hatte das kleine Tier zurückgeholt, das sich zitternd vor Kälte und Angst an die Betonwand gedrückt hatte. Anschließend begegnete er der Redakteurin noch mehrmals, meistens, wenn er seinen Müll nach draußen brachte. Sie nickte ihm zu, vermutlich als Zeichen, daß sie ihn wiedererkannt hatte; auch er nickte ihr zu. Kurz gesagt, der Zwischenfall hatte ihm erlaubt, eine nachbarliche Beziehung anzuknüpfen; so gesehen war die Sache gut.

Von seinen Fenstern konnte man ein knappes Dutzend Wohnblocks erkennen, also etwa dreihundert Wohnungen. Wenn er abends heimkam, begann der Kanarienvogel im allgemeinen zu pfeifen und zu zwitschern, das dauerte fünf bis zehn Minuten; dann füllte Michel Körner und Wasser nach, erneuerte den Streusand. An jenem Abend jedoch wurde er von Stille empfangen. Er ging auf den Käfig zu: Der Vogel war tot. Sein kleiner weißer Körper war schon kalt und lag auf der Seite in den Sandkörnern.

Zum Abendessen nahm er eine Portion Seewolf mit Kerbel der Marke Monoprix Gourmet zu sich und trank dazu einen mittelmäßigen Valdepeñas. Nach kurzem Zögern legte er den Vogelkadaver in eine Plastiktüte, die er mit einer Bierflasche beschwerte, und warf das Ganze in den Müllschlucker. Was sollte er sonst tun? Eine Messe lesen?

Er hatte nie erfahren, wohin der Müllschlucker mit dieser winzigen Öffnung (die aber groß genug war, um den Körper eines Kanarienvogels aufzunehmen) führte. Doch er träumte von gigantischen Mülltonnen, die mit Kaffeefiltern, Ravioli in Soße und abgeschnittenen Geschlechtsorganen gefüllt waren. Riesige Würmer, ebenso groß wie der Vogel und mit Schnäbeln bewaffnet, machten sich über den Kadaver her. Sie rissen ihm die Beine aus, zerfetzten seine Eingeweide und zerstachen seine Augäpfel. Michel richtete sich nachts zitternd auf; es war noch nicht halb zwei. Er schluckte drei Xanax. So endete sein erster Abend der Freiheit.

2

Am 14. Dezember 1900 benutzte Max Planck zum erstenmal in einem Vortrag mit dem Titel »Zur Theorie des Gesetzes der Energieverteilung im Normalspektrum« in der Berliner Akademie den Begriff Energiequantelung, der in der Weiterentwicklung der Physik eine entscheidende Rolle spielen sollte. Hauptsächlich auf Betreiben von Einstein und Bohr wurden zwischen 1900 und 1920 mehr oder weniger gelungene Modelle entwickelt, die versuchten, das neue Konzept dem Rahmen der bisher geltenden Theorien anzupassen; erst zu Beginn der zwanziger Jahre stellte sich dieser Rahmen als hoffnungslos überholt heraus.

Wenn Niels Bohr als der eigentliche Begründer der Quantenmechanik angesehen wird, beruht das nicht nur auf seinen persönlichen Entdeckungen, sondern vor allem auf der außerordentlich schöpferischen Atmosphäre, dem Klima intellektueller Aufgeschlossenheit, geistiger Freiheit und freundschaftlicher Beziehungen, das er um sich herum zu erzeugen verstanden hatte. Das Institut für theoretische Physik in Kopenhagen, das Bohr 1919 gegründet hatte, sollte zu einem Treffpunkt aller jungen europäischen Physiker werden. Heisenberg, Pauli und Born verbrachten dort ihre Lehrjahre. Bohr, der ein wenig älter war als sie, diskutierte mit ihnen stundenlang jede Einzelheit ihrer Hypothesen mit einer einzigartigen Mischung aus philosophischem Scharfsinn, Wohlwollen und logischer Strenge. Er war von fast pedantischer Genauigkeit und duldete keinerlei annähernde Erklärung bei der Auswertung der Versuche; aber auf der anderen Seite sah er keine neue Idee von vornherein als verrückt, kein überliefertes Konzept als unantastbar an. Er lud seine Studenten gern in sein Landhaus in Tisvilde ein, empfing dort Wissenschaftler aus anderen Fachrichtungen, Politiker, Künstler; die Gespräche verliefen in zwanglosen Bahnen, von der Physik zur Philosophie, von der Geschichte zur Kunst, von der Religion zu Alltäglichem. Seit den Anfängen der griechischen Philosophie hatte es nichts Vergleichbares gegeben. In diesem außergewöhnlichen Kontext wurden in den Jahren 1925 bis 1927 die grundlegenden Begriffe der »Kopenhagener Deutung« formuliert, die die bestehenden Kategorien Raum, Kausalität und Zeit weitgehend aufhoben.

Djerzinski war es nicht im entferntesten gelungen, ein ähnliches Phänomen in seiner Umgebung wiederaufleben zu lassen. Die Atmosphäre in dem Forschungsinstitut, das er leitete, war im großen und ganzen die eines gewöhnlichen Büros. Entgegen der unter romantischen Zeitgenossen weit verbreiteten Vorstellung vom Forscher als einem Rimbaud des Mikroskops, sind die Molekularbiologen meistens rechtschaffene, nicht sonderlich geniale Techniker, die Le Nouvel Observateur lesen und davon träumen, ihren Urlaub in Grönland zu verbringen. Die molekularbiologische Forschung erfordert keinerlei schöpferische Begabung, keinerlei Erfindungsgabe; in Wirklichkeit ist es eine fast völlig routinemäßige Tätigkeit, die nur durchschnittliche, zweitrangige geistige Fähigkeiten erfordert. Die Leute schreiben Doktorarbeiten, habilitieren sich, dabei würde ein Grundstudium völlig ausreichen, um die Apparate zu bedienen. »Um sich eine Vorstellung vom genetischen Code zu machen«, pflegte Desplechin, der Direktor der Biologieabteilung des nationalen Forschungsinstituts CNRS, zu sagen, »um das Prinzip der Proteinbiosynthese zu entdecken, ja, da mußte man schon die Ärmel etwas hochkrempeln. Übrigens hat, wie Sie ja wissen, Gamow, also ein Physiker, als erster die Sache unter die Lupe genommen. Dagegen die Entschlüsselung der DNA-Moleküle, bah … Da wird entschlüsselt und entschlüsselt. Man nimmt sich ein Molekül vor und dann das nächste. Gibt die Daten in einen Computer ein, der Computer berechnet die Untersequenzen. Man sendet ein Fax nach Colorado: die arbeiten am Gen B27, wir sitzen am C33. Reine Bastelei. Ab und zu gibt’s eine kleine technische Neuerung; das reicht im allgemeinen schon für den Nobelpreis. Das ist doch Kinderkram; geradezu lächerlich.«

Am Nachmittag des 1. Juli herrschte eine drückende Hitze; einer jener Nachmittage, die schlecht enden, an denen sich schließlich ein Gewitter entlädt, das die entblößten Körper vertreibt. Desplechins Büro ging auf den Quai Anatole-France hinaus. Auf der anderen Seite der Seine, am Quai des Tuileries, schlenderten Homosexuelle in der Sonne, unterhielten sich zu zweit oder in kleinen Gruppen, teilten sich ein Badetuch. Fast alle trugen Strings. Ihre mit Sonnenöl eingeriebenen Muskeln schillerten im Licht, ihre Hintern waren glänzend und gewölbt. Mitten im Gespräch massierten manche ihre Geschlechtsorgane durch das Nylon der Strings hindurch oder schoben einen Finger unter den Stoff und ließen ihre Schamhaare oder den Phallusansatz sehen. Desplechin hatte in der Nähe der Fensterwand ein Fernrohr aufgestellt. Er war, wie gemunkelt wurde, selbst homosexuell; in Wirklichkeit war er seit einigen Jahren vor allem Alkoholiker. An einem ähnlichen Nachmittag hatte er zweimal versucht, zu onanieren, während er das Auge ans Fernrohr preßte und unverwandt einen Jungen anstarrte, der seinen String abgestreift und dessen Schwanz einen ergreifenden Anstieg in der Luft begonnen hatte. Sein eigenes Glied war schlaff und faltig herabgesunken, wie ausgetrocknet; er unternahm keinen weiteren Versuch.

Djerzinski war pünktlich um vier da. Desplechin hatte ihn um ein Gespräch gebeten. Der Fall weckte seine Neugier. Es war zwar durchaus üblich, daß ein Forscher ein Sabbatjahr beantragte, um in einem anderen Team in Norwegen, Japan oder irgendeinem dieser traurigen Länder zu arbeiten, in denen die Menschen um die Vierzig massenhaft Selbstmord begehen. Andere – das war vor allem während der Mitterand-Ära der Fall gewesen, der Epoche, in der die Geldgier unerhörte Ausmaße annahm – machten sich auf die Suche nach Finanzierungskapital und gründeten eine Firma, um das eine oder andere Molekül zu vermarkten; manche hatten übrigens in kurzer Zeit beträchtliche Reichtümer angehäuft und aus dem Wissen, das sie während der Jahre in der freien Forschung erworben hatten, hemmungslos Profit geschlagen. Aber Djerzinskis Beurlaubung ohne Vorhaben, ohne Ziel, ohne eine Spur von Rechtfertigung schien völlig unverständlich. Er war mit vierzig Jahren Institutsdirektor, hatte fünfzehn Wissenschaftler unter sich; er selbst unterstand – und das rein theoretisch – nur Desplechin. Sein Team erzielte ausgezeichnete Resultate, es stand im Ruf, eines der besten europäischen Teams zu sein. Also kurz, was war nicht in Ordnung? Desplechin fragte mit übertrieben dynamischer Stimme: »Haben Sie irgendwelche Pläne?« Dreißig Sekunden war es still, dann äußerte Djerzinski nüchtern: »Nachdenken.« Das fing schlecht an. Mit gezwungener Fröhlichkeit fragte Desplechin weiter: »Private Gründe?« Während er das ernste Gesicht mit den scharfen Zügen und den traurigen Augen betrachtete, das ihm zugewandt war, überkam ihn plötzlich tiefe Scham. Private Gründe, wieso? Er selbst hatte Djerzinski vor fünfzehn Jahren von der Universität Orsay an sein Institut geholt. Seine Wahl war, wie sich herausgestellt hatte, ausgezeichnet gewesen: Djerzinski war ein sehr genauer, gewissenhafter, einfallsreicher Forscher; er hatte eine beträchtliche Anzahl von Resultaten vorzuweisen. Wenn es dem CNRS gelungen war, in der Molekularbiologie innerhalb der europäischen Forschung seinen Rang zu behaupten, war es weitgehend ihm zu verdanken. Er hatte sämtliche Hoffnungen erfüllt, über alle Maßen.

»Natürlich haben Sie weiterhin Zugang zu unserer EDV«, sagte Desplechin zum Schluß. »Ihr Paßwort für die auf dem Server gespeicherten Resultate und für den Internet-Zugang des Instituts bleibt weiterhin bestehen; und das auf unbestimmte Dauer. Wenn Sie sonst noch etwas benötigen, stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung.«

Nachdem Djerzinski gegangen war, wandte sich Desplechin wieder zur Fensterwand. Er schwitzte leicht. Auf der Uferpromenade gegenüber zog ein junger dunkelhaariger Mann nordafrikanischen Typs seine Shorts aus. Es gab noch eine Reihe echter Probleme in der biologischen Grundlagenforschung. Die Biologen taten so, als seien die Moleküle getrennte materielle Elemente, die nur durch elektromagnetische Anziehung und Abstoßung miteinander verbunden waren; keiner von ihnen, davon war er überzeugt, hatte von dem EPR-Paradoxon und den Versuchen von Aspect gehört; keiner hatte sich je die Mühe gemacht, sich über die Fortschritte zu informieren, die seit Anfang des Jahrhunderts in der Physik gemacht worden waren; ihre Vorstellung vom Atom unterschied sich kaum von jener, die bereits Demokrit vertrat. Sie trugen aufwendige, sich wiederholende Daten zusammen, nur um sofort irgendwelche industriellen Anwendungen dafür zu finden, ohne sich je klar zu werden, daß die theoretische Basis ihres Ansatzes unterminiert war. Djerzinski und er selbst waren aufgrund ihrer ursprünglichen Studien als Physiker wahrscheinlich die einzigen im CNRS, die sich dessen bewußt waren: Sobald man wirklich die atomaren Grundlagen des Lebens untersuchen würde, würden die Fundamente der gegenwärtigen Biologie gesprengt werden. Desplechin sann über diese Fragen nach, während sich die Dunkelheit allmählich über die Seine legte. Er konnte sich absolut nicht vorstellen, welche Wege Djerzinski mit seinem Nachdenken beschreiten mochte; er fühlte sich nicht einmal in der Lage, mit ihm darüber zu sprechen. Er war beinahe sechzig; auf geistigem Gebiet fühlte er sich völlig ausgebrannt. Die Homosexuellen waren inzwischen verschwunden, die Uferpromenade war wie ausgestorben. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann er zum letztenmal eine Erektion gehabt hatte; er wartete auf das Gewitter.

3

Das Gewitter brach gegen einundzwanzig Uhr los. Djerzinski horchte auf den Regen, während er ab und zu einen Schluck billigen Armagnac trank. Er war vor kurzem vierzig geworden: war er etwa der Midlife-crisis zum Opfer gefallen? Aufgrund der verbesserten Lebensbedingungen sind die Menschen um die Vierzig heute topfit, ihre körperliche Verfassung ist ausgezeichnet; die ersten Anzeichen – sowohl was das Aussehen als auch die Reaktion der Organe auf körperliche Anstrengung betrifft –, die darauf hindeuten, daß eine Schwelle überschritten worden ist und die lange Talfahrt in Richtung Tod begonnen hat, machen sich meistens erst im Alter von etwa fünfundvierzig wenn nicht gar fünfzig Jahren bemerkbar. Darüber hinaus wird die berüchtigte Midlife-crisis oft mit sexuellen Phänomenen wie etwa der plötzlichen hektischen Jagd nach dem Körper ganz junger Mädchen in Verbindung gebracht. Was Djerzinski anging, waren diese Erwägungen jedoch unangebracht: Sein Schwanz diente ihm nur zum Pissen, und das war’s.

Am nächsten Morgen stand er gegen sieben auf, nahm Das Teil und das Ganze, Werner Heisenbergs wissenschaftliche Autobiographie, aus dem Bücherregal und ging zu Fuß zum Champ-de-Mars. Die Morgenfrühe war klar und frisch. Er besaß dieses Buch, seit er siebzehn war. Er setzte sich unter eine Platane in der Allée Victor-Cousin und las den Abschnitt aus dem ersten Kapitel, in dem Heisenberg seine Studienzeit näher beschreibt und seine erste Begegnung mit der Atomtheorie schildert:

»Es mag etwa im Frühjahr 1920 gewesen sein. Der Ausgang des Ersten Weltkrieges hatte die Jugend unseres Landes in Unruhe und Bewegung versetzt. Die Zügel waren den Händen der zutiefst enttäuschten älteren Generation entglitten, und die jungen Menschen sammelten sich in Gruppen, kleineren und größeren Gemeinschaften, um sich einen neuen eigenen Weg zu suchen oder wenigstens einen neuen Kompaß zu finden, nach dem man sich richten konnte, da der alte zerbrochen schien. So war ich an einem hellen Frühlingstag mit einer Gruppe von vielleicht zehn oder zwanzig Kameraden unterwegs, die meisten von ihnen jünger als ich selbst, und die Wanderung führte, wenn ich mich recht erinnere, durch das Hügelland am Westufer des Starnberger Sees, der, wenn eine Lücke im leuchtenden Buchengrün den Blick freigab, links unter uns lag und beinahe bis zu den dahinter sichtbaren Bergen zu reichen schien. Auf diesem Weg ist es merkwürdigerweise zu jenem ersten Gespräch über die Welt der Atome gekommen, das mir in meiner späteren wissenschaftlichen Entwicklung viel bedeutet hat.«

Gegen elf nahm die Hitze erneut zu. Michel ging nach Hause und zog sich ganz aus, ehe er sich hinlegte. In den folgenden drei Wochen waren seine Tätigkeiten äußerst eingeschränkt. Man kann sich vorstellen, daß der Fisch, der ab und zu den Kopf aus dem Wasser streckt, um Luft zu schnappen, ein paar Sekunden lang eine Luftwelt sieht, die völlig anders – paradiesisch ist. Selbstverständlich muß er anschließend wieder in seine Algenwelt zurückkehren, in der die Fische sich gegenseitig verschlingen. Aber ein paar Sekunden lang konnte er eine andere Welt erahnen, eine vollkommene Welt – die unsere.

Am 15. Juli rief er Bruno abends an. Mit Cool Jazz untermalt, machte die Stimme seines Halbbruders eine Ansage, die auf subtile Weise ironisch war. Bruno war ganz sicher der Midlife-crisis zum Opfer gefallen. Er trug Ledermäntel, ließ sich einen Bart wachsen. Um zu zeigen, daß er das Leben kannte, drückte er sich wie eine Figur in einer zweitklassigen Krimiserie aus; er rauchte Zigarillos, trainierte seine Brustmuskeln. Was ihn selbst betraf, glaubte Michel allerdings überhaupt nicht an die Erklärung durch die Midlife-crisis. Ein Mann, der in diese Krise gerät, möchte nur leben, ein bißchen länger leben; er möchte nur eine kleine Zugabe. Die Wahrheit, ihn betreffend, bestand darin, daß er die Nase gestrichen voll hatte; er sah einfach keinen Grund mehr, weiterzumachen.

Am selben Abend fand er ein Foto wieder, das in der Grundschule in Charny aufgenommen worden war; und er begann zu weinen. Das Kind saß an seinem Pult und hielt ein geöffnetes Schulbuch in der Hand. Es lächelte und blickte den Betrachter voller Freude und Zuversicht an; und dieses Kind, das war das Unverständliche, war er. Das Kind machte seine Hausaufgaben, lernte seine Lektionen fleißig und ernst. Es betrat die Welt, entdeckte die Welt, und die Welt flößte ihm keine Angst ein; es war bereit, seinen Platz in der Gesellschaft der Menschen einzunehmen. All das konnte man im Blick des Kindes lesen. Es trug einen Kittel mit einem schmalen Kragen.

Mehrere Tage lang behielt Michel das Foto in Reichweite, neben der Nachttischlampe. Die Zeit ist ein banales Rätsel, und alles war in Ordnung, versuchte er sich zu sagen; der Blick erlöscht, Freude und Zuversicht verschwinden. Er lag auf seiner Bultex-Matratze und übte sich ohne Erfolg in der Impermanenz. Die Stirn des Kindes war von einer kleinen runden Vertiefung gezeichnet – eine Windpockennarbe; diese Narbe hatte die Jahre überdauert. Wo lag die Wahrheit? Die mittägliche Hitze erfüllte den Raum.

4

Martin Ceccaldi, der 1882 in einem korsischen Dorf als Sohn einer bäuerlichen Familie von Analphabeten zur Welt kam, schien für ein Leben als Bauer und Hirte bestimmt zu sein, ein Leben mit beschränktem Aktionsradius, wie es seine Vorfahren seit einer unbestimmten Zahl von Generationen geführt hatten. Es handelt sich um eine Lebensweise, die in unseren Breiten seit langem nicht mehr anzutreffen ist und deren umfassende Analyse daher nur von begrenztem Interesse ist; da jedoch manche radikalen Umweltschützer zeitweilig eine unverständliche Nostalgie für diese Lebensweise an den Tag legen, gebe ich hier der Vollständigkeit halber eine kurze synthetische Beschreibung eines solchen Daseins: Man hat die Natur und die frische Luft, man bestellt ein paar Äcker (deren Anzahl durch ein strenges Erbfolgesystem genau geregelt ist), ab und zu schießt man ein Wildschwein; man vögelt quer durch die Gemeinde und besonders seine Frau, die Kinder zur Welt bringt; man zieht besagte Kinder auf, damit sie ihren Platz in demselben Ökosystem einnehmen, man holt sich eine Krankheit, und dann ist Sense.

Das einzigartige Schicksal, das Martin Ceccaldi zuteil wurde, ist in Wirklichkeit völlig symptomatisch für die Rolle, die die staatliche, bekenntnisfreie Schule während der gesamten Dritten Republik als integratives Element für die französische Gesellschaft sowie für die Förderung des technologischen Fortschritts spielte. Sein Grundschullehrer erkannte sehr schnell, daß er einen außergewöhnlich begabten Schüler vor sich hatte, dessen Abstraktionsfähigkeit und formale Erfindungsgabe in dem begrenzten Milieu, dem er entstammte, kaum adäquate Anwendung finden würden. Da er sich durchaus bewußt war, daß sich seine Rolle nicht darauf beschränkte, jedem künftigen Staatsbürger ein elementares geistiges Rüstzeug zu vermitteln, sondern daß er auch die Aufgabe hatte, die Eliteelemente zu entdecken, die berufen waren, sich in die Reihe der Führungskräfte der Republik einzugliedern, gelang es ihm, Martins Eltern davon zu überzeugen, daß das Schicksal ihres Sohnes zwangsläufig außerhalb Korsikas seine Erfüllung finden würde. 1894 kam der Junge daher, versehen mit einer Ausbildungsbeihilfe, als Internatsschüler in das Lycée Thiers in Marseille (das in Marcel Pagnols Kindheitserinnerungen schön beschrieben wird, einem Buch, das aufgrund der ausgezeichneten realistischen Rekonstruierung der Ideale, die eine Epoche begründen – exemplarisch verdeutlicht am Lebensweg eines begabten jungen Mannes aus sehr einfachen Verhältnissen – bis zum Schluß Martin Ceccaldis Lieblingslektüre sein sollte). 1902 bestand er die Aufnahmeprüfung für die Ecole Polytechnique und erfüllte somit gänzlich die Hoffnungen, die sein ehemaliger Grundschullehrer in ihn gesetzt hatte.

Im Jahr 1911 übernahm er einen Posten, der für seinen weiteren Lebensweg ausschlaggebend sein sollte. Er hatte den Auftrag, das gesamte algerische Territorium mit einem leistungsfähigen Wasserversorgungssystem zu versehen. Über fünfundzwanzig Jahre widmete er sich dieser Aufgabe, berechnete die Krümmung der Aquädukte und den Durchmesser der Rohrleitungen. 1923 heiratete er Geneviève July, Inhaberin eines Tabakwarengeschäfts, deren Familie, die ursprünglich aus dem Languedoc stammte, seit zwei Generationen in Algerien lebte. 1928 wurde ihnen ein Mädchen geboren: Janine.

Der Lebensbericht eines Menschen kann so lang oder kurz sein, wie man will. Die metaphysische oder tragische Variante, die sich letztlich auf die Angabe von Geburts- und Todesdaten beschränkt und traditionellerweise auf einem Grabstein zu finden ist, zeichnet sich natürlich durch ihre äußerste Kürze aus. Was Martin Ceccaldi angeht, scheint es angebracht, eine historische und soziale Dimension anzuführen, um den Akzent weniger auf die individuellen Merkmale der betreffenden Person als vielmehr auf die Entwicklung der Gesellschaft zu legen, für die das Individuum ein symptomatisches Element darstellt. Die symptomatischen Individuen führen, da sie zum einen von der historischen Entwicklung ihrer Epoche getragen werden und sich darüber hinaus bewußt für sie entschieden haben, im allgemeinen ein einfaches, glückliches Dasein; der Bericht kann in solchen Fällen daher auf ein oder zwei Seiten beschränkt werden. Janine Ceccaldi gehörte jedoch in die schwer zu erfassende Kategorie der Vorläufer. Da die Vorläufer zum einen sehr stark der von der Mehrheit ihrer Zeitgenossen geführten Lebensweise angepaßt sind, zum anderen aber darum bemüht sind, diese Lebensweise »von oben her« zu überwinden, indem sie sich für neue Verhaltensweisen einsetzen oder zur Verbreitung von noch wenig bekannten Verhaltensweisen beitragen, erfordert ihre Beschreibung im allgemeinen etwas mehr Raum, insbesondere auch deshalb, weil ihr Lebensweg oft viel gewundener und verworrener ist. Sie spielen jedoch ausschließlich eine Rolle als Beschleuniger historischer Prozesse – im allgemeinen historischer Zersetzungsprozesse –, ohne jemals den Ereignissen eine neue Richtung geben zu können, denn diese Rolle ist den Revolutionären oder den Propheten vorbehalten.

Schon sehr früh ließ die Tochter von Martin und Geneviève Ceccaldi außergewöhnliche geistige Fähigkeiten erkennen, die mindestens ebenso ausgeprägt waren wie die ihres Vaters, zu denen sich noch die Anzeichen eines äußerst unabhängigen Charakters gesellten. Sie verlor ihre Unschuld im Alter von dreizehn (was zu ihrer Zeit und in ihrem Milieu sehr ungewöhnlich war), ehe sie ihre Kriegsjahre (die in Algerien eher ruhig verliefen) damit verbrachte, die wichtigsten Bälle zu besuchen, die an jedem Wochenende stattfanden – zunächst in Constantine und dann in Algier; und all das, nicht ohne in jedem Schuljahr, im Frühjahr wie im Herbst, eindrucksvolle Zeugnisse vorzuweisen. Mit einem glänzenden Abiturzeugnis in der Tasche und mit soliden sexuellen Erfahrungen gerüstet, verließ sie 1945 ihre Eltern, um in Paris Medizin zu studieren.

Die Jahre unmittelbar nach dem Krieg waren mühselig und stürmisch; der industrielle Produktionswert war auf dem Tiefpunkt, und die Lebensmittelrationierung wurde erst 1948 aufgehoben. Jedoch innerhalb einer kleinen betuchten Randgruppe der Gesellschaft tauchten schon die ersten Anzeichen eines unterhaltsamen Libidinal-Massenkonsums auf, der aus den USA kam und sich im Lauf der folgenden Jahrzehnte auf die gesamte Gesellschaft ausdehnen sollte. Während ihres Studiums an der medizinischen Fakultät in Paris konnte Janine Ceccaldi die »existentialistischen« Jahre aus nächster Nähe miterleben und hatte sogar die Gelegenheit, mit Jean-Paul Sartre im Tabou einen Bebop zu tanzen. Das Werk des Philosophen beeindruckte sie wenig, die Häßlichkeit des Mannes dagegen, die an Körperbehinderung grenzte, erstaunte sie zutiefst, so daß der Zwischenfall ohne Folgen blieb. Sie selbst, von ausgesprochen südländischem Typ, war sehr hübsch und hatte zahlreiche Liebesabenteuer, ehe sie 1952 Serge Clément begegnete, der damals gerade seinen Facharzt als Chirurg machte.

»Möchten Sie wissen, wie mein Vater aussah?« sagte Bruno viele Jahre später gern. »Nehmen Sie einen Affen, rüsten Sie ihn mit einem Mobiltelefon aus, dann haben Sie eine Vorstellung von dem Mann.« Damals verfügte Serge Clément natürlich noch nicht über ein Mobiltelefon; aber er war tatsächlich stark behaart. Kurz gesagt, er sah überhaupt nicht gut aus; aber es ging etwas ausgesprochen Männliches und Unkompliziertes von ihm aus, das die junge Assistenzärztin wohl betörte. Außerdem hatte er hochfliegende Pläne. Eine Reise in die USA hatte ihn davon überzeugt, daß die Schönheitschirurgie einem ehrgeizigen Arzt beträchtliche Zukunftsmöglichkeiten bot. Die allmähliche Ausweitung des Markts der Verführungsindustrie, die damit verbundene Auflösung der traditionellen Ehe, der zu erwartende wirtschaftliche Aufschwung Westeuropas: all das deutete übereinstimmend darauf hin, daß auf diesem Sektor ausgezeichnete Wachstumschancen zu erwarten waren, und es war Serge Cléments Verdienst, diese Situation als einer der ersten in Europa – und zweifellos als erster in Frankreich – erkannt zu haben; sein Problem bestand nur darin, daß ihm das nötige Startkapital für dieses Vorhaben fehlte. Martin Ceccaldi, der von der Unternehmungslust seines zukünftigen Schwiegersohns positiv beeindruckt war, erklärte sich dazu bereit, ihm Geld zu leihen, und 1953 konnte die erste Klinik in Neuilly eröffnet werden. Der Erfolg, der durch die Berichterstattung in den Frauenzeitschriften unterstützt wurde, die zu jener Zeit einen Boom erlebten, war tatsächlich überwältigend, und 1955 konnte eine weitere Klinik auf den Anhöhen von Cannes eröffnet werden.

Das Paar führte damals das, was man später eine »moderne Ehe« nennen sollte, und es war eher Janines Unaufmerksamkeit zuzuschreiben, daß sie ein Kind von ihrem Mann erwartete. Dennoch beschloß sie, das Kind zu behalten; die Mutterschaft, so meinte sie, gehörte zu den Erfahrungen, die eine Frau machen mußte; die Schwangerschaft stellte sich im übrigen als eine eher angenehme Zeit heraus, und Bruno wurde im März 1956 geboren. Die mühselige Pflege, die das Aufziehen eines kleinen Kindes erfordert, erschien dem Paar sehr bald unvereinbar mit ihrem Ideal der persönlichen Freiheit, und so wurde Bruno 1958 in gegenseitigem Einvernehmen zu seinen Großeltern mütterlicherseits nach Algier geschickt. Zu jenem Zeitpunkt war Janine erneut schwanger; doch diesmal war Marc Djerzinski der Vater.

Von entsetzlichem, an Hungersnot grenzenden Elend getrieben, verließ Lucien Djerzinski 1919 das Bergbaurevier von Kattowitz, wo er zwanzig Jahre zuvor geboren war, weil er hoffte, in Frankreich Arbeit zu finden. Er begann als Arbeiter bei der Eisenbahn, zunächst beim Bau und später bei der Instandhaltung der Gleise, und heiratete Marie Le Roux – die Tochter eines aus Burgund stammenden Tagelöhnerehepaars –, die selbst bei der Eisenbahn angestellt war. Er zeugte mit ihr vier Kinder, ehe er 1944 bei einem Bombenangriff der Alliierten umkam.

Marc, das dritte Kind, war beim Tod seines Vaters vierzehn. Er war ein kluger, fleißiger, ein wenig trauriger Junge. Dank eines Nachbarn erhielt er 1946 eine Lehrstelle als Beleuchter in den Filmstudios der Pathé in Joinville. Er erwies sich sogleich als sehr begabt für diese Arbeit: Ausgehend von ein paar kurzen Anweisungen bereitete er vor der Ankunft des Kameramanns ausgezeichnete Lichteinstellungen vor. Henri Alekan schätzte ihn sehr und wollte ihn zu seinem Assistenten machen, als er 1951 beschloß, zum O.R.T.F. zu gehen, das gerade seine ersten Sendungen ausstrahlte.

Als er Anfang 1957 Janine kennenlernte, machte er eine Fernsehreportage über die gesellschaftlichen Kreise in Saint-Tropez. Im Mittelpunkt seines Berichts stand Brigitte Bardot (Und immer lockt das Weib war 1956 herausgekommen und löste den Bardot-Mythos aus), doch seine Reportage nahm auch verschiedene Künstler- und Literatenkreise unter die Lupe, insbesondere jene Gruppe, die später die »Sagan-Clique« genannt wurde. Dieses Milieu, zu dem Janine trotz ihres Geldes keinen Zugang hatte, faszinierte sie, und sie scheint sich wirklich in Marc verliebt zu haben. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, er habe das Zeug zu einem großen Filmemacher, was vermutlich sogar zutraf. Er arbeitete unter Reportagebedingungen mit leichtem Beleuchtungsgerät, und einfach dadurch, daß er ein paar Gegenstände umstellte, gelangen ihm verstörende Szenen, die zugleich realistisch, unbewegt und von tiefer Hoffnungslosigkeit waren und in gewisser Weise an Edward Hoppers Bilder erinnerten. Er ließ über die Berühmtheiten, mit denen er zusammenkam, einen teilnahmslosen Blick schweifen und filmte Bardot oder Sagan mit der gleichen Wertschätzung, als habe er Tintenfische oder Flußkrebse vor sich. Er sprach mit niemandem, schloß sich niemandem an; er war wirklich faszinierend.

Janine ließ sich 1958 von ihrem Mann scheiden, kurz nachdem sie Bruno zu ihren Eltern geschickt hatte. Es war eine Scheidung in gegenseitigem Einverständnis und aus beiderseitigem Verschulden. Großzügig überließ ihr Serge seine Anteile an der Klinik in Cannes, die ihr ein beträchtliches Einkommen sicherten. Nachdem sie sich mit Marc in einer Villa in Sainte-Maxime niedergelassen hatte, änderte er nichts an seiner ungeselligen Lebensart. Sie drängte ihn, sich um seine Karriere als Filmemacher zu kümmern; er stimmte zu, unternahm aber nichts, und begnügte sich damit, auf das nächste Reportagethema zu warten. Wenn sie abends ein großes Essen gab, aß er meistens vorher allein in der Küche; anschließend verließ er das Haus und ging am Ufer spazieren. Kurz bevor sich die Gäste verabschiedeten, kehrte er zurück und entschuldigte sich damit, er habe noch den Schnitt eines Films beenden müssen. Die Geburt seines Sohns im Juni 1958 löste bei ihm eine offensichtliche Störung aus. Minutenlang starrte er das Kind an, das eine verblüffende Ähnlichkeit mit ihm besaß: das gleiche scharf geschnittene Gesicht mit hervorstehenden Backenknochen; die gleichen großen grünen Augen. Kurz danach begann Janine, ihn zu betrügen. Er litt vermutlich darunter, aber das ist schwer zu sagen, denn er sprach tatsächlich immer seltener. Er errichtete kleine Altäre aus Kieselsteinen, Zweigen und Krebspanzern; dann fotografierte er sie in flach einfallendem Licht.

Seine Reportage über Saint-Tropez hatte großen Erfolg in der Branche, aber er weigerte sich, den Cahiers du cinéma ein Interview zu geben. Sein Ansehen stieg noch, nachdem ein kurzer, äußerst bissiger Dokumentarfilm im Fernsehen gezeigt wurde, den er im Frühjahr 1959 über die Jugendzeitschrift Salut les copains und die Popmusikfans gedreht hatte. Der Spielfilm interessierte ihn überhaupt nicht, und zweimal lehnte er es ab, mit Godard zu arbeiten. Etwa zur gleichen Zeit begann Janine, mit Amerikanern zu verkehren, die die Côte d’Azur besuchten. In den USA, in Kalifornien, war etwas grundlegend Neues im Entstehen begriffen. In Esalen, in der Nähe von Big Sur, wurden Kommunen gegründet, auf der Grundlage von sexueller Freiheit und dem Gebrauch psychedelischer Drogen, denen eine bewußtseinserweiternde Wirkung zugeschrieben wurde. Janine wurde die Geliebte von Francesco di Meola, einem Amerikaner italienischer Abstammung, der Ginsburg und Aldous Huxley kennengelernt hatte und zu den Gründern einer der Esalener Kommunen gehörte.

Im Januar 1960 fuhr Marc nach China, um eine Reportage über die kommunistische Gesellschaft neuer Prägung zu machen, die in der Volksrepublik im Aufbau begriffen war. Am Nachmittag des 23. Juni kehrte er nach Sainte-Maxime zurück. Es schien niemand im Haus zu sein. Doch ein splitternacktes, etwa fünfzehnjähriges Mädchen saß im Schneidersitz auf dem Wohnzimmerteppich. »Gone to the beach …«, erwiderte sie auf seine Fragen, ehe sie wieder in Lethargie verfiel. In Janines Schlafzimmer lag ein großer, offensichtlich betrunkener bärtiger Mann quer auf dem Bett und schnarchte. Marc spitzte die Ohren; er vernahm jammernde oder röchelnde Laute.

Im Schlafzimmer im ersten Stock herrschte ein entsetzlicher Gestank; die Sonne, die durch die Fenster hereindrang, warf ein grelles Licht auf die schwarzweißen Fliesen. Sein Sohn kroch unbeholfen über die Steinplatten, rutschte ab und zu in einer Pfütze aus Urin oder Exkrementen aus. Er kniff die Augen zusammen und jammerte unablässig. Als er die menschliche Gegenwart spürte, versuchte er, die Flucht zu ergreifen. Marc nahm ihn in die Arme; völlig verängstigt zitterte das kleine Wesen in seinen Händen.

Marc ging wieder nach draußen; in einem Geschäft in der Nähe kaufte er einen Kindersitz. Er hinterließ Janine eine kurze Nachricht, stieg in den Wagen, schnallte das Kind auf dem Sitz fest und fuhr in Richtung Norden. Auf der Höhe von Valence bog er ins Zentralmassiv ab. Es wurde dunkel. Ab und zu warf er zwischen zwei Kurven einen Blick auf seinen Sohn, der auf der Rückbank döste; er spürte eine seltsame Rührung in sich.

Von diesem Tag an wurde Michel von seiner Großmutter aufgezogen, die, seit sie im Ruhestand war, wieder in ihre Heimat, ins Departement Yonne zurückgekehrt war. Kurz darauf ging seine Mutter nach Kalifornien, um in di Meolas Kommune zu leben. Michel sollte sie nicht vor seinem fünfzehnten Lebensjahr wiedersehen. Er sollte übrigens auch seinen Vater nicht mehr oft wiedersehen. 1964 fuhr dieser nach Tibet, das zu jener Zeit unter chinesischer Besatzung stand, um dort eine Reportage zu machen. In einem Brief an seine Mutter versicherte er, es gehe ihm gut, und berichtete begeistert von den Errungenschaften des tibetanischen Buddhismus, den China gewaltsam auszumerzen versuchte; dann traf keine Nachricht mehr von ihm ein. Ein Protestschreiben Frankreichs an die chinesische Regierung blieb wirkungslos, und obwohl seine Leiche nicht gefunden wurde, erklärte man ihn ein Jahr später offiziell für tot.

5

Im Sommer 1968 ist Michel zehn. Seit seinem zweiten Lebensjahr lebt er allein mit seiner Großmutter. Sie leben in Charny, im Departement Yonne, nahe der Grenze zum Departement Loiret. Er steht morgens früh auf, um das Frühstück für seine Großmutter zuzubereiten; er hat sich auf einem speziellen Zettel notiert, wie lange der Tee ziehen muß, wie viele Scheiben Brot nötig sind und andere Dinge.

Häufig bleibt er bis zum Mittagessen in seinem Zimmer. Er liest Jules Verne, Pif der Hund oder Fünf Freunde; aber am häufigsten vertieft er sich in seine Buchreihe Das ganze Universum. Darin geht es um die Festigkeitslehre, die Form der Wolken und den Tanz der Bienen. Und es ist die Rede vom Taj Mahal, dem Palast, den ein König vor sehr langer Zeit zu Ehren seiner verstorbenen Königin errichten ließ, von Sokrates’ Tod oder der Erfindung der Geometrie vor dreitausend Jahren durch Euklid.

Nachmittags sitzt er im Garten. In kurzen Hosen, mit dem Rücken an den Kirschbaum gelehnt, spürt er die weiche Masse des Grases. Er spürt die Hitze der Sonne. Die Salatpflanzen nehmen die Hitze der Sonne in sich auf; sie nehmen auch Wasser in sich auf, und er weiß, daß er sie bei Einbruch der Dunkelheit gießen muß. Er liest weiter Das ganze Universum oder ein Buch aus der Reihe Hundert Fragen zu; er nimmt Wissen in sich auf.

Häufig fährt er auch mit dem Fahrrad durch die Gegend. Er tritt mit aller Kraft in die Pedale und füllt seine Lungen mit der Würze der Ewigkeit. Die Ewigkeit der Kindheit ist nur kurz, aber das weiß er noch nicht; die Landschaft gleitet vorüber.

In Charny gibt es nur noch ein Lebensmittelgeschäft; aber mittwochs kommt der Lieferwagen des Schlachters und freitags der des Fischhändlers; samstags kocht seine Großmutter oft Stockfisch in Sahnesoße zu Mittag. Michel verbringt jetzt seinen letzten Sommer in Charny, aber das weiß er noch nicht. Zu Beginn des Jahres hat seine Großmutter einen Schwächeanfall erlitten. Ihre beiden Töchter, die in einem Pariser Vorort leben, bemühen sich, in ihrer Nähe ein Haus für sie zu finden. Sie ist nicht mehr in der Lage, das ganze Jahr allein zu leben und sich um ihren Garten zu kümmern.

Michel spielt selten mit den Jungen in seinem Alter, versteht sich aber durchaus nicht schlecht mit ihnen. Er wird ein bißchen als Außenseiter betrachtet; er kommt sehr gut in der Schule zurecht, begreift alles ohne sichtliche Anstrengung. Seit jeher ist er der Beste in allen Fächern; selbstverständlich ist seine Großmutter stolz auf ihn. Doch er wird von seinen Klassenkameraden weder gehaßt noch schikaniert; er läßt sie bei den Klassenarbeiten wie selbstverständlich von sich abschreiben. Er wartet, bis sein Nachbar fertig ist, dann beginnt er eine neue Seite. Trotz seiner hervorragenden Leistungen sitzt er in der letzten Reihe. Die Verhältnisse im Reich der Kindheit sind unberechenbar.

6

An einem Sommernachmittag, als er noch im Departement Yonne lebte, ist Michel mit seiner Cousine Brigitte über die Wiesen gerannt. Brigitte war ein hübsches sechzehnjähriges, außerordentlich liebenswürdiges Mädchen, das einige Jahre später einen absoluten Vollidioten heiraten sollte. Es war im Sommer 1967. Sie nahm seine Hände und wirbelte ihn im Kreis um sich herum; dann ließen sie sich ins frisch gemähte Gras fallen. Er schmiegte sich an ihren warmen Busen; sie trug einen kurzen Rock. Am nächsten Tag waren sie mit kleinen roten Pickeln übersät, ein fürchterlicher Juckreiz überfiel sie am ganzen Körper. Der Thrombidium holosericum, auch Larve der Erntemilbe genannt, ist in den Wiesen im Sommer weit verbreitet. Sein Durchmesser beträgt etwa 2 Millimeter. Er besitzt einen kräftigen, fleischigen, stark gewölbten Leib von leuchtend roter Farbe. Er bohrt sein Rostrum in die Haut der Säugetiere und verursacht unerträgliche Reizungen. Die Linguatulia rhinaria, der Zungenwurm, lebt in den Nasen-, Stirn- oder Kieferhöhlen des Hundes und manchmal auch des Menschen. Der Embryo ist oval und besitzt einen Schwanzfortsatz; sein Mund verfügt über einen Bohrmechanismus. Zwei Paar Gliedmaßen (oder Klammerhaken) sind mit langen Klauen versehen. Das ausgewachsene Tier ist weiß, lanzettförmig und etwa 18 bis 85 Millimeter lang. Sein Körper ist flach, geringelt, durchsichtig und mit Chitinnadeln besetzt.