Friedrich Schiller



Die Piccolomini

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Klassiker als ebook herausgegeben bei RUTHeBooks, 2016


ISBN: 978-3-945667-18-7


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Dritter Auftritt



beide Piccolomini

Octavio:

Was nun, mein Sohn? Jetzt werden wir bald klar sein,
Denn alles, weiß ich, ging durch den Sesina.

Max der während des ganzen vorigen Auftritts in einem heftigen, innern Kampf gestanden, entschlossen:

Ich will auf kürzerm Weg mir Licht verschaffen.
Leb wohl!

Octavio:

Wohin? Bleib da!

Max:

Zum Fürsten.

Octavio erschrickt:

Was?

Max zurückkommend:

Wenn du geglaubt, ich werde eine Rolle
In deinem Spiele spielen, hast du dich
In mir verrechnet. Mein Weg muß gerad sein.
Ich kann nicht wahr sein mit der Zunge, mit
Dem Herzen falsch, nicht zusehn, daß mir einer
Als seinem Freunde traut, und mein Gewissen
Damit beschwichtigen, daß er's auf seine
Gefahr tut, daß mein Mund ihn nicht belogen.
Wofür mich einer kauft, das muß ich sein.
Ich geh zum Herzog. Heut noch werd ich ihn
Auffordern, seinen Leumund vor der Welt
Zu retten, eure künstlichen Gewebe
Mit einem graden Schritte zu durchreißen.

Octavio:

Das wolltest du?

Max:

Das will ich. Zweifle nicht.

Octavio:

Ich habe mich in dir verrechnet, ja.
Ich rechnete auf einen weisen Sohn,
Der die wohltät'gen Hände würde segnen,
Die ihn zurück vom Abgrund ziehn und einen
Verblendeten entdeck ich, den zwei Augen
Zum Toren machten, Leidenschaft umnebelt,
Den selbst des Tages volles Licht nicht heilt.
Befrag ihn! Geh! Sei unbesonnen gnug,
Ihm deines Vaters, deines Kaisers
Geheimnis preiszugeben. Nöt'ge mich
Zu einem lauten Bruche vor der Zeit!
Und jetzt, nachdem ein Wunderwerk des Himmels
Bis heute mein Geheimnis hat beschützt,
Des Argwohns helle Blicke eingeschläfert,
Laß mich's erleben, daß mein eigner Sohn
Mit unbedachtsam rasendem Beginnen
Der Staatskunst mühevolles Werk vernichtet.

Max:

Oh! diese Staatskunst, wie verwünsch' ich sie !
Ihr werdet ihn durch eure Staatskunst noch
Zu einem Schritte treiben. Ja, ihr könntet ihn,
Weil ihr ihn schuldig wollt, noch schuldig machen.
Oh! das kann nicht gut endigen und mag sich's
Entscheiden wie es will, ich sehe ahnend
Die unglückselige Entwicklung nahen.
Denn dieser Königliche, wenn er fällt,
Wird eine Welt im Sturze mit sich reißen,
Und wie ein Schiff, das mitten auf dem Weltmeer
In Brand gerät mit einem Mal und berstend
Auffliegt und alle Mannschaft, die es trug,
Ausschüttet plötzlich zwischen Meer und Himmel,
Wird er uns alle, die wir an sein Glück
Befestigt sind, in seinen Fall hinabziehn.
Halte du es, wie du willst! Doch mir vergönne,
Daß ich auf meine Weise mich betrage.
Rein muß es bleiben zwischen mir und ihm,
Und eh' der Tag sich neigt, muß sich's erklären,
Ob ich den Freund, ob ich den Vater soll entbehren.

indem er geht - fällt der Vorhang

 

 

Inhalt



Personen

Erster Aufzug

Erster Auftritt
Zweiter Auftritt
Dritter Auftritt
Vierter Auftritt
Fünfter Auftritt

Zweiter Aufzug

Erster Auftritt
Zweiter Auftritt
Dritter Auftritt
Vierter Auftritt
Fünfter Auftritt
Sechster Auftritt
Siebenter Auftritt

Dritter Aufzug

Erster Auftritt
Zweiter Auftritt
Dritter Auftritt
Vierter Auftritt
Fünfter Auftritt
Sechster Auftritt
Siebenter Auftritt
Achter Auftritt
Neunter Auftritt

Vierter Aufzug

Erster Auftritt
Zweiter Auftritt
Dritter Auftritt
Vierter Auftritt
Fünfter Auftritt
Sechster Auftritt
Siebenter Auftritt

Fünfter Aufzug

Erster Auftritt
Zweiter Auftritt
Dritter Auftritt

 

 

Personen



Wallenstein, Herzog zu Friedland, kaiserlicher Generalissimus im Dreißigjährigen Kriege

Octavio Piccolomini, Generalleutnant

Max Piccolomini, sein Sohn, Oberst bei einem Kürassierregiment

Graf Terzky, Wallensteins Schwager, Chef mehrerer Regimenter

Illo Feldmarschall, Wallensteins Vertrauter

Isolani, General der Kroaten

Buttler, Chef eines Dragonerregiments

Tiefenbach, Chef eines Dragonerregiments

Don Maradas, General unter Wallenstein

Götz, General unter Wallenstein

Colalto, General unter Wallenstein

Rittmeister Neumann, Terzkys Adjutant

Kriegsrat von Questenberg, vom Kaiser gesendet

Baptista Seni, Astrolog

Herzogin von Friedland, Wallensteins Gemahlin

Thekla, Prinzessin von Friedland, ihre Tochter

Gräfin Terzky, der Herzogin Schwester

ein Kornet

Kellermeister des Grafen Terzky

Friedländische Pagen und Bediente und Hoboisten

mehrere Obersten und Generale

 




Erster Aufzug

ein alter gotischer Saal auf dem Rathause zu Pilsen, mit Fahnen und anderm Kriegsgeräte dekoriert

Erster Auftritt



Illo mit Buttler und Isolani


Illo:

Spät kommt Ihr. Doch Ihr kommt! Der weite Weg,
Graf Isolan, entschuldigt Euer Säumen.

Isolani:

Wir kommen auch mit leeren Händen nicht!
Es ward uns angesagt bei Donauwerth,
Ein schwedischer Transport sei unterwegs
Mit Proviant, an die sechshundert Wagen.
Den griffen die Kroaten mir noch auf,
Wir bringen ihn.

Illo:

Er kommt uns grad zupaß,
Die stattliche Versammlung hier zu speisen.

Buttler:

Es ist schon lebhaft hier, ich seh's.

Isolani:

Ja, ja,
Die Kirchen selber liegen voll Soldaten,

sich umschauend

Auch auf dem Rathaus, seh ich, habt ichr euch
Schon ziemlich eingerichtet. Nun! nun! der Soldat
Behilft und schickt sich, wie er kann!

Illo:

Von dreißig Regimentern haben sich
Die Obersten zusammen schon gefunden,
Colalto, Götz, Maradas, Hinnersam,
Auch Sohn und Vater Piccolomini,
Ihr werdet manchen alten Freund begrüßen.
Nur Gallas fehlt uns noch und Altringer.

Buttler:

Auf Gallas wartet nicht.

Illo stutzt:
Wieso? Wißt Ihr ...

Isolani unterbricht ihn:
Max Piccolomini hier? Oh! führt mich zu ihm.
Ich seh ihn noch, es sind jetzt zehen Jahr,
Als wir bei Dessau mit dem Mansfeld schlugen,
Den Rappen sprengen von der Brücke herab
Und zu dem Vater, der in Nöten war,
Sich durch der Elbe reißend Wasser schlagen.
Da sproßt' ihm kaum der erste Flaum ums Kinn,
Jetzt, hör ich, soll der Kriegsheld fertig sein.

Illo:

Ihr sollt ihn heut noch sehn. Er führt aus Kärnten
Die Fürstin Friedland her und die Prinzessin,
Sie treffen diesen Vormittag noch ein.

Buttler:

Auch Frau und Tochter ruft der Fürst hieher?
Er ruft hier viel zusammen.

Isolani:

Desto besser.
Erwartet' ich doch schon von nichts als Märschen
Und Batterien zu hören und Attacken;
Und siehe da! der Herzog sorgt dafür,
Daß auch was Holdes uns das Aug' ergötze.

Illo der nachdenkend gestanden, zu Buttlern, den er ein wenig auf die Seite führt:

Wie wißt Ihr, daß Graf Gallas außen bleibt?

Buttler mit Bedeutung:

Weil er auch mich gesucht zurückzuhalten.

Illo warm:
Und Ihr seid fest geblieben?

drückt ihm die Hand

Wackrer Buttler!

Buttler:

Nach der Verbindlichkeit, die mir der Fürst
Noch kürzlich aufgelegt

Illo:

Ja, Generalmajor! Ich gratuliere!

Isolani:

Zum Regiment, nicht wahr, das ihm der Fürst
Geschenkt? Und noch dazu dasselbe, hör ich,
Wo er vom Reiter hat heraufgedient?
Nun, das ist wahr! dem ganzen Korps gereicht's
Zum Sporn, zum Beispiel, macht einmal ein alter
Verdienter Kriegsmann seinen Weg.

Buttler:

Ich bin verlegen,
Ob ich den Glückwunsch schon empfangen darf,
Noch fehlt vom Kaiser die Bestätigung.

Isolani:

Greif zu! greif zu! Die Hand, die ihn dahin
Gestellt, ist stark genug, Ihn zu erhalten,
Trotz Kaisern und Ministern.

Illo:

Wenn wir alle
So gar bedenklich sein wollten!
Der Kaiser gibt uns nichts, vom Herzog
Kommt alles, was wir hoffen, was wir haben.

Isolani zu Illo:

Herr Bruder! Hab ich's schon erzählt? Der Fürst
Will meine Kreditoren kontenieren.
Will selber mein Kaiser sein künftighin,
Zu einem ordentlichen Mann mich machen.
Und das ist nun das dritte Mal, bedenk' Er!
Daß mich der Königlichgesinnte vom
Verderben rettet und zu Ehren bringt.

Illo:

Könnt' er nur immer, wie er gerne wollte!
Er schenkte Land und Leut an die Soldaten.
Doch wie verkürzen sie in Wien ihm nicht den Arm,
Beschneiden, wo sie können, ihm die Flügel!
Da! diese neuen, saubern Forderungen,
Die dieser Questenberger bringt!

Buttler:

Ich habe mir
Von diesen kaiserlichen Forderungen auch
Erzählen lassen, doch ich hoffe,
Der Herzog wird in keinem Stücke weichen.

Illo:

Von seinem Recht gewißlich nicht, wenn nur nicht
Vom Platze!

Buttler betroffen:

Wißt Ihr etwas? Ihr erschreckt mich.

Isolani zugleich:

Wir wären alle ruiniert!

Illo:

Brecht ab!
Ich sehe unsern Mann dort eben kommen
Mit Gen'ralleutnant Piccolomini.

Buttler den Kopf bedenklich schüttelnd:
Ich fürchte,
Wir gehn nicht von hier, wie wir kamen.

Zweiter Auftritt



Vorige - Octavio Piccolomini - Questenberg


Octavio noch in der Entfernung:

Wie? Noch der Gäste mehr? Gestehn Sie, Freund!
Es brauchte diesen tränenvollen Krieg,
So vieler Helden ruhmgekrönter Häupter
In eines Lagers Umkreis zu versammeln.

Questenberg:

In kein Friedländisch Heereslager komme,
Wer von dem Kriege Böses denken will.
Beinah vergessen hätt' ich seine Plagen,
Da mir der Ordnung hoher Geist erschienen,
Durch die er, weltzerstörend, selbst besteht,
Das Große mir erschienen, das er bildet.

Octavio:

Und siehe da! ein tapfres Paar, das würdig
Den Heldenreihen schließt: Graf Isolan
Und Obrist Buttler. Nun, da haben wir
Vor Augen gleich das ganze Kriegeshandwerk.

Buttlern und Isolani präsentierend

Es ist die Stärke, Freund, und Schnelligkeit.

Questenberg zu Octavio:

Und zwischen beiden der erfahrne Rat.

Octavio zu Questenbergen an jene vorstellend:

Den Kammerherrn und Kriegsrat Questenberg,
Den Überbringer kaiserlicher Befehle,
Der Soldaten großen Gönner und Patron
Verehren wir in diesem würdigen Gaste.

Allgemeines Stillschweigen

Illo nähert sich Questenbergen:

Es ist das erste Mal nicht, Herr Minister,
Daß Sie im Lager uns die Ehr' erweisen.

Questenberg:

Schon einmal sah ich mich vor diesen Fahnen.

Illo:

Und wissen Sie, wo das gewesen ist?
Zu Znaym war's, in Mähren, wo Sie sich
Von Kaisers wegen eingestellt, den Herzog
Um Übernahm' des Regiments zu flehen.

Questenberg:

Zu flehn, Herr General? So weit ging weder
Mein Auftrag, daß ich wüßte, noch mein Eifer.

Illo:

Nun! Ihn zu zwingen, wenn Sie wollen. Ich
Erinnre mich's recht gut. Graf Tilly war
Am Lech aufs Haupt geschlagen, offen stand
Das Bayerland dem Feind, nichts hielt ihn auf,
Bis in das Herz von Östreich vorzudringen.
Damals erschienen Sie und Werdenberg
Vor unserm Herrn, mit Bitten in ihn stürmend
Und mit der kaiserlichen Ungnad' drohend,
Wenn sich der Fürst des Jammers nicht erbarme.

Isolani tritt dazu:

Ja, ja! 's ist zu begreifen, Herr Minister,
Warum Sie sich bei Ihrem heut'gen Auftrag
An jenen alten just nicht gern erinnern.

Questenberg:

Wie sollt' ich nicht! Ist zwischen beiden doch
Kein Widerspruch! Damalen galt es, Böhmen
Aus Feindes Hand zu reißen, heute soll ich's
Befrein von seinen Freunden und Beschützern.

Illo:

Ein schönes Amt! Nachdem wir dieses Böhmen,
Mit unserm Blut, dem Sachsen abgefochten,
Will man zum Dank uns aus dem Lande werfen.

Questenberg:

Wenn es nicht bloß ein Elend mit dem andern
Vertauscht soll haben, muß das arme Land
Von Freund und Feindes Geißel gleich befreit sein.

Illo:

Ei was! Es war ein gutes Jahr, der Bauer kann
Schon wieder geben.

Questenberg:

Ja, wenn Sie von Herden
Und Weideplätzen reden, Herr Feldmarschall.

Isolani:

Der Krieg ernährt den Krieg. Gehn Bauern drauf,
Ei, so gewinnt der Kaiser mehr Soldaten.

Questenberg:

Und wird um so viel Untertanen ärmer!

Isolani:

Pah! Seine Untertanen sind wir alle!

Questenberg:

Mit Unterschied, Herr Graf! Die einen füllen
Mit nützlicher Geschäftigkeit den Beutel,
Und andre wissen nur ihn brav zu leeren.
Der Degen hat den Kaiser arm gemacht;
Der Pflug ist's, der ihn wieder stärken muß.

Buttler:

Der Kaiser wär' nicht arm, wenn nicht so viel
Blutigel saugten an dem Mark des Landes.

Isolani:

So arg kann's auch nicht sein. Ich sehe ja,

indem er sich vor ihm hinstellt und seinen Anzug mustert

Es ist noch lang nicht alles Gold gemünzt.

Questenberg:

Gottlob! Noch etwas weniges hat man
Geflüchtet, vor den Fingern der Kroaten.

Illo:

Da! der Slawata und der Martinitz,
Auf die der Kaiser, allen guten Böhmen
Zum Ärgernisse, Gnadengaben häuft.
Die sich vom Raube der vertriebnen Bürger mästen,
Die von der allgemeinen Fäulnis wachsen,
Allein im öffentlichen Unglück ernten,
Mit königlichem Prunk dem Schmerz des Landes
Hohnsprechen, die und ihresgleichen laßt
Den Krieg bezahlen, den verderblichen,
Den sie allein doch angezündet haben.

Buttler:

Und diese Ladenschmarutzer, die die Füße
Beständig unterm Tisch des Kaisers haben,
Nach allen Benefizen hungrig schnappen,
Die wollen dem Soldaten, der vorm Feind liegt,
Das Brot vorschneiden und die Rechnung streichen.

Isolani:

Mein Lebtag denk ich dran, wie ich nach Wien
Vor sieben Jahren kam, um die Remonte
Für unsre Regimenter zu betreiben,
Wie sie von einer Antecamera
Zur andern mich herumgeschleppt, mich unter
Den Schranzen stehen lassen, stundenlang,
Als wär' ich da, ums Gnadenbrot zu betteln.