Der zerbrochne Krug

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Fußnoten

  1. Beschreibung

  2. Hartnäckigkeit

  3. bildhafte

  4. Metonymie: Ersetzung eines Wortes durch einen verwandten Begriff

  5. Verfolgungsinstrument

  6. verstellend

  7. der Rechtswissenschaft entsprechender

  8. Heiner Müller, »Deutschland Ortlos. Anmerkung zu Kleist«, in: Kleistjahrbuch (1991), S. 13–16, hier S. 16.

  9. Aristoteles, Poetik, Stuttgart 1961, S. 32.

  10. Durchlöcherung

  11. undurchsichtiges

Der zerbrochne Krug

Vorrede

Diesem Lustspiel liegt wahrscheinlich ein historisches Faktum, worüber ich jedoch keine nähere Auskunft habe auffinden können, zum Grunde. Ich nahm die Veranlassung dazu aus einem Kupferstich, den ich vor mehreren Jahren in der Schweiz sah. Man bemerkte darauf – zuerst einen Richter, der gravitätisch auf dem Richterstuhl saß: vor ihm stand eine alte Frau, die einen zerbrochenen Krug hielt, sie schien das Unrecht, das ihm widerfahren war, zu demonstrieren: Beklagter, ein junger Bauerkerl, den der Richter, als überwiesen, andonnerte, verteidigte sich noch, aber schwach: ein Mädchen, das wahrscheinlich in dieser Sache gezeugt hatte (denn wer weiß, bei welcher Gelegenheit das Deliktum geschehen war) spielte sich, in der Mitte zwischen Mutter und Bräutigam, an der Schürze; wer ein falsches Zeugnis abgelegt hätte, könnte nicht zerknirschter dastehn: und der Gerichtsschreiber sah (er hatte vielleicht kurz vorher das Mädchen angesehen) jetzt den Richter misstrauisch zur Seite an, wie Kreon, bei einer ähnlichen Gelegenheit, den Ödip. Darunter stand: der zerbrochene Krug. – Das Original war, wenn ich nicht irre, von einem niederländischen Meister.

Personen

Die Handlung spielt in einem niederländischen Dorfe bei Utrecht.

Szene: Die Gerichtsstube

Erster Auftritt

Adam sitzt und verbindet sich ein Bein. Licht tritt auf.

LICHT.

Ei, was zum Henker, sagt, Gevatter Adam!

Was ist mit Euch geschehn? Wie seht Ihr aus?

ADAM.

Ja, seht. Zum Straucheln braucht’s doch nichts, als Füße.

Auf diesem glatten Boden, ist ein Strauch hier?

Gestrauchelt bin ich hier; denn jeder trägt

Den leidgen Stein zum Anstoß in sich selbst.

LICHT.

Nein, sagt mir, Freund! Den Stein trüg jeglicher –?

ADAM.

Ja, in sich selbst!

LICHT.

    Verflucht das!

ADAM.

         Was beliebt?

LICHT.

Ihr stammt von einem lockern Ältervater,

10Der so beim Anbeginn der Dinge fiel,

Und wegen seines Falls berühmt geworden;

Ihr seid doch nicht –?

ADAM.

    Nun?

LICHT.

         Gleichfalls –?

ADAM.

              Ob ich –? Ich glaube –!

Hier bin ich hingefallen, sag ich Euch.

LICHT.

Unbildlich hingeschlagen?

ADAM.

    Ja, unbildlich.

Es mag ein schlechtes Bild gewesen sein.

LICHT.

Wann trug sich die Begebenheit denn zu?

ADAM.

Jetzt, in dem Augenblick, da ich dem Bett

Entsteig. Ich hatte noch das Morgenlied

Im Mund, da stolpr’ ich in den Morgen schon,

20Und eh ich noch den Lauf des Tags beginne,

Renkt unser Herrgott mir den Fuß schon aus.

LICHT.

Und wohl den linken obenein?

ADAM.

    Den linken?

LICHT.

Hier, den gesetzten?

ADAM.

    Freilich!

LICHT.

         Allgerechter!

Der ohnhin schwer den Weg der Sünde wandelt.

ADAM.

Der Fuß! Was! Schwer! Warum?

LICHT.

    Der Klumpfuß?

ADAM.

         Klumpfuß!

Ein Fuß ist, wie der andere, ein Klumpen.

LICHT.

Erlaubt! Da tut Ihr Eurem rechten Unrecht.

Der rechte kann sich dieser – Wucht nicht rühmen,

Und wagt sich eh’r aufs Schlüpfrige.

ADAM.

    Ach, was!

30Wo sich der eine hinwagt, folgt der andre.

LICHT.

Und was hat das Gesicht Euch so verrenkt?

ADAM.

Mir das Gesicht?

LICHT.

    Wie? Davon wisst Ihr nichts?

ADAM.

Ich müsst ein Lügner sein – wie sieht’s denn aus?

LICHT.

Wie’s aussieht?

ADAM.

    Ja, Gevatterchen.

LICHT.

         Abscheulich!

ADAM.

Erklärt Euch deutlicher.

LICHT.

    Geschunden ist’s,

Ein Greu’l zu sehn. Ein Stück fehlt von der Wange,

Wie groß? Nicht ohne Waage kann ich’s schätzen.

ADAM.

Den Teufel auch!

LICHT (bringt einen Spiegel).

    Hier! Überzeugt Euch selbst!

Ein Schaf, das, eingehetzt von Hunden, sich

40Durch Dornen drängt, lässt nicht mehr Wolle sitzen,

Als Ihr, Gott weiß wo? Fleisch habt sitzen lassen.

ADAM.

Hm! Ja! ’s ist wahr. Unlieblich sieht es aus.

Die Nas hat auch gelitten.

LICHT.

    Und das Auge.

ADAM.

Das Auge nicht, Gevatter.

LICHT.

    Ei, hier liegt

Querfeld ein Schlag, blutrünstig, straf mich Gott,

Als hätt ein Großknecht wütend ihn geführt.

ADAM.

Das ist der Augenknochen. – Ja, nun seht,

Das alles hatt ich nicht einmal gespürt.

LICHT.

Ja, ja! So geht’s im Feuer des Gefechts.

ADAM.

50Gefecht! Was! – Mit dem verfluchten Ziegenbock,

Am Ofen focht ich, wenn Ihr wollt. Jetzt weiß ich’s.

Da ich das Gleichgewicht verlier, und gleichsam

Ertrunken in den Lüften um mich greife,

Fass ich die Hosen, die ich gestern abend

Durchnässt an das Gestell des Ofens hing.

Nun fass ich sie, versteht Ihr, denke mich,

Ich Tor, daran zu halten, und nun reißt

Der Bund; Bund jetzt und Hos und ich, wir stürzen,

Und häuptlings mit dem Stirnblatt schmettr’ ich auf

60Den Ofen hin, just wo ein Ziegenbock

Die Nase an der Ecke vorgestreckt.

LICHT (lacht).

Gut, gut.

ADAM.

    Verdammt!

LICHT.

         Der erste Adamsfall,

Den Ihr aus einem Bett hinaus getan.

ADAM.

Mein Seel! – Doch, was ich sagen wollte, was gibt’s Neues?

LICHT.

Ja, was es Neues gibt! Der Henker hol’s,

Hätt ich’s doch bald vergessen.

ADAM.

    Nun?

LICHT.

Macht Euch bereit auf unerwarteten

Besuch aus Utrecht.

ADAM.

    So?

LICHT.

         Der Herr Gerichtsrat kömmt.

ADAM.

Wer kömmt?

LICHT.

    Der Herr Gerichtsrat Walter kömmt, aus Utrecht.

70Er ist in Revisionsbereisung auf den Ämtern

Und heut noch trifft er bei uns ein.

ADAM.

Noch heut! Seid Ihr bei Trost?

LICHT.

    So wahr ich lebe.

Er war in Holla, auf dem Grenzdorf, gestern,

Hat das Justizamt dort schon revidiert.

Ein Bauer sah zur Fahrt nach Huisum schon

Die Vorspannpferde vor den Wagen schirren.

ADAM.

Heut noch, er, der Gerichtsrat, her, aus Utrecht!

Zur Revision, der wackre Mann, der selbst

Sein Schäfchen schiert, dergleichen Fratzen hasst.

80Nach Huisum kommen, und uns kujonieren!

LICHT.

Kam er bis Holla, kommt er auch bis Huisum.

Nehmt Euch in Acht.

ADAM.

    Ach geht!

LICHT.

         Ich sag es Euch.

ADAM.

Geht mir mit Eurem Märchen, sag ich Euch.

LICHT.

Der Bauer hat ihn selbst gesehn, zum Henker.

ADAM.

Wer weiß, wen der triefäugige Schuft gesehn.

Die Kerle unterscheiden ein Gesicht

Von einem Hinterkopf nicht, wenn er kahl ist.

Setzt einen Hut dreieckig auf mein Rohr,

Hängt ihm den Mantel um, zwei Stiefeln drunter,

90So hält so’n Schubiack ihn für wen Ihr wollt.

LICHT.

Wohlan, so zweifelt fort, ins Teufels Namen,

Bis er zur Tür hier eintritt.

ADAM.

    Er, eintreten! –

Ohn uns ein Wort vorher gesteckt zu haben.

LICHT.

Der Unverstand! Als ob’s der vorige

Revisor noch, der Rat Wachholder, wäre!

Es ist Rat Walter jetzt, der revidiert.

ADAM.

Wenngleich Rat Walter! Geht, lasst mich zufrieden.

Der Mann hat seinen Amtseid ja geschworen,

Und praktisiert, wie wir, nach den

100Bestehenden Edikten und Gebräuchen.

LICHT.

Nun, ich versichr’ Euch, der Gerichtsrat Walter

Erschien in Holla unvermutet gestern,

Vis’tierte Kassen und Registraturen,

Und suspendierte Richter dort und Schreiber,

Warum? ich weiß nicht, ab officio.

ADAM.

Den Teufel auch? Hat das der Bauer gesagt?

LICHT.

Dies und noch mehr –

ADAM.

    So?

LICHT.

         Wenn Ihr’s wissen wollt.

Denn in der Frühe heut sucht man den Richter,

Dem man in seinem Haus Arrest gegeben,

110Und findet hinten in der Scheuer ihn

Am Sparren hoch des Daches aufgehangen.

ADAM.

Was sagt Ihr?

LICHT.

    Hülf inzwischen kommt herbei,

Man löst ihn ab, man reibt ihn, und begießt ihn,

Ins nackte Leben bringt man ihn zurück.

ADAM.

So? Bringt man ihn?

LICHT.

    Doch jetzo wird versiegelt,

In seinem Haus, vereidet und verschlossen,

Es ist, als wär er eine Leiche schon,

Und auch sein Richteramt ist schon beerbt.

ADAM.

Ei, Henker, seht! – Ein liederlicher Hund war’s –

120Sonst eine ehrliche Haut, so wahr ich lebe,

Ein Kerl, mit dem sich’s gut zusammen war;

Doch grausam liederlich, das muss ich sagen.

Wenn der Gerichtsrat heut in Holla war,

So ging’s ihm schlecht, dem armen Kauz, das glaub ich.

LICHT.

Und dieser Vorfall einzig, sprach der Bauer,

Sei schuld, dass der Gerichtsrat noch nicht hier;

Zu Mittag treff er doch ohnfehlbar ein.

ADAM.

Zu Mittag! Gut, Gevatter! Jetzt gilt’s Freundschaft.

Ihr wisst, wie sich zwei Hände waschen können.

130Ihr wollt auch gern, ich weiß, Dorfrichter werden,

Und Ihr verdient’s, bei Gott, so gut wie einer.

Doch heut ist noch nicht die Gelegenheit,

Heut lasst Ihr noch den Kelch vorübergehn.

LICHT.

Dorfrichter, ich! Was denkt Ihr auch von mir?

ADAM.

Ihr seid ein Freund von wohlgesetzter Rede,

Und Euren Cicero habt Ihr studiert

Trotz einem auf der Schul in Amsterdam.

Drückt Euren Ehrgeiz heut hinunter, hört Ihr?

Es werden wohl sich Fälle noch ergeben,

140Wo Ihr mit Eurer Kunst Euch zeigen könnt.

LICHT.

Wir zwei Gevatterleute! Geht mir fort.

ADAM.

Zu seiner Zeit, Ihr wisst’s, schwieg auch der große

Demosthenes. Folgt hierin seinem Muster.

Und bin ich König nicht von Mazedonien,

Kann ich auf meine Art doch dankbar sein.

LICHT.

Geht mir mit Eurem Argwohn, sag ich Euch.

Hab ich jemals –?

ADAM.

    Seht, ich, ich, für mein Teil,

Dem großen Griechen folg ich auch. Es ließe

Von Depositionen sich und Zinsen

150Zuletzt auch eine Rede ausarbeiten:

Wer wollte solche Perioden drehn?

LICHT.

Nun, also!

ADAM.

    Von solchem Vorwurf bin ich rein,

Der Henker hol’s! Und alles, was es gilt,

Ein Schwank ist’s etwa, der zur Nacht geboren,

Des Tags vorwitzgen Lichtstrahl scheut.

LICHT.

    Ich weiß.

ADAM.

Mein Seel! Es ist kein Grund, warum ein Richter,

Wenn er nicht auf dem Richtstuhl sitzt,

Soll gravitätisch, wie ein Eisbär, sein.

LICHT.

Das sag ich auch.

ADAM.

    Nun denn, so kommt Gevatter,

160Folgt mir ein wenig zur Registratur;

Die Aktenstöße setz ich auf, denn die,

Die liegen wie der Turm zu Babylon.

Zweiter Auftritt

Ein Bedienter tritt auf. Die Vorigen. – Nachher: Zwei Mägde.

DER BEDIENTE.

Gott helf, Herr Richter! Der Gerichtsrat Walter

Lässt seinen Gruß vermelden, gleich wird er hier sein.

ADAM.

Ei, du gerechter Himmel! Ist er mit Holla

Schon fertig?

DER BEDIENTE.

    Ja, er ist in Huisum schon.

ADAM.

He! Liese! Grete!

LICHT.

    Ruhig, ruhig jetzt.

ADAM.

Gevatterchen!

LICHT.

    Lasst Euern Dank vermelden.

DER BEDIENTE.

Und morgen reisen wir nach Hussahe.

ADAM.

Was tu ich jetzt? Was lass ich?

(Er greift nach seinen Kleidern.)

ERSTE MAGD (tritt auf).

170    Hier bin ich, Herr.

LICHT.

Wollt Ihr die Hosen anziehn? Seid Ihr toll?

ZWEITE MAGD (tritt auf).

Hier bin ich, Herr Dorfrichter.

LICHT.

    Nehmt den Rock.

ADAM (sieht sich um).

Wer? Der Gerichtsrat?

LICHT.

    Ach, die Magd ist es.

ADAM.

Die Bäffchen! Mantel! Kragen!

ERSTE MAGD.

    Erst die Weste!

ADAM.

Was? – Rock aus! Hurtig!

LICHT (zum Bedienten).

    Der Herr Gerichtsrat werden

Hier sehr willkommen sein. Wir sind sogleich

Bereit ihn zu empfangen. Sagt ihm das.

ADAM.

Den Teufel auch! Der Richter Adam lässt sich

Entschuldigen.

LICHT.

    Entschuldigen!

ADAM.

         Entschuldgen.

Ist er schon unterwegs etwa?

DER BEDIENTE.

180    Er ist

Im Wirtshaus noch. Er hat den Schmied bestellt;

Der Wagen ging entzwei.

ADAM.

    Gut. Mein Empfehl.

Der Schmied ist faul. Ich ließe mich entschuldgen.

Ich hätte Hals und Beine fast gebrochen,

Schaut selbst, ’s ist ein Spektakel, wie ich ausseh;

Und jeder Schreck purgiert mich von Natur.

Ich wäre krank.

LICHT.

    Seid Ihr bei Sinnen? –

Der Herr Gerichtsrat wär sehr angenehm.

– Wollt Ihr?

ADAM.

    Zum Henker!

LICHT.

         Was?

ADAM.

              Der Teufel soll mich holen,

190Ist’s nicht so gut, als hätt ich schon ein Pulver!

LICHT.

Das fehlt noch, dass Ihr auf den Weg ihm leuchtet.

ADAM.

Margrete! he! Der Sack voll Knochen! Liese!

DIE BEIDEN MÄGDE.

Hier sind wir ja. Was wollt Ihr?

ADAM.

    Fort! sag ich.

Kuhkäse, Schinken, Butter, Würste, Flaschen

Aus der Registratur geschafft! Und flink! –

Du nicht. Die andere. – Maulaffe! Du ja!

– Gotts Blitz, Margrete! Liese soll, die Kuhmagd,

In die Registratur!

(Die erste Magd geht ab.)

DIE ZWEITE MAGD.

    Sprecht, soll man Euch verstehn!

ADAM.

Halts Maul jetzt, sag ich –! Fort! schaff mir die Perücke!

Marsch! Aus dem Bücherschrank! Geschwind! Pack 200dich!

(Die zweite Magd ab.)

LICHT (zum Bedienten).

Es ist dem Herrn Gerichtsrat, will ich hoffen,

Nichts Böses auf der Reise zugestoßen?

DER BEDIENTE.

Je, nun! Wir sind im Hohlweg umgeworfen.

ADAM.

Pest! Mein geschundner Fuß! Ich krieg die Stiefeln –

LICHT.

Ei, du mein Himmel! Umgeworfen, sagt Ihr?

Doch keinen Schaden weiter –?

DER BEDIENTE.

    Nichts von Bedeutung.

Der Herr verstauchte sich die Hand ein wenig.

Die Deichsel brach.

ADAM.

    Dass er den Hals gebrochen!

LICHT.

Die Hand verstaucht! Ei, Herr Gott! Kam der Schmied schon?

DER BEDIENTE.

Ja, für die Deichsel.

LICHT.

    Was?

ADAM.

210         Ihr meint, der Doktor.

LICHT.

Was?

DER BEDIENTE.

    Für die Deichsel?

ADAM.

         Ach, was! Für die Hand.

DER BEDIENTE.

Adies, ihr Herrn. – Ich glaub, die Kerls sind toll. (Ab.)

LICHT.

Den Schmied meint ich.

ADAM.

    Ihr gebt Euch bloß, Gevatter.

LICHT.

Wieso?

ADAM.

    Ihr seid verlegen.

LICHT.

         Was!

(Die erste Magd tritt auf.)

ADAM.

              He! Liese!

Was hast du da?

ERSTE MAGD.

    Braunschweiger Wurst, Herr Richter.

ADAM.

Das sind Pupillenakten.

LICHT.

    Ich, verlegen!

ADAM.

Die kommen wieder zur Registratur.

ERSTE MAGD.

Die Würste?

ADAM.

    Würste! Was! Der Einschlag hier.

LICHT.

Es war ein Missverständnis.

DIE ZWEITE MAGD (tritt auf).

    Im Bücherschrank,

220Herr Richter, find ich die Perücke nicht.

ADAM.

Warum nicht?

ZWEITE MAGD.

    Hm! Weil Ihr –

ADAM.

         Nun?

ZWEITE MAGD.

              Gestern Abend –

Glock eilf –

ADAM.

    Nun? Werd ich’s hören?

ZWEITE MAGD.

         Ei, Ihr kamt ja,

Besinnt Euch, ohne die Perück ins Haus.

ADAM.

Ich, ohne die Perücke?

ZWEITE MAGD.

    In der Tat.

Da ist die Liese, die’s bezeugen kann.

Und Eure andr’ ist beim Perückenmacher.

ADAM.

Ich wär –?

ERSTE MAGD.

    Ja, meiner Treu, Herr Richter Adam!

Kahlköpfig wart Ihr, als Ihr wiederkamt;

Ihr spracht, Ihr wärt gefallen, wisst Ihr nicht?

230Das Blut musst ich Euch noch vom Kopfe waschen.

ADAM.

Die Unverschämte!

ERSTE MAGD.

    Ich will nicht ehrlich sein.

ADAM.

Halt’s Maul, sag ich, es ist kein wahres Wort.

LICHT.

Habt Ihr die Wund seit gestern schon?

ADAM.

    Nein, heut.

Die Wunde heut und gestern die Perücke.

Ich trug sie weiß gepudert auf dem Kopfe,

Und nahm sie mit dem Hut, auf Ehre, bloß,

Als ich ins Haus trat, aus Versehen ab.

Was die gewaschen hat, das weiß ich nicht.

– Scher dich zum Satan, wo du hingehörst!

In die Registratur! (Erste Magd ab.)

240    Geh, Margarete!

Gevatter Küster soll mir seine borgen;

In meine hätt die Katze heute morgen

Gejungt, das Schwein! Sie läge eingesäuet

Mir unterm Bette da, ich weiß nun schon.

LICHT.

Die Katze? Was? Seid Ihr –?

ADAM.

    So wahr ich lebe.

Fünf Junge, gelb und schwarz, und eins ist weiß.

Die schwarzen will ich in der Vecht ersäufen.

Was soll man machen? Wollt Ihr eine haben?

LICHT.

In die Perücke?

ADAM.

    Der Teufel soll mich holen!

250Ich hatte die Perücke aufgehängt,

Auf einen Stuhl, da ich zu Bette ging,

Den Stuhl berühr ich in der Nacht, sie fällt –

LICHT.

Drauf nimmt die Katze sie ins Maul –

ADAM.

    Mein Seel –

LICHT.

Und trägt sie unters Bett und jungt darin.

ADAM.

Ins Maul? Nein –

LICHT.

    Nicht? Wie sonst?

ADAM.

         Die Katz? Ach, was!

LICHT.

Nicht? Oder Ihr vielleicht?

ADAM.

    Ins Maul! Ich glaube –!

Ich stieß sie mit dem Fuße heut hinunter,

Als ich es sah.

LICHT.

    Gut, gut.

ADAM.

         Kanaillen die!

Die balzen sich und jungen, wo ein Platz ist.

ZWEITE MAGD (kichernd).

So soll ich hingehn?

ADAM.

260    Ja, und meinen Gruß

An Muhme Schwarzgewand, die Küsterin.

Ich schickt ihr die Perücke unversehrt

Noch heut zurück – ihm brauchst du nichts zu sagen.

Verstehst du mich?

ZWEITE MAGD.

    Ich werd es schon bestellen. (Ab.)

Dritter Auftritt

Adam und Licht.

ADAM.

Mir ahndet heut nichts Guts, Gevatter Licht.

LICHT.

Warum?

ADAM.

    Es geht bunt alles überecke mir.

Ist nicht auch heut Gerichtstag?

LICHT.

    Allerdings.

Die Kläger stehen vor der Türe schon.

ADAM.

– Mir träumt’, es hätt ein Kläger mich ergriffen,

270Und schleppte vor den Richtstuhl mich; und ich,

Ich säße gleichwohl auf dem Richtstuhl dort,

Und schält und hunzt und schlingelte mich herunter,

Und judiziert den Hals ins Eisen mir.

LICHT.

Wie? Ihr Euch selbst?

ADAM.

    So wahr ich ehrlich bin.

Drauf wurden beide wir zu eins, und flohn,

Und mussten in den Fichten übernachten.

LICHT.

Nun? Und der Traum meint Ihr –?

ADAM.

    Der Teufel hol’s.

Wenn’s auch der Traum nicht ist, ein Schabernack,

Sei’s, wie es woll, ist wider mich im Werk!

LICHT.

280Die läppsche Furcht! Gebt Ihr nur vorschriftsmäßig,

Wenn der Gerichtsrat gegenwärtig ist,

Recht den Parteien auf dem Richterstuhle,

Damit der Traum vom ausgehunzten Richter

Auf andre Art nicht in Erfüllung geht.