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Die Ehe ist ein Abenteuer – eines, das heute viel zu oft Schiffbruch erleidet. Die Gründe dafür sind so zahlreich wie verschieden. Aber was macht eine lang dauernde Beziehung aus? Gibt es ein Geheimrezept?

In diesem Buch erzählen sechs Paare ehrlich, offen und sehr lebendig von ihrer gemeinsamen Reise. Davon, wie sie zusammengefunden und zwischen vierzig und beinahe achtzig Jahre gemeinsames Leben und Lieben gemeistert haben. Beim Lesen von »Ja, ich will!« wird schnell klar: Dazu, wie es gelingt, alle Klippen über die Jahre zu umschiffen, gibt es viele Rezepte. Aber unter allen möglichen Zutaten darf eine nicht fehlen: der Respekt vor dem anderen. Der gemeinsame Nenner aller porträtierten Paare liegt exakt in der Tatsache, dass sie es geschafft haben, den Partner, die Partnerin in ihren Herzen älter werden und sich verändern zu lassen und dabei die Charakterzüge, in die man sich einst verliebte, nicht plötzlich gering, sondern auch noch nach Dekaden wertzuschätzen.

Dem Autor Ueli Oswald ist es gelungen, ganz unterschiedliche Paare in ihren eigenen Worten und im Dialog miteinander über ihr Leben und Lieben nachdenken und erzählen zu lassen. Entstanden sind sechs wunderbare, authentische und berührende Beziehungsgeschichten, die unsere eigene positiv beeinflussen können. Denn wer wünscht sie sich nicht, die ewig währende Liebe?

»Da geht diese tolle Frau auf diesen Schnösel in der Ecke zu, auf diesen Bergbauern, sagt zu mir: ›Hey Fredy, how are you?‹, und küsst mich.«

Fredi Morel, seit 1963 verheiratet mit Barbara

»Da vorne bei der Kanzel wusste ich schon, dass ich Ja sagen und treu bleiben werde. Damals dachte man, wenn man heiratet, ist das einmalig und für immer.«

Hanni Tschaggelar, seit 1934 verheiratet mit Werner

»Immer wieder fragen wir uns: Wo würden wir stehen, wenn das alles nicht passiert wäre? Vielleicht wären wir nur noch eine Zweckgemeinschaft.«

Fred Ryter, seit 1972 verheiratet mit Eva

»Was ist denn das anderes als Liebe, wenn er noch immer jeden Morgen zu mir kommt, mir einen Schmutz gibt und mich so sanft weckt?«

Ines Ehrsam, seit 1942 verheiratet mit Gottfried

»Es ist nicht immer einfach, zu zweit mit nur einem Bein. Aber unsere Beziehung ist auch heute im Alltag grundsätzlich einfacher, als wenn nur einer behindert wäre.«

René Kummer, seit 1973 verheiratet mit Ursula

»Ich hatte vor Ruth auch richtige Freundinnen. Aber Freundinnen ist das eine, und diese heiraten ist etwas anderes.«

René Loeb, seit 1966 verheiratet mit Ruth

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Ueli Oswald, geb. 1952, bildete sich in London und Hamburg zum Fotografen aus und studierte danach in Zürich Ethnologie und Publizistik. Nach einer Dekade als Journalist wirkte er zwischen 1993 und 2008 als Verlagsleiter von »NZZ Folio«, der Zeitschrift der »Neuen Zürcher Zeitung«. 2003 schloss er seine Ausbildung zum Mediator ab. 2009 erschien sein Buchdebüt »Ausgang« (Edition Epoca), eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit seinem Vater, der sich im hohen Alter für einen selbstbestimmten Tod entschied. Als die Idee an ihn herangetragen wurde, ein Buch über alte Paare zu schreiben, sagte er sofort zu. Ueli Oswald lebt in Zürich und ist als freier Publizist und Mediator tätig.

Ueli Oswald

Ja, ich will!

Wenn Liebe ewig währt

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Hanni und Werner Tschaggelar-Rüfenacht

Barbara und Fredi Morel-Mullen

Eva und Fred Ryter-Böhm

Ines und Gottfried Ehrsam-Wagner

Ursula und René Kummer-Knapp

Ruth und René Loeb-Feldmann

Glossar

Die Wörterseh-Bestseller

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Der Punkt auf den einzelnen Büchern steht für den höchsten Rang, den der entsprechende Titel auf der Schweizer Bestseller-Liste erreicht hat.

Alle Rechte vorbehalten, einschliesslich derjenigen des

© 2014 Wörterseh Verlag, Gockhausen

Lektorat: Claudia Bislin, Zürich, und Andrea Leuthold, Zürich

Print ISBN 978-3-03763-040-2

www.woerterseh.ch

Vorwort

Ewige Liebe, wer möchte das nicht! Ein Leben lang geliebt werden, die eigene Liebe geben für das Glück eines anderen. Geht das überhaupt – ein Leben lang? Gemäss Statistiken wird in unserem Land rund die Hälfte aller Ehen geschieden, andauernde, lieblos gewordene Ehen nicht inbegriffen. Die Dauerhaftigkeit von Beziehungen ohne Trauschein dürfte diejenige von Ehen kaum übertreffen. Wer findet also noch das grosse Liebesglück?

Was ist eigentlich wichtiger? Lieben oder geliebt werden? Gibt es Rezepte für glückliche Beziehungen, was sind die Zutaten? Bleibt die Liebe zu einem Menschen stets dieselbe, oder verändert sie sich im Laufe der Jahre, Jahrzehnte?

Wer könnte es besser wissen als jene Paare, die nach vierzig, fünfzig, sechzig, siebzig Jahren noch zusammen sind? Die Tschaggelars, Ehrsams, Loebs, Morels, Ryters und Kummers, Paare, deren Ausgangslage und Lebensumstände nicht unterschiedlicher hätten sein können. Sie alle erlebten auf ihrer gemeinsamen Fahrt Stürme des Lebens und der Liebe. Schiffbruch drohte durch kantige Klippen und verborgene Untiefen. Ein Paar kenterte, schwamm sich frei und stieg gemeinsam wieder ins Boot.

Ich danke allen in diesem Buch porträtierten Paaren, dass sie mich an ihren Leben so freimütig teilhaben liessen, ich bewundere ihre Offenheit, mit der sie über ihre Beziehung redeten – auch dort, wo es schmerzte. Und hoffe, dass durch ihre Erfahrungen andere ermutigt werden, die Suche nach der ewigen Liebe nie aufzugeben.

Das Patentrezept habe ich bei meinen Recherchen nicht gefunden – und bin froh darum. Wäre es so einfach, würden die Liebe und das Glück zur Massenware verkommen. So aber bleiben sie immer auch ein wenig Geheimnis und Mysterium.

Eines aber ist allen Paaren gemeinsam und offensichtlich eine tragende Basis für ein Leben in Liebe miteinander: der Respekt vor dem anderen.

Ueli Oswald, im Frühling 2014

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Hanni und Werner Tschaggelar

image 12. Juli 1934

Wenn man vom Bahnhof Worb Dorf die Hauptstrasse hinunter bis zur Bernstrasse spaziert, passiert man einen Friseur, den Coop, ein Café – Geschäfte, wie es sie heutzutage Hunderte gibt in einer Einkaufsstrasse. Wenn man dann auf der Bernstrasse nach links abbiegt, drängen sich auf der rechten Strassenseite Wohnblocks ans Trottoir. Dahinter, ganz unvermittelt, duckt sich ein kleines Haus mit Giebeldach und Garten in den Schatten seiner hochgeschossenen Nachbarn. Hier wohnen Hanni und Werner Tschaggelar, seit sie geheiratet haben. Hier hat Werner, der ehemalige Werkzeugschärfer, in der angebauten Werkstatt Geräte repariert, hat eigenhändig umgebaut und auch das Plumpsklo durch eine Toilette mit Wasserspülung ersetzt. Hier hat Hanni, seine Frau, die drei Töchter grossgezogen. Hier haben sie Wurzeln geschlagen, sind sie zusammen alt geworden, seit sie sich in der Kirche von Biglen das Jawort gegeben haben.

Werner: Wir lernten uns in Rüfenacht beim Tanz kennen.

Hanni: Meine Schwester und ihr Mann waren in der Dorfmusik. Die hatten wieder einmal einen Familienabend, und da sagte meine Schwester: »Komm doch auch an den Familienabend.«

Werner: Ich konnte schon etwas tanzen. Als die Musik zu spielen begann, schaute ich mich ein bisschen um und warf ein Auge auf Hanni. Gleichzeitig wollte aber auch ein anderer aus Gümligen mit ihr tanzen. So konnte sie auslesen, ob sie diesen Bauern wollte oder mich.

Hanni: Er kam einfach und forderte mich zum Tanz auf. Ich fand ihn nett.

Werner: Tanzen konnte sie nicht gut, aber das war mir egal.

Hanni: Er war bei der Worber Musik und trug eine schöne Uniform. Er gefiel mir, nur schon weil er…Was spieltest du da, Posaune?

Werner: Sax Sopran, nein, Sax Alt. Manchmal auch Tuba und Posaune. Im Aktivdienst waren wir eine prima Musik mit siebenundzwanzig Mann. Da hatte ich den B-Bass.

Hanni: Ich wusste noch nichts über Werner, gar nichts. Ich fragte einen anderen Musikanten: »Du, was ist das für einer, wie heisst der? Tschaggelar? Den Namen habe ich noch nie gehört.« Ich fand auch heraus, wo Werner wohnte. Du hattest von Anfang an einen Töff.

Werner: Ich hatte eine Harley.

Hanni: Das war etwas Besonderes!

Werner: Und im Dienst fuhr ich Harley-Seitenwagen.

Hanni: O ja, er war ein Schnittiger, und schlank. Er gefiel mir schon. Das war neunzehnhundert… ouhh, wann war das? Du hattest gerade einen neuen Töff, damit krachtest du bei uns zu Hause ins Tenn rein. Das muss wohl im Sommer 1933 gewesen sein (lacht).

Werner: Ich hatte da noch keinen Ausweis und fragte Hanni, ob ich den Töff bei ihnen unterstellen könne. Ich fahre mit der Harley den Weg hoch, drehe nach links ab, der Töff rutscht unten weg, zack, ins Tenntor rein. Aber es machte weder dem Tor noch dem Töff etwas.

Hanni: Ja, das war im Sommer, weil wir danach viel mit dem Töff ausfuhren, aber nur für einen Tag, weil die Eltern natürlich nicht wollten, dass man zusammen übernachtet. Einmal waren wir in Neuenburg, dort konnten wir bei einer Tante übernachten.

Ich arbeitete damals in der Migros, die war noch ganz neu, man durfte noch nicht sagen »Ich arbeite in der Migros«, das hatte mit der Politik zu tun.

Werner: Das war, als sie noch mit den Verkaufswagen herumfuhren.

Hanni: Ich war zuvor zwei Jahre im Welschen und wusste nicht, was ich lernen wollte. Ich dachte, vielleicht wäre es noch schön, eine Bürolehre zu machen. Dann sagte ein Verwandter zu mir: »Ja, Hanni, jetzt bist du schon zwanzig, was willst du jetzt noch drei Jahre lernen, du heiratest ja sowieso.« In der Migros verdiente ich auch ein bisschen.

Werner: Aber nicht viel!

Hanni: Vielleicht etwa zweihundert Franken. Für mich war das viel. In der Migros verkauften wir alles abgepackt für einen Franken oder einen Franken fünfzig. Werner holte mich mit dem Töff an der Station in Gümligen ab und brachte mich nach Hause, weil ich einen recht weiten Weg hatte.

Werner: Und einmal sagte eine am Bahnhof zu ihr: »Was willst du mit so einem jungen Schnuufer!« Dabei ist sie vier Jahre jünger. Wir machten dann ab und zu es Cherli mit dem Töff.

Hanni: So lernten wir uns immer besser kennen. Manchmal war er auch bei uns zu Hause, da waren meine Eltern ganz human. An freien Tagen fuhren wir mit der Harley aus. Einmal fiel ich vom Töff, verletzte mich aber zum Glück nicht.

Werner: Im Egghölzli war das. Auf vereister Strasse nimmt es mich in einer Kurve unten raus. Ich werfe Hanni ab, fahre weiter. Ja, und dann merkte ich es plötzlich…

Hanni:… aber ich hatte nie Angst, Werner war ein guter Fahrer, er war ja im Militär auch Offiziersfahrer.

Werner: Ich fuhr, bis ich achtundneunzig war, zuerst Töff, später dann ab fünfzig mit dem Döschwo. Ich verursachte nie einen Unfall. Dann wollte die Polizei, dass ich die Prüfung wieder mache, sie sagten, ich würde unsicher fahren. Das war aber nicht wahr, die haben mich gar nie fahren sehen. Ich ging also zum Fahrlehrer, den kannte ich gut, und der sagte zu mir: »Du kommst nicht mehr durch die Prüfung.« »Ja, wieso nicht?« »In deinem Alter, mit achtundneunzig, wieso willst du noch durchkommen?« »Ich möchte halt gern weiterfahren.« »Ich sage dir, du kommst nicht mehr durch, da kannst du machen, was du willst.« Ich ging trotzdem zur Prüfung. Aber am Schluss sagte der Prüfer: »Ich kann Ihnen den Ausweis nicht mehr geben.« Ich reklamierte, aber es nützte nichts, wo es doch nur noch zwei Jahre bis hundert gedauert hätte. Aber d Mueter (Hanni) war froh, dass ich nicht mehr fahren durfte.

Hanni: An Weihnachten 1933 verlobten wir uns. Wenn man verlobt ist, dann ist das schon ein Eheversprechen. In Biglen bei der Uhrmacherin hatten wir vorher zusammen Ringe ausgesucht, und die gaben wir uns dann. Wir feierten bei meiner älteren Schwester.

Werner: Ja, in Bern. Wir brachten Sauerkraut mit, das hatten wir hinten auf dem Töff festgebunden. Der Saft des Krauts verursachte aber einen Kurzschluss, und wir mussten danach fisterlig heimfahren.

Hanni: Ich hatte vor der Verlobung schon herumgefragt, was das für einer ist. Ich schaute schon drauf, dass ich einen tüchtigen Mann finde. Er arbeitete in Worb und hatte einen rechten Beruf.

Werner: Ich half den Arbeiterturnverein gründen und den Arbeiter-Touring-Bund, den Motorfahrerklub. Man kannte mich damals im Dorf, heute aber noch mehr! Kürzlich ging ich mit dem Rollator zur Gemeindeversammlung und diskutierte fleissig mit. Die Leute wunderten sich schon ein wenig.

Hanni: O ja, du hast schon damals gewusst, was du wolltest. Ich erinnere mich, wie ich das erste Mal mit deiner Mutter hinter eurem Haus vorbeispazierte. Das war kurz vor der Verlobung, und eure Untermieterin schaute aus eurem Haus und rief: »Die zwei Donnerstäsche, die passen zusammen!« Die Untermieter zogen dann aus, und die Wohnung stand leer. Werner war schon sechsundzwanzig und sagte: »Komm, jetzt heiraten wir doch.« Ich selber war vielleicht schon noch ein bisschen jung. Aber es ist ja jetzt gut herausgekommen.

Werner: Das war wie selbstverständlich gewesen, ich fragte Hanni nie, ob sie mich heiraten will. Ihre Eltern schon, ich fragte sie, ob sie unserer Heirat zustimmen würden. Vorher prüften sie mich aber noch ein wenig, Sie wollten wissen, ob ich einen Chnüppel in einer Schnur lösen könne. Den brachte ich in aller Ruhe auf, und alles war klar.

Hanni: Nach der Hochzeit wohnten wir im Haus von Werners Eltern, sie wohnten im ersten Stock und wir im Parterre. Das Haus war gerade renoviert worden, und die Möbel für unsere Wohnung liessen wir machen. Ich selbst wuchs als Tochter eines Uniformschneiders des Zeughauses Bern in einem sehr alten Haus auf.

Werner: Das störte mich nicht, dass die ein so altes Haus hatten. Ich heiratete ja die junge Frau. Ein Kollege hatte seine Freundin gefragt, wie viel sie auf dem Kassenbüchlein habe. Mir war das egal, ich wollte Hanni so oder so.

Hanni: Gross zum Tanz gingen wir nicht. Ich konnte es nicht gut und hatte auch nie Freude daran. Werner war ein guter Tänzer, er half mir schon ein bisschen nach. Und musikalisch war er auch.

Werner: Zwei Posaunen habe ich heute noch, aber ich spiele sie nicht mehr.

Hanni: Am 12. Juli 1934 heirateten wir. Wir konnten nicht am Samstag heiraten, weil die Schwiegermutter dann z Märit war. Deshalb war die Hochzeit am Donnerstag. Das Hochzeitskleid habe ich heute noch. Ich kaufte es fixfertig beim Loeb. »Dass du mir dann nicht einen weissen Rock hast«, mahnte meine Schwiegermutter. Das erschien ihr zu hoffärtig. Da sagte meine Mutter: »Du, der musst du doch überhaupt nicht gehorchen, kannst du nachher noch genug.« Meine Schwiegermutter war ein bisschen altmodisch und befahl gern – wie Werner auch, der hats nicht gestohlen.

Werner: Das Kleid war wunderschön, überhaupt die ganze Hochzeit war schön.

Hanni: Der Garten war voll von Rosen.

Werner: Ja, voller schöner Rosenbogen.

Hanni: Zivil heirateten wir am Morgen etwa um zehn Uhr. Da musste man Zeugen mitnehmen, meine Schwester und ihr Mann, der arbeitete sowieso dort im Gemeindehaus. Die kirchliche Trauung war am Nachmittag. Eine meiner Schwestern war Coiffeuse, sie machte mich zurecht. Werner durfte mich erst sehen, als ich den Schleier anhatte und er mich zu Hause abholte.

Werner: Das war damals so Mode.

Hanni: Am Nachmittag um zwei Uhr fuhren wir mit dem Car von Gümligen nach Biglen in die Kirche. Und im »Bären«, vis-à-vis der Kirche, assen wir zu Mittag.

Werner: Der »Bären« war zu jener Zeit weltbekannt. Ich trug einen schwarzen Anzug, wir waren einfache Leute. Hanni hatte zwei Brüder und zwei Schwestern, und wir von meiner Seite waren zu viert, der Öschgu, d Grite, der Wäutu und ich. Von uns vieren war ich der Einzige, der einen Beruf gelernt hatte.

Hanni: Mein Hochzeitskleid habe ich noch immer im Schaft. Nach der Hochzeit liess ich das Hochzeitskleid schwarz färben, ich dachte, vielleicht für eine andere Hochzeit. Aber ich trug es nie mehr, ich war zu Hause die Jüngste, da konnte ich nicht mehr an die Hochzeit der Brüder und Schwestern gehen, die waren schon verheiratet.

Werner: Meine Eltern sind natürlich gekommen. Aber der jüngste Bruder war gerade in Wengen, der servierte dort und konnte nicht dabei sein, und der Öschgu kam auch nicht und d Grite auch nicht, die hatte kleine Kinder. Von meinen Geschwistern kam niemand ausser …

Hanni:… also, die Geschwister Tschaggelar hatten noch eine Halbschwester, die kam mit dem Musikdirektor Rey von Burgdorf.

Werner: Wir sagten ihr immer nur Schwester. Ihr Vater war ein Küfermeister, den die Mutter in erster Ehe geheiratet hatte und der gestorben war. Frieda war noch klein und wurde von meinem Vater nie richtig akzeptiert. Aber sie ist schon auch bei uns aufgewachsen, das wollte Mutter so.

Hanni: Frieda kam zusammen mit Herrn Rey an unsere Hochzeit.

Sie war manches Jahr bei dem Musikdirektor angestellt und war dort Mädchen für alles.

Werner: Unsere Halbschwester hiess Marschall, nicht Tschaggelar. Sie starb dann aber mit fünfunddreissig an Lungentuberkulose.

Hanni: In der Kirche war ich ein bisschen aufgeregt. Meine älteste Schwester kam mit den Kindern nach vorne zur Kanzel, die waren etwa drei- oder vierjährig und schwatzten ständig (lacht). Da vorne bei der Kanzel wusste ich schon, dass ich Ja sagen werde und dass ich treu bleiben werde. Damals dachte man, wenn man heiratet, ist das einmalig und für immer.

Werner: Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie das war. Trugst du einen Schleier?

Hanni: Eben, den Schleier konntest du schon bei mir zu Hause lüften. Nach der Hochzeit gingen wir rüber in den »Bären«. Zum Essen gabs zwei Gänge und natürlich eine Bernerplatte, das war wichtig. Zum Dessert wäre eine Schüssel voller Kirschen vorgesehen gewesen, aber die wurden in der Küche vergessen. Doch das störte uns nicht. Danach fuhren wir hier zum Haus meiner Schwiegereltern, in dem wir die Wohnung im Parterre bezogen. Es gewitterte, und einige erbrachen sich da hinten in den Bach, die hatten im »Bären« wohl ein bisschen zu viel getrunken. Hier in unserem neuen Zuhause reichte die Schwiegermutter Aufschnitt zum Znacht. Wir waren dann nicht mehr so viele, die Schwester mit den kleinen Kindern war schon gegangen.

Werner: Am Hochzeitstag tanzten wir nie.

Hanni: Doch, mein Bruder holte mich einmal zum Tanz

Werner: Am Abend kam die Musik. Die bliesen uns im Garten ein Ständchen.

Hanni: Das war so schön!

Werner: Nachher gingen wir ins »Kreuz« rüber, und ich bezahlte denen ein Fässlein Bier. Bis etwa zehn Uhr blieben wir dort im »Kreuz«.

Hanni: Er sagte damals: »Aber gell, wir wollen dann früh ins Bett.«

(Lacht.) Er war stets ein Lustiger. Das war auch die erste Nacht, in der wir beisammen waren. Am Freitag ging Werner schon wieder arbeiten. Wir hatten teure Möbel von einem Schreinermeister gekauft. Meine Eltern wollten das so, die hatten den gut gekannt. Werner musste dann diese Möbel abverdienen. Aber wir hatten Freude daran. Und am Samstag, zwei Tage nach der Hochzeit, war ich schon wieder allein. Werner sollte um sieben Uhr mit der Arbeit in Gümligen anfangen. Ich war noch im Bett, als um neun Uhr ein Nachbar kam und sagte: »Dein Mann ist verunglückt, er ist im Spital.«

Werner: Ich wollte mit dem Töff zum Schreiner, der die Möbel gemacht hatte. Dann kam ein Pöstler mit Schuss eine Strasse hinunter: Der fährt bis in die Mitte der Strasse, hält nach links rüber, erwischt mich am Guidon, es kehrt den Töff, und ich bleibe liegen. Der Bauer vis-à-vis schaute zu, wie es passierte. Dem Pöstler mit dem Velo machte es nicht viel, mir zertrümmerte es den Kiefer, Zähne waren ausgeschlagen – aber ich lebe auf jeden Fall noch. Der Pöstler wurde natürlich zu hundert Prozent verurteilt.

Hanni: Zufällig war einer meiner Brüder gerade bei mir, wir fuhren mit dem Auto sofort nach Bern. Ich erinnere mich gut, als wir dort ankamen, lag er noch so dort, wie sie ihn gebracht hatten, voll Blut. Sie wollten ihn noch den Studenten zeigen. Werner erkannte mich von weitem und rief: »Hanni, Hanni!« Aber sonst wusste er nichts mehr, nicht einmal, ob er verheiratet war oder nicht. Er war beim Unfall wohl ohnmächtig geworden.

Werner: Die Strassen waren frisch gekiest worden.

Hanni: Er hat furchtbar ausgesehen, das Gesicht zerschlagen.

Werner: Damals fuhr man noch ohne Helm.

Hanni: Ich wollte bei ihm bleiben, man wusste ja nicht, wie es weitergeht.

Werner: Ich weiss nicht, ob ein Helm etwas genützt hätte. Ich habe die Zähne wohl am Guidon angeschlagen, die wären ohnehin unterhalb des Helms gewesen.

Hanni: Ich hatte Angst, ich wusste ja nicht, was ist. Zum Glück hatte er nur diese Verletzungen im Gesicht. Aber beim Verletzten bleiben durfte man damals nicht. Heute dürfte man das vielleicht. Am zweiten Tag, als ich ihn wieder besuchte, lag er schon bei den anderen in einem Zwölfersaal. Sie hatten ihn wieder zugenäht, und er sah schon besser aus. Aber reden konnte er nicht. Dann entliessen sie ihn nach Hause. Doch weil ihn der Kiefer weiterhin stark schmerzte, ging er nach ein paar Tagen noch einmal ins Inselspital.

Werner: Dort zogen sie extra den Professor Egger hinzu. Der drückte an meinem Kiefer rum und sagte: »Da ist etwas wohl nicht so gut, das müssen wir röntgen.« Nachher sahen sie, dass der Kiefer gebrochen war.

Hanni: Im Ganzen lag Werner zehn Tage im Spital und war darauf noch einen Monat arbeitsunfähig.

Werner: Später fuhr ich mit dem Töff ins Spital, um die Heilung zu zeigen.

Hanni: Werner war verhältnismässig schnell wieder zwäg. Er trank nicht und rauchte nicht. Und sein Kopf hielt halt schon etwas aus. Während Werner im Spital war, übernachtete ich bei meiner Schwester, sie wollte nicht, dass ich so allein bin. Telefon hatten wir damals noch nicht. In den Flitterwochen waren wir nicht: Zuerst der Unfall, und danach hatte Werner viel Arbeit, wir mussten ja auch die Möbel abverdienen. Aber er war geschickt und fleissig.

Werner: Mit meiner Arbeit hatte ich immer Glück, ich war ja ursprünglich Maschinist. Ich arbeitete manchmal – ohne z plagiere – wie für zwei, aber ohne den doppelten Lohn. Damals dachte man nicht daran, mehr Lohn zu heuschen. Einmal, als ich in einer Schreinerei arbeitete, hörte ich an einer Gewerkschaftsversammlung, dass die einen mehr Lohn bekamen. Wir fanden, das gehe nicht und jemand müsse das der Betriebsleitung sagen. Ich sagte: »Ich brauche keinen, der für mich redet, ich mache das selbst.« Der Chef liess mich dann aufs Büro kommen, und ich sagte ihm, dass wir in der Schreinerei fünf Rappen mehr Lohn wollten. Er jammerte und sagte schliesslich: »Also gut, zwei Rappen, mehr kann ich nicht geben.« In der Versammlung hatten wir aber beschlossen, dass wir hart bleiben, das sagte ich ihm, und am Schluss hat er nachgegeben. Wir waren natürlich gespannt, wie viel es am Zahltag wirklich gab. Ich bekam sechs Rappen mehr und die anderen vier. Die wussten schon, der Tschaggelar arbeitet gut.

Hanni: In den ersten Ehejahren merkte man bei uns hier noch nicht so, dass in Deutschland etwas passierte.

Werner: Man merkte schon, dass etwas nicht sauber war, aber alle Länder machten ja weiterhin mit Hitler ihre Geschäfte. Dabei sind die Juden därewäg verfolgt worden. Und 1939 ging es los, ein Land nach dem anderen wurde eingenommen, das war unglaublich. Ich war im Aktivdienst und fuhr den Hauptmann im Seitenwagen herum. Die Schweiz wurde ja nicht angegriffen. Da fragte einer in einer Pause: »Was würdet ihr machen, wenn der Feind käme?« Ich sagte: »De Chare nä u is Reduit hingere!« Am Abend wusste der Hauptmann schon, dass ich das gesagt hatte. Dann hiess es: »Tschaggelar, ins Büro!« Der Hauptmann pfiff mich an: »Was schnured ihr da so blöd?« Ich sagte ihm: »Zuerst kommen die Deutschen mit den Flugzeugen und nachher mit den Flammenwerfern hinterher, dann wären wir sowieso nirgends mehr.« Der Hauptmann schaute mich an und sagte: »Ja, ja, aber erzählen Sie das nicht mehr in der Gegend herum.« Wenn wir wenigstens für den Ernstfall geübt hätten, aber einfach den Taktschritt zu üben, das darfst du nicht machen, wenn die kommen. Wir hatten auch schöne Erlebnisse. Manchmal, wenn wir ein Chörli beisammenhatten, sangen wir am Hauptverlesen.

Hanni: In Zürich war die Landi, ich war da mit den Schwiegereltern. Werner musste schon einrücken, er konnte nicht mitkommen. Ruth, unsere erste Tochter, kam 1937 auf die Welt. Sie war bei Kriegsausbruch schon zweijährig, da war ich dann wieder viel allein. Wir hatten auch Militär in den Zimmern oben einquartiert, einen Koch, der brachte uns gelegentlich Essen. Das Heidi wurde im Januar 40 geboren. Für die Geburt war ich im Frauenspital. Werner war nicht dabei, damals waren die Männer noch nicht dabei, und er war sowieso gerade wieder im Dienst, aber er bekam dann Urlaub. Stillgeld bekam ich nicht, ich konnte keine Milch geben.

Werner: Auch die Kinderzulage kannte man nicht.

Hanni: Finanziell war noch kaum etwas geregelt, Lohnersatz gab es keinen. Es ging trotzdem, ich brauchte nicht viel, und meine Eltern haben mir manchmal etwas gschoppet. Ja, die fünf Jahre im Militär, das schweisst zusammen.

Werner: Wir hatten ein Dreimädelhaus, die Letzte, die Vreni, hätte doch eigentlich ein Bub werden sollen. Heute bin ich froh, dass sie ein Mädchen ist, die ist behilflich.

Hanni: Die Buben kamen dann schneller, als es einem lieb war, die Buben, welche die Mädchen abholten.

Werner: Heute sind schon zwei Schwiegersöhne gestorben, der erste vor vierzehn Jahren und im letzten September der Mittlere. Der erste Schwiegersohn brach mit dreiundsechzig Jahren in der WC-Anlage seiner Bäckerei zusammen und war tot. Wenn man denkt, was das für ein Schock war für seine Frau.

Hanni: Das dritte Kind, die Vreni, kam erst sieben Jahre nach dem zweiten, 1947, auf die Welt. Da sind wir schon für einen Moment erchlüpft, aber dann hatten wir Freude, dass noch ein Kind kam. Werner war zuerst etwas enttäuscht, weil es wieder ein Mädchen war. Männer haben halt zuerst gern Buben. Aber es ist ja gut gekommen, Vreni war ganz ein Liebes und wurde von den Schwestern verwöhnt.

Werner: Also ein besonders strenger Vater war ich nicht, ich hatte es nicht nötig, streng zu sein. Gross rumkommandieren musste ich nicht, die haben das schon gemerkt.

Hanni: Du brauchtest sie nur anzuschauen. Da war einmal ein Versicherungsinspektor bei uns, und Werner warf unseren Mädchen nur einen Blick zu, weil sie Faxen machten oder zappelten. Da wussten die, was los war. Oder er sagte zur Tochter nur ganz scharf »Vrenele«, dann wusste sie, jetzt ist fertig. Die Mädchen haben halt nachgegeben – wenn er Buben gehabt hätte, wäre das vielleicht auch nicht immer so gewesen. Bei der Feuerwehr war Werner Vizekommandant, da befahl er dann: »Du gehst mir die Schuhe putzen, du gehst Knöpfe putzen!«, das ging immer so. Er konnte schon befehlen. Zu Hause auch.

Werner: Die Töchter kamen eine nach der anderen in die Sekundarschule. Da wurden die jungen Worber Familien ein bisschen jalouse. Die hätten ihre Kinder auch gern in der Sekundarschule gesehen.

Hanni: In jener Zeit hast du auch Versicherungen verkauft.

Werner: Ja, im Nebenamt verkaufte ich für die Helvetia Versicherungen, achtundvierzig Jahre machte ich das, dafür bekam ich dann diese Pendüle.

Hanni: Das lag ihm schon, gut reden konnte er immer (lacht).

Werner: Aber ich gab den Kunden nie einen Blödsinn an, sonst hätte ich nicht achtundvierzig Jahre am gleichen Platz arbeiten können. Mein Nachfolger machte das nur knapp zwei Jahre. Der machte im Hauptamt nicht so viel wie ich im Nebenamt.

Hanni: Und in der Musik warst du Ehrenmitglied, das gefiel mir, wenn er da in der Uniform herumging.

Werner: Dort war ich auch einige Zeit Materialverwalter. Und d Mueter war einmal Ehrendame an einem Fest.

Hanni: Es war wohl sonst keine da. Die Tracht musste ich leihen und die Miete selber bezahlen.

Werner: Das schaute man als selbstverständlich an. Und was ist heute selbstverständlich? Nichts mehr!

Hanni: Ich schaute zur Familie und war noch im Samariterverein. Früher war ich im Vorstand. Jetzt bin ich nicht mehr so aktiv, aber bei den Alten immer noch dabei.

Werner: Die Henri-Dunant-Medaille hast du bekommen.

Hanni: Als die Vreni noch klein war, ging ich manchmal am Samstag in der Migros im Egghölzli arbeiten. Ihre älteren Schwestern gingen damals am Samstag noch in die Schule, und Vreni konnte ich meiner Freundin geben. Ich wollte arbeiten gehen, der Schwiegervater war ein bisschen…ein Böser…da wollte ich einfach ein bisschen wegkommen. Zur Schwiegermutter war das Verhältnis gut, aber zum Schwiegervater – also zuerst war er auch nicht so.

Werner: Er war kein bisschen ein Grossätti, wie er im Büchlein steht. Auf jeden Fall musste die Kleine darunter leiden, weil er es lieber gesehen hätte, wenn sie ein Bub geworden wäre.

Hanni: Wenn sie da draussen im Wagen lag – so ein liebes Meiteli –, aber der schaute nie in den Wagen, tat, als wäre sie nicht da. Aber dass ich von der Migros manchmal Nahrungsmittel nach Hause brachte, das schätzten die Schwiegereltern dann schon auch. Wir hatten zwar im Garten selber Früchte und Gemüse, aber anderes bekam ich dort umsonst oder konnte es ganz billig kaufen.

Werner: Ich verstand nie, warum der Vater so zu uns war. Ich bin gerade das Gegenteil, habe nie getrunken, nie etwas Blödes gemacht. Neun Jahre ging ich zur Schule und fehlte nie. Auch die Schwester und der älteste Bruder fehlten nie. Aber der Jüngste, der fehlte dann in der Schule – und der ist zuerst gestorben.

Hanni: Ich war die Jüngste, ich machte den älteren Geschwistern einfach alles nach, mit den Brüdern den Rossdung auf der Strasse einsammeln, Ähren auflesen, Heu rechen, alles machten wir. Nach der Schule war ich für eine Weile im Welschland und bekam für einen ganzen Tag Arbeit einen Franken. Und als ich bei der Migros nach vier Jahren heiratete, liessen sie mich nicht gern gehen. Sie schrieben mir ins Zeugnis »Wir bedauern …«, aber sie würden begreifen, dass ich diesen Weg eingeschlagen hätte. Ich hätte noch Filialleiterin machen sollen, aber ich sagte: »Tut mir leid, wir sind verlobt, ich werde bald heiraten.« Später zum Aushelfen ging ich wieder hin. Dann fragte mich der Konsum Worb, ob ich nicht zu ihnen kommen wolle, statt immer mit dem Velo nach Bern zu trampen. Das gab zwar weniger Lohn, aber ich war näher von daheim, und ich wollte ja vor allem ein bisschen rauskommen. Wir arbeiteten viel, als Kinder sowieso. Ich ging noch gern mit den zwei älteren Töchtern Ähri auflesen, als Werner im Dienst war.

Werner: Auch Haselnüssli und Buchennüssli, die brachte man dann i d Öli.

Hanni: Und in die Beeren gingen wir auch.

Werner: Mit fünfzig fing ich mit dem eigenen Geschäft an. Ich hatte eine Werkzeug-Schärferei, ich ging in die Betriebe, vor allem in Schreinereien, sammelte das Werkzeug ein und schärfte es in der eigenen Werkstatt. Bis siebzig arbeitete ich, dann übergab ich das Geschäft dem Schwiegersohn. Als der Vater gestorben war, übernahm ich das Heimetli, und dann begann der Streit mit der Gemeinde. Die Gemeinde hatte Land ohne die notwendigen Zufahrtswege gekauft. Sie bauten hier eine Reihe Häuser, eins nach dem anderen, und zuletzt luchsten sie dem Vater den Weg ab, »ohne die unabdingbaren Voraussetzungen«. Bei den nächsten Gemeindepräsidentswahlen sorge ich dafür, dass der nicht mehr gewählt wird. Mit denen streite ich jetzt schon lange. Nächste Woche ist die Wahl.

Hanni: Werner will einfach nicht nachgeben. Aber jetzt will ich noch erzählen, was wir damals in der Freizeit unternahmen. Als die Kinder noch klein waren, fuhren wir ab und zu in die Berge in die Ferien. Wir haben gern Milch. Wir waren da in einer Sennhütte im Diemtigtal und hatten die Milch frisch vom Stall. Nachdem die Kinder ausgeflogen waren, machten wir an Sonntagen auch Ausfahrten mit dem Töff oder im Döschwo. Am Morgen ging man noch z Predigt, dann fuhren wir los und assen unterwegs. Werner war ein zuverlässiger Fahrer. Er fuhr nicht so schnell – gut, mit dem Döschwo kann man sowieso nicht schnell fahren. Manchmal sagte er: »Komm, wir machen noch ein Fährtli«. Das freute mich immer, ich fuhr gern Auto.

Werner: Das Leben war schon anders geworden, als die Kinder draussen waren.

Hanni: In einem Sommer wollten wir mal in eine Ferienhütte eines Vereins.

Werner: Als wir in Frutigen waren, dachten wir, die Hütte ist wohl auf dem Elsighorn. Da marschierten wir dann rauf, aber da war nichts. Dann sagte einer: »Ja, für die Hütte hättet ihr ins Elsigbach sollen und nicht ins Elsighorn.«

Hanni: Vom Elsighorn sieht man auf den Blausee hinunter.

Werner: Im Elsigbach, das waren unsere schönsten Ferien. Ums Haus hatten wir ganz viele Tiere, Kühe und Geissen. Und weisst du noch, im Diemtigtal oben, da war doch dieses Paar aus dem Belgisch-Kongo, die waren auch in den Ferien. Am Abend sagte der: »Du kannst uns sicher beim Jassen helfen.« Ich sagte: »Also, ich kann nicht jassen«, und er meinte, das gehe schon. Dann jassten wir drei – d Mueter half nicht mit. Ich war mit der Frau zusammen gegen ihren Mann, und den brachten wir zweimal unter den Boden. Wenn man die richtigen Karten hat, kann man schon jassen.

Das Interessanteste war aber die Furka-Bergstrecke. Da wurde einmal auf einer Tour der Vergaser vom Töff heiss, und ich musste ihn erst wieder kalt werden lassen. D Mueter musste alles zu Fuss hochlaufen, weil ich nicht wusste, ob ich wieder starten kann. Und kalt wars! Als ich dann später wieder bei ihr war, ist ihr schon wieder warm geworden.

Wir sind auch Mitglieder des Vereins Furka-Bergstrecke. Wir zahlen noch immer unsere Beiträge, und ich warb selbst viele Mitglieder an. Im Verein arbeitete ich häufig mit. Zum Beispiel, als ein paar der Dampflokomotiven, die einst nach Vietnam geliefert worden waren, dort aber unterdessen nicht mehr gebraucht wurden und verrotteten, wieder zurückgeholt werden konnten. Als die in der Schweiz ankamen, mussten wir hurtig mit dem Ölkännchen ran, um zu schmieren.

Hanni: Werner half dort oft mit, statt in die Ferien zu gehen. Es ist wunderbar dort oben. Wir machten aber auch viele Reisen ins Ausland. Unser erster Flug war nach Mallorca. O, ich hatte Angst auf dem Flugzeug! Ich schaute runter und dachte, ich kann ja nicht schwimmen. Das Jahr darauf flogen wir nach Israel, das ging dann vier Stunden, und danach reisten wir nach Ägypten und nach Kreta. Ich dachte manchmal einfach, das wäre schön, wenn wir da oder da hinkönnten, und meldete uns an. Einmal sind wir in drei Monaten dreimal auf Reisen gegangen.

Werner: Ja, d Mueter organisierte die Reisen, und ich bezahlte (lacht). Mir machte das Fliegen Spass. Das war doch schön, über die Berge zu fliegen und dort unten Schneehasen zu sehen.

Hanni: Manchmal machten wir Carreisen.

Werner: Da gingen wir so auf Werbefahrten, einmal kauften wir zwei Kaschmirdecken. Die sind noch wie neu und dienen uns heute noch gut.

Hanni: Ich sage immer, wir durften die Welt nach der Pensionierung erleben, aber der Schwiegersohn konnte das nicht, weil er vorher starb. Ja, wir hatten Glück. Man ging gern, aber man kam auch gern wieder heim. Wir waren nie lange im Ausland, höchstens vierzehn Tage. Meistens acht Tage, dann musste man wieder zurück, um den Garten zu pflegen. Auslandreisen waren auch erst möglich, als sich Werner mit siebzig pensionieren liess. Vorher unterstützten wir auch die Schwiegermutter, die ja im oberen Stock wohnte. Die hatte ein bisschen die Hosen an, auch als ich als ganz Junge ins Haus kam. Ich musste schon ein bisschen folgen. Aber z Gschidere git na.

Werner: Auf alle Fälle seid ihr gut miteinander ausgekommen.

Hanni: