Francesco Petrarca: Canzoniere

 

 

Francesco Petrarca

Canzoniere

 

 

 

Francesco Petrarca: Canzoniere

 

Übersetzt von Karl August Förster

 

Neuausgabe mit einer Biographie des Autors.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2016.

 

ISBN 978-3-8430-7851-1

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-8430-8447-5 (Broschiert)

ISBN 978-3-8430-8448-2 (Gebunden)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

Erstdruck: Venedig 1470.

 

Der Text dieser Ausgabe folgt:

Petrarca, Francesco: Italienische Gedichte. 3 Bände in einem, übers. v. Carl Förster, Wien: Chr. Fr. Schade, 1827

 

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Des Dichters Vorwort an die Leser

Die ihr, wie sie durch meine Reime weben,

Den Seufzern lauscht, womit mein Herz ich nährte,

Als mich der Jugend erster Wahn bethörte,

Als anders war, als jetzt, zum Theil mein Leben, –

 

Wechselndem Styl, dem weinend ich ergeben,

Seit eitles Hoffen mich und Weh verzehrte,

Wird, wo Erfahrung Liebe kennen lehrte,

Mitleid, hoff' ich, zu Theil, nicht bloß Vergeben.

 

Wohl seh' ich nun, wie ich in Aller Munde

Das Mährlein lange war, und solch Bekenntniß

Macht, daß beschämt ich drob in mir erglühe;

 

Und meiner Thorheit einz'ge Frucht zur Stunde

Ist Scham und Reu' und deutliche Erkenntniß,

Daß Weltlust wie ein kurzer Traum entfliehe.[12]

 

 

I

In meines ersten Alters süßen Tagen,

Die jene wilde Gier im Keim noch sahen,

So mir zum Weh sich fort und fort entfaltet,

Als Amor es verschmähte, mir zu nahen,

Wie da ich lebt' ein Freyer, will ich sagen,

Weil Schmerzens Gluth im Singen oft erkaltet;

Erzählen dann, wie zornig sich gestaltet

Sein Wesen drob und was daraus entsprungen,

Wodurch ich ward ein Beyspiel vielen Leuten;

Obwohl zu andern Zeiten

Ich meine bittre Schmach so viel besungen,

Daß tausend Federn ich schon stumpf geklaget

Und rings durch Thäler meine Seufzer tönen,

Die meines Lebens Ungemach erzählen. –

Und läßt mich treulos mein Gedächtniß fehlen,

Mir sonst so treu, mag euch mein Schmerz versöhnen

Und ein Gedanke, der mich so bethöret,

Daß jeder andre ihm den Rücken kehret,

Der so gewaltsam mich mir selbst genommen,

Daß Rind' ich nur, er meinen Kern bekommen.

 

Seit jenem Tag', als mich zuerst die Liebe

Bekrieget, waren viel der Jahr' entflogen;

Schon war der Jugend Blüthenzeit vergangen;

Ein starrer Frost war mir an's Herz gezogen;

Den Eingang sperrend jedem wilden Triebe

Hielt er's mit einer Demantrind' umfangen,[15]

Noch badeten nicht Thränen mir die Wangen

Und raubten mir den Schlaf; der Andern Streben,

Mir unbekannt, mußt' ich als Wunder deuten.

Weh mir! so war's vor Zeiten!

Der Abend lobt den Tag, der Tod das Leben.

Denn, als er, den ich meyne, wahrgenommen

Wie bis dahin durch des Gewandes Mitten

Kein Pfeil gedrungen war zu meinem Leibe,

Verband er sich mit einem mächt'gen Weibe,

Vor der Verstand und Stärk' und reuig Bitten

So jetzt, als ehe, nimmer aufgekommen.

Durch beyde ward mein Wesen mir genommen:

Sonst Mensch, ward ich ein Lorbeer, grün belaubet,

Dem seine Blätter auch der Frost nicht raubet.

 

Wie ward mir da, als ich zuerst erkannte,

Wie so mein Wesen allzumahl geschwunden,

Als ich die Locken werden sah zu Zweigen,

Die ich im Geist zum Kranz mir schon gewunden,

Den Fuß, auf dem ich stand und ging und rannte,

(Weil nach dem Herzen sich die Glieder neigen,)

Als Wurzel sah zu Fluthen niedersteigen,

Nicht des Peneus, zu weit stolzern Wogen,

Und als zwey Aeste sich die Arme strecken.

Bald, zu nicht minderm Schrecken,

Sah ich mit weißen Federn mich umzogen,

Als meine Hoffnung, wie vom Blitz geschlagen,

Erstarb, weil allzuhoch sie sich geschwungen.

Denn ich, unwissend, wo und wann sie wieder

Zu finden, wankte weinend auf und nieder,

Bey Tag und Nacht, wo sie mir ward entrungen,

Um sie im Strom', am Ufer zu erfragen.

Da ließ nie ab die Zunge, zu beklagen[16]

So lang' sie konnte, was sie ach! verloren.

Drum ward mir Schwanes Farb' und Stimm' erkoren.

 

So hab' ich längs dem theuren Strand gesungen,

Und wollt' ich reden, sang ich dennoch immer,

Erflehend Gnade mir mit fremdem Munde;

Doch in so holden Lauten tönte nimmer,

Daß sie das rauhe wilde Herz bezwungen,

Der heißen Liebe schmerzensvolle Kunde.

Noch brennt bey dem Gedanken mir die Wunde!

Jedoch viel mehr bey dem noch, was des Weitern

Von meiner Feindinn bitter-süßem Walten

Ich ferner muß entfalten,

Wiewohl der Rede Künst' all' daran scheitern. –

Sie, der beym ersten Blick die Herzen dienen,

Mir aus verschloßner Brust das Herz entwandte,

Gebiethend mir, davon kein Wort zu sagen.

Drauf kehrte sie so anders im Betragen,

Daß ich – o Menschensinn! – sie nicht erkannte,

Bis ich ihr Wahrheit both mit scheuen Mienen.

Und zornig da, wie sonst sie mir erschienen,

Kehrt schnell sie um, und wandelt – weh mir Armen! –

Zu Steine mich, den kaum noch Lebenswarmen.

 

So finstern Blicks erhob sie drauf die Rede,

Daß ich erzitterte in meinem Steine:

»Nicht bin ich, was dir lügen deine Sinnen!«

Drauf ich zu mir: »Befrey'te mich die Eine,

Wär' mir kein Leben traurig mehr und öde;

O Herr, laß wieder meine Thränen rinnen!« –

Wie, weiß ich nicht – genug ich ging von hinnen,[17]

Mich nur, sonst Niemand weiter anzuklagen;

Den halben Tag rang mit dem Tod mein Leben.

Was weiter sich begeben,

Kann nimmer Alles meine Feder sagen;

Drum will ich vieles Andere verschweigen,

So mir im Herzen lebt, und wenig künden,

Was Jeglichem Bewund'rung abgezwungen.

Mir hatte sich der Tod um's Herz geschlungen,

Nicht konnt' ich's schweigend seiner Hand entwinden,

Noch Beystand der bedrängten Tugend reichen,

Verbothen war mir lauten Wortes Zeichen;

Drum mit Papier und Tint' hab' ich geschrieen:

»Nicht bin ich mein! sterb' ich, habt ihr die Mühen!«

 

So glaubt' ich, ihre Huld mir zu bewahren,

Und mich Unwürd'gen Lohnes werth zu machen,

Und in der Hoffnung hatt' ich Muth gefunden;

Doch Demuth pfleget Zorn bald anzufachen,

Bald löscht sie ihn. Das Erst' hab' ich erfahren

Darauf in jenen langen finstern Stunden,

Als mir mein Licht bey meinem Flehn entschwunden. –

Da ihren Schatten nicht, noch Fußes Spuren

Ich rings erspähte, sank, dem zu vergleichen,

Den Träum' am Weg' beschleichen,

Entkräftet eines Tag's ich auf die Fluren,

Und, klagend ob des flücht'gen Strahles Schnelle,

Begann der Thränen Zügel ich zu lösen,

Und ließ sie fallen, wie es ihnen däuchte;

Und nimmer so im Sonnenstrahl erweichte

Der Schnee, wie da zerrann mein ganzes Wesen.

An einer Buche Fuß ward ich zur Quelle,

Und lange hielt befeuchtet ich die Stelle.[18]

Wer sah aus Menschen Quellen je entspringen?

Ich aber rede von bekannten Dingen.

 

Die Seele, die nur Gott so reich erhöhet,

(Denn solche Anmuth kann kein Andrer leihen)

Dem Schöpfer huldigt jeder ihrer Schritte;

Drum wird sie niemahls satt, dem zu verzeihen,

Der, Reu' in Herz und Mienen, zu ihr flehet,

Daß nach der Sünd' er ihre Gnad' erbitte.

Wenn aber länger gegen ihre Sitte

Sie flehen läßt, und streng' in's Aug' ihm blicket:

Thut sie's, weil sie der Sünde Fortgang scheuet;

Denn ernstlich nicht bereuet

Ein Uebel, wer zu anderm an sich schicket.

Und als nun voll Erbarmen mich die Reine

In's Auge faßt' und meines Jammers Weise

Im Gleichgewicht ersah mit meinen Sünden,

Ließ hold mein Wesen sie mich wiederfinden.

Doch keinem Dinge traue ganz der Weise;

Als ich von neuem bath, schuf mein Gebeine

Und meine Nerven sie zum Kieselsteine.

Von alter Last war Stimme nur geblieben,

Die Tod und nur den Nahmen rief der Lieben.

 

Ein finstrer Geist zog irr ich hin und wieder,

Und fand' durch öde Kluft und Felsenwände

Viel Jahre lang mein ungezähmt Verlangen;

Doch endlich fand ich meines Leidens Ende,

Und kehrte heim in die verlaßnen Glieder,

Drin größre Schmerzen, glaub' ich, zu empfangen.

Und so bin meiner Lust ich nachgegangen,

Daß, als ich einst nach meiner Weise jagte,

Das schöne, scheue Wild ich nackend sahe[19]

In einem Quell ganz nahe,

Als glühend über mir die Sonne tagte.

Und weil an nichts so gern mein Blick sich weidet,

Stand ich und sah verschämt ihr Auge sinken,

Und, sich zu rächen oder sich zu schützen,

In's Antlitz ihre Hand mir Wasser spritzen.

Wahr ist es – mag es Lüg' auch andern dünken –

Ich fühlte mich vom eignen Leib' entkleidet,

Und ward ein Hirsch, der von der Welt sich scheidet,

Irrend, unstet von Wald zu Wald zu ziehen,

Und muß noch jetzt vor'm Schwarm der Hunde fliehen.

 

Canzone, nicht der Wolke glich mein Walten,

Die golden einst herabsank durch die Lüfte,

Und Jovis Feuerglanz zum Theil gelindet;

Doch Flamme war ich, die ein Blick entzündet,

Ein Aar mit ihr ich durch den Aether schiffte,

Zu deren Preis sich meine Wort' entfalten,

Und ließ bey allem Wechsel der Gestalten

Den Lorbeer nicht, deß freundlich-süße Schatten

Mich jeder kleinern Lust entfremdet hatten.[20]

 

II

Himmelerkorne Seele du, o werthe

Und selige, die du im Kleid der Erden

Leicht wandelst, nicht wie Andre schwer beladen,

Daß minder hart der Weg dir müsse werden, –

Du gottgeliebte Magd und treubewährte, –

Wo es von hinnen geht zum Reich der Gnaden!

Dein Nachen, sieh', der auf der Rettung Pfaden[20]

Der blinden Welt bereits den Rücken wandte,

Bessern Port zu erlangen,

Hat süßen Trost westlichen Winds empfangen,

Der mitten durch des Thales dunkle Lande,

Wo wir ob eignem Wahn und fremden bangen,

Auf dem geradesten der Pfad' ihn sendet,

Ledig der alten Bande,

Zum wahren Osten, dem er zugewendet.

 

Der brünstigen Gebethe Liebespenden,

Die frommen Thränen Sterblicher hienieden,

Sind sie gelangt auch vor die höchste Gnade,

War ihnen doch nicht Kraft genug beschieden,

Die ewige Gerechtigkeit zu wenden

Durch ihr Verdienst allein von ihrem Pfade;

Doch Er, der droben waltet voller Gnade,

Zur Stätte, da er ward an's Kreuz geschlagen,

In Huld den Blick er senket.

Drob sich das Herz dem neuen Carlo lenket

Endlich zur Rach', an deren lang Vertagen

Viel Jahre noch Europa seufzend denket.

Für seine Braut nun zieht er aus, die Traute,

Daß Babel trauern, zagen

Muß bey des bloßen Rufes ernstem Laute.

 

Die zwischen dem Gebirg' und der Garonne,

Die zwischen Rhein und Rhon' und salz'gem Meere

Folgen den allerchristlichsten Panieren;

Und all', so zugethan der wahren Ehre,

Von Pyrenä'n zum Niedergang der Sonne,

Aus Aragon und Spanien sich verlieren;

England auch und die Inseln all' sich rühren[21]

Im Meer zwischen den Säulen und dem Wagen;

Endlich auch die, so hören

Des heil'gen Helikon erhab'ne Lehren,

Verschieden all' an Waffen, Tracht und Sprachen,

Treibt fromme Liebe zu dem Kampf der Ehren. –

Wo gab's so würd'ge Liebe je zu schauen?

Und nimmer ward getragen

Gerechtrer Zorn um Söhne so als Frauen?

 

Es ist ein Theil der Welt, wo festgefroren

So Schnee als Eis zu allen Zeiten thronet,

Fernab weit von der Sonne Bahn gelegen;

Da unter neblig kurzen Tagen wohnet,

Zu Streiteslust von der Natur erkoren,

Ein Volk, das froh dem Tode sieht entgegen.

Wenn dies mit Deutschem Wüthen sich den Degen

Umgürtet, frömmer, als es sonst gepflogen,

Wirst du den Unwerth schauen

Der Türken, Araber und die die Auen

Diesseits der See mit blutigrothen Wogen

Bewohnen und auf fremde Götter bauen;

Ein nackt, elendes Volk, furchtsam, verdrossen,

So nie ein Schwert gezogen,

Die Winde nur bekämpft mit den Geschossen.

 

Drum ist es Zeit, den Nacken zu entziehen

Dem alten Joch, den Schleyer zu zerreißen,

Der unser Aug' in Banden lang gehalten!

Es muß dein Geist, den, hold sich zu erweisen,

Der Himmel durch Apollo dir verliehen,

Und dein beredter Mund sein mächtig Walten

In Wort und vielgepries'ner Schrift entfalten.

Können Amphions, Orpheus Zaubertöne[22]

Kein Staunen dir entringen,

So minder, wenn bey deiner Red' Erklingen

Italia erwacht und ihre Söhne,

Daß sie für Jesus kühn die Lanze schwingen.

Denn will die alte Mutter Wahrheit wissen,

Nie hat so freundlich-schöne

Veranlassung sie in den Kampf gerissen.

 

Du, der du hast, nach werthem Reichthum langend,

So alt' als neue Bücher durchgespüret,

Mit ird'schem Leib' zum Himmel dich geschwungen,

Du weißt es, wie, seit Mavors Sohn regieret,

Bis zu Augustus, der im Lorbeer prangend

Dreymahligen Triumphzug sich errungen,

Rom Andern oft mit seinem Blut erzwungen

Freundlich des fremden Uebermuths Beseit'gung.

Wär's minder nun zu loben,

Wenn es, wo freundlich nicht, doch fromm erhoben

Das Rachschwert gegen sündliche Beleid'gung

Mit dem glorreichen Sohn Mariens droben?

Was hoffen denn die Scharen noch der Feinde

Von menschlicher Vertheid'gung,

Wenn Christus steht in Mitten seiner Freunde!

 

Denk' an des Xerxes tollverwegen Handeln,

Der, unsre Küsten feindlich zu erwerben,

Mit neuen Brücken Schmach dem Meer bereitet;

Und sehen wirst du ob der Gatten Sterben

Die Perserfrau'n in schwarzem Kleid umwandeln,

Blutig das Meer von Salamis gebreitet.

Und nicht allein solch' schmählich Schicksal deutet

Wie dort des Ostens armes Volk erfahren,[23]

Auf nahe Siegesklänge;

Auch Marathon und jene blut'ge Enge,

Die Sparta's Leu verfocht mit kleinen Scharen,

Und Anderes, so du gehört, in Menge,

Drum mußt vor Gott du Herz und Kniee beugen,

Daß er in deinen Jahren

So Herrliches dir gnädig wollt' erzeigen.

 

Du wirst Italien und ein ruhmvoll Ufer,

Canzone, sehn, das meinem Blick verdecket

Der Strom nicht, noch das Meer, noch Bergeshöhen,

Nur Amor, der mit seiner Strahlen Wehen,

Je mehr er zündet, mehr der Sehnsucht wecket;

Denn gegen Neigung kann Natur nicht stehen.

Nun eil', eh' die Genossen dir entschwinden!

Amor, der Thränen wecket

Und Freude, wohnet nicht bloß unter Binden.[24]

 

III

Ob grün, roth, pfirschblüthfarben her sie schreite,

Sie muß vor Allen ragen;

Nicht ist, der goldnes Haar, kunstreich verschlungen,

Wie ihr sich reihe, Die mein Herz befangen,

Die dergestalt mich von der Freyheit Höhen

Hinweg will heben, Daß mir nimmer eigen

Ein Joch, so leichter fiele.

 

Und wie der Geist sich rüste und bereite,

Von Rath entblößt zu klagen,

Wenn Schmerzen ihn mit Zweifeln bang durchdrungen;

Des Auges Weihe Zähmet sein Verlangen,[24]

Daß jedes Wahnsinns Entwurf muß verwehen,

Und Zornes Weben Alsobald sich neigen

Vor süßer Augen Spiele.

 

Wie viel durch Amor ich ertrug bis heute,

Wie viel ich noch zu tragen,

Bis sie das Herz mir heilt, die es bezwungen,

Die stolze Feie, So es hält gefangen; –

Kömmt Rache doch, schließt dem demüth'gen Flehen

Nicht Widerstreben Oder stolz Bezeigen

Den Pfad kurz vor dem Ziele.

 

Doch Tag' und Stunde, wo mein Aug' erfreute

Des ihren lieblich Tagen,

Das mich von da, wo Amor wohnt, verdrungen,

Erschuf das neue, Wehevolle Bangen;

Und sie, nach welcher liebend Alle spähen,

Nur die nicht beben, So dem Steine gleichen

In starrem Herzgefühle.

 

Die Thräne, – wie sie auch dem Aug' entgleite,

Ob Wunden, die geschlagen

In's Herz des ersten Blickes Huldigungen,

Treibt nicht der Reue Gluth mir in die Wangen.

Und der Gerechte wird mir zugestehen:

Ihr seufzt mein Leben, Billig muß sich's zeigen,

Daß sie die Wunde kühle.

 

Ich liege ewig mit mir selbst im Streite:

Mit theurem Schwert erschlagen

Fiel eine schon, von gleichem Schmerz bezwungen.

Auch will ich Freye Nicht von ihr empfangen;

Denn gräder mag kein Weg zum Himmel gehen,[25]

Und Niemand streben Nach der Sel'gen Reichen

Auf dauerhafterm Kiele.

 

Heil Stern', euch, die als die beglückte Seite

Die schöne Frucht getragen,

Sie als Genossen liebevoll umrungen,

Die unserm Maye Himmlisch aufgegangen,

Ein Stern; wo grün wie Lorbeer stets zu sehen

Der Tugend Leben, Wo nicht Blitze steigen,

Noch bösen Windes Schwüle.

 

Wohl weiß ich, daß, wie einer sich bereite

Ihr Lob im Lied zu sagen,

Es doch der besten Hand nie wär' gelungen.

Wer mag in Treue Merken, all' umfangen

Die Güt' und Schönheit, wer sie je gesehen

In Augen weben, Aller Tugend Zeichen,

Schlüssel meiner Gefühle?

 

Das Leben Hat kein Pfand Amor'n zu reichen,

So mehr, als Ihr, o Donna, ihm gefiele![26]

 

IV

Es hält sich ach! mein jammervolles Leben

An also schwachen Faden,

Daß, hilft mir nicht in Gnaden

Ein Andrer, bald es seinen Lauf vollendet.

Denn seit ich mich mit schwerer Schuld beladen,

Von ihr hinwegbegeben,

Ihr, meinem süßen Leben,

Hat eine Hoffnung nur mir Trost gespendet,

Sprechend: »Dir ward entwendet[26]

Der Schein geliebter Wangen;

Doch, Armer, laß dein Bangen!

Was weißt du, ob nicht einst sich beßre Zeiten

Und schön're dir bereiten,

Ob dann nicht wiederkehrt, was jetzt vergangen?« –

Die Hoffnung hat mich kurze Zeit erhalten;

Jetzt nimmt sie ab und will mit mir veralten.

 

Es geht die Zeit dahin, und nach wie ehe

Fliehen so schnell die Stunden,

Daß ich nicht Zeit gefunden,

Nur zu bedenken, wie zum Tod' ich eile.

Kaum hat in Osten sich ein Strahl entzunden,

Als ich gelangt ihn sehe

Zur gegenseit'gen Höhe

Auf langen Pfades vielgekrümmter Zeile.

Kurz ist des Lebens Weile,

Und also schnell erkaltet

Des Erdners Leib und altet,

Daß, seh' ich, wie von ihres Auges Frieden

Ich also weit geschieden,

Und wie sich matt der Sehnsucht Schwing' entfaltet,

Ich des gewohnten Trostes viel entbehre,

Unwissend, ob noch lang dies Leben währe.

 

Wo mir nicht leuchtet ihres Auges Minne,

Muß ich in Schmerz erkranken;

Zu freundlichen Gedanken

War es durch Gott der Schlüssel mir. Drum stehen

Zu härt'rer Pein mir der Verbannung Schranken.

Und was ich auch beginne,

Nichts Anderes ich sinne;[27]

Und nichts gefällt, was ich nach ihm gesehen.

Wohl hinter Meer und Seen

Und dunkler Berge Schwärze

Verschwand des Auges Kerze,

Wie heitre Mittagsbläue mir zu schauen

In meiner Nächte Grauen,

Daß um so mehr mich die Erinn'rung schmerze.

Wie da mein Leben war so voll der Freuden,

Lehrt mich das gegenwärt'ge bange Leiden.

 

Weh! wenn sich jenes glühende Verlangen

Durch Reden neu entbindet,

So damahls sich entzündet,

Als ich dahinten ließ das beste Meine;

Und wenn durch lang Vergessen Liebe schwindet, –

Was konnte mich bethören,

Klagend mein Leid zu mehren?

Warum verstumm' ich nicht zu todtem Steine?

Wohl zeigt Krystalles Reine

Und Glas von außen nimmer

Verborgner Farbe Flimmer,

Wie hell und wahr der zagen Seele Qualen

Im Auge mir erstrahlen,

Und hoher, herzensinn'ger Liebe Schimmer,

Im Auge, das, begierig stets nach Thränen,

Befriedigung nur suchet seinem Sehnen.

 

Wohl manchem – seltsam! – mag es Lust gewähren,

Wie häufig sich erwiesen,

Das sorgsam zu erkiesen,

Was Seufzer sammelt in gedrängtem Schwarme.

So freut's auch mich, wenn meine Thränen fließen[28]

Und drängt mich, zu begehren,

Daß schwanger sey von Zähren

Mein Auge stets, so wie mein Herz von Harme

Und weil ich leicht erwarme,

So ich der Augen Helle

Gedenk', und nichts so schnelle

Mich rühret und ergreift in meinem Wesen,

So kann ich nur genesen,

Wo reichlicher mir strömt des Leidens Quelle.

Drum ist so Aug' als Herzen Weh bereitet,

Weil auf der Liebe Pfad sie mich geleitet.

 

Die goldnen Flechten, die mit lichtem Prangen

Der Sonne Neid erregen;

Des Blickes milder Segen,

In dem so warm der Liebe Strahlen glühen,

Die vor der Zeit zu sterben mich bewegen;

Die Wort' in Geist empfangen,

Wie nirgend sie erklangen,

Die mir sich einst so liebevoll geliehen, –

Sie sind dahin! Verziehen

Wär' jedes andre Wehe,

So lang' ich treu mir sähe

Des Engelgrußes Mild' und unbenommen,

Mit dem mir stets gekommen

Ein heißes Sehnen nach der Tugend Höhe,

So daß ich nimmer was zu hören denke,

Was Andres mir in's Herz als Jammer senke.

 

Und daß ich klagend mehr der Lust enthülle –

Die Hände zart gestaltet,

Der Arme Zier entfaltet,

Ihr Wesen voll von holdem Selbstvertrauen,[29]

Den Zorn, in dem so Stolz als Demuth waltet,

Des Busens Jugendfülle,

Erhab'ner Einsicht Hülle,

Verbergen diese Alpen mir, die rauhen.

Wer weiß, werd' ich sie schauen,

Bevor zur Grub' ich fahre.

Zwar wuchs seit manchem Jahre

Die Hoffnung; doch zu schwach, um fest zu stehen

Zeigt sie im Untergehen,

Daß, die der Himmel ehrt, ich nie gewahre,

Wo Ehrbarkeit so wohnt, als holde Sitte,

Und wo von Gott ich Wohnung mir erbitte.

 

Canzone, siehst Madonna

Du an dem Ort, dem süßen,

Meynst du vielleicht, zum Grüßen

Biethe sie dir die schöne Hand in Eile,

Von der so fern ich weile.

Doch nimm sie nicht; demüthig ihr zu Füßen

Sag', daß mit nächstem ich bey ihr erscheine,

Sey es ein Geist, sey's Mensch von Fleisch und Beine.[30]

 

V

Zur Zeit, wann schnell der Himmel niedergleitet

Gen Westen, und der Tag zu Menschen fliehet,

Die dort vielleicht erwarten seine Helle, –

Wenn da in fernem Land' allein sich siehet

Ein altes pilgernd Mütterchen, so schreitet

Behend sie vorwärts mit zwiefacher Schnelle,

Und dann gelangt zur Stelle,

An ihrer Tagfahrt Ende,

Wird ihr des Trostes Spende[30]

In kurzer Ruhe, wo so Fahr als Mühen

Des langen Wegs ihr aus dem Sinn entfliehen.

Mir aber, weh! – Des Tages herbe Qualen,

Sie wachsen nur, entziehen

Sich mir des ew'gen Lichtes goldne Strahlen.

 

Wann niederwärts der Sonne Räder kreisen

Die flammenden, um Platz der Nacht zu schaffen,

Und größre Schatten von den Bergen wallen,

Erhebt der karge Pflüger seine Waffen,

Im Zwiegespräch, bey ländlich rauhen Weisen

Fühlt jede Last er von dem Herzen fallen,

Und dünkt sich reich vor Allen

Bey karggefüllter Schale,

Gleich jenem Eichelmahle,

Das keiner mag und alle hoch erheben.

Es freue sich, wem Freude ward gegeben!

Nur kann ich keine frohe Stund' ersiegen,

Ja keine still durchleben,

Nicht durch des Himmels noch der Sterne Fügen.

 

Der Hirt auch, wann sie sinkt, die Strahlenhelle

Des großen Sterns zu ihrem Ruhebette

Und fern in Ost der Dämm'rung Schleyer hängen,

Macht er sich mit dem Stab' auf von der Stätte,

Indem er Gras und Buchen läßt und Quellen,

Treibt seine Heerd' er aus des Thales Engen.

Fern von der Menschen Drängen

In Hüttchen oder Klüften,

In grünen Laubes Düften

Dehnt er sich dann und schlummert ohne Thränen. –

Du, böser Amor, lehrst mich andres Sehnen,

Dem Wilde nachzuspähn, das mich vernichtet,[31]

Dem Tritt, der Spur, den Tönen,

Und bindest's nicht, wann es sich birgt und flüchtet.

 

Piloten auch, die sichre Bucht begrüßten,

Ausstrecken sie am Abend ihre Glieder,

Auf rauhen Matten süßen Schlaf zu finden;

Mir aber, ach! – wohl taucht sie tiefer nieder

In's Meer, bis hinter ihr Hispania's Küsten,

Marokko, Granada, die Säulen schwinden:

Die Menschen all' verwinden,

Das Thier so als die Erde,

Wohl jegliche Beschwerde; –

Mir aber ward ein dauernd Leid bescheeret,

Das – weinend seh' ich's – jeder Tag vermehret,

Seit wachsend mich wohl bald im zehnten Jahre

Der Sehnsucht Gram verzehret,

Und ich nicht weiß, wer mich davor bewahre.

 

Und – weil durch Red' Erleicht'rung mir gekommen –

Ich seh' die led'gen Stier' am Abend kehren

Vom Felde heim und umgepflügten Lehnen;

Warum kann ich des Leids mich nicht erwehren?

Warum wird mir das Joch nicht abgenommen?

Warum schwimmt Tag und Nacht mein Aug' in Thränen?

Was mocht' ich Armer wähnen,

Als ich zuerst so nahe

In's schöne Antlitz sahe,

Um es im Geiste theilweis zu gestalten,

Aus dem es nicht durch List noch durch Gewalten

Gerissen wird, bis Er, der alles störet,[32]

Zur Beute mich erhalten.

Und weiß ich, was alsdann mir widerfähret?

 

Canzone, hat mein Wesen

Der Tag, da du verweilet

Bey mir, dir mitgetheilet,

Wirst du dich nicht an jedem Orte zeigen,

Noch lüstern dich nach fremdem Lobe neigen;

Genug, singst du von Berg zu Bergesspitze,

Wie mich des lebensreichen

Gesteines Gluth verzehrt, so meine Stütze.[33]

 

VI

Du edler Geist, der du den Leib regierest,

Wo während seiner Pilgerschaft verweilet,

Ein tapfrer Herr, erfahren, klug und weise,

Nun dir der ehrenvolle Stab ertheilet,

Mit dem du Rom und seine Irren führest

Und sie zurückrufst zu dem alten Gleise,

Red' ich zu dir, weil rings umher im Kreise

Der Tugend Strahlen all' ich seh' verschwunden,

Und Keinen, der vor böser That erbebe.

Nicht weiß ich, was Italien erstrebe,

Das nicht zu kennen scheinet seine Wunden,

Alt, träg und laß. Gebunden

Vom Schlaf, wird es sich jemahls wecken lassen?

O könnt' ich seine Locken nur erfassen! –

 

Ich hoffe nicht, daß jemahls aus dem trägen

Schlummer es sich ermuntert werd' erheben,

So große Lasten sind's, die auf ihm liegen.

Doch nun ist deinen Händen übergeben,[33]

Die kräftig aufzurütteln es vermögen,

Rom, unser Haupt, nicht ohne höh'res Fügen.

Laß deine Hand mit Sicherheit sich wiegen

Auf seinem Haar und den zerstreuten Flechten,

Daß aus dem Schlamm gemach die Faul' erstehe.

Auf dich vertrau' ich ganz, der ich ihr Wehe

Den Tagen jammernd künde und den Nächten.

Wenn Römer je gedächten,

Nach eignem Ruhm die Augen aufzuschlagen,

Gebührt solch Heil, dünkt mir, nur deinen Tagen.

 

Die alten Mauern, welche scheut und liebet

Die Welt, wenn sie der Zeiten, so verflossen,

Gedenkt und dessen, was hinabgegangen;

Die Stein' auch, so die Glieder einst umschlossen

Von solchen, die, so lange nicht zerstiebet

Der Weltenbau, in lichtem Ruhme prangen,

Und alles das, was ein Ruin umfangen,

Hofft bald durch dich zu heilen jede Wunde.

O, treuer Brutus, große Scipionen,

Wie muß, wann sie euch kommt, mit Lust euch lohnen

Vom wohlvertrauten Amt die schöne Kunde!

Dann wird mit frohem Munde

Fabricius auch, die große Mähr zu preisen

Rufen: »Nun wird mein Rom recht schön erst heißen!«

 

Und, wenn der Himmel kennt der Erde Sorgen,

Die Seelen, die als Bürger droben stehen

Und ihre Leiber abgestreift hienieden,

Dich um des langen Haders Ende flehen,

Bey dem die Völker nimmermehr geborgen;

Drum werden ihre Tempel so gemieden,[34]

Die, einst geweiht der frommen Andacht Frieden,

Nun Höhlen sind, wo Räuber finster schreiten,

Die jedem Besseren den Eingang wehren,

Und zwischen nackten Bildern und Altären

Des finstern Aufruhrs grauses Werk bereiten.

Weh, wie so andre Zeiten!

Beym Ton der Glock' erhebt sich Kampfes Toben,

Die hoch einst aufgehangen, Gott zu loben.

 

Jammernde Frauen, all' die Unwehrbaren

Von zartem Alter, nebst den müden Greisen,

So Lebens Langweil' und sich selber hassen,

Die schwarzen Brüder, wie die grau und weißen,

Und all die schwachen, mühevollen Scharen

Rufen: »O Herr, hilf, woll' uns nicht verlassen!«

Und dort die Armen, Zagen, Todesblassen,

Zu Tausenden der Wunder sie enthüllen,

Die einen Hannibal selbst müßten schmerzen.

Liegt dir nun Gottes brennend Haus am Herzen,

Lösch' wenig Funken nur mit treuem Willen,

Und plötzlich wirst du stillen

Die wilde Gier, die Flammen werden weichen,

Dein Lob erschallen in des Himmels Reichen.

 

Die Bären, Adler, Schlangen, Wölf' und Leuen

Sind einer großen Marmorsäul' zur Plage,

Wodurch sie selber Schmach und Weh sich bringen.

Drob führet jene werthe Herrinn Klage,

So dich berufen hat, sie zu befreyen

Von blüthelosen, bösen Pflanzenschlingen.

Wohl mehr als tausend Jahre schon vergingen,

Seit ihr die Bessern fehlten, hold und gütig,

Die sie erhoben, wo sie noch zu sehen.[35]

Ein neu Geschlecht ach! seh' ich stolz sich blähen

Gegen der Mutter Haupt unehrerbiethig.

Vater, Gemahl! Einmüthig

Erwarten Hülfe All' von deiner Stärke!

Der größre Vater denkt auf andre Werke.

 

Selten geschah es, daß mit hohem Mühen

Das ungerechte Schicksal sich vertragen,

Das kühnem Handel ungern sich gesellet.

Nun da die Bahn dir seine Arme brachen,

Sey vieles andre Unrecht ihm verziehen,

Da mindest hier es mit sich selbst zerfället;

Dieweil kein Sterblicher so hoch gestellet,

Wie du, seit Menschendenken, aufzudringen

Auf offnem Pfad zu Ruhmes ew'gem Leben.

Die schönste Monarchie kannst du erheben,

Ein herrlich Tagwerk, seh' ich recht, vollbringen.

Wie rühmlich wird's dann klingen:

»Die Andern halfen ihr, der starken, jungen;

Der hat im Alter sie dem Tod entrungen!«

 

Im Capitol such' einen Herrn, Canzone,

Den ganz Italien ehrt aus einem Munde,

Der mehr an Andr', als an sich selber denket;

Sprich: »Einer, dem noch nimmer ward geschenket

Dein Anblick, wie wer liebt nach bloßer Kunde,

Sagt, daß zu jeder Stunde

Mit Augen, die in Schmerz gebadet stehen,

Um Huld dich Roma's sieben Hügel flehen.«[36]

 

VII

Weh mir, der ich nicht weiß, wohin sich wenden,

Die Hoffnung soll, die oft mich schon bethöret!

Denn, wenn nicht ist, der mich in Mitleid höret,

Warum des Flehns so viel gen Himmel senden?

Doch trüg' sich's zu, daß mir vergönnt, zu enden,

Vor meinem letzten Tage

Diese armsel'ge Klage,

So möge mir mein Herr Verzeihung spenden,

Sprech' ich bey Gras und Blüthen mitten inne:

»Wohl recht und fein ist Sang von süßer Minne!«

 

Ja recht ist, daß zuweilen sich mein Schweigen

Auflös' in Sang, da ich so lang gestöhnet,

Und nimmer früh genug mein Lied ertönet,

Um solches Weh durch Scherzen auszugleichen.

Könnt' ihrem Aug' ich nur, dem Unschuldreichen,

Durch süßer Rede Minnen

Erheiterung gewinnen,

O! Keiner sollt' an Glück sich mir vergleichen,

Zumahl könnt' ohne Lug ich also sagen:

»Madonna bittet, darum will ich's wagen!«

 

Die ihr, o heiße Wünsch', in Wahnes Schlinge

Mich führet, daß so Hohes ich beschlossen,

Seht, wie Madonna's Herz von Erz umgossen,

Daß ich mit eigner Kraft es nicht durchdringe.

Wohl achtet es die Stolze zu geringe,

Daß sie mein Flehn erfülle,

Weil es nicht Gottes Wille,

Mit dem ich länger nicht vergebens ringe.[37]

Darum, wie ich im Herzen mich verhärte,

»So herrsch' in meinem Wort' auch rauhe Härte.«

 

Was red' ich? wohin hab' ich mich verloren?

Wer täuscht mich, als ich selbst und groß Verlangen?

Des Himmels Kreise hab' ich all' durchgangen;

Zum Leiden hat mich kein Planet erkoren.

Wenn Erdenschleyer meinen Blick umfloren,

Nicht thun's der Sterne Ringe,

Noch andre schöne Dinge.

Mir folget Tag und Nacht, was sich verschworen

Zu meinem Weh, seit mir die Ruhe stahlen

»Ihr holdes Bild, des Auges milde Strahlen.«

 

Ein jeglich Ding – was auch den Weltkreis schmücke –

Ist gut aus seines Meisters Hand geflossen;

Doch mich, dem sich das innre Seyn verschlossen,

Mich blendet, was ich Schönes rings erblicke,

Und kehr' ich je zum wahren Glanz zurücke,

Nicht kann das Aug' ihn dulden,

So haben's eigne Schulden

Der Kraft beraubt, nicht jenes Tages Glücke,

Da ich zu ihr die Augen aufgeschlagen

»In meines ersten Alters süßen Tagen.«[38]

 

VIII

Es eilen unsre Tage,

Und bangend mißt der Geist des Werkes Schwere;

Drum kann ich jenen nicht, nicht diesem trauen.

Doch, wo ich es begehre,

Da wird verstanden, hoff' ich, meine Klage,[38]

Die lautlos ruft durch Berge und durch Auen.

Euch, wo ein Nest sich Amor pflegt zu bauen,

Euch, süße Augen, will mein Griffel preisen;

An sich nur träg spornen ihn große Wonnen.

Und wer von euch begonnen,

Den wollt ihr in der Kunst auch unterweisen,

Von Lieb' emporgetragen,

Sich des Gemeinen Banden zu entreißen.

Von ihr beflügelt will ich Dinge sagen,

Die lang' im Herzen mir verborgen lagen.

 

Zwar hab' ich nicht vergessen,

Wie mein verkleinernd Lob euch widerstrebet;

Doch unterlieg' ich der Begierd' im Streiten,

Die mir im Herzen lebet,

Seit ich gesehn, was kein Gedank' ermessen,

Geschweige, daß es Sprache könnte deuten,

Quell meines Seyns voll Schuld und Süßigkeiten!

Wohl weiß ich, daß nur ihr mich ganz ergründet.

Werd' ich zu Schnee in eurer Strahlen Brande,

Vielleicht, daß meine Schande

In euch dann einen edeln Zorn entbindet.

Ach! ging in solchen Leiden

Vorüber nicht die Gluth, so mich entzündet,

Stürb' ich wohl gern; denn lieber will ich scheiden

In ihrer Näh', als leben und sie meiden.

 

Und steh' ich unvernichtet

So schwaches Wesen an so mächt'gen Flammen,

So ist, was mich erlöst, nicht eigne Schwäche;

Die Furcht nur hält zusammen,

Die mir das wilde Blut zu Eis verdichtet,

Mein Herz, damit es um so länger breche.[39]

O Hügel, Thäler, Wälder, Fluren, Bäche,

Die Zeugen meines Jammers ihr gewesen,

Wie oft habt ihr den Tod mich rufen sehen!

Ach, Schicksal voll der Wehen!

Verweilen schmerzt und Flucht kann nicht erlösen.

Doch zügelte nicht grade

Mich größre Furcht, wollt' ich wohl bald genesen,

Von meinem herben Leid auf kürzerm Pfade;

Sie trüg' die Schuld, die sonder Lieb' und Gnade.

 

Warum führt ihr, o Schmerzen,

Vom Weg mich ab, was ich nicht will, zu sagen?

Laßt mich, wohin sich meine Wünsche neigen!

Nicht will ich mehr euch klagen,

Ihr Augen mild, ihr lichten Himmelskerzen,

Noch ihm, dem solches Netz mich gab zu eigen.

Ihr seht, wie Amor ach! der Liebe Zeichen

Vielfarbig oft mir mahlt auf meine Wangen,

Und könnt errathen, wie er innen schaltet,

Wo Tag und Nacht er waltet,

Mit jener Kraft, die in euch aufgegangen,

Euch frohen, sel'gen Sternen,

Noch sel'ger, sähet ihr das eigne Prangen.

Doch kehrt ihr euch zu mir aus euren Fernen,

Könnt, was ihr seyd, an Anderen ihr lernen.

 

Vermöchtet ihr, der hehren,

Göttlichen Schönheit Kund' euch zu erwerben

Wie einer, dem ihr Anblick ward geschenket,

Es müßt' in Lust ersterben

Das Herz; vielleicht muß solches drum entbehren

Die Kraft, die eure Wimpern hebt und senket.

O selig der, der eurer seufzend denket,[40]

Ihr Himmelsstern', um die mit Lust ich trage

Mein Leben, das um nichts mich sonst erfreuet!

Warum so karg verleihet

Ihr das, wovon ich nimmer g'nug erjage?

Mich peinigt Amors Tücke;

Warum nicht öfter seht ihr, wie ich zage?

Und freu' ich mich einmahl in seltnem Glücke,

Warum doch raubt ihr mir's im Augenblicke?

 

Wohl darf ich's nicht verschweigen,

Oft läßt mich eure Huld im tiefen Herzen

Ein neues, ungewohntes Glück empfinden.

Dann fliehen alle Schmerzen,

Die peinlich lastend mich daniederbeugen,

Daß einer nur von Tausenden zu finden.

Das nur, sonst nichts, kann mich an's Leben binden.

Und ach! wenn solches Glück nur dauernd wäre,

Kein Zustand möchte sich mit meinem messen!

Doch könnte mich vermessen

Und Andre neidisch machen solche Ehre;

Drum muß es ach! geschehen,

Daß jede letzte Freud' in Schmerz sich kehre:

Des Herzens Flammen müssen all verwehen;

Ich kehre um und lerne in mich gehen.

 

So hüllenlos und offen

Zeigt sich in euch verborgner Liebe Stärke,

Daß aus dem Herz all' andre Lust sie ziehet.

Drum zeug' ich Wort' und Werke

So trefflich dann, daß mir vergönnt, zu hoffen,

Nicht werd' ich sterben, wenn der Leib verblühet.

Erscheinet ihr, Kummer und Angst entfliehet,

Und geht ihr, muß auf's Neu das Herz erkranken.[41]

Weil aber das Gedächtniß liebernähret

Den Ausgang ihnen wehret,

Dringen sie nicht aus letzter Theile Schranken.

Drum, reift an meinen Zweigen

Gesunde Frucht; der Sam' ist euch zu danken.

Ich selbst muß mich wie eine Oed' erzeigen;

Ihr baut sie und der Preis ist euer eigen. –

 

Nicht sänftigst du, Canzone; du entflammest,

Was mich mir selbst entwendet, zu verkünden,

Drum glaub' es mir, du wirst Genossen finden.[42]

 

IX

Euch, edle Herrinn, flimmert

Am Aug' ein Licht, holdselig zu gewahren,

Das mir den Weg hinan zum Himmel kläret,

Und durch ein lang Erfahren

Seh' ich das Herz, wie da hindurch es schimmert,

Wo ich allein mit Amor eingekehret.

Der Anblick ist es, der mich Tugend lehret,

Daß ruhmvoll einst ich von der Erde scheide;

Nur er hat mich erhoben ob der Menge.

Der Sprache nie gelänge,

Zu künden, wie die Himmelslichter beyde

In's Herz mir Wonne gießen,

So, wenn die Flur erstarrt im Winterkleide,

Als wenn im jungen Lenz die Blumen sprießen,

Wie sich's in meiner Noth Beginn erwiesen.

 

Oft sprech' ich in Gedanken:

Wenn er, der ob den Sternen ewig waltet,

Der seine Macht schon gnädig zeigt hienieden,[42]

Gleich Schönes dort entfaltet,

So öffnet euch, ihr meines Kerkers Schranken,

Die mich vom Pfad zu solchem Glück geschieden! –

Drauf aber, mit dem alten Krieg zufrieden,

Dank' ich Natur und meines Werdens Tage,

Die mich zu solchem Gute aufgehoben,

Und ihr, die mich umwoben

Mit solcher Hoffnung, der mir selbst zur Plage

Ich bis dahin gelegen. –

Seit ich die süße Freud' im Herzen trage,